Ein "bisschen" HdS - gibt es das?

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Kaiserulan
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Beitrag von Kaiserulan »

Gast hat geschrieben: Muss das mal auch in der HdV 12 recherchieren, aber ich könnte wetten das dazu auch ein Hinweis drin ist.
D.V.E. 12 von 1912. Kapitel über die jungen Remonten.

http://i56.tinypic.com/orv49j.jpg

edit by Admin: Anhang verkleinert, bitte über den Link ansehen.
Ein guter Reiter fällt regelmäßig vom Pferd, denn er darf kein Angsthase sein.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@Kaiserulan: das Kapitel handelt aber vom Reiten von jungen Remonten, also Pferden im 1. Ausbildungsjahr.
Da sehe ich einen Unterschied zu dem heute geforderten V/A zu Beginn und zum Ende jeder Reiteinheit bei weiter ausgebildeten Pferden. (Wobei ich der Meinung bin, dass man bei einem gut ausgebildeten Pferd jederzeit auch die Remontenhaltung abfragen können muss.)

@colloid: das Totilas-Piaffe-Foto ist nicht gerade das beste: der Hals "kippt zu sehr ab", und die Schulter-Hals-Partie wirkt auf mich nicht frei genug getragen. Interessant ist auch, dass der Reiter einen ziemlich entlastenden Sitz hat - eigentlich möchte man ja in der Piaffe den Belastungssitz sehen. Ein Übergang in eine Trabverstärkung wäre in diesem Moment nicht möglich.

Auf dem Foto von Frau Haynes sehe ich ein Pferd in einer korrekten Piaffe mit sehr deutlich gebeugten Hanken und einem sehr lebhaften Ausdruck und einer sehr freien VH-Hals-Schulter-Partie und einer Reiterin im Belastungssitz. Die beiden könnten aus dieser Haltung heraus jeden Übergang reiten.
Viele Grüße
Sabine
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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

olympia ritte von 1979

interessant finde ich hier generelle haltung beider pferde im vergleich zu heutigen dressurprüfungen

http://www.youtube.com/watch?v=GwXxetVUdxs&NR=1
„Wer nur zu seiner Freude reitet, aus Freude am Leben, aus Freude an Flur und Wald, aus Freude am Pferd, der ist ein König und ein Weiser.“ (aus: Vollendete Reitkunst, Udo Bürger, 1959)
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Gerade, wenn man solche "alten" Ritte sieht, wird einem sehr deutlich vor Augen geführt, wie sehr sich das allgemeine Bild vom gut gerittenen Pferd seitdem geändert hat. Bei H. Boldt (besser: bei seinem Pferd) ist tatsächlich das Genick der höchste Punkt, ebenso bei Fr. Stückelberger - vergleicht das mal mit den Bildern von Totilas ein paar Seiten vorher! (und Totilas ist schon vergleichsweise richtig gut). Und natürlich ist da dann auch kein "bisschen hdS" zu sehen. Aber es sieht eben auch weniger spektakulär aus.
„Hast Du nie auf einem Schimmel gesessen, hast Du nie ein gutes Pferd geritten.“ - Altpolnisches Sprichwort
sab
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Beitrag von sab »

Hallo,


ich denke, das Bild des richtig gerittenen Dressurpferdes veränderte sich ungefähr mit der Karriere von Uphoff / Rembrand und später Isabell Werth. Damit begann m.M.n. die Rollkurreiterei, die von den praktizierenden Reitern dann als "Tiefes Einstellen " bezeichnet wird. Ein Grund wird vermutlich auch gewesen sein, dass die Pferde sich verändetren ; blütigere und dmait auch temperamentvollere Tiere (im Gegensatz z.B. zu den Hannoveranern vor 30 Jahren). Uphoff oder Boldt (der sie zeitweilig trainiert hat) hat selbst irgendwo mal gesagt, dass Rembrandt ein Pferd war, dass extrem viel scheute, daher habe sie in dieser tieferen Haltung geritten.


LG

Sabine
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Während mir der Ritt von Frau Stückelberger recht gut gefällt (Pferd schön locker), gefällt mir wiederum Harry Bold (gar) nicht. Die Paraden die er bei 3:00 reinhaut, werden heute bei Isabell Werth total verdammt. Und die Galopp-Piroutte ist mehr herumgeworfen als durchgesprungen.

Aber da wir beim Thema Kopfhaltung sind: ich habe trotz allem das Gefühl, dass die Aufrichtung damals auch nicht immer "relativ" war. Will sagen, dass diese oft von vorne erarbeitet wurde - siehe Aufwärtsparaden Harry Boldt - und nicht dadurch entstand, weil hinten mehr Last aufgenommen wurde. Nur weil die Köpfe sich vor der Senkrechten befinden, finde ich die Rücken deshalb nicht zwingend lockerer und schwingender. Harry Boldt muss da ganz schön rumdotzen, weil der Rücken nicht dabei ist.
Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts. (Heinrich Schliemann, Entdecker Trojas)
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Beitrag von kallisto »

Mir fällt auf, dass die Aufrichtung zu Lasten der Rückentätigkeit geht (Woycek, 1:40). Die Qualität der Anlehnung finde ich entscheidender, als der genaue Winkel Kopf-Hals-Haltung. Wenn er sich im Rücken fester macht und etwas gegen die Hand geht, dann zwar die Kopf vor der Senkrechten hat, ist das doch nicht automatisch gut :?: und man sieht auch die Auswirkungen auf die Bewegung, die unrunder wird.
Sowohl Granat als auch Woycek gefallen mir an der Senkrechten von der Losgelassenheit der Bewegungen viel besser als vor der Senkrechten.

Totilas ist mir geschmeidiger und feinfühliger geritten. Gerade die Paraden bei Boldt und die oft stehende (zu wenig mitgehende) Hand ist mir zu hart.

LG Susi
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Catja&Olliver
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Beitrag von Catja&Olliver »

kallisto hat geschrieben:Die Qualität der Anlehnung finde ich entscheidender, als der genaue Winkel Kopf-Hals-Haltung.
Woran erkennst du von aussen die Qualitaet der Anlehnung, wenn nicht an der Kopf-Hals-Haltung?
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

An den Übergängen (den Paraden, wie durchlässig das Pferd sie annimmt), der Hand des Reiters, am Rücken/Hüfte/Flanken, der HH, am Maul, am Ohrenspiel, am Gangwerk usw. usw.

Woran erkennt man bei einem HdS gerittenen Pferd, das es nicht über den Rücken geht? Ist die gleiche Frage. Es gehört eben mehr dazu als die Kopf-Halshaltung, aber das sollten wir doch hier alle wissen, oder?

@ Gast

JETZT hab ich dich erkannt und kann das besser einordnen. Ich erinnere mich das ich vor 5 Jahren ebenso "leidentschaftlich" gegen HdS-Reiten gewettert habe. Mit den Jahren und der Erfahrung bemerkt man, dass es nach wie vor nicht erstrebenswert ist, aber es ist nunmal etwas das a) passieren kann und b) manchmal eine zeitlang passiert. Und stell dir vor...es passiert nicht schlimmes, wenn man daran arbeitet eine korrekte Anlehnung zu erarbeiten und es nicht als Enziel ansieht! Ebenso ist es "andersrum", wenn man ein Pferd hat das eben über dem Zügel geht usw. da kann man ja auch nicht von "gesund" und "Endziel" sprechen, aber da wird nicht soviel gewettert.

Ich gehe damit konform, dass in den Köpfen immer mehr ein falsches Bild von "korrekt" exisitert und das immer mehr schlechte Vorbilder heut zutage "rumgurken", aber es liegt nun mal in der Verantwortung eines jeden Reiter selbst sich weiterzubilden, weiterzuentwickeln (!) und weiterzudenken. Dazu kann man niemanden zwingen oder belehren, das muss ein jeder einer selbst erkennen. Mit agressiver "Hau-drauf"-Methoden, Schwarz-Weiß-Malerei und Kompromisslosigkeit erreicht man nur eins: Sich ab- und auszugrenzen.

Und nochmal: HIER hat es jeder verstanden :-)


@ mein Pferd

Ist eher vom Kaliber, wenig Ganaschenfreiheit. Ein halbwegs annehmbares "am Zügel" - ist anspruchsvoll für ihn und seine Reiter. Er ist aber ein Exemplar bei dem ich hätte warten können bis die Alpen durch natürliche Erosionen abgetragen sind :P , ehe er "von allein" nachgeben hätte *gg* Der muss schon ein bissl gebeten und geritten werden. HdS kommt er leider auch mal, wie jedes Pferd, wenn die Abstimmung der Hilfen nicht stimmt oder die Kraft weg ist. Und da geh ich auch absolut konform - HdS ist ein "Reiterfehler" und gehört behoben, aber es passiert eben und ist KEINE Rollkur oder "auf den Kopf stellen". Dieses setzt nämlich eine aktive Handlung des Reiters vorraus um das Pferd dahinzustellen. :wink:

Was ist das? Okay, zu weit Vds, am Zügel, Gebrauchshaltung, überm Zügel, gegen den Zügel, auf dem Zügel?

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Es grüßt Nadine

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so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Catja&Olliver hat geschrieben:
kallisto hat geschrieben:Die Qualität der Anlehnung finde ich entscheidender, als der genaue Winkel Kopf-Hals-Haltung.
Woran erkennst du von aussen die Qualitaet der Anlehnung, wenn nicht an der Kopf-Hals-Haltung?
Wir reden alle viel vom Rücken und von der Kopf-Hals-Haltung. Vielleicht liegt die Wahrheit auch buchstäblich in der Mitte: nämlich der Widerrist muss "angehoben" sein. Ein Pferd, was bei angehobenem Widerrist in Aufrichtung geht, sieht wunderschön aus - denn es trägt sich selbst. Das gilt gleichermaßen für Arbeits- und Dehnungshaltung. Das "Erzwungene", egal ob zu hoch, zu tief, zu eng, zu weit, was auch immer, stört das Auge des Betrachters.

Kosmonova: mir fehlt der Eindruck, dass sich Hannes "selbst trägt", deshalb würde ich vermuten "auf dem Zügel". Ansonsten finde ich Deine Gedanken sehr schön formuliert und kann da nur unterschrieben. Vielen Dank!
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Mir kam beim Lesen der letzten Einträge grade ein Gedanke:
Kann es sein, dass es früher (also vor 50 bis 100 Jahren) eher "in Mode" war, mit einem stark aufgerichteten Pferd herumzureiten? Und heute ist eben eher die Mode, dass das Pferd den Kopf möglichst tief trägt...? (Ob dabei eng LdR oder eher V/A variiert dann je nach ideologischer Ausrichtung?).

Ich meine nämlich bei irgendeinem "Klassiker" (entweder es war Podhajsky oder Steinbrecht) immer wieder die Warnung gelesen zu haben, man solle seinem Pferd ja nicht zu früh zu viel Aufrichtung abverlangen oder die Aufrichtung mit den Zügel erzwingen.
Das kling für mich so, als ob früher halt die "Blender" ihren Pferden den Kopf nach oben zuppelten (vermutlich bei enger Genickeinstellung) um den Schein von Versammlung zu erwecken. Während heute den Pferden der Kopf runtergezuppelt wird, um den gleichen Schein zu erwecken....
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Bilder wie die von Boldt und Stückelberger waren in den Reithallen bis Mitte der 80er Jahre noch üblich. Heute würde man sagen "über dem Zügel" und würde mutmaßen, ob der Reiter wirklich zum sitzen kommt. Die etwas "stramme" Zügelführung von Boldt ist mir auch aufgefallen, ebenso wie die herumgeworfenen Pirouetten und ein ab und zu kurz festgehaltener Rücken. Damals sind sie nicht alle so viel besser geritten, auch wenn es gerne glorifiziert wird. Die Formgebung war anders, und die Ausbildungszeit des einzelnen Pferdes länger (und damit gründlicher).

@sab: genau den gleichen Gedanken hatte ich auch, als ich mir überlegt habe, wann begonnen wurde, die Pferde immer enger zu reiten. Ich denke auch, dass die Veränderung mit Rembrandt angefangen hat. Rembrandt war wohl extrem guckig und eigenwillig und ist zuweilen auch mal aus dem Viereck gesprungen. Er wurde damals oft von den "Klassikern" kritisiert, weil er keine Versammlung im klassischen Sinne zeigte und seine Anlehnung nicht ganz dem Ideal entsprach. Trotzdem wirkte er genau wegen seiner Dynamik und seinen hervorragenden Verstärkungen und den (zwar nicht klassischen, aber trotzdem sensationellen) Piaffen. Alle anderen Dressurpferde sahen neben ihm plump und schwerfällig aus. Irgendwie haben die beiden damals frischen Wind in den angestaubten hochehrwürdigen Dressurzirkus gebracht. Rembrandt war vermutlich auch das erste wirklich gangstarke Pferd im internationalen Sport.
Viele Grüße
Sabine
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Nochmal zum Thema Kopfhaltungen, weil ich wieder etwas ins Grübeln gekommen bin, als ich dieses Video von Liselott Linsenhoff mit Piaff aus dem Jahr 1972 gesehen habe:
http://www.youtube.com/watch?v=nFjJhxK7SUY
Ich finde die Haltung des Pferdes auch heute absolut korrekt (und bei weitem nicht so weit "über dem Zügel" wie bei Stückelberger und Boldt). Was mir hier auffällt, ist die wirkliche Leichtigkeit des Pferdes an den Hilfen. Das sieht man - zumindest in der deutschen Reiterei - im Sport nur noch selten. Habe ich es richtig in Erinnerung, dass Piaff von Otto Lörke ausgebildet wurde? Zumindest wurde Frau Linsenhoff lange von ihm trainiert.
Viele Grüße
Sabine
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

Zu dem Linsenhoff-Video einige Offtopic-Anmerkungen:

Habt ihr mal drauf geachtet, wie nah die Zuschauer da am Vierecke saßen? Heute sitzen sie gefühlte drei Kilometer weiter weg...

Was mir noch auffällt: Das für heutige Verhältnisse wenig gestreckte Bein der Reiterin. Trotzdem absolut korrekt und vor allem beneidenswert ruhig...

Und zum Thema Frau über 40 im Dressursport (Was Grunzi ja unästhetisch findet): Linsenhoff muss bei diesem Ritt ca. 45 Jahre alt gewesen sein, was gibt es da zu meckern?
sab
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Beitrag von sab »

Ja, Lörke war der Trainer von Linsenhoff . Er hat die Pferde auch selbst geritten.


Ich denke, dass die Rolllkurreiterei nicht nur wegen der blütigeren Pferde sondern auch wegen der vergleichsweise vielen Frauen im Pferdesport. Leute wie Schultheiss oder Lörke brachten doch ein ganz anderes Kreuz mit als eine Grunsven. Damit mussten die temperamentvolleren Pferde unter Kontrolle gebracht werden. Und auf der anderen Seite veränderten sich auch die Dressuraufgaben; denn immer mehr Lektionen werden in immer weniger Minuten abgefragt. Das bedeutet auch, dass Gehorsam eben oft vor Losgelassenheit steht bzw. stehen muss.


LG

Sabine
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