Reitkunst - Quo Vadis?

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Benutzeravatar
ottilie
User
Beiträge: 5400
Registriert: Fr, 22. Jun 2007 12:00
Wohnort: Oberbayern

Beitrag von ottilie »

Da hast Du Recht.
Aber wenn ich das erreicht habe und weitergucken will? Dann könnte ich mich ja - wenn diese Form für mich zutrifft - zum Beispiel bei den alten Meistern umgucken.
Wenn man nicht offen bleibt für Neues, was passiert dann? Bestenfalls Stillstand - auf welchem Niveau?
Ich finde es jedenfalls gut, wenn Leute neugierig sind, Interesse haben, sich belesen wollen. Daß es mit der Umsetzung in die Praxis hapern wird, ist sicherlich Realität. Aber gehapert hats auch bei den großen Meistern, nehme ich mal an. Jeder probiert und findet für sich den besten Weg. Da muß es auch mal Einbahnstraßen oder vielleicht sogar blockierte Wege geben.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
LordFado

Beitrag von LordFado »

Bernie hat geschrieben:LordFado, Du musst mir bitte schon zugestehen, dass ich persönlich es so sehe, für mich zählt es also. Wenn es für Dich nicht zählt, auch kein Thema. 8)

Und da ich weder Yoga machen noch Pfadfinder werden möchte, habe ich wohl meinen Weg bei den Klassikern gefunden. :wink:
Ich gestehe natürlich jedem seinen Weg und seine Meinung zu, wollte dir auch keinesfalls absprechen, dass Du all das in den alte Meistern für dich gefunden hast. Was ich mit meinem Posting sagen wollte ist, dass die alten meister und das klassische Reiten keinesfalls der einzige Weg zu solchen Ergebnissen sind sondern dass man diese auch vollkommen ohne alte Meister erreichen kann. Hier gehts ja darum, ob die alten meister irgendwas unverzichtbares oder anderso nicht zu findendes von sich geben und das tun sie für mich auch nach deinem Posting nicht, das war schon alles...
Benutzeravatar
Jen
User
Beiträge: 3007
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:12
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Beitrag von Jen »

sinsa hat geschrieben: Ich behaupte weiterhin, dass mehr Menschen die "alten Meister" lesen, als sie sie jemals verstehen werden. Provokant und vermutlich eine Aussage, die dazu berechtigt den "Arschlochpreis" zu erhalten, aber so ist es nunmal.
Ich glaube weiterhin, dass es für einige Leute einfacher ist, sich mit der theoretischen Beschäftigung mit "alten Meistern" zu beschäftigen, als einfach mal den Hintern hochzukriegen und erst selber zu denken und dann zu reiten.
Weiterhin bin ich der festen Überzeugung, das für ein Großteil der Reiter es wesentlich wichtiger wäre, sich mit ordentlicher Haltung, Pflege und Fütterung ihrer Pferde zu beschäftigen. Wenn sie sich dann noch mit den Grundlagen der Reiterei auseinandersetzten, dann ist das mehr als ausreichend, um enorm viel für die Pferde zu verbessern. Bis man dann soweit ist, sich mit alten Schriften zu beschäftigen, hat man viele Reitkilometer im Hintern.
Aber heutzutage ist das wohl eher ein unrealistischer Gedanke.
Heute "reitet" man vielleicht 5 Jahre, kommt dabei nirgendwo an, beschließt dann, das jemand anderes Schuld sein muß - nur nicht man selber und dann reitet man "klassisch". Am besten nach Karl oder Branderup und am besten auf zwei bis drei Lehrgängen im Jahr. Weiteren Unterricht nimmt man nicht, weil die können das alle nicht so gut und dann macht man es alleine beim vor sich hinwurschteln immer viel besser, als mit einem 08/15 RL. Wenn das dann noch immer nicht hilft, dann fragt man mal in den Foren nach, warum dass Pferd sich A nicht alleine versammelt und B was man am besten füttert, damit Muskeln ans Pferd kommen.
habe jetzt nur mal die Diskussion bis hier gelesen, lese nachher weiter. Möchte aber dazu gerade noch etwas sagen:

ich finde hier werden ne Menge Dinge vermischt. Ich kann zb. nur sagen, dass die Leute, welche ich an solchen Lehrgängen kennengelernt habe und welche sich mit der Literatur beschäftigen, eben genau die Menschen sind, die sonst sehr fortschrittliches Wissen haben betr. Haltung, Hufe, Fütterung etc. Denn das sind die Menschen, die sich wirklich bemühen, das beste für ihr Pferd und sich zu suchen und sich verd... in den Arsch klemmen, um dies zu ermöglichen. Diejenigen, die sich überhaupt nicht um Haltung/Fütterung/Hufe kümmern in meinem Umfeld, sind entweder diejenigen, die sich um gar nichts kümmern, weder um Reitunterricht egal welcher Art noch um sonst was und das Hobby Pferd als Spasshobby betreiben. Oder dann diejenigen, die eher wettbewerbsorientiert sind, die keine Lust haben, sich mit Pipifax wie Literatur oder Fütterung etc. zu beschäftigen, das richtet der SB oder Bauer schon selber (tragisch wieviele Leute nicht mal Ahnung haben, was ihr Pferd überhaupt zu futtern kriegt) geschweige denn mal die Hufe ihrer Pferde angeschaut haben, die sehr oft sogar noch ziemlich katastrophal beschlagen sind. Ich habe nichts gegen harte Worte, wenn sie an die richtige Adresse gerichtet sind. Ich finde aber deine Worte sind nicht einfach hart, sondern unfair. Denn genau die Leute, die sich um gutes Reiten bemühen und sich auch die Mühe machen, ihre Nase mal in ein Buch zu stecken, genau die Leute geben sich auch sonst verdammt Mühe, um ihrem Pferd das beste Leben zu ermöglichen. Deswegen konnte ich das jetzt so nicht stehen lassen.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Bernie
User
Beiträge: 830
Registriert: Mi, 02. Mai 2007 10:12
Wohnort: Unterlamm

Beitrag von Bernie »

LordFado hat geschrieben: Ich gestehe natürlich jedem seinen Weg und seine Meinung zu, wollte dir auch keinesfalls absprechen, dass Du all das in den alte Meistern für dich gefunden hast. Was ich mit meinem Posting sagen wollte ist, dass die alten meister und das klassische Reiten keinesfalls der einzige Weg zu solchen Ergebnissen sind sondern dass man diese auch vollkommen ohne alte Meister erreichen kann. Hier gehts ja darum, ob die alten meister irgendwas unverzichtbares oder anderso nicht zu findendes von sich geben und das tun sie für mich auch nach deinem Posting nicht, das war schon alles...
Auf die alten Meister habe ich mich gar nicht bezogen, die sind für mich sicher ein Teil, aber nicht "alles" bei der klassischen Reiterei, sondern die klassische Reitkunst ist - wie schon von vielen beschrieben - eine Lebenseinstellung.

Dass man diesen Weg natürlich auch mit anderen Mitteln erreichen kann und der ebenso erfüllend sein kann, dies geht aus meinen Postings hoffentlich heraus, da ich sehr offen und tolerant anderen Reitweisen gegenüber bin.

zB: wenn ein Vegetarier Spaß daran hat, seine Ernährung so zu gestalten und er sich gut dabei fühlt, muss und wird er auch den Fleischliebhaber nicht angreifen, denn der hat auch Freude an seinem Essen. SATT werden sie beide. ;)
Benutzeravatar
Jen
User
Beiträge: 3007
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:12
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Beitrag von Jen »

Warum bringt es etwas, sich mit höherer Theorie zu beschäftigen, als man selber in der Praxis soweit ist? Es bringt ganz viel! Denn Basisarbeit kann nur BASIS für etwas sein, wenn man weiss, wohin es gehen soll. Aufgrund mangelnder Unterrichtsmöglichkeiten auf wirklich guten Lehrpferden (wer hat das heutzutage schon?), muss man sich solches Wissen möglichst theoretisch aneignen. Je weiter ich in der Ausbildung mti meinem Pferd komme, desto öfters gehe ich nochmals zurück an die Basis, weil erst dann merke ich, erst dann SPÜRE ich, wo noch Lücken sind, wo noch Verbesserungen nötig sind, weshalb es so wichtig ist, dass es so oder so geht und nicht anders. Man kann keine Grundausbildung machen, wenn man nicht weiss, wofür man ausbildet, wohin man eigentlich will!

Und erst die Beschäftigung mit meinem eigenen Körper, durch chinesische kampfkunst, durch alexander Technik, yoga etc. habe ich wirklich verstanden, wirklich begriffen, wie sich losgelassenheit anfühlt, wie sich positive Spannung anfühlt, was Versammlung bedeutet etc. wieviele Reiter dozieren solche Begriffe und wiederholen einfach nur hohle Phrasen, wo ich das Gefühl habe, diese Begriffe sind nur leere Worthülsen, die man einfach dem grossen Vorbild nachbetet, ohne sie je gefühlt zu haben? Und dazu muss man kein "Altklassiker" sein, das gibt es im - ja ich sag es jetzt einfach mal - FN-RL-Lager genauso oft. Denn so hab ich auch Reiten gelernt. Was nützt es mir, wenn jemand die Ausbildungsskala hoch und runterbetet, sie aber nicht mit Inhalt füllen kann? Und genau darum geht es, wenn man versucht, auf verschiedenen Wegen das zu erreichen. Ich finde es eine verdammte Arroganz, diese Aburteilung über Leute, diese Pauschalisierungen, welche die Grabenkämpfe nur noch weiter verhärten. Die Leute, die im Kostüm auf den strampelnden Iberer und gerollkurten Friesen ihre Shows abziehen, sind nämlich auch in den meisten Fällen eben auch genau NICHT die, die sich wirklich mit der materie beschäftigen zu versuchen.

Mich nervt es, wenn Leute, die selber auch überhaupt keinen Deut besser reiten, andere verurteilen, die es vielleicht auch nciht besser können, sich aber genauso Mühe geben, aber halt auf eine andere Art. Mich machen diese Verurteilungen überhaupt sehr grantig. Denn hey, eigentlich stehen wir alle auf der gleichen Seite, alle haben das gleiche Ziel: wir alle versuchen besser reiten zu lernen.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Rapunzel
User
Beiträge: 2337
Registriert: Mo, 09. Okt 2006 14:22

Beitrag von Rapunzel »

sicher, jen - aber es gibt halt einen sehr großen unterschied zwischen "sich bemühen" und "tatsächlich besser reiten". und um den zu überbrücken, hilft lesen und theoretisieren und "ja, abern" halt nicht viel ... und sich lieb haben und kritik immer in watte verpacken auch nicht. damit meine ich jetzt nicht dich!!!! sondern das ist generell gemeint.
Benutzeravatar
Steffen
User
Beiträge: 274
Registriert: Mo, 02. Okt 2006 14:58
Wohnort: 22851 Norderstedt bei Hamburg
Kontaktdaten:

Beitrag von Steffen »

Jen hat geschrieben:Mich machen diese Verurteilungen überhaupt sehr grantig. Denn hey, eigentlich stehen wir alle auf der gleichen Seite, alle haben das gleiche Ziel: wir alle versuchen besser reiten zu lernen.
...diese Verurteilungen resultieren oft aus ganz eigenen persönlichen Erfahrungen. Als ich z.B. vor ca. 15 Jahren meinen ersten spanischen Hengst gekauft habe, waren gerade Herr Hempfling und später Herr Branderup die Heilsbringer. Auch ich habe damals die ganze Literatur rauf und runter gelsen und versucht diese Erkenntnisse in meiner Reiterei umzusetzen, ein völlig idiotischer Vorsatz. Das Ergebnis war, dass mein Pferd trotz excellenter Veranlagung nie richtig gelernt hat, sich an den Zügel zu dehnen und die richtige Anlehnung zu suchen. Die Lektionen klappten zwar alle irgendwie, aber eben nicht reell durch den Körper, sondern ohne Schwung und mit wenig echter Versammlung.
Vor 7 Jahren habe ich mit der Ausbildung meines zweiten PRE Hengstes begonnen (der erste ist mittlerweile 23 und steht auf der Weide). Hier habe ich in den ersten Jahren auch noch vieles falsch gemacht, insbesondere im Hinblick auf die Anlehnung, immerhin sind wir aber schon einen ganzen Schritt weiter. Im nächsten Jahr werde ich meinen Nachwuchshengst anreiten und mich dabei noch weiter der klassischen Lehre annähern, wie sie auch in den RL erläutert wird.

Im Laufe dieser Jahre habe ich immer mehr verstanden, dass die schönen Bilder der "alten Meister" nur im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept der Dressurausbildung funktionieren, wie es in den Richtlinien der FN oder der anderen guten Literatur zu finden ist. Die RL sind ja nichts anderes, als die Zusammenfassung des Wissens, was sich in den letzten 2000 Jahren bewährt hat, wenn auch natürlich mit einem gewissen Schwerpunkt auf die sog. deutsche Schule (insbes. Steinbrecht). Ich habe mich völlig verabschiedet aus der sog. Barockreiterszene, weil ich persönlich erkennen musste, dass die dort überwiegend verbreiteten großen Theorien größtenteils wild zusammengewürfeltes Halbwissen sind.

Viel geholfen hat mir dabei meine enge Freundschaft zu einigen Berufsreitern aus Portugal und Spanien, die sehr genau die Tradition und Realität der klassischen Dressurausbildung französischer Schule kennen und die mir allesamt bestätigen, dass es in Bezug auf die Theorie im Grunde keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Sportdressur und der klassischen Dressur gibt. Man bracht sich nur einmal die Morgenarbeit an den spanischen Reitschulen in Jerez oder Wien anzusehen oder sich mit den Bereitern dort unterhalten. Dort hat übrigens gerade die Theorie der Skala der Ausbildung einen excellenten Ruf.

Wenn ich die Art von Pseudo-klassischer Reitkunst, wie sie hier teilweise verherrlicht wird, so hart verurteile, dann weil ich selbst lange Jahre genau so gedacht habe (über die eigene Dummheit ärgert man sich eben am meisten :evil: ). Hier gilt wohl der alte Lehrsatz: Man muss erst drei Pferde runinieren, bevor man wenigstens nicht alles völlig falsch macht. Das ist sehr schade, vor allem für die Pferde.

Ein Forum soll ja dem Austausch von Meinungen und Erfahrungen dienen. Ich war früher ein Buschreiter, wurde dann zum fanatischen Anhänger der "alten Meister" bis ich am Ende erkannt habe, dass die Reiterei zunächst einmal ein ganz solides Handwerk ist. Ich glaube zwar nicht, dass man aus den Fehlern anderer viel lernen kann, aber es wäre schön, wenn man vielleicht den Einen oder Anderen zum Nachdenken anregt, es müssen ja nicht Alle immer wieder die gleichen Fehler machen :wink:

Eine Sache bei der Sportreiterei ist jedenfalls sehr sinnvoll, wer S reiten will, muss zunächst einmal auf den Stufen A, L und M zeigen, dass er über das nötige Wissen, die nötige Erfahrung und das nötige Talent verfügt, um sich den schweren Lektionen zu stellen.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
Benutzeravatar
Kosmonova
User
Beiträge: 3179
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:29
Wohnort: LE City/Sachsen

Beitrag von Kosmonova »

Steffen hat geschrieben: Man bracht sich nur einmal die Morgenarbeit an den spanischen Reitschulen in Jerez oder Wien anzusehen oder sich mit den Bereitern dort unterhalten. Dort hat übrigens gerade die Theorie der Skala der Ausbildung einen excellenten Ruf...
Sorry, aber in Jerez war ich entsetzt! :shock: Und von Wien hab ich auch Unschönes gehört. :twisted: Ich hab Zuhause Fotos von aufgekröpften Hengsten den der Sporn in den Flanken steckt! Wenn DAS die Reitlehre sein soll wie sie im Buche steht…ohjee.... :cry:

Und genau da sitzt das Problem an allen Fronten: Theorie hin oder her – es liegt am Menschen sie zu verstehen und umzusetzen. Und sowas wie Einfühlungsvermögen und Selbstreflektion lernt man leider nicht aus Büchern.

Die Leute die sich überhaupt erst die Mühe machen „so alte Schinken“ zu lesen - haben zum Großteil schon kapiert das mehr zum Reiten gehört als durch die Wälder zu gasen oder stumpf Lektionen einzustudieren. Sie sind auf der Suche nach dem WIE und WARUM.

Das es auch da genug gibt die dann Theorie und Praxis nicht zusammenbringen liegt in der menschlichen Natur. Ob sie aber nur kurzzeitig einen Irrweg laufen oder ewig unverbesserlich sind kann man nicht beurteilen.
Es grüßt Nadine

*******************
so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
********************
tamiro
User
Beiträge: 38
Registriert: Di, 08. Apr 2008 22:57
Wohnort: Bayern

Beitrag von tamiro »

Hallo!

Außerdem finde ich es schade, wenn man ein ganzes Pferd braucht, bis man merkt, daß man alleine aus Büchern ein Pferd nicht ausbilden kann.

Aber ich denke, wenn man auch die alten Meister noch nicht versteht, sind sie nicht dennoch eine tolle Inspiration? Denn wird jemals einer von uns so weit kommen, wie es diese einmal waren? Sollte dann überhaupt jemand diese Literatur schon lesen?

Ich habe Steinbrecht nun schon 3 mal gelesen. Das 1. mal hab ich fast nix verstanden. Das 2. mal konnte ich mir schon einiges rausholen, und beim 3. mal habe ich am meisten gelernt. Das über einen Zeitraum von ein paar Jahren (die ich nicht zum lesen, sondern zum reiten brauchte), und ich möchte nicht behaupten, das 1. mal war umsonst. Es hat mich zumindest motiviert von etwas zu lernen, das ich noch zu wenig verstehe.

Lg Sandra
Benutzeravatar
Jen
User
Beiträge: 3007
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:12
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Beitrag von Jen »

weisst du steffen, erstens wird hier überhaupt gar nichts verherrlicht. Ich kann jedenfalls nirgends derartiges rauslesen, das ist deine Interpretation. Im Gegenteil, es wird zum grössten Teil sogar sehr kritisch mit sich selber umgegangen. Aber bei aller Kritik darf man auch mal die positiven Fortschritte sehen, die guten Sachen, ein bisschen Motivation, einen Schritt hier in die richtige Richtung, einen Schritt da. Das heisst ja noch lange nicht, dass man sich auf den Lorbeeren ausruht??? Du hast deinen Werdegang schon öfters beschrieben. Und weisst du was ich glaube? Solche Entwicklungen sind wichtig! Vielleicht wärst du niemals an diesem Punkt angelangt, wo du heute bist, wenn du diese Entwicklung nicht gemacht hättest. vielleicht würdest du immer noch an Ort und Stelle treten. ich sehe solche Erlebnisse als Horizonterweiterung. Man kann IMMER etwas positives aus sich raus nehmen. Ich habe auch jahrelang bei Branderup geritten, ich habe mich auch jahrelang gewehrt mti blanker Kandare zu reiten. Ein bisschen selbstverantwortung darf jeder Reiter haben! Aber ich habe extrem viel von diesen jahren profitiert. Es war mein erster richtiger theoretischer Unterricht, den ich hatte und er hat mir extrem viel gebracht, denn erst so konnte ich Steinbrecht und Podhajski auch anfangen zu verstehen. die Richtlinien sind ja schön und gut, aber sie sind vergleichsweise sehr karg gehalten. ich finde sie keine geeignete Reitlehre, sondern sehe sie eher als Richtlinien. Nicht umsonst heissen sie Richtlinien und nicht Reitlehre. Zb. wenn ich nicht weiss, was eine Traversale ist, kann ich da nachlesen und sehen, was das ist, wie es aussehen soll in seiner idealen Form. Wenn ich aber eine Traversale ausbilden will, dann muss ich einen Steinbrecht lesen, der mir auch die nötige Anleitung dazu gibt und nicht nur das, sondern auch noch auf die unterschiedlichsten exterieur- sowie ausbildungstechnischen Schwierigkeiten darauf eingeht. Deshalb ist Steinbrecht ja auch so mühsam und eklig zu lesen, weil er so wahnsinnig viel Infos reinpackt. Aber es lohnt sich ihn durchzuackern! Denn es steht so wahnsinnig viel brauchbares für die PRAXIS drin. Im Gegensatz zu den Richtlinien, die gut für die THEORIE sind.

und jaaaaa, bevor jemand aufschreit: praktischer Unterricht darf natürlich nie fehlen, Theorie alleine reicht nicht. Aber ich bin der festen Meinung, ohne Theorie geht es einfach nicht. Besonders dann nicht, wenn ich nicht täglich unter Aufsicht im Unterricht reite, sondern den grössten Teil auf mich alleine gestellt bin, so wie wahrscheinlich die meisten hier drin. Ohne theoretisches Wissen sich auf ein Pferd setzen, ist für mich, wie wenn ich ohne Stadtkarte in eine fremde Grossstadt gehen würde.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Benutzeravatar
Alix_ludivine
User
Beiträge: 2140
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 07:06
Wohnort: Annaberg im schönen Erzgebirge
Kontaktdaten:

Beitrag von Alix_ludivine »

Jen hat geschrieben:und jaaaaa, bevor jemand aufschreit: praktischer Unterricht darf natürlich nie fehlen, Theorie alleine reicht nicht. Aber ich bin der festen Meinung, ohne Theorie geht es einfach nicht. Besonders dann nicht, wenn ich nicht täglich unter Aufsicht im Unterricht reite, sondern den grössten Teil auf mich alleine gestellt bin, so wie wahrscheinlich die meisten hier drin. Ohne theoretisches Wissen sich auf ein Pferd setzen, ist für mich, wie wenn ich ohne Stadtkarte in eine fremde Grossstadt gehen würde.
Dem muss ich zustimmen. Jeder sollte - BEVOR er etwas Neues reiten will - wissen was er da macht und was dabei raus kommen soll, also schon ein recht genaues inneres Bild haben, was er tut. Und das bekommt man eben nur durch die Theorie.

Ich selber bevorzuge eher die neuzeitliche Reitliteratur. Die ganz alten Sache lese ich nur nebenbei - interessehalber.

LG Alix
"Erst gehen lernen, dann dressieren" (Udo Bürger)
Benutzeravatar
Meg
User
Beiträge: 3500
Registriert: Mi, 27. Sep 2006 07:37
Wohnort: Vestfossen NO

Beitrag von Meg »

Kosmonova hat geschrieben:
Steffen hat geschrieben: Man bracht sich nur einmal die Morgenarbeit an den spanischen Reitschulen in Jerez oder Wien anzusehen oder sich mit den Bereitern dort unterhalten. Dort hat übrigens gerade die Theorie der Skala der Ausbildung einen excellenten Ruf...
Sorry, aber in Jerez war ich entsetzt! :shock: Und von Wien hab ich auch Unschönes gehört. :twisted: Ich hab Zuhause Fotos von aufgekröpften Hengsten den der Sporn in den Flanken steckt! Wenn DAS die Reitlehre sein soll wie sie im Buche steht…ohjee.... :cry:
Ich war nur in Wien, aber was ich da gesehen habe, fand ich 2006 auch noch nicht überzeugend. Mittlerweile aber ist mir klar geworden, dass man sich Leichtigkeit erst hart erabeiten muss, vom groben zum feinen! Die Bilder die man von Guérinière und co. so sieht sind ja alles schon Endergebnisse nach jahrelangem Ausbilden. Wie der so auf Jungspunden aussah weiss doch kein Mensch. Und wenn dann höchstens von Stichen, da konnte viel gemogelt werden.

LG
Meg
Whenever I feel blue, I start breathing again :-)
Benutzeravatar
Kosmonova
User
Beiträge: 3179
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:29
Wohnort: LE City/Sachsen

Beitrag von Kosmonova »

meg, was die da Reiten sieht man auch am Rücken und Verhalten der Pferde in den Boxen :twisted: Für mich gibt es Momentan kein reines "Vorbild" mehr. Und auf Bildchen in den "alten Schinken" geb ich auch nichts :wink:
Es grüßt Nadine

*******************
so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
********************
Benutzeravatar
Kolan
User
Beiträge: 42
Registriert: Mo, 20. Okt 2008 15:57
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von Kolan »

Also, ich bin "gelernte" Historikerin und lese von daher schon sehr gerne die Bücher der alten Meister. :)

Und auch wenn ich schon etliches gelesen habe, hilft mir persönlich das alles beim Reiten leider eher nicht. Bei mir ist es definitiv so, daß ich Reiten wirklich erst durch Reiten lerne. Und dann stelle ich hinterher fest, daß es sich manchmal so ganz anders anfühlt, als ich es mir nach der Lektüre eigentlich ausgemalt hatte. Offensichtlich hatte ich die Stelle für mich wohl ganz anders interpretiert, als sie gemeint war.

Eins hat mir die Lektüre (aber auch die vieler moderner Reitbücher!!) aber in jedem Fall gebracht: Einen geschärften Blick dafür, was ich für besseres oder schlechteres Reiten halte. Außerdem bin ich durch das viele "Vergleichsmaterial" auch wesentlich toleranter geworden. Für mich ist nicht eine Reitweise die allein seeligmachende, sondern die ist gut (bzw. der Reiter ist gut), bei der die Pferde sichtbar schöner, williger, losgelassener und besser zu reiten werden. Und da geht der Weg - aus eigener Erfahrung - wirklich auch mal vom Groben zum Feinen (sehe ich auch so). Leichtigkeit ist oft nicht von Anfang an da.

Reitkunst (für mich: schönes harmonisches Reiten, bei dem sogar schwierige und schwierigste Lektionen beinahe mühelos wirken und das Pferd lange gesund bleibt - das mache ich nicht am Federhütchen fest) ist für mich auch eher das Ziel, an dem ich mich orientiere. Auch wenn ich selbst es vermutlich nie erreichen werde. Ich steige aber nicht - wie leider manche Leute - heute Abend auf und sage: "So, ab sofort bin ich Reitkünstler."

Ich bemühe mich aber jedes Mal, noch ein kleines Bißchen besser zu werden, d.h. meinen Körper besser zu koordinieren, die Hilfen besser zu dosieren und mein Pony weniger zu stören. Und ich respektiere alle, auf jedem Niveau und in jeder Reitweise, die sich ebenfalls bemühen.

LG!
Stefanie
Lachen! Reiten macht Spaß. :-)
sinsa
User
Beiträge: 882
Registriert: Di, 13. Nov 2007 19:32
Wohnort: berlin

Beitrag von sinsa »

Ich zitiere mal einen Teil aus dem Eingangspost:
Josatianma hat geschrieben:Worin seht ihr die falsche Entwicklung der klassischen Reitkunst. Welche Literatur bildet die Grundlage für die Reitkunst?
Beim durchlesen der Beiträge stellen sich mir langsam folgende Fragen:
Gibt es vielleicht gar keine falschen Entwicklungen in der klassischen Reitkunst und was bildet denn nun die Grundlage für die Reitkunst?
Bisher habe ich den Eindruck, dass die meisten hier keine Kritik haben und sich jeder sein eigenes Werk als Grundlage zu wählen scheint.
Antworten