Halbe Paraden bei schiefem Pferd unnütz?

Rund um die klassische Reitkunst

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Josatianma
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Halbe Paraden bei schiefem Pferd unnütz?

Beitrag von Josatianma »

Ich möcht hier gerne mal ein Zitat zur Diskussion stellen:
Der Ausbilder hat stets darauf zu achten, dass sein Pferd völlig gerade gerichtet ist, bevor er vom Pferd eine halbe Parade verlangt. Bei einem schiefen Pferd würde diese halbe Parade zu nichts führen
(Stefan M. Radtke - Klassische Reitkunst im modernen Dressursport, S. 83)

In den Kapitel geht es allgemein um die halbe Parade und ihre Wirkungsweise.

Seht ihr das genauso? Danach wäre es doch dann nicht möglich mit einem Pferd in der Grundausbildung (Takt, Schwung, Losgelassenheit) bereits halbe Paraden zu reiten.

Dazu vielleicht noch als zusätzliches Zitat, die Definition des Herrn Radtke zur halben Parade:
Die halbe Parade bewirkt nicht nur den Übergang von einer Gangart in eine kürzere und das Regulieren des Tempos innerhalb einer Gangart, sonder auch das Versammeln der Gangart.
Liebe Grüße, Sabine

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Saludos,
offen gestanden: Das sehe ich mehr als kritisch.
Für mich sind die halben Paraden vor allem eins: Das Zusammenwirken ALLER Hilfen. Sie veranlassen ja nicht zuletzt das Pferd auch zum vermehrten Untertreten. Zudem bringen die HP das Pferd gleichmäßig an den Zügel – für mich ganz wichtig, um an der Geraderichtung zu arbeiten.
Was mich mal interessieren würde: Was tut der Autor denn stattdessen?

LG
Andrea
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

@Cubano: Das hat er nicht geschrieben. 8)
Liebe Grüße, Sabine

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Das ist schade. Ich kann mir nämlich so gar nicht vorstellen, wie man irgendein Pferd unterm Sattel ohne halbe Paraden ausbilden will…
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Wenn man die halbe Parade nach Richtlinien-Definition versteht als "...Einschließen des Pferdes zwischen den Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen...", liegt es nahe, dass ein schiefes Pferd dadurch schiefer wird, statt sich aufzuwölben.
Eine krumme Feder wird ja auch krummer, wenn man vorne zieht und hinten schiebt.
Das würde ich aber nicht so verstehen, dass man bei jungen Pferden darauf verzichten muss. Sondern man muss halt dafür sorgen, dass das Pferd in dem Moment der halben Parade nicht mit einem Hinterbein am Gewicht vorbei tritt, oder über eine Schulter wegschiebt.

PS. Ich habe die halbe Parade ehrlich gesagt seit längerem ausgeblendet, weil ich mich bemühe, "Beine ohne Hand, Hand ohne Beine" einzusetzen.
Wie seht ihr das? Welche Rolle spielt die halbe Parade eigentlich in der klassischen Reiterei?
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

...also ich reite ja nun hier im fernen Spanien ganz bewusst nach der SdA. Und irgendwie wird bei der Beschreibung der HP immer eines sehr gern vergessen: das Nachgeben. Es ist nämlich nicht so, dass man das Pferd wie in einen Schraubstock zwischen Gewicht, Bein und Zügel einsperrt (was mir auch viel zu anstrengend wäre :D), das sind bestensfalls lediglich Impulse. Und: Nö, auch in der FN wird im Normalfall nicht gleichzeitig getrieben und vorn festgehalten. Im Umkehrschluss glaube ich auch nicht, dass ein Anhänger der französischen Schule die Zügel wegwirft, wenn er den treibenden Impuls anwendet :D Auch da bleibt der Kontakt zur Reiterhand doch bestehen.
Davon abgesehen: in meinen Augen erreiche ich das Wölben des Rückens – wobei die HP durchaus eine große Rolle spielen – nur, indem der Spannungsbogen zwischen Reiterhand und Hinterhand des Pferdes aktiv bleibt.
Von daher würde mich auch interessieren, wie und ob die Anhänger der französischen Schule die HP denn reiten? Und falls sie keine halben Paraden anwenden, was alternativ…
Fliehendes Pferd
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Beitrag von Fliehendes Pferd »

Wie Barbara schon richtig geschrieben hat, in dem Moment der halben Parade muß das Pferd gerade sein. Das geht auch bei einem jungen Pferd. Wie man ohne halbe Paraden reitet ? Weiß ich nicht. Geht nur mit. Den "Spannungsbogen" kann man nicht anders erhalten.
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Ich habe zum Thema ein paar interessante Passagen aus dem Buch von Paul Belasik gefunden:
"...eine Technik (...), mit der er das Gleichgewicht innerhalb einer Gangart wiederherstellen kann. (...)
Es gibt endlose Beschreibungen von Zügelhilfen (...und)... treibenden Hilfen. Diese Beschreibungen sind (...) deshalb so unterschiedlich, weil jede Einwirkung und ihre Intensität vom Pferd abhängt: Was braucht dieses Pferd, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen? (...)
Die besten halben Paraden wirken wie das Descente de Main - ein kurzes Innehalten, während die Hinterhand vermehrt untertritt."

Und, zum Thema Geraderichten:
"Geht das Pferd schief, kann man die halbe Parade asymmetrisch ausführen und auf eine Körperhälfte stärker einwirken."
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Sinn einer halben Parade ist ja das Hinterbein zu mehr Untertritt zu bewegen, hauptsächlich durch die treibende Schenkelhilfe. Diese muss ihre Bedeutung im Laufe der Ausbildung von "Vorwärts!" zu "Tritt mehr unter!" wandeln, da diese beiden Bedeutungen vom Pferd doch unterschiedliche Physische Rektionen verlangen.
Ich habe öfter das Gefühl, daß viele dies vergessen...
Ist ein Pferd nicht schon annähernd gerade gerichtet kann es dieser Aufforderung schlecht nachkommen. Es wird nicht untertreten, sondern eher schieben und seitlich am Schwerpunkt vorbeitreten und daher noch schiefer werden. Eine korrekte halbe Parade ist also erst dann möglich und führt auch zum gewünschten Ergebnis, wenn das Pferd schon annähernd geradegerichtet ist. Vorher schiebt sie das Pferd schräg auf die Hand. natürlich kann man dies mit assymetrischen Paraden ein Stück weit ausgleichen, eben dem "Geraderichten", d.h. dem Einspuren der VH auf die HH.
Insofern hat hier Herr Radke durchaus recht. Schön wäre jetzt noch, wenn er auch das Unterrichten würde, was er schreibt. :twisted:

@Fliehendes Pferd
Ja, für einen Spannungsbogen wären halbe Paraden schon nett ;) Der korrekte Spannungsbogen kann von einem Pferd allerdings auch erst mit fortgeschrittener Geraderichtung ausgeführt werden, ebenfalls aus o.g. Gründen.
@Cubano: Treibender Anteil und annehmender(/nachgebender) Anteil werden bei den Franzosen (;)) auch nur um Sekundenbruchteile getrennt, so wie bei guten FN`s auch... :wink:
Fliehendes Pferd
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Beitrag von Fliehendes Pferd »

Geraderichten und Paraden kann man so nicht trennen. Halbe Paraden (vorausgesetzt richtig ausgeführt) sind geraderichtende Arbeit. Außerdem ist es ja nicht so, dass bei einem Pferd irgendwann der Schalter umgelegt wird und es geht plötzlich gerade. Es geht sein Leben lang schief und nur unter Einwirkung des Reiters lernt es, entsprechend gerade zu laufen. Die Einwirkung des Reiters muß aber auch dann ständig da sein. Bei dem einen mehr, beim anderen weniger.
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Beitrag von sinsa »

Könnten wir klären nach welcher Reitweise wir über halbe Paraden reden?
Ich gebe ja ne halbe Parade -so ich sie nicht vergesse- z. B. zum aufmerksam machen. Das wären dann also halbe Paraden nach Richtlinie.
Und ehe das hier zu Unklarheiten führt: Nein, ich presse nicht die Beine zusammen und halte vorne gegen und ich will auch nicht, dass der Bewegungsfluss durch eine halbe Parade gestört wird.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Colloid hat geschrieben:@Cubano: Treibender Anteil und annehmender(/nachgebender) Anteil werden bei den Franzosen (;)) auch nur um Sekundenbruchteile getrennt, so wie bei guten FN`s auch... :wink:
So dachte ich mir das :D
Ansonsten sehe ich das so, wie Fliehendes Pferd: Halbe Paraden gehören für mich zur gerade richtenden Arbeit dazu. Wie eigentlich so ziemlich jede Dressurarbeit, die ich mit meinem Pferd so veranstalte. Und auch für mich ist Geraderichtung nix, was irgendwann am Tag x mal erreicht ist. Da muss man eigentlich immer dran arbeiten…
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Fliehendes Pferd hat geschrieben:Geraderichten und Paraden kann man so nicht trennen. Halbe Paraden (vorausgesetzt richtig ausgeführt) sind geraderichtende Arbeit.
Schon, ihre richtige Wirkung entfalten sie halt erst nach, sagen wir mal, ausreichender Geraderichtung. Geraderichtende Arbeit ist für mich vor allem die Arbeit an der korrekten Biegung. Das Einspuren in der Biegung, wenn ein Pferd also nicht mehr wie ein Motoradfahrer um die Kurve kommt, sondern wie ein Zug auf Schienen.
Außerdem ist es ja nicht so, dass bei einem Pferd irgendwann der Schalter umgelegt wird und es geht plötzlich gerade. Es geht sein Leben lang schief und nur unter Einwirkung des Reiters lernt es, entsprechend gerade zu laufen.
Ich denke, daß ein Pferd durch die entsprechende gymnastizierende Arbeit durchaus auch auf der Koppel gerader wird, solange es kein körperliches Problem daran hindert.
Die Einwirkung des Reiters muß aber auch dann ständig da sein. Bei dem einen mehr, beim anderen weniger.
Ständig nein. Pferde sind rassetypisch sehr um Balance bemüht (ein gut ausbalanciertes Pferd überlebt in freier Wildbahn doch um einiges länger), ein Grund warum man mit Gymnastizierung das Selbstbewusstsein eines Pferdes deutlich stärken kann. Wenn es mal "kapiert" hat, daß man wie eine Eisenbahn deutlich kontrollierter um Kurven kommt (und die entsprechende Muskulatur und keine Körperlichen Problem damit hat) wird es dies auch selbstständig tun, solange man es als Reiter dabei nicht stört :roll:
Dazu muss Reiterlein vorallem auch an seiner eigenen Geraderichtung arbeiten. ;) :roll:

@Cubano: Bei entsprechend vortgeschrittenem Reiter und Pferd. Anfangs trennt man die Hilfen durchaus deutlich...
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Beitrag von Cubano »

Colloid hat geschrieben: @Cubano: Bei entsprechend vortgeschrittenem Reiter und Pferd. Anfangs trennt man die Hilfen durchaus deutlich...
Moins,
das hätte ich gern mal genauer gewusst, einfach, weil ich mir das nicht vorstellen kann. Wie sieht denn das Reiten z.B. eines Trab-Schritt-Trab-Übergangs bei nicht fortgeschrittenen Reitern aus, wenn die Hilfen deutlich getrennt werden…?
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Treibender Anteil und annehmender(/nachgebender) Anteil werden bei den Franzosen () auch nur um Sekundenbruchteile getrennt, so wie bei guten FN`s auch...
Ah, dann verstehe ich das wieder. Allerding muss ich sagen, das ich die Richtlinien so interpretieren würde, dass alles gleichzeitig stattfindet:
"...Einschließen des Pferdes zwischen den Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen..."
In meinem früheren "FN-Unterricht" jedenfalls war es bei mir ein "in die Zange nehmen", was nicht von Erfolg gekrönt war :wink:
Heute versuche ich es ganz bewusst zu trennen. Natürlich ist es ein ständiges Wechselspiel.


Woanders habe ich noch was schönes gelesen (Racinet, glaube ich), zum Thema: Halbe Parade, um das Perd aufmerksam zu machen:
Während der Arbeit soll ein Pferd immer aufmerksam sein. Die halbe Parade soll also nicht standardmäßig vor einer Aktion gegeben werden, sondern nur dann, wenn sie nötig ist, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Idealzustand sei dann das Gleichgewicht / die Versammlung "zwischen den halben Paraden", während der Zügel nur passiv da ist (was Baucher wohl mit der Halbspannung meinte?).
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