Wirkungsweisen der Kandarenbestandteile

Themen zur Ausrüstung von Pferd und Reiter

Moderator: ninischi

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FoxOnTheRun
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Wirkungsweisen der Kandarenbestandteile

Beitrag von FoxOnTheRun »

Wie ja im Kandarenthread vor geraumer Zeit schon mal vorgeschlagen wurde, wollte ich nun endlich mal die verschiedenen Wirkunsweisen einzelner Kandarenbestandteile aus Bents Buch "Reiten auf Kandare" zusammenfassen.

Es werden dabei 8 verschiedene Einzelteile unterschieden, die die Einwirkung der Kandare beeinflussen:

1) Art des Mundstücks

Bent plädiert für einen hohe Zungenfreiheit, weil dies dem Pferd das Schlucken und somit das kauen erleichtert. Er weißt darauf hin, daß die Kinkette umso enger geschnallt werden muß, je größer die Zungenfreiheit ist.

Hier kann ich Bents Meinung nicht ganz teilen. Ich habe beobachtet, daß die Zungenfreiheit die Zunge oft in eine unnatürliche Position bringt und sie zusammendrückt. Mein Pferd zeigt auf jeden Fall eine sehr gute Kautätigkeit auch mit weniger Zungenfreiheit und ich habe außerdem den Eindruck, daß er mit weniger Zungenfreiheit zufriedener läuft. Das mag aber wohl von Pferd zu Pferd unterschiedlich sein. Nicht umsonst weißt auch Bent darauf hin, daß es früher Gebissschmiede gab, die für jedes Pferd das Gebiss individuell angefertigt haben.

Gebrochene Kandarengebisse hält Bent ungeeignet für das Reiten in Anlehnung.

2) Länge des Oberbaumes

Ein kurzer Oberbaum verstärkt die Hebelwirkung des Gebisses, ein längerer Oberbaum schwächt sie. Hierbei ist nicht nur die Absolute länge, sondern auch die Länge im Verhältnis zum Unterbaum zu beachten.

3) Länge des Unterbaumes (im Verhältnis zum Oberbaum)

Ein kurzer Unterbaum überträgt die Einwirkung schneller, als ein verhältnismäßig langer. Wird in starker Anlehnung geritten, ist ein kurzer Unterbaum sanfter, da die Hebelwirkung nicht so groß ist. Bei leichter Anlehnung ist der lange Unterbaum sanfter, da die Hand mehr Bewgungsfreiheit hat, bevor die Wirkung im Maul ankommt.

4) Gesamtlänge

Bent empfiehlt für junge, ungeübte Pferde eine kurzere Gesamtlänge als für ältere Pferde, da Junge, unausgebildete Pferde öfter aus dem Gleichgewicht kommen und mit der Hnad korrigiert werden müssen.

5) Platzierung des Zügels

Bei hoher Hand und verhältnismäßig tief getragenem Pferdekopf wirkt eine stramme Kinnkette milder. Bei hoher Kopfhaltung des Pferdes wirkt eine lockere Kinnkette milder. Für Pferde die über der HAnd gehen, ist eine lose Kinnkette schärfer, für Pferde, die hinter der Hand gehen ist eine stramme Kinnkette schärfer.

6) Aufhängung der Kandare im Kopfgestell

Die Neigung der Kandare darf 45° nicht übersteigen, da sonst die Zungenfreiheit gegen den Gaumen drückt. Beim reiten auf blanker Kandare sollte man längere Oberbäume wählen, als beim Reiten mit Unterlegtrense.


7) Beschaffenheit der Kinnkette

Bei Stoff- oder Lederriemen ist daraus zu achten, daß die Länge mit der Zeit nachreguliert werden muß.

8) Beschaffenheit der Kinkettenhaken

Beim Blankreiten sollten die Haken nach hintern offen sein, beim Reiten mit Unterlegtrense, sollten die haken nach vorne offen sein, damit sich die Trense nicht in ihnen verhaken kann.
LG Foxi
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Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Hallo Foxi,
super, dass Du daran gedacht hast.
Werde Deinen Beitrag öfter durchlesen, um Punkt für Punkt mir mal alles bildlich vorzustellen.
Ich wusste zwar, das es Unterschiede in einfacher und doppelter Kinnkette gibt (inzwischen ja zwischen Links- oder Rechts gedrehten ) aber die Haken habe ich bislang nur als reine Schließfunktion betrachtet. Also sehr spannend!!
danke Dir schon mal Vorab!
:love:
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

Zur Zungenfreiheit:

Eine hohe Zungenfreiheit KANN ein Pferd mit flacherem Gaumen eher "zwingen", den Kopf in die Senkrechte zu nehmen, damit die Zungenfreiheit, sprich der höhere Bogen, nicht gegen den Gaumen schlägt.

S. Linda-Tellington-Jones-Kandare...

Wenn man ein nicht so geübter Kandarenreiter ist, kann das zur Folge haben, dass man nicht bemerkt, ob das Pferd sich aufgrund der guten und freundlichen Hilfengebung des Reiters in eine gute Beizäumung begibt - oder ob es eben nur die Nase unten hat, um den Schlägen gegen den Gaumen zu entgehen...

Die Zungenfreiheit sollte also UNBEDINGT dem Maul des Pferdes angepaßt sein.

Stephanie
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Hat schon mal jemand seinen Tierarzt oder Pferdezahnarzt gefragt, ob dieser die Zungenfreiheit der Kandare beurteilen kann, ob diese passt?? Wäre ja mal Interessant zu wissen!! Die Linda Tellington Kandare empfinde ich auch als Witz, besitzt eine Zungenfreiheit die durch diese dumme Rolle ad absurdum geführt wird und somit nur noch als Metallbügel der Schmerz auslösen soll fungiert.

Gruß Isomer
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kiki
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Beitrag von kiki »

@isomer ich bin der Meinung, daß man mit etwas Kenntnis von der Anatomie der Mundhöhle des Pferdes das selber beurteilen kann. :wink:

Es gibt ein super Buch ( von Cadmos glaube ich ), das nur die Zähne und die Mundhöhle des Pferdes behandelt.
Ich muß nun allerdings gestehen, daß ich selber Zahnarzthelferin bin und die Zungen- und Gaumenfreiheit bei meinen beiden Pferden selbst beurteilt habe. Außerdem habe ich einen Kurs gemacht, in der eine Osteopathin an Hand eines skelettierten Pferdekopfes die Wirkungsweise verschiedener Gebiß gezeigt hat.

Gebiß ins Maul und bei geschlossenem Maul mit den Fingern am Gebiß entlang abtasten wieviel Platz noch ist.
Nach oben zum Gaumen und nach unten zur Zunge.
Mit Hilfe einer Freundin vielleicht sogar einzelne Zügelhilfen mit erfühlen.
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

@kiki

Kann man wirklich den Abstand zum Gaumen ertasten? mhhh werde ich mal ausprobieren, ich hoffe es lässt den Mund zu, wenn ich mit meinen Fingern da rumprokkel ;) Ein Versuch ist es Wert danke für den Tip!

Gruß Isomer
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kiki
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Beitrag von kiki »

@isomer mach ihm doch einen KZ drauf und den Riemen zu, dann bist du sicherer mit deinen Fingern. :wink:
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