Barock, Klassisch, Klassisch-Barock *Fragezeichen*

Rund um die klassische Reitkunst

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Schlumpfine

Barock, Klassisch, Klassisch-Barock *Fragezeichen*

Beitrag von Schlumpfine »

Es gibt hier ein Thema über die UNterschiede zwischen "englisch reiten" und der "klassischen Reitkunst". Ist schon sehr hilfreich für mich. Um mich aber im Begriff-Dschungel besser zurechtzufinden würde ich gern noch wissen, was der Unterschied zwischen Klassik und Barockreiten ist.

(Reite erst seit einem Monat bei einer RL, die nach klassischen Grundsätzen unterrichtet)
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Die obige Frage ist doch schon schwer genug zu beantworten und da haust Du noch so einen Brocken hin?
Obwohl, eine (böse) Antwort fällt mir auf Anhieb ein: Bei den Klassikern wird noch vorwärts geritten :P

Und jetzt auf zum fröhlichen Steineschmeißen... ;)
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Medora
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Beitrag von Medora »

Hmmmm,

darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Spontan würde ich sagen, dass zum "Barock-Reiten" ein "barockes Outfit" gehört und vielleicht auch "barocke" Rassen.

Soweit ich weiß, unterscheiden sich die reiterlichen Grundlagen zu dem, was auch im "Klassischen" zu finden ist, nicht sehr, oder?

Medora
Lou mit Lucy
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Beitrag von Lou mit Lucy »

Ich hab davon nicht viel Ahnung, mir fällt nur auf, dass so gut wie alle Leute, die sich Barockreiter nennen, spezielle Pferderassen (Spanier, Friesen...fast nie Warmblüter, Ponies etc.) haben und sich gerne mal "verkleiden". Einige scheinen auf die Kostüme mehr Wert zu legen als auf richtiges Reiten...
Ich würde also mal vermuten, dass sich Barockreiter vor allem durch die Pferde und die Kleidung, nicht so sehr durch die Reitweise von den Klassikern unterscheiden.

Wobei bei der "Barockpferde-Klassifizierung" gerne mal vergessen wird: Friesen gehören strenggenommen nicht dazu - im Barock waren sie höchstens Kutschpferde. Geritten wurden sie erst später.

LG, lou
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bea
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Beitrag von bea »

Hm, eine wahrhaft schwierige Frage... Ich möchte versuchen, sie aus drei Sichtwinkeln - die sich aber gegenseitig bedingen - anzugehen... Ich persönlich glaube aber nicht, dass die Frage zu beantworten sein wird. Jeder muss sie im Grunde bis zu einem gewissen Grad für sich selber beantworten.

1. Meine eigene Meinung:
Ich mag den Begriff "Barock" nicht, da er für mich auch nach Kostümreiten, purer Show, mehr Schein als Sein klingt. Das ist aber einfach meine persönliche Meinung dazu. Viele "Englisch-Reiter" (auch so ein toller Begriff... :roll: ) bezeichnen uns "Klassiker" auch als "Barockreiter", da sie selber die "englische" Reitweise als die "klassische" ansehen... (vgl. dazu auch Punkt 3 zur Semantik)
Eine Lösung im Begriffschaos ist also wohl nicht wirklich in Sicht :wink: ; ich denke, jeder muss die Begriffe für sich selber definieren, und zwar anhand dessen, was dahinter steht, und nicht anhand der Verpackung (also einem Oberbegriff). Ich selber bezeichne mich als "Klassikreiterin", weil... Wenn andere mich als "Barockreiterin" bezeichnen aus denselben Gründen, dann ist das für mich aber auch in Ordnung.

2. Historisch gesehen:
Von der Grundidee her beziehen sich die Begriffe "klassisch" und "barock" ja auf historische Epochen. Grob gesagt: Barock: 17, Jahrhundert; Klassik: 18. Jahrhundert.
Von den "alten Meistern" können wir Pluvinel also im Barock, Guérinière in der Klassik ansiedeln. Je nachdem, an welchem man sich mehr orientiert, könnte man sich also einer Epoche zuordnen. Da aber kaum jemand sich heute mehr total auf diese grossen Reiter berufen kann (und wird), ist auch diese Unterteilung schwammig. Das Ganze verkompliziert sich dadurch, dass Epochengrenzen nicht fix sind verschoben werden können und die heutigen "Barockreiter" sich auch auf Guérinière berufen :wink: , auch wenn der im Zeitalter des Barock streng noch gar nicht gelebt hat.

3. Semantisches zu den Begriffen:

Was ich auch noch anmerken möchte zu der Wortbedeutung der Begriffe "Klassik" und "Barock" selber: Eine "klassische Epoche" in der Geschichte - sei das nun in der Geschichte der Reiterei, der Literatur, der Malerei, etc. - ist immer eine Epoche, die durch die Orientierung an der Vergangenheit aussergewöhnlich Grosses leisten will. "Klassik" verweist auf Altes, ist gleichsam zeitlos und immer positiv konnotiert. Vielleicht sehen wir uns deshalb gerne als "Klassiker"?
Barock hingegen - der Begriff bedeutet: "ungerundete Perle" - verweist schon in sich auf Prunk, auf Äusserlichkeiten, auf Wirkung. Er hat eigentlich nichts Innerliches in sich - etwas, das von uns "Klassikreitern" ja aber immer betont wird, weil wir das für wichtig erachten. Vielleicht lehnen viele auch darum den Begriff "Barock" für ihre eigene Reiterei ab? (Die Wirkung nach aussen ist dann wieder etwas anderes: Selbstbild und Fremdbild differieren ja leider nur zu oft, und die Vorführung so manchen Reiters ist wohl nur der eigenen Überzeugung nach "klassisch", aber nicht in der Ausführung...)

LG, Bea
Zuletzt geändert von bea am So, 11. Mär 2007 08:20, insgesamt 2-mal geändert.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Bei den Klassikern wird noch vorwärts geritten

Huhu Dschengis: Stelle mich mit Schutzanzug daneben :D

Zwar hebt Schwung ab und an die Kadenz auf und auch umgekehrt(schrieb ja auch schon P.K.), aber das ist ja im Normalfall nur eine "Phase" innerhalb der Ausbildung-siehe Vorderbeinaktion Spanier. Ausbilder(oder die, die ihr Pferd ausbilden) wissen, WAS ich genau damit meine!
Gehört trotzdem für mich unbedingt BEIDES zu einer korrekten Pferdeausbildung dazu!!!!
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

@Bea: Beifall! Genau auf den Punkt getroffen. Und für gute Laune gesorgt ;)
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

wie weit die unterschiedliche Auffassung geht, was denn nun klassische Reiterei sei und was nicht zeigt z.B. auch an den Bemerkungen von Alois Podhajsky aus seinem Werk "Die klassische Reitkunst", das als absolutes Standardwerk für die Ausbildung an der spanischen Reitschule in Wien gilt.

Nachzulesen in der BOX: "Die Wiener nähern sich dem Sport"

Nur weil ein paar Leute glauben und standhaft behaupten, ein bestimmter Reitstil sei klassisch und ein anderer nicht, heißt das noch lange nicht, dass man dem folgen müsste.

Hinsichtlich der Semantik macht es vermutlich Sinn, bei der Begriffsverwendung entweder auf den überwiegenden Gebrauch abzustellen, oder sich daran zu orientieren, wie herausragende Persönlichkeiten der Reiterei diese Begriffe verwenden. In beiden Fällen kommt man aber wohl zu einer völlig anderen Verwendung als zu der in diesem Forum beliebten Unterscheidung in "englische" ./. klassische Reiterei, was offensichtlich nur wenige wirklich stört.

Wenn aber schon über die Verwendung grundlegender Begriffe keine Einigkeit erzielt werden, kann ist so manche Diskussion eben verwirrend und schwierig. :wink:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
horsman
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Beitrag von horsman »

Hier noch ein paar (Vor-)urteile:

Der Klassik-Reiter ließt bei einem Glas guten alten Rotwein gerne mal ein klassisches Buch zur Reitkunst, kommt aber vor lauter Rotwein und Büchern gar nicht mehr aufs Pferd.

Der Barock-Reiter kümmert sich dagegen mehr um sein Rüschen-Kostüm und läßt purpurnen Samt vernähen, während er sich und seinem spanischen Pferdchen noch ne extra-Portion Kalorien verordnet. Vor lauter Gewicht am Vorwärts gehindert, gehts direkt zur Piaffe.
Falls das Gewicht noch nicht ausreicht, tuts auch ne scharfe Kandare mit langen Anzügen, aber nur mit zisellierten Intarsien.

Der Englisch-Reiter trabt schwer leicht durch Wald und Wiese, immer auf der Suche nach nem Fuchs, ein paar Hindernissen oder einem Turnierplatz und pflegt sein horsemanship gerne auch am Biertresen beim aufzählen seiner unzähligen Erfolge.

Und dann gibst ja auch noch den FN-Reiter:
Der FN-Reiter reitet beschwingt nach einem Gläschen Champagner, in farblich bei Reiter und Pferd gut abgestimmter Modemontur, voller guter Vorsätze mit schwingendem Rücken von hinten nach vorwärts abwärts.
Irgendwann wir selbst ihm die Anlehnung so schwer, dass er genervt aber heimlich schaut, wie Anky es denn macht. Spätetens nach 2 Jahren jedoch hat die moderne Warmblutzucht sein Produkt überholt, und er muss sich bei der Eliteauktion mit dem neuesten Kracher, mit allzeit funktionierendem Rittigkeitsindex, eindecken.
Darauf dann einen Champagner, und los gehts von vorn.


Grüßle
horsmän :D
(nicht ohne Selbstironie)
Zuletzt geändert von horsman am Mi, 14. Mär 2007 15:02, insgesamt 3-mal geändert.
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

@horsmän: Gehörst du zu den Rotweintrinkern, die vor lauter Lesen nicht mehr aufs Pferd kommen?

Wie auch schon im "Englisch/Klassisch"-Thread, stellt sich mir bei dieser warum ich irgendetwas unterscheiden muss.

Ich reite Pico mit Seitengängen und habe meinen Weg jetzt in der Französischen Reitweise gefunden. Ist das jetzt klassich? Barock? Weil ich gerne auch mal ein Kostüm anziehe, da es im Damensattel einfach schön aussieht, wäre ich wohl wieder Barock. Ich bin auch persönliches Mitglied in der FN. Bin ich jetzt Englisch.

Wie wäre es einfach, wenn wir reiten und durch unsere gut gerittenen Pferde überzeugen? Habe ich die Möglichkeit jemandem zuzuschauen, der schön mit seinem Pferd arbeitet nutze ich sie, egal aus welchem "Lager" derjenige kommt.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
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Larry
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Beitrag von Larry »

:lol: :lol:
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
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