Dr. Heuschmann auf dem Birkenhof

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Josatianma
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Dr. Heuschmann auf dem Birkenhof

Beitrag von Josatianma »

Dr. Heuschmann auf dem Birkenhof


Das Flair Hotel in Dammdorf hat eine sehr gemütliche familiäre Atmosphäre. Sandra Bartels vom Birkenhof in Preetz hat sich dieses Hotel für den von ihr organisierten Vortrag mit Dr. Gerd Heuschmann ausgesucht. Nach einem sehr herzlichen Empfang durch die Veranstalter fanden wir unsere Plätze recht weit vorne. Dort traute sich offenbar niemand hin.
Zur Begrüßung, um kurz nach 18.00 Uhr, gab es ein Willkommensgetränk für jeden Gast und eine kurze Ansprache von Sandra Bartels, bevor Dr. Heuschmann mit seinem Vortrag begann.
Vorab hat Dr. Heuschmann sich aber über die von ihm veröffentlichten Bilder, auf einem Friesen während eines Kurses, geäußert. Dr. Heuschmanns Stellungnahme klang zumindest für mich plausibel.
Dann ging es endlich los und neben ausführlichen Informationen über die biomechanischen Zusammenhänge der Pferdeanatomie gab es viele Ausflüge in die literarische Welt der klassischen Reiterei und jede Menge Zitate alter Meister. Gespickt mit Geschichten und Gedanken rund um die Reiterei, den Umgang mit Pferden und das Verständnis für die pferdespezifischen Eigenheiten wurde ein runder Abend daraus.
Immer und immer wieder hat Dr. Heuschmann Zusammenhänge erklärt, Abläufe beschrieben, Fragen beantwortet und wenn nötig auch vorgetanzt. Er wirkte offen, ehrlich und hat den Abend mit der nötigen Portion Humor gewürzt, um das teilweise doch schwierige Thema für jeden zugänglich zu machen. Während der dreiviertelstündigen Pause hat er sich an die verschiedenen Tische gesetzt und uns nach unseren Eindrücken gefragt, wieder Fragen beantwortet, bzw. auch einfach mal Smalltalk betrieben.
Nach der Pause bekamen wir Videos von Pferden zu sehen, die augenscheinlich lahm waren. Letztlich handelte es sich bei diesen Pferden "nur" um eine Zügellahmheit, die durch korrektes Geraderichten an der Longe und unter dem Reiter zu beheben waren. So war auf den Videos schon eine deutliche Verbesserung bis hin zu gänzlicher Lahmfreiheit zu sehen.
Die Erwartungshaltung in Bezug auf den folgenden Tag war nun groß. Ich war gespannt, ob Dr. Heuschmann das, was er uns erzählt hat, auch in der Praxis umsetzen kann und mir gingen viele Gedanken durch den Kopf als ich um 22.30 Uhr auf dem Weg zu meinem Auto war.

Das Wetter meinte es am Donnerstag gut mit uns, die Sonne schien und der Wind wehte nur leicht. So konnte das Seminar draußen stattfinden. Sandra Bartels begrüßte jeden Gast wieder sehr herzlich und die nette, freundliche Stimmung auf dem Hof fiel sofort angenehm auf. Auf der Stallgasse gab es alles, was man für einen schönen Pferdetag braucht. Kaffee, Kuchen, Brötchen und mittags zwei leckere Suppen.
Pünktlich um 9.00 Uhr ging es mit dem ersten Pferd los. Die Pferde, die wir über den Tag zu sehen bekamen, waren durchweg sehr unterschiedlich. Einige waren sehr leicht im Genick und rollten sich schon ein, wenn der Reiter nur die Zügel in die Hand genommen hat, andere waren eher triebig bis büffelig und ließen ihre Reiter ordentlich schwitzen. Es waren leicht und fein gerittene Pferde dabei, aber auch Pferde, die mit viel Aufwand geritten wurden und denen es einfach an Leichtigkeit und Ausdruck fehlte.
Jeder Teilnehmer ritt sein Pferd kurz im Schritt, Trab und teilweise auch im Galopp vor, bevor sich Dr. Heuschmann bei fast jedem Pferd selbst in den Sattel schwang. Vom Sattel aus setzte er seinen Vortrag vom Mittwochabend fort und demonstrierte nebenbei auch gleich das ein oder andere. So löste er jedes Pferd ausgiebig im Schritt in den Seitengängen und sparte nicht an Erklärungen, warum und wieso er mal mehr, mal weniger Abstellung fordert und wie wichtig die Maultätigkeit ist. Bei einigen Pferden ging es darum, das Genick oben zu halten, bei anderen musste das Genick geöffnet und gelöst werden. Auch wenn der von Dr. Heuschmann angewandte "2-Punkt-Sitz" etwas gewöhnungsbedürftig aussah, so war doch bei jedem Pferd ein deutliche Verbesserung der Hinterhand- und Rückenaktivität zu sehen. Wenn er dann "ganz normal" geritten ist, konnte man doch einen sehr gut sitzenden und einfühlsamen Reiter sehen.
Der Reitstil von Dr. Heuschmann gefiel mir und schien ein buntes Potpourri verschiedener Elemente zu sein. Er sagte zwischendurch, es sei gut, über den Tellerrand zu schauen und sich aus verschiedenen Reitweisen das Beste "zusammenzustehlen". Nur so könne man als Reiter immer individuell auf die verschiedenen Pferde und deren Probleme eingehen.
Auch wenn es auf den ersten Blick schien, als würde der Weg für jedes Pferd gleich sein, so gab es bei genauerem Hinsehen doch Unterschiede, sowohl im Verlauf der Einheiten, als auch im Ergebnis für diesen Tag. Einige Pferde wurden in den Übergängen besser, andere in den Seitegängen, eines konnte sich deutlich in Piaffe und Passage verbessern.
Sehr spannend waren für mich zwei Pferde mit deutlichen Störungen im Bewegungsablauf, die tierärztlich schon ausgiebig untersucht wurden und bei denen auch osteopathisch keine Ursache gefunden werden konnte. Diese Pferde waren schlichtweg schief und jeweils nach ca. 20 Minuten wieder völlig im Takt und ohne "Lahmheit".
Ein Pferd hat mich ganz besonders beeindruckt. Ein großer, schlaksiger Fuchs, der ursprünglich auf eine Auktion vorbereitet wurde und nach Amerika verkauft werden sollte. Dazu kam es nicht, weil dieses Pferd sich nach der Auktionsvorbereitung kaum noch reiten ließ und ständig auf der Flucht war. Angst vor dem Reiter, Angst vor dem Schenkel und Angst vor der Hand machten entspanntes und schönes Reiten unmöglich. So kam dieses Pferd zu Sandra Bartels auf den Hof und fand eine sehr einfühlsame Reiterin, die aber teilweise mit dem Temperament des Fuchses und seiner Panik überfordert war. Dr. Heuschmann ritt auch dieses Pferd und versuchte einen Zugang zu dem Fuchs zu finden. Dies war nicht leicht, denn das Pferd hatte genau zwei Dinge gelernt, sich aufrollen und unter dem Reiter davon rennen, oder mit hochgerissenem Kopf ebenfalls rennen, um Einwirkungen des Reiters dann mit Steigen zu beantworten. Die Hilfen mussten hier teilweise auch etwas deutlicher ausfallen, um dem Fuchs zu vermitteln, wie die gewünschte Reaktion aussehen soll. In dem ein oder anderen Moment hätte ich mir dann eine Reitkappe auf dem Kopf von Dr. Heuschmann gewünscht. Zwischendurch witzelte er und sagte, dass jetzt die Gelegenheit günstig wäre um an die Friesenfotoserie anzuknüpfen.
Nach einigen Minuten konnten wir aber sehen, dass der Fuchs anfing, sich wohler mit seinem Reiter zu fühlen und verstand, welchen Weg Dr. Heuschmann ihm zeigen wollte. Nun stieg die Reiterin des Fuchses wieder in den Sattel. Sie bemerkte gleich einen deutlichen Unterschied und konnte die Anweisungen von Dr. Heuschmann gut und geschickt umsetzen. Der Fuchs entspannte sich unter der ihm bekannten Reiterin zusehens immer mehr und fand zu einer schönen Dehnungshaltung in gutem Gleichgewicht. Der Takt wurde immer sicherer und auch im Galopp und in den Übergängen war das Pferd ausbalancierter und losgelassener. Mich hat vor allem der Ausdruck des Fuchses sehr berührt. Das Auge sah ganz anders aus, als zu Beginn. Er blickte viel ruhiger und sicherer und fühlte sich offensichtlich sehr wohl in der jetzigen Situation.
Dr. Heuschmann betonte noch einmal, dass er bei den Pferden heute lediglich eine Tür geöffnet hat und die Reiter in ihrer weiteren Arbeit daran anknüpfen müssen.
Scheinbar ist Dr. Heuschmann auch schon länger als Ausbilder tätig, denn Sandra Bartels, sowie eine weitere Teilnehmerin des Seminars, arbeiten schon seit über einem Jahr mit ihm zusammen. Und er ist regelmäßig alle vier Wochen auf einem Hof ganz in meiner Nähe, so dass ich mir weiterhin ein Bild von seiner Arbeit machen kann.
Mir hat gefallen, wie gleich bleibend ruhig und entspannt Dr. Heuschmann in der Arbeit mit jedem Pferd gewesen ist und nebenbei jede Frage aus dem Publikum beantwortet hat. Er hat sich für jedes Pferd und für jeden Reiter, aber auch für jeden Zuschauer Zeit genommen. Auch mit Kritik ist er gut umgegangen. Bei einem Pferd fühlte sich die Reiterin überfordert und auch das Pferd schien unsicher. Hier räumte er auf Anfrage eines Zuschauers ein, dass er in diesem Moment etwas zu viel erwartet hätte.

Die Stimmung während des Seminars war durchweg entspannt, freundlich und sehr höflich. Die Teilnehmer haben meinen großen Respekt; vor einer Gruppe fremder Menschen zu reiten und sich und sein Pferd zu zeigen ist schon nicht so einfach.
Für mich waren es interessante, spannende und aufschlussreiche anderthalb Tage, aus denen ich einige Anregungen für die eigene Arbeit mit nach Hause genommen habe.

Autor: susiesonja
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Vielen Dank für den tollen Bericht!
Es freut mich, dass sich Heuschmann offensichtlich doch nicht abschrecken lässt, weiterhin öffentlich zu reiten! Und das er die Offenheit und den Humor besitzt sich zu dem "Skandal" zu äußern und Witze darüber zu machen.
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Vielen Dank für den schönen Bericht!

Vielleicht ist der Doc jetzt auch selber wieder "lässiger", nachdem das alles schon ein paar Tage zurückliegt, und kann sich nur auf sich selbst und seine Arbeit konzentrieren. Hört sich jedenfalls gut an.
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
Julia
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Beitrag von Julia »

Das klingt wirklich spannend und lehrreich ! :D

Wenn nochmal sowas im Norden ist sag doch mal Bescheid, vielleicht komme ich auch.
Liebe Grüße, Julia
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Vielen Dank für den tollen Bericht, der sich ganz anders anhört als das, was man gemeinhin über GH in der Presse liest.

Ich finde es immer wieder erschreckend zu sehen oder zu lesen, wie junge Pferde für Auktionen "fertiggemacht" werden und wie lange die Käufer dieses Pferdes dann mit den Auswirkungen solcher Methoden zu kämpfen haben. Glück für diese Pferde, wenn sie einen einfühlsamen Käufer finden!
Viele Grüße
Sabine
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

danke! :-)
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Meg
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Beitrag von Meg »

auch danke!
Whenever I feel blue, I start breathing again :-)
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Mela
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Beitrag von Mela »

Vielen Dank für den Bericht, war sehr interessant und läßt GH in einem ganz anderen Licht erscheinen, als in letzer Zeit in der Presse, dass freut mich, denn ich finde er hat sehr viel für die Pferde getan.
Liebe Grüße
Mela

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
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