Reitkunst - Quo Vadis?

Rund um die klassische Reitkunst

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fina
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Beitrag von fina »

ottilie hat geschrieben: Ok, wenn die FN-Richtlinien alle so toll sind und einfach erklären, warum sieht man dann so viel unschöne Reiterei?
Weil es eben zwei Paar Schuhe sind: Erstmal muss man das lesen und verstehen. Das geht ja noch. Schaffen ja einige.
Aber das Umsetzen erfolgt doch dann nicht automatisch! Ich mühe mich so lange mit meinem unkoordinierten Körper ab, reite zwischendurch einfach auch schlecht und habe trotzdem die RL verstanden.

Weil ich die Theorie verstehe, bin ich meiner Defizite bewusst, reite aber nicht gut.

Und dann gibt es eben noch nen Haufen Leute, die die RL zwar lesen, aber nicht verstehen... ähm.. anders interpretieren... verkürzen.. wie auch immer.

Ich bin der Meinung, dass man so viel schlechtes Reiten sieht, weil Reiten ziemlich kompliziert ist.
Die schlimmen Bilder enstehen denke ich, in den wenigsten Fällen aus absichtlicher Bösartigkeit oder gewollt falscher Auslegung irgendwelcher Reitlehren.

Und zum Thema:

Ich reite nicht "Klassisch". Ob der RL seit 100 oder 200 Jahren tot ist, ist mir egal. Ich finde die Kostüme albern und Traditionen, besonders wenn sie so militärisch-konservativ angehaucht sind, wie die alten meister, sind mir ein Graus.

Mir geht es nur um die Inhalte. Die finde ich gut. Wie alt die sind und ob das jetzt Kunst ist, das ist mir echt egal.

Ich lese hier und orientiere mich an den Inhalten, weil sie mir am sinnvollsten erscheinen und meinem Pferd gerecht werden. Weil die Sportlehre die alten Meister/die RL stützt.
Ich versuche mein Pferd gesund und gut zu reiten und dabei einen netten Eindruck zu machen. Und da suche ich mir aus dem Baukasten der Reitweisen das heraus, was zu uns passt.

Sicher: Eigentlich kann ich mir auch einen tollen Westernlehrer suchen, aber die Hüte finde ich auch albern 8) Und mit nem Isländer Kühe treiben ... :wink:
Zuletzt geändert von fina am So, 01. Feb 2009 13:21, insgesamt 1-mal geändert.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

@Sinsa: hat doch jetzt auch keiner behauptet, daß sowas in den Richtlinien drin steht - im Gegenteil, ich fragte, wieso viel schlechte Reiterei zu sehen sei, wenn das in den Richtlinien gar nicht probagiert wird (was es ja auch nicht getan wird...).

Fakt ist, daß irgendwo ein Anfang geschaffen wurde, warum sich heute die Sportreiterei von der klassischen soweit unterscheidet. Und das gehört m.E. sehr wohl zur Fragestellung dazu - nicht allerdings das pro und contra :wink:
Und es gibt eben leider keine oder kaum klassische Reitschulen mit Schulpferden, sondern eben "nur" eher sportorientierte Schulen. In andere Welten reinriechen kann man leider nur mit eigenem Pferd (oder sagen wir zu 98 %, die ein oder andere winzige Ausnahme mag es geben). Und soweit muß man dann auch erstmal kommen oder wie auch immer dazu angeregt werden.

Inwieweit die Richtlinien ein feines Reiten ermöglichen oder nicht, wie Carmen es angedeutet hat, wäre auch wieder ein Thema für einen eigenen Fred.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@lancia So einfach ist das aber nicht. Um die "alten Meister" zu verstehen brauche ich Grundlagenwissen um eine "Übersetzung"in die Jetzzeit überhaupt vornehemen zu können. Irgendetwas sollte da als Übersetzungshilfe fungieren.
Die RL sind da eine Möglichkeit, zumal sie ja ohnehin genau den Zweck hatten/haben - nämlich altes Wissen zu sammeln und leichtverständlich darzubringen.
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Beitrag von sinsa »

@ottilie
ottilie hat geschrieben: Ok, wenn die FN-Richtlinien alle so toll sind und einfach erklären, warum sieht man dann so viel unschöne Reiterei?
Ich versuche es mal anders: Sehe ich einen Reiter sein Pferd kontinuierlich hinter der Senkrechten reiten ohne einen Ansatz das zu korrigieren etc., dann denke ich nicht: " Ey, der reitet nach FN!"
Ich denke dann eher, dass er das eben NICHT macht und wenn ich den mit einem Aufgabenheftchen der FN sehe, dann denke ich innerlich sogar eher folgendes: "Ups-nicht in der Lage, die Bilder aus den RLs zu erkennen, aber jetzt gleich eine ganze Seite aus einem Buch lesen wollen."
Denn seien wir ehrlich: Wer mit Piktogrammen nicht zum Klo findet, der ist auch mit nem Micky Mouse Heft überfordert :roll:

Aber letzteres sei natürlich nur unter uns Betschwestern erwähnt :mrgreen:


Zur Sportreiterei und der Entwicklung des "Reitens" in der Neuzeit:
Ganz ehrlich: Womöglich sollte einfach nicht jeder die Möglichkeit haben zu reiten. Wo es früher noch möglich war, mit recht deutlichen Worten dem einen oder anderen Reiter nahezulegen, sich eine andere Freizeitbeschäftigung zu suchen eiert man heute politisch korrekt drumrum, um nur ja weder Zoff im Stall noch sonstwo zu riskieren. Man schaut weg, weil es rein rechtlich ja erlaubt ist seine Tiere bis kurz vor den Exitus zu traktieren - vorher schreitet nämlich keiner ein.
Zuletzt geändert von sinsa am So, 01. Feb 2009 13:29, insgesamt 1-mal geändert.
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lancia
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Beitrag von lancia »

@ sinsa es ging aber nicht darum, diese oder jene Reitweise zu beurteilen. Oder uns auf einen Autor/ein Buch festzulegen. Es ging darum, was uns dazu bewegt den klassischen Grundsätzen zu folgen und ob und wie wir die Literatur dazu nutzen.

Die RL ist nur EIN Buch und nicht DAS Buch... Allzu leicht verfällt man heute immer in diese Ist die FN wirklich so schlecht oder steht in den RL was anderes drin Diskussion und ich glaube nicht, dass es hier das Ziel war...
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
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fina
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Beitrag von fina »

lancia hat geschrieben: was uns dazu bewegt den klassischen Grundsätzen zu folgen und ob und wie wir die Literatur dazu nutzen.
Ok, darauf lässt sich einfach antworten:

1) Weil die Grundsätze sich bewährt haben und milterweile sogar die Wissenschaft sie bestätigt.
Weil ein gut gerittenes, korrekt gymnatiziertes Pferd soooo toll aussieht.Wel sie Respekt und Demut vom Reiter ggü. der Kreatur verlangen.

2) Nein, hauptsächlich nutze ich aufbereitete, lesbare Sekundärliteratur. Ich bin Reiterin, nicht Historikerin.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

es geht auch gar nicht um das "entweder -oder" ... also lese ich alt oder neu.
kein mensch fängt bei xenophon an, oder? der einstieg geht doch immer über modernes, vorverdautes

*seufz* und wir sind sooo weit weg vom thema. *traurig*
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@lancia Es sagt doch keiner, das man nicht lesen soll und darf. Ich sage auch nicht, dass die RLs Gottes Worte sind und man daneben keinen Gott haben darf.
Es ist nur so, dass sie so einfach geschrieben sind - quasi die Fibel für Reitgrundschüler - und dennoch wird so viel davon falsch verstanden. Wie soll man sich jemals durch z.B. Krieg und Frieden lesen, wenn man schon mit Kinderbüchern überfordert ist?

Der andere Aspekt ist, dass man soetwas wie eine grundlegende Definition der Begriffe haben muß, denn sonst braucht man gar nicht damit anfangen zu versuchen die Texte umzusetzten. Zumindest wird es arg erschwert.
Du mußt die Texte versuchen in einem angenommen Kotext zu bringen und dann für die heutigen Bedürfnisse anpassen. Du muß unterscheiden lernen, ob es für Dich z.B. Sinn macht, einhändig zu reiten, oder nicht. Du mußt Dich auch damit auseinandersetzen, ob überhaupt alle Aspekte so wichtig sind.
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Beitrag von gimlinchen »

und..... ?
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@gimlinchen
Nichts und!
Es erläutert nur nochmal etwas meine ursprüngliche Meinung zu dem Thema:
sinsa hat geschrieben:Meiner Beobachtung nach sind die Richtlinien der FN und die Ausbildungsskala extrem einfach geschrieben und dennoch muss immer wieder die FN den Kopf für schlechtes Reiten hinhalten. Daher wundert es mich, wenn Menschen, die die RLs und die Skala nicht in Ansätzen zu verstehen scheinen, dann plötzlich in der Lage sein sollen, ausgerechnet die "alten Meister" zu verstehen :kopfkratz:
Ich behaupte weiterhin, dass mehr Menschen die "alten Meister" lesen, als sie sie jemals verstehen werden. Provokant und vermutlich eine Aussage, die dazu berechtigt den "Arschlochpreis" zu erhalten, aber so ist es nunmal.
Ich glaube weiterhin, dass es für einige Leute einfacher ist, sich mit der theoretischen Beschäftigung mit "alten Meistern" zu beschäftigen, als einfach mal den Hintern hochzukriegen und erst selber zu denken und dann zu reiten.
Weiterhin bin ich der festen Überzeugung, das für ein Großteil der Reiter es wesentlich wichtiger wäre, sich mit ordentlicher Haltung, Pflege und Fütterung ihrer Pferde zu beschäftigen. Wenn sie sich dann noch mit den Grundlagen der Reiterei auseinandersetzten, dann ist das mehr als ausreichend, um enorm viel für die Pferde zu verbessern. Bis man dann soweit ist, sich mit alten Schriften zu beschäftigen, hat man viele Reitkilometer im Hintern.
Aber heutzutage ist das wohl eher ein unrealistischer Gedanke.
Heute "reitet" man vielleicht 5 Jahre, kommt dabei nirgendwo an, beschließt dann, das jemand anderes Schuld sein muß - nur nicht man selber und dann reitet man "klassisch". Am besten nach Karl oder Branderup und am besten auf zwei bis drei Lehrgängen im Jahr. Weiteren Unterricht nimmt man nicht, weil die können das alle nicht so gut und dann macht man es alleine beim vor sich hinwurschteln immer viel besser, als mit einem 08/15 RL. Wenn das dann noch immer nicht hilft, dann fragt man mal in den Foren nach, warum dass Pferd sich A nicht alleine versammelt und B was man am besten füttert, damit Muskeln ans Pferd kommen.

Kunst kommt nunmal von Können und das liest man sich nicht einfach nur an (ich habs versucht - aber ich kann immer noch nicht malen). Man übt und übt und dann gleicht man das mit Theorie ab und dann übt man wieder und wieder und gleicht ab und übt....

Die Theorie der "alten Meister" zu lesen, zu verstehen und in die Praxis umzusetzen erfordert nunmal ganz schön viel an Grundlagen und wenn es schief geht, dann kommen dabei -um auch mal in die fette Klischeekiste zu greifen- Kostümreiter auf zu eng eingestellten Friesen raus, die mit der HH vermutlich im Jahre 1329 losgelaufen sind, während der Hals sich gerade zu einem Sprung in die Zukunft einrollt und somit nie von ihr eingeholt werden wird.

Sorry, dass sind jetzt jede Menge verdammt harter Worte - aber manchmal geht es einfach mit mir durch.
Die Beschäftigung mit den "alten Meistern" finde ich so gar nicht schlecht und viele Ideen sogar sehr interessant. So einiges, was in letzter Zeit von Leuten zusammengetragen wurde, um es neu umzusetzten finde ich sehr spannend. Aber von einem hochstilisierten "Erhalten der alten Werte und Traditionen" halte ich nicht so viel.
Seien wir ehlich: Wer muß wissen, was ein Redop ist, wenn er mit gröberen Taktproblemen in den drei Grundgangarten auf der ganzen Bahn eigentlich alle Hände voll zu tun hat?

Und für alle wissbegierigen unter uns - und das sind wir hoffentlich alle:
lRedop und Co.
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smilla
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Beitrag von smilla »

Dazu, ob sich das Studium der "alten Literatur" lohnt und was das mit den Richtlinien, schlechtem Reiten und der FN zu tun hat:

Ich habe vor ca. 4 Jahren die ganz normalen Reitabzeichen gemacht (IV und III), in einem ganz normalen Ausbildungsstall. Das, was wir dort im Theorieunterricht gelernt haben, und auch in der Praxis, war arg reduziert. Um die Reitlehre selbst ging es nur selten (andere Gebiete wie Brandzeichen, Turnierordnung, etwas Fütterung etc.) und mir erschien alles arg formelhaft. Wirklich Hintergründe und Zusammenhänge konnte ich nicht verstehen, die Ausbildungsskala konnte ich grad so auswendig- mehr war nicht verlangt. Die Abzeichen wurden gemacht, um in der nächst höheren Turnierklasse starten zu können oder (das muss man sich vor Augen halten!) als Etappe vor dem Trainerschein.

Jetzt, wo ich ein bißchen in den Steinbrecht geschnuppert habe (bräuchte mehr Zeit *seufz*) und den Seunig gelesen habe, wird mir vieles klarer und ich kann die Floskeln mit Inhalt füllen. Ich merke, dass die Grundsätze der FN so schlecht nicht sein können, wenn auch vielleicht vielerorts nicht lebendig.

Das ist für mich nun der Unterschied zwischen Reitern, denen es um Erfolge (kurzfristige?) und Schleifchen geht und klassisch-interessierten Reitern: man will an sich und seinem Wissen arbeiten, will verstehen, geht vielleicht auch mal einen Irrweg, aber gibt sich nicht mit wenig zufrieden. Ob dabei ein besserer Reiter herauskommt, tja, schön wäre es.

Jedenfalls erscheint es mir arg wichtig, dass AUCH die Theorie vermittelt wird und jeder Reiter so einigermaßen die Auswirkungen seines Handelns kennt. Das hat für mich nichts mit abgehobenen Theorieschlachten zu tun.

Für mich wäre es eigentlich die Pflicht eines richtig guten Ausbilders Theorie und Praxis so für seinen Schüler zu verknüpfen, dass dieser davon profitiert. Wenn man so einen Ausbilder nicht findet (und ich finde, sie sind rar gesät!), dann muss man sich eben selbst helfen.
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
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Beitrag von Carmen »

@sinsa
Ich halte es für ein Gerücht, dass die Richtlinien eine Aufbereitung der alten Meister sind. Höchstens ganz stark selektiert und ziemlich frei interpretiert. Für mich sind das zwei Paar Schuhe, und ich empfinde die RL auch nicht wirklich als "klassisch", aber darüber kann man sich streiten.

Außerdem werden die wenigsten Reiter, die seit 10 Jahren irgendwo in den Anfängen steckengeblieben sind, wirklich Interesse aufbringen, die "Alten" zu lesen. Dazu gehört schon einiges an Wissen und eine gewisse Vorstellung von den Dingen, von denen dort die Rede ist. Außerdem ist Reittheorie ziemlich trocken, damit wird sich nur derjenige auseinander setzen, der sich davon neue Erkenntnisse verspricht, und das tut ein 08/15-Reiter in aller Regel nicht. Die kennen oft nichtmal die Namen.

Ich persönlich finde es durchaus interessant zu erfahren, was früher in Sachen Pferdeausbildung getan wurde, wie vorgegangen wurde etc. Aber oft sind mir moderne Aufbereitungen doch lieber, weil sie leichter verständlich sind und auch auf Grundlegendes eingehen, was die "Alten" verschwiegen bzw. vorausgesetzt haben.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

smilla hat geschrieben: Das, was wir dort im Theorieunterricht gelernt haben, und auch in der Praxis, war arg reduziert. Um die Reitlehre selbst ging es nur selten (andere Gebiete wie Brandzeichen, Turnierordnung, etwas Fütterung etc.) und mir erschien alles arg formelhaft. Wirklich Hintergründe und Zusammenhänge konnte ich nicht verstehen, die Ausbildungsskala konnte ich grad so auswendig- mehr war nicht verlangt.
Das habe ich auch schon sehr oft erlebt. Wenn man Inhaber dieser Reitabzeichen befragt, wissen sie nichts mehr aus den Theorieeinheiten oder können das gelernte gerade so auswendig nachplappern. Das finde ich bedenklich. Und somit haben sie von dem Gelesenen nicht mehr verstanden als all die Reiter denen man die Lektüre der alten Meister untersagen will.

Das Problem sehe ich hier, das die wenigsten Ausbilder die Theorie mit Leben füllen können und diese mit echter Begeisterung vermitteln.
Die Pürfer waren von meinen Prüflingen bisher ganz angetan, weil diese während der Theorieptüfung immer gelacht haben und auf alles eine Antwort hatten. Ohne Wort für Wort gelesenes zu zitieren, sondern mit eigenen Worten. Also haben sie auch verstanden.
smilla hat geschrieben:, wird mir vieles klarer und ich kann die Floskeln mit Inhalt füllen. Ich merke, dass die Grundsätze der FN so schlecht nicht sein können, wenn auch vielleicht vielerorts nicht lebendig.
Schön gesagt!

smilla hat geschrieben:Jedenfalls erscheint es mir arg wichtig, dass AUCH die Theorie vermittelt wird und jeder Reiter so einigermaßen die Auswirkungen seines Handelns kennt. Das hat für mich nichts mit abgehobenen Theorieschlachten zu tun.
Genau! Und da ist es einfach hilfreich sich so vielseitig wie möglich zu belesen. Das was man nicht sofort versteht, erschliesst sich im Laufe der Zeit.
sinsa hat geschrieben:Weiterhin bin ich der festen Überzeugung, das für ein Großteil der Reiter es wesentlich wichtiger wäre, sich mit ordentlicher Haltung, Pflege und Fütterung ihrer Pferde zu beschäftigen. Wenn sie sich dann noch mit den Grundlagen der Reiterei auseinandersetzten, dann ist das mehr als ausreichend, um enorm viel für die Pferde zu verbessern.
Da magst Du einerseits recht haben, aber andererseits gibt es sehr viele Reiter die sich eben genau damit beschäftigen und trotzdem viele Bücher über Reitlehren verschlingen.
sinsa hat geschrieben:Die Theorie der "alten Meister" zu lesen, zu verstehen und in die Praxis umzusetzen erfordert nunmal ganz schön viel an Grundlagen
Natürlich. Aber was spricht dennoch dagegen verschiedene Literatur zu lesen. Grundlagen und Weiterführendes? Beides kann sich hervorragend ergänzen und helfen Zusammenhänge zu verstehen.

Es ist sicher niemandem gehholfen stur alte Traditionen zu pflegen ohne auch mal in die Gegenwart oder Zukunft zu blicken, aber einen gewissen historischen Background sollte jeder Reiter haben.

Und je mehr alte Literatur ich gelesen habe, desto mehr wurde mir das Fehlen von Werten in der heutigen Reiterei bewusst.
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Beitrag von sinsa »

Es spricht nichts dagegen alte Texte zu lesen - aber ob es erfolgversprechend ist, so viel Energie darauf zu verwenden, ist halt fraglich.

Auf eine Diskussion FN contra klassisch mag ich mich nicht einlassen, denn letztendlich ist es mir sowas von Wurst, ob man das eine oder das andere versteht oder nicht und ob das eine oder das andere besser ist.
Ich glaube auch nicht, dass so viele schlechte RLs in der Welt rumlaufen, wie man manchmal den Eindruck haben könnte - aber ich glaube daran, dass es verdammt viele Schüler gibt, die glauben, sie zahlen einen RL dafür, dass er ihnen alles in mundgerechten Häppchen vorkaut und so das "Wissen und Können" für die Reiterei irgendwie in ihr Hirn diffundiert. Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Außerdem lehrt mich meine Erfahrung, dass selbst wenn jemand wirklich gut reitet, eine gute Wahrscheinlichkeit besteht, dass der selbe Jemand keinen Plan von der Fütterung seines Pferdes hat. Wenn mir sojemand was von Reitkunst und alten Meistern erzählt, dann hat er das gesamte Thema Pferd, Reiter, Reitkunst nichtmal in Ansätzen verstanden. Egal, wieviel besser er reitet oder wieviel Bücher mehr er gelesen hat. Klar, kann ich dennoch seine jeweilige Leistung erkennen und bis zu einem gewissen Grad auch anerkennen. Aber es wird sehr schwer.
Als Beispiel, um mal deutlicher zu machen, was ich meine, nehme ich mal Haltung/Fütterung und Losgelassenheit.
Wer sich mit der Haltung und Fütterung auf dem Holzweg befindet, wird einfach nicht zu einer guten Losgelassenheit finden. Wie auch? Ich mach mit Magengeschwüren auch keine Purzelbäume mehr und ich bringe auch keine entspannte Leistung, wenn sonst so einiges bei mir im Argen liegt. Also gehört es für mich zur Logik, dass ich mir erstmal z.B. den Bender kaufe, ehe ich mich "alten Meistern" zuwende.

REITkunst ist mir eigentlich einfach schon zu klein gedacht.
Zuletzt geändert von sinsa am So, 01. Feb 2009 21:11, insgesamt 1-mal geändert.
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Die Diskussion FN contra klassisch liegt mir ebenso fern.
Darum geht es wirklich nicht.
Und Reitkunst ist für mich auch kein zu begrenzt gewählter Begriff. Es kommt wohl drauf an was man draus macht.
Ich betrachte Reitkunst als großes Ganzes. Das umfasst die Haltung und Fütterung (habe gerade deshalb den Stall gewechselt), die Gesundheit der Pferde (physisch wie psychisch) und der Umgang mit dem Pferd. Sei es beim Reiten, der Handarbeit, beim Longieren oder wobei auch immer. Und die immerfortdauernde Weiterbildung. Über regelmäßigen Unterricht, Kurse, Seminare und eben auch Literatur.
Das Gesamtpaket ist Reitkunst.
Und hier spreche ich für mich.
:)
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