"Balance vor der Bewegung" mehr Stillstand?

Rund um die klassische Reitkunst

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Bernie
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Beitrag von Bernie »

Muriel hat geschrieben:Hihi,
gerade im Vorbeilaufen aus der Reithalle gehört:
"Lange Seite Schulterherein, und wenn das Pferd nach vorne davonfällt, anhalten".

Reitkurs Ruth Giffels. :D
Muriel, aber das ist doch normal, oder? Besonders im SH mit mehr Abstellung und weniger Biegung auf der hohlen Seite baue ich viele, viele Halt-Übergänge ein, auch zur Überprüfung, ob ich anhalten KANN oder das Pferd über die äußere Schulter davonläuft. Ebenso ein Weg bei dem SH (wie von Dir beschrieben), dass man auf eine Volte abwendet und das Zusammenspiel innerer Schenkel-äußerer Zügel "erneuert"). Je nachdem, was das Pferd gerade benötigt.

ich bleib dabei, Mittelweg. Der Ausbildungsweg, zu 100 % Balance vor Bewegung, ist mir zu einseitig und zu fehlerbehaftet für meine Person und auch noch kein "Profi" hat ein diesbezüglich ausgebildetes Pferd vorgestellt, das mir als Vorbild gefallen hätte.
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Ich habe es mal ausprobiert nach der Lektüre des Racinet-Buches.
Im Halten den Kiefer nachgeben lassen.
Dann ohne Verlust der Nachgiebigkeit im Genick den Widerrist anheben.
Dann ohne Verlust der Nachgiebigkeit im Genick und mit offenen Widderist in einem Schritt-für-Schritt Schritt antreten.
Und innehalten, sobald eine der Voraussetzungen verloren geht.

Es war ein super schönes Gefühl, und in diesem Schritt-für-Schritt Schritt konnte ich sie ganz leicht, nur per Idee, in die Seitengänge gleiten lassen.

Tja, und dann - habe ich es mangels Anleitung nicht weiter verfolgt. Weil ich einfach nicht so viel Ahnung und Erfahrung habe und Sorge hätte, etwas Wesentliches falsch zu machen...

Das, was ich kann, also den ausbalancierten Schritt-für-Schritt Schritt nutze ich manchmal, um Spannungen zu beseitigen. Aber ansonsten reite ich "normal"...
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Ich schaffe es nicht, ein Pferd in Dehnungshaltung auszubalancieren. Bei mir ist die Dehnungshaltung eher eine Folge der hergestellten Balance. Wenn mein Pferd es nicht schafft, sich im Schritt ausbalaciert zu bewegen, dann ist es m.M. nach völlig sinnlos, das im Trab zu versuchen. Trab ist wesentlich instabiler als Schritt, daher ist es schwieriger, Balance herzustellen. Vorwärts reiten führt eher zu einem Verlust der Balance (bei einem ungeübten Pferd), da das Pferd dabei eher dazu verführt wird, sein Gleichgewicht zu halten, indem es sich ins Laufen rettet und dabei oftmals auf die Vorhand fällt. Einfacher ist es anders herum - nur soviel Vorwärts verlangen, wie es das Pferd noch die Balance zu halten.

Hier arbeiten doch viele nach dem Longenkurs. Da wird es doch ganz ähnlich gehandhabt. Zunächst wird im Halten das Stellen geübt, dann kommt im Schritt Führen in Stellung dazu. Erst wenn das klappt, kommt Übertreten und dann ein ganz langsamer Trab - gerade soviel, dass das Pferd noch in Balance bleibt. Sitzt das, kann man am Vorwärts arbeiten.

Es gibt diverse Gründe, aus denen ich Racinets Stil nicht besonders effektiv finde, aber dieses Prinzip (natürlich Bauchers ;) )halte ich für sehr sinnvoll.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
horsman
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Beitrag von horsman »

Schwieriges Thema mit viel Potential für die Entwicklung der Reiterei !

Einen Punkt find ich auch interessant, den man den Wiedersachern dieser (ja eher baucheristischen Idee) immer entgegen halten kann, nämlich die ganze Parade in der "normalen" FN-Reiterei.

Was soll die denn bewirken? Doch nix anderes, als ein Unterbrechen der Bewegung in schlechter Balance und wiederherstellung einer besseren Balance, die man dann ins erneute anreiten mitnimmt.

Quasi ein Stückchen Baucher für alle :lol: , ohne das es jemand gewußt hatte. 8)
Muriel
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Beitrag von Muriel »

Ich glaub auch nicht dass Baucher das "erfunden" hat, er hat es nur mehr betont in der Ausbildung des Pferdes.
Mit Sicherheit gab es diese Elemente schon sehr früh in der Reiterei.
Wenn die Richtung nicht stimmt, nützt auch Galoppieren nichts.
wenn der Galopp aber besonders schön ist, ist die Richtung auch egal.
LordFado

Beitrag von LordFado »

horsmän hat geschrieben:Einen Punkt find ich auch interessant, den man den Wiedersachern dieser (ja eher baucheristischen Idee) immer entgegen halten kann, nämlich die ganze Parade in der "normalen" FN-Reiterei.

Was soll die denn bewirken? Doch nix anderes, als ein Unterbrechen der Bewegung in schlechter Balance und wiederherstellung einer besseren Balance, die man dann ins erneute anreiten mitnimmt.
Na ja - die ganze Parade dient eben dem Anhalten - ob nun aus schlechter oder guter Balance oder weil ein Auto kommt und man an der Straße warten muss ist dabei vollkommen egal, horseman...
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smilla
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Beitrag von smilla »

LordFado hat geschrieben:
horsmän hat geschrieben:Einen Punkt find ich auch interessant, den man den Wiedersachern dieser (ja eher baucheristischen Idee) immer entgegen halten kann, nämlich die ganze Parade in der "normalen" FN-Reiterei.

Was soll die denn bewirken? Doch nix anderes, als ein Unterbrechen der Bewegung in schlechter Balance und wiederherstellung einer besseren Balance, die man dann ins erneute anreiten mitnimmt.
Na ja - die ganze Parade dient eben dem Anhalten - ob nun aus schlechter oder guter Balance oder weil ein Auto kommt und man an der Straße warten muss ist dabei vollkommen egal, horseman...
*zustimm* Dass es dazu mal kommt, was LordFado ;). Aber ich habe auch noch NIE gehört, dass in der "FN-Reiterei" eine ganze Parade gezielt so eingesetzt wird, wie du es beschreibst. :?:
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
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Beitrag von Carmen »

Ich glaub, horsmän meinte die halbe Parade. So hab ich es beim flüchtigen Lesen jedenfalls verstanden.
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Jen
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Beitrag von Jen »

ich finde, das muss man doch von Fall zu Fall anschauen. Habe ich ein junges Pferd, das erst gerade angeritten wird, noch keinen Plan von Hilfengebung etc. hat, dann will ich, dass es erst einmal einfach die freie Bewegung unter dem Reiter wiederfindet. Ohne dass der Reiter oben drauf schon zuviel macht! Das Pferd soll sich einfach selber wieder finden in seinem eigenen Takt und Tempo. Bei den einen ist das ein freieres vorwärts, bei anderen ein ruhigeres TEmpo. Erst nach und nach greift der Reiter immer mehr ein.

Ein stark vorderlastiges pferd, das quasi vorne überfällt und immer mehr beschleunigt sollte nicht noch mehr vorwärts geritten werden. hier wähle ich auch ein grundsätzlich ruhigeres Tempo, mit vielen übergängen in und aus dem halten, in und aus dem Rückwärtsrichten etc. Um dem pferd zu zeigen, dass es seinen schwerpuntk nicht so nach vorne werfen muss. m.E. sind das aber meistens schon eher Korrekturpferde und/oder solche mit gesundheitlichen/gebäudetechnischen Mängeln. Hier macht es auch Sinn die Pferde in einem ganz ruhigen Tempo, aber mit viel Impuls, die Seitengänge zu erarbeiten und so vErsammlung vor der freien Bewegung nach vorne zu setzen.

Ein rückhältiges, klemmiges, zähes Pferd jedoch würde ich auf keinen Fall so arbeiten, denn so kann ich es sehr schnell sauer machen. Da finde ich es sinnvoller das Pferd zuerst zu einem befreiten Vorwärts finden lassen und danach vorsichtig aufzunehmen, tempiunterschiede, übergänge und Seitengänge mit sehr wenig Abstellung und viel vorwärtsbewegung einflechten.

und schlussendlich kommt auch immer noch der Mensch dazu, was hat der Mensch für Möglichkeiten an Einwirkung etc. Da muss man immer das passende für BEIDE finden. Absolutheiten sind für mich fehl am Platz. ;)
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
horsman
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Beitrag von horsman »

oh nein, die ganze Parade hat nicht nur den Selbstzweck das Pferd irgendwie mal anhalten zu können um bspw. ein Bier zu bestellen :)

Soweit ich mich entsinne hat auch die ganze Parade in der Fn Reiterei zum Ziel, das Pferd dadurch vermehrt zu "setzen", ergo in ein bessere Gleichgewicht zu bringen und natürlich die halbe Parade vorzubereiten.
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Beitrag von frieda »

Ich glaub du verwechselst da was... und mit Bier hats auch nix zu tun... :wink:

LG frieda
Carmen
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Beitrag von Carmen »

horsmän hat geschrieben:Soweit ich mich entsinne hat auch die ganze Parade in der Fn Reiterei zum Ziel, das Pferd dadurch vermehrt zu "setzen"
Nur in der FN-Reiterei? :kopfkratz:
Nur ohne Balance dürfte das "Setzen" nicht funktionieren. Da beißt sich der Hund in den Schwanz: Was war zuerst da, die Bewegung oder die Balance? :wink:
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

horsmän hat geschrieben: Soweit ich mich entsinne hat auch die ganze Parade in der Fn Reiterei zum Ziel, ( ) die halbe Parade vorzubereiten.
Ich weiß nicht, entweder hattest Du ein Bier zuviel oder ich eines zuwenig ;)
Die ganze Parade bereitet die halbe vor??? Ich kenne das noch umgekehrt.

Für die halben Paraden zumindest schrieben die Richtlinien 1974, dass sie u.a. "Takt und Haltung des Pferdes während des Ganges verbessern" und "verlorengegangene Haltung wiedergewinnen sollen". Das entspricht wohl dem, was Du meintest.
„Hast Du nie auf einem Schimmel gesessen, hast Du nie ein gutes Pferd geritten.“ - Altpolnisches Sprichwort
LordFado

Beitrag von LordFado »

horsmän hat geschrieben:oh nein, die ganze Parade hat nicht nur den Selbstzweck das Pferd irgendwie mal anhalten zu können um bspw. ein Bier zu bestellen :)

Soweit ich mich entsinne hat auch die ganze Parade in der Fn Reiterei zum Ziel, das Pferd dadurch vermehrt zu "setzen", ergo in ein bessere Gleichgewicht zu bringen und natürlich die halbe Parade vorzubereiten.
ich hab auch nicht geschrieben, dass meine Beispiele allumfassend und NUR die Ziele einer ganzen Parade sind sondern ein paar Möglichkeiten aufgezählt. Ansonsten glaube auch ich, dass halbe Paraden zur vorbereitung der ganzen dienen und nicht andersrum...
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Bevor ihr jetzt anfangt, Probleme mit Alkohol zu lösen :wink:

Wie ich horsmän's Aussage interpretierte:

1. mit der Parade sage ich dem Pferd:
Moooooment, wir - halten - jetzt - mal - an.
Und dann reiten wir weiter!

2. Mit der halben Parade sage ich dem Pferd:
Moooooment, und - weiter!

Die Wirkung einer halben Parade, nämlich die Balance zu verschieben, muss ein Pferd erst lernen.
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