Die Sache mit dem Schub

Rund um die klassische Reitkunst

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Miri
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Die Sache mit dem Schub

Beitrag von Miri »

Hallo zusammen,

viele Rassen haben einen enormen Schub. Schub wird von vielen als negativ gewertet, weil er der Tragkraft im Weg steht.
Schub bedeutet für mich aber auch mehr Ausdruck und Dynamik in der Bewegung.
Ist Schub grundsätzlich schlecht?

Mal angenommen man reitet ein Pferd mit extremen Vorwärts und viel Schub, ohne Tragkraft. Würde man den Schub ausbremsen, um der Tragkraft näher zu kommen? Also zum Beispiel Volten, Zirkel o.ä. reiten, um die Schubkraft zu reduzieren oder würde man sich dadurch die Gänge ruinieren?
Ist Schubkraft auch das was man auf vielen Turniern in der Trabverstärkung sieht? Also kein Tragen sondern ein zurückhängendes Hinterbein, aber vorne Monsterbewegung? Oder ist Schub doch auch locker, nur eben nicht korrekt?

vg,
Miri
maurits

Beitrag von maurits »

Schub und zurückhängendes Hinterbein passen für mich nicht zusammen.

"Schub" bedeutet für mich "nach vorne" und damit meine ich "von hinten nach vorne" beim Pferd.

lg
maurits
xelape

Beitrag von xelape »

ich reite ein WB mit sehr viel Schub..- riesige Übersetzung und laaange Schritte, und Tritte.
Bei meinem ersten DOB Kurs, lag das Hautpaugenmerk darauf, das Pferd dazu zu bewegen, kürzere Tritte zu machen und dafür die Trittfrequenz zu erhöhen.
Das ist wahnsinnig schwer - vor allem wenn man selber nicht sooo gut reitet

Ich versuche täglich etwas daran zu arbeiten... und kann sagen es wird langsam besser, und ich spüre, dass sich immer wieder kurze Reprisen selber trägt.
Seine Gänge verliert er dadurch nicht, die restlichen 22 h pro Tag bewegt er sich ja weiter, wie es für ihn "am bequemsten" ist..
Miri
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Beitrag von Miri »

@xelape: Und was im Speziellen habt ihr an Übungen dafür gemacht, um das zu erreichen?

@maurits: dann müsste ein versammeltes Pferd nicht mehr von hinten nach vorne laufen, oder verstehe ich dich jetzt falsch? Schub erkennt man doch unter anderem am durchgestreckten Hinterbein. Ein versammeltes Pferd hätte mehr Beugung im Sprunggelenk. Also hat man erst mal den Schub reduziert habe ich auch das von hinten nach vorne reiten gestoppt?
esge
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Beitrag von esge »

Na, jedenfalls hat Umwandlung von Schub- in Tragkraft nix mit Bremsen zu tun! Im Gegenteil: Je mehr Versammlung ich vom Pferd möchte, umso lebhafter muss es werden. Schieben kann ein Pferd sogar im höheren Tempo ohne besonders fleißig dabei zu sein.
Loslassen hilft
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Geht ein Pferd im Gleichgewicht, fußt ein Pferd im Idealfall soweit vor unter den Körper, wie es nach hinten rausschiebt (wenn man ein Lot durch das stehende Hinterbein fällen würde). Tragkraft ist NIE ohne Schubkraft möglich.

Ein Pferd muss sich immer nach vorne bewegen und ein Nach-Vorne ist NUR mit Schub möglich.

Die Frage ist allerdings, in welche Richtung wirkt der Schub. Ein Pferd im größeren Rahmen schiebt nach hinten raus.

Wird ein Pferd korrekt von hinten nach vorne versammelt, ändert sich die Schubrichtung, das Pferd schiebt nach "vorne-oben".

Dies ist aber nie einzeln zu betrachten, diese Tragkraft-Schub-Linie verändert sich nur, wenn ein Pferd die Hanken beugt (Becken abkippt) und ist auch zu sehen in dem höheren Abwinkeln der Beine. Durch die Versammlung und der Verschiebung der Schub-Linie fußt das Pferd im Idealfall nicht mehr hinter der Kruppe hinaus, sondern bleibt mit den Hinterbeinen unter dem Körper.

Schubkraft ist niemals negativ, bestenfalls für den Reiter, der das sitzen muss. Da darf man sich nicht an Negativbeispielen aufhängen, wo das Pferd auf die Vorhand über Tempo geritten wird. Das ist nicht DIE Schubkraft, wie sie ideal genutzt wird.

Ein Pferd muss natürlich ausgebildet werden und da gehört sowohl Schub- als auch Tragkraft dazu.

Eine gute Überprüfung für relles Ausbilden, ob man ein Pferd korrekt über den Rücken reitet und nicht nur langsam in Schönheit stirbt ;): alles, was ich verkürze, muss in dem gleichen Maß wieder nach vorne heraus zugelegt werden können. Ansonsten war es sehr wahrscheinlich nur langsam-reiten und nicht versammelt. ;)
maurits

Beitrag von maurits »

Miri hat geschrieben:
@maurits: dann müsste ein versammeltes Pferd nicht mehr von hinten nach vorne laufen, oder verstehe ich dich jetzt falsch? Schub erkennt man doch unter anderem am durchgestreckten Hinterbein. Ein versammeltes Pferd hätte mehr Beugung im Sprunggelenk. Also hat man erst mal den Schub reduziert habe ich auch das von hinten nach vorne reiten gestoppt?
nein, wenn das Pferd versammelt wird, verändert sich die Schubkraft in Tragkraft und die Hanken beugen sich vermehrt. Und treten ebenfalls vermehrt unter den Schwerpunkt.

lg
maurits
xelape

Beitrag von xelape »

Übungen die wir gemacht.
Kleine Volten im Schritt - Augenmerk darauf dass er schnell tritt - immer wieder mit Gerte anticken, Zügel waren eher lang dabei.. WICHTIG einfach, dass er schnell mit den Beinen wird.

Im Trab immer einen Tick vor der Bewegung aufstehen, und sich wirklicht vorstellen man sitze auf einem Pony.. dabei soll er nicht schneller vom Tempo werden - sondern flotter abfußen.
So viel wir möglich kringeln, am besten 12 Schlangenlinien durch die ganze Bahn reiten, weil er in der Wendungen kleiner Treten muss, damit er rumkommt.

Emfpehlung war: Trabstangen die immer wieder in unterschiedlichen Abständen liegen --> fällt uns schwer weil Herrn Pferd es wurscht ist, ob er da hängen bleibt.
Besser halb aufgestellte Cavalettis im Fächer, und dann mal mittiger, mal mehr innen reiten, so dass er seine Trittlänge anpassen muss.
Flotte Ausritte, lange Schrittausritte am langen Zügel meiden, ihn ruhig mit der Gerte ärgern, damit er einfach schneller wird.
Anpiaffieren an der Hand..
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Everl
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Beitrag von Everl »

Link mit Basis-Info's zum Thema Schubkraft / Tragkraft:

http://www.mareike-koehler.de/skala_d_d ... ildung.htm
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

Bernie hat geschrieben:Geht ein Pferd im Gleichgewicht, fußt ein Pferd im Idealfall soweit vor unter den Körper, wie es nach hinten rausschiebt (wenn man ein Lot durch das stehende Hinterbein fällen würde). Tragkraft ist NIE ohne Schubkraft möglich.
Hier steht das gut beschrieben. Zitat aus dem Text von Ph. Karl:

"Untersuchungen der Bewegungsmechanik im Trab, z.B. anhand von Fotografien, zeigen, dass das Pferd in der gesamten Spanne vom starken Trab bis hin zur Versammlung in der Passage niemals seine Stützbasis – also den Abstand zwischen den beiden stützenden diagonalen Beinen – verkürzt. Häufig wird die Stützbasis in der Passage sogar nach hinten heraus erweitert. Das vermehrte Untertreten der Hinterbeine in Richtung unter den Schwerpunkt, sei es um das Gleichgewicht zu verbessern oder das Tempo zurückzunehmen, ist also ein geistiges Wunschbild (Abbildung 2)."

Also, wenn das hinterbein nach vorne treten soll, muss es auch genauso weit nach hinten rausschieben. Anders geht das nicht!

Der ganze Text mit Abbildungen: http://www.dressur-studien.de/images/pd ... alance.pdf
Miri
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Beitrag von Miri »

Danke euch allen!

Hört sich für mich momentan dann sehr nach Schub = Schwung an. Oder gibt es da einen (feinen) Unterschied?
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Saludos,
hmm, in meinen Augen gibt es diesen Unterschied: Schwung ist etwas, was ich erst entwickeln kann, wenn die Schubkraft aus der HH über den Rücken nach vorn fließen kann. Ergo gibt es zwar Schub ohne Schwung, aber keinen Schwung ohne Schubkraft…
esge
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Beitrag von esge »

Widerspruch. Es gibt Schwung ohne großartigen Schub. Sehr gute Piaffen schwingen! Und die Passage ist die größte Schwungentfaltung des Pferdes. Bei unbegabten Pferden kann sich Schub u.U. erst aus Schwung in der Versammlung ergeben.
Umgekehrt hat, wie auch Cubano schrieb, längst nicht jedes Pferd, das Schub hat, auch Schwung, bzw. schwingt. Beispiel Trabrennpferde.
Loslassen hilft
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Moins…
sehr gute Piaffen sind aber erst dann sehr gut, wenn die bereits entwickelte Schubkraft in Tragkraft weiter entwickelt werden konnte – sonst wirken die Piaffen doch meistens eher getrippelt als geschwungen :D
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Sehr gute Piaffen schwingen!
Genau. Für mich ist der Schwung hier nicht mehr "vorwärts", sondern mehr "aufwärts" gerichtet. Schwung geht ja nicht nur nach vorne, oder?
Und wenn die Tragkraft noch nicht entwickelt ist, kann eben auch kein Schwung nach oben dasein. Dann entsteht das Trippeln oder Hopsen, weil es zu schwierig ist, die Fließbewegung mit gleichmässiger Belastung/Bewegungsphase umzusetzen.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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