Positive Bestärkung = Tierquälerei?

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

Moderatoren: Janina, dshengis

Antworten
kala12
User
Beiträge: 23
Registriert: Sa, 22. Nov 2008 13:31
Wohnort: Österreich

Positive Bestärkung = Tierquälerei?

Beitrag von kala12 »

Hi,

Diese Aussage kann ich einfach nicht unkommentiert stehen lassen. Um topic zu bleiben, eben neuer Thread:

Zitat von Melli:
Kein Tier dieser Erde würde sich mit Wasser belohnen und zur Arbeit motivieren lassen, wenn es abends in seinen Stall zurückkäme und sich satt trinken könnte.
Da hast du was ganz grob mißverstanden. Das durstige Tier wird sicher durch Wasser belohnt. Aber was wird belohnt? Vermutlich die Rückkehr zum Stall.
Einer der wichtigsten Punkte beim Training - egal ob mit R+, R-, S+ oder S- ist das Timing. Insofern ist alleine die Idee, mit abendlichem Wasser die tägliche Arbeit belohnen zu wollen, total daneben.
Davon abgesehen handelt es sich bei o. a. Beispiel schlicht und einfach um Tierquälerei, egal von wem veranstaltet, und egal ob nach massiver (in dem Fall negativer) Strafe dann wieder positive Bestärkung folgt.
Diese Versuche finden heute statt, mitten in Deutschland, nicht in einem nebulösen Hinterhof, sondern im Auftrag einer TiHo.
Was aber weder die Sinnhaftigkeit noch die nicht vorhandene Tierschutzrelevanz bedingt.
Die Rindviecher am (sehr neuen) Hochschulgut der Vetmed wurden zumindest während meiner Studienzeit auch in Anbindehaltung gehalten, und für die unieigenen Übungspferde war Koppelgang Luxus - also seltenst vorhanden.

Ich erinnere mich auch, vor Jahren über einen >interessanten< Tierversuch gelesen zu haben, der angeblich Rückschlüsse auf die Psyche der Menschen zuläßt (m. E. hauptsächlich auf die Psyche der Übungsleiter).
Wenn ich mich recht erinnere, waren es Ratten (können aber auch Mäuse gewesen sein), die man in einen Eimer mit Wasser warf. Einen Teil ließ man ersaufen, einen Teil rettete man. Die geretteten Tiere wurden in einem zweiten Teilversuch wieder in einen Eimer mit Wasser geschmissen, wie auch frische Ratten. Die einmal geretteten Ratten kämpften länger um ihr Leben, bevor sie ersoffen...Soviel zu Wissenschaft.
Es ist gerade der Aspekt Freiwilligkeit, der gern völlig falsch eingeschätzt und der positiven Verstärkung aber uneingeschränkt zugeschrieben wird, den man ein bisschen hinterfragen sollte.
Im Prinzip besteht immer eine gewisse Freiwilligkeit. Der Trainee - in dem Fall das Pferd - muß lediglich mit den Folgen leben. Bei dem, was korrekte Trainer unter Arbeit überwiegend mit pos. Best. verstehen, ist das eben der Verzicht z. B. Zusatzleckerlie (bei normal gefütterten Tieren), extra Spiel- und Laufeinheiten (nicht als vielleicht auch noch einziger Ausgleich zu Käfig-, bzw. Boxen- oder Ständerhaltung), Streicheleinheiten an Lieblingsstellen, wo Tier vielleicht alleine nicht so gut hinkommt.

Bei überwiegend über neg. Best. + pos. Strafe gearbeiteten Tieren ist es eben der Druck, das Gescheuche, das Nicht-In-Ruhe-Lassen, teilweise körperliche Gewalt, die diese Viecher wegzustecken haben, wenn sie unseren Wünschen nicht folgen.
"Positiv" in positiv verstärken ist mathematisch gemeint, "etwas hinzufügen" (und umgekehrt "negativ" bedeutet "etwas wegnehmen"), es hat mit einer positiven Wertung im Sinne von "bestätigend", "lieb", "möglichst tierfreundlich", "ethisch am wertvollsten" nichts zu tun.
Absolut richtig. Hast du schon mal darüber nachgedacht, daß im Training fast immer das Unangenehme vom Trainer zuerst hinzugefügt wurde (= pos. Strafe), bevor er es wegnimmt (=neg. Best)?

Die Wertung nimmt das Tier vor.
Absolut richtig.
Und zwar eben nicht einfach dadurch, dass es "funktioniert".
Doch, eigentlich genau dadurch. Ein bestärktes Verhalten tritt (per Definition) häufiger auf (wobei natürlich herauszufinden ist, WAS genau bestärkt hat). Ein bestraftes Verhalten tritt seltener auf - auch da ist nicht gesagt, daß das, was laut der Meinung des Trainers eine Strafe ist, vom Trainee auch so empfunden wird.


Ich halte von Clickertraining nicht viel, ich sehe zu, dass ich mich selbst und meine Arbeit interessant mache.
Wenn du dich selbst tatsächlich interessant machst, machst du gewissermaßen Clickertraining ohne Clicker.

Wenn du es deinem Pferd überall außer in deiner Nähe unangenehm machst (wie z. B. bei diversen Roundpenmethoden), arbeitest du ethisch ähnlich wie die von dir erwähnten Ziegen-Durst-Trainer.

Grüße

Carola - normalerweise nur mitlesend
louise
User
Beiträge: 159
Registriert: So, 14. Sep 2008 23:08
Wohnort: NRW

Beitrag von louise »

Hallo,

also, sich selbst und die Arbeit interessant machend - genau so mache ich es auch - und meine Pferde beobachten mich genau, wir lesen uns gegenseitig und respektieren "uns". Ich, indem ich ihre Persönlichkeiten achte und sie, indem sie mich z.B. nicht umrennen oder ausschlagen...
Und ich sehe das weder an mir noch meinen Pferden negativ - ich mag da durchaus verblendet sein.
Denn: sie dürfen sich auch von mir wegbewegen, in ihrem eigenen Abstand zu mir, ohne bestraft zu werden - warum auch?
Wenn ich z.B. frei arbeite in unserer 18 x 57m Halle läuft der Hengst auf viel weiterem Abstand, weil er einfach mehr Platz braucht und die lange Strecke liebt und der Wallach bleibt näher bei mir, wenn er nicht nur toben will.
Auch auf diese Entfernungen (ich bleibe auf der Mittellinie und marschiere diese auf und ab) sind beide Pferde "beherrschbar", sprich sie laufen die Richtung und auch das Tempo, wie vorgegeben. Sie reagieren auf meine Körpersprache, auf meine Angebote und das Größte für beide ist, dass sie zu mir kommen dürfen und geknubbelt werden.
Möchte ich näher an ihnen arbeiten, halte ich sie bei mir, aber nicht über Leckerchen sondern über Spielen, Sprechen, Berühren. Da ist der Hengst, weil einfach unsicherer und noch nicht so abgeklärt, lieber näher an mir dran, will berührt werden, um sich meiner zu versichern. Der Wallach hingegen möchte da etwas mehr Distanz, aber er ist dennoch nicht ausser Reichweite, läßt sich berühren, braucht aber durch seine Abgeklärtheit und Selbstsicherheit einfach weniger Nähe und Hilfe.

Tja, wenn nicht, wenn sie zb abhauen, dann muss ich mir was überlegen...Dann schick ich sie auch mal, aber wenn ich sehe, dass sie nachgeben, dann ist sofort Ruhe und sie können zu mir in die Mitte kommen.

Man kann durchaus nur positiv verstärken und negatives übergehen.
Und wenn wir es schon natürlich betrachten: Pferde leben auch nicht nur in völliger Einigkeit zusammen: Sie können sich übel prügeln und im nächsten Moment stehen sie ruhig nebeneinander.

Wenn ich die Signale eines Pferdes lesen kann (und es gibt deutlich mehr als Schweif und Ohren und Hinterfüsse), brauche ich weder Clickern noch sonst Hilfsmittel, dann reichen Stimme und Hände.

Interessant macht der Ablauf das Zusammenspiel - nicht das stupide immer wieder Wiederholen und nur Befehle ausführen, sondern probieren lassen und selbständig lernen und daran wachsen.

Aber das ist es auch, was die meisten Pferdebesitzer von Wissenschaftlern unterscheidet: Ich jedenfalls betrachte meine Pferde nicht als Versuchskaninchen und tobe an ihnen meine perversen Gelüste aus. Wenn was nicht funktioniert, guck ich bei mir, so frustrierend das auch manchmal ist. Dies ist aber nicht der Sinn von Tierversuchen - und das macht sie u.a. so abstoßend.

Und ich gehe auch nicht davon aus, dass sich damit jemand vergleichen muss hier oder möchte. Egal, welche Art von Training man nun bevorzugt, solange die Pferde nicht drunter leiden.
Louise
Benutzeravatar
Melli
User
Beiträge: 439
Registriert: Mo, 23. Apr 2007 16:16
Wohnort: Münster
Kontaktdaten:

Beitrag von Melli »

Positive Verstärkung ist nicht zwangsläufig Tierquälerei, das ist doch Blödsinn.
Sie ist (speziell in Form von CT) aber auch nicht zwangsläufig das, was meinen Vorstellungen von Ethik und Moral am besten entspricht.

Das Thema ist umfangreich, ich werde an dieser Stelle nicht en detail meine philosophischen Gedanken zum Zusammenleben und -arbeiten von Mensch und Tier darlegen.

Gleich vorweg: ich habe weitgehend aufgehört, in Kategorien von positiver und negativer Verstärkung zu denken, sondern ich glaube vielmehr an komplexes soziales Lernen in einer Vielschichtigkeit, die einem konkreten Auseinanderklamüsern, welcher Zustand eigentlich "neutral" ist und welcher von vornherein eine Färbung hat und wodurch, und ob eine Veränderung an einem Zustand was positives wegnimmt oder was negatives hinzufügt, kaum zugänglich ist (denn es passiert sehr viel in kurzer Zeit).
Das Leben ist keine Skinnerbox, Skinner selbst gab am Ende seiner Schaffenszeit wohl zu, dass diese sterilen Versuchsaufbauten für das Zusammenleben und Lernen in sozialen, komplexen Strukturen praktisch keine Aussage haben, wertlos sind.

Funktionieren alleine genügt mir nicht, im Gegenteil, ich entscheide mich manchmal für einen Weg, der nicht so gut funktioniert wie ein anderer. Wenn ich den Wert einer Methode danach beurteile, wie gut er funktioniert, dann muss ich auch drastische Maßnahmen, die über Schmerzen und (Todes-)Angst funktionieren, "gutheißen", und das liegt mir fern.
Die bloße Tatsache, dass CT funktioniert, ist für mich also kein Argument, sonst müsste ich dieses Argument auch an anderer Stelle gelten lassen.

Zum Ziegenversuch, du hast wohl nur den einen Satz gelesen, der so aus dem Zusammenhang genomen natürlich keinen Sinn ergibt.
Ich weiß nicht, ob du diese Versuche kennst, die Ziegen müssen verschiedene Muster oder Formen u.dgl. auf einem Bildschirm erkennen und bekommen für eine richtige Antwort (=Drücken des entsprechenden Knopfes) eine kleine Portion Wasser. Der Versuchsaufbau befindet sich im Gruppenlaufstall, die Tiere haben also Tag und Nacht Zugang zu der Apparatur. Sie kommen nicht nachts irgendwoanders hin, wo sie sich satt trinken könnten. Würde das passieren, wären die Tiere nicht motiviert, tagsüber eine Apparatur zu bedienen, um an Wasser zu kommen (und über Timing brauchst du mich nicht belehren :wink: ).

Der Rest der Diskussion ist von mir schon etliche Male in epischer Breite geführt worden, ein Satz wie "hast du schonmal darüber nachgedacht...." lässt mich in dem Zusammenhang, nicht böse gemeint, nur noch dann aufhorchen, wenn danach was wirklich neues, spannendes an Input kommt, was ein bisschen mehr in die Tiefe geht.

Wenn absehbar ist, das wir sowieso nicht übereinkommen, dann ist eine Diskussion aber anstrengend und wenig zielführend. Ich habe meine Meinung über die verschiedenen Konditionierungsformen, soziales lernen und artspezifische Kommunikation und da interessieren mich vielleicht Randbereiche noch so, dass ich das diskutieren mag, mehr nicht.


Ich habe nichts gegen Clickern, so lange es andere tun, für mich ergibt es einfach keinen Sinn, ich würde auch mein Kind nicht beclickern, und ich finde es auf gar keinen Fall per se "besser", als jede andere vernünftige, respektvolle Trainingsphilosophie.
Für Auswüchse wie zB bei Pet Star (siehe youtube) oder eben ganz krass Delfinarien fehlt mir jedes Verständnis.

Ansonsten liegt es mir fern, mich in anderer Leute Training einzumischen und jemandem was ausreden zu wollen, woran er glaubt.
Jedenfalls mache ich gewiss nicht einfach Clickertraining ohne Clicker 8)

Louise, guter Beitrag, ich mag deine Einstellung.

Lieben Gruß
Melli.
louise
User
Beiträge: 159
Registriert: So, 14. Sep 2008 23:08
Wohnort: NRW

Beitrag von louise »

danke!
Carmen
User
Beiträge: 877
Registriert: Mi, 03. Okt 2007 19:04
Wohnort: OHV
Kontaktdaten:

Beitrag von Carmen »

Könnt ihr mich mal aufklären? Wer hat wann und wo behauptet, positive Verstärkung sei Tierquälerei?
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
Benutzeravatar
Filzi
User
Beiträge: 2711
Registriert: So, 24. Feb 2008 21:24
Wohnort: Österreich

Beitrag von Filzi »

Ich kenne mich auch gerade nicht aus. :shock:
"Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg." Mahatma Gandhi
Carmen
User
Beiträge: 877
Registriert: Mi, 03. Okt 2007 19:04
Wohnort: OHV
Kontaktdaten:

Beitrag von Carmen »

Ich habe zumindest noch nie größeren Schwachsinn gelesen.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
Gast2

Beitrag von Gast2 »

in Bezug auf was?
Benutzeravatar
Traumdauterin
User
Beiträge: 1626
Registriert: So, 25. Jan 2009 17:46
Wohnort: Leipzig

Beitrag von Traumdauterin »

ich komm auch grad nicht mit. aus welchem thread stammt das, worauf im ersten posting bezug genommen wird, kala?
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
Benutzeravatar
Filzi
User
Beiträge: 2711
Registriert: So, 24. Feb 2008 21:24
Wohnort: Österreich

Beitrag von Filzi »

Carmen hat geschrieben:Ich habe zumindest noch nie größeren Schwachsinn gelesen.
Danke dir, :wink:
Ich wollte es etwas anders schreiben. :engel:
"Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg." Mahatma Gandhi
Antworten