Wallach geht nicht (mehr) vorwärts

Rund um die klassische Reitkunst

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Cubano
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Wallach geht nicht (mehr) vorwärts

Beitrag von Cubano »

Moins!
Vielleicht bekomme ich ja hier noch den ein oder anderen guten Tipp.
Zur Situation: Mein 9jähriger Cruzado-Wallach musste bis vor wenigen Monaten wegen eines sehr tiefen Hufrisses beinahe ein Jahr lang stehen. Seitdem ich angefangen habe, ihn wieder zu gymnastizieren, fällt mir erschreckend auf, dass er nicht mehr vorwärts gehen mag. Eins vorweg: Von Sattel über Zähne bis Futter, TA, Schmied etc. ist alles kontrolliert, Physio war im Nov. dran, konnte auch nichts feststellen. (Leider habe ich hier auf der Insel keine Möglichkeit, Osteo´s oder Physio´s öfter schauen zu lassen - es gibt hier schlicht keine :cry:)
Problematisch an dem Wallach ist dabei folgendes: Es reicht nicht aus, ihn kompromisslos vorwärts zu schicken, obwohl er das brav macht. Er neigt dann dazu, ins eilen zu verfallen und landet auf der VH. Generell hat Faraòn keine groß ausgeprägte Vorwärts-Tendenz - bei ihm geht die Energie eher nach oben als nach vorn. (Bergaufgaloppade ohne großen Raumgewinn ist ein gutes Beispiel an dieser Stelle).
An mangelnder Energie liegt es übrigens nicht - im Gelände marschiert er flott. Nur löst das unser Problem der Pause-bedingten Steifheit ganz und gar nicht; das Gelände hier ist nicht dazu geeignet, unterwegs Seitengänge o. ä. zu üben (es sei denn, jemand mag das auf einem
2 Meter breitem Pfad direkt neben einer Schlucht versuchen, aber dazu gehöre ich nicht :D ).
Momentan arbeite ich mit ihm viel im Schritt, viele Biegungen, verschiedene Seitengänge auf der Q-Volte, auch Übergänge, Rückwärts-Schritt etc. Über andere Ideen freue ich mich aber sehr. Und über Nachfragen, falls irgendetwas unklar geblieben sein sollte, ebenfalls.

LG
Andrea
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Jen
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Beitrag von Jen »

hallo

ich verstehe noch nicht ganz genau, wie sich das problem äussert. Er reagiert zwar gut am Schenkel, aber er hat die Tendenz zu eilig zu werden, das heisst, das Problem ist, dass er zu kleine Schritt macht, anstatt ruhige, grosse Schritte?

Wenn er grundsätzlich fein am Schenkel ist, dann würde ich ihn ruhig arbeiten, in ruhigem Takt und ruhigem Tempo und v.a. auf Dehnung achten, zu kurze Tritte (Hinterbein schwingt nicht genügend durch) ist ja neben dem Balance-Problem v.a. ein Geschmeidigkeits- sprich Dehnungsproblem. Das dauert seine zeit, wird aber am besten in langsamen, ruhigen Bewegungen geübt. Gerade gute Schrittarbeit eignet sich hervorragend hierzu. Dein Programm ist ja schon gut durchdacht.

Ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit dem Longieren am Kappzaum ohne Hilfszügel gemacht, zb. bei einer eher schweren, stämmigen Stute, die starke Verspannungen hatte und hinten ganz ganz kurz trat, kaum vom Boden wegkam und v.a. extrem triebig war. Also das vorwärts wirklich fast nicht vorhanden war! Jegliches Antreiben quittierte sie mit Unwillen und Gegenwehr, an grössere Tritte war gar nicht zu denken. Sie hat über die Dehnung in der Biegung überhaupt erst gelernt sich loszulassen und das Vor- und Durchschwingen der Hinterbeine hat sich massiv verbessert. zuvor kam sie nicht annähernd in die Gegend des Hufabdruckes der Vorhand, nach 2 Monaten regelmässigem Longieren, viel Schritt, kurze ruhige Trabsequenzen hatte sie einen guten Übertritt und wurde freier in der Vorhand und musste nicht in den Trab "geprügelt" werden (um das bildlich auszudrücken, wurde natürlich nicht gemacht ;) ). Erst dann war es möglich auch ab und zu 2-3 Trabstangen miteinzubeziehen, vorher war sie heillos überfordert und hat nur Kleinholz daraus gemacht. Sie hatte regelrecht Angst vor Trabstangen. Nacher bekam sie sogar Spass daran, als sie merkte, dass es ihr möglich wurde. Sie war übrigens keine Remonte, sondern ein "mittelaltes" Freizeitpferd, das zum ersten Mal in ihrem Leben, sowas wie Gymnastizierung kennen lernen durfte.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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pepe
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Beitrag von pepe »

Ist das so ein Häschen-Hüpf- Galopp? Blöd...
Ich würde kurze, interessante Reprisen einbringen...ihn ins Denken bringen, was dir so einfällt, und für jedes motivierte Mitmachen gibts ne Pause...Ihn aus seinem Konzept bringen und Geritten werden nicht mit Rennen oder Langeweile verbinden lassen...Schon Tschakka nach vorn, aber eben schwungvoll und groß, nicht wuselig und klein...Seitengänge, Übergänge, Bögen, Volten, Stangen....
"Reiten Sie Ihr Pferd teuer!" -Richard Hinrichs
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

pepe hat geschrieben:Ist das so ein Häschen-Hüpf- Galopp? Blöd...
Trifft es aber ziemlich genau :D

Jen, Du hast das schon gut auf den Punkt gebracht - er reagiert im Prinzip gut auf den Schenkel, aber tatsächlich zu eilig und mit kleinen Schritten. Dazu kommt exakt die gleiche Problematik, wie Du sie mit der Stute beschreibst, wenn es um den Trab geht. Ergo werde ich wohl mit meinem Programm weitermachen – und Deine Longenarbeit ebenfalls mit einzubeziehen; longieren tue ich bisher eher selten.
Danke schonmal!

LG
Andrea
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

wie ist die Anlehnung?
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Steffen hat geschrieben:wie ist die Anlehnung?
Berechtigte Frage, Steffen…
schwierig bei dem Herrn, wiederum durch seine Vorgeschichte - ich sage an dieser Stelle nur: Drahtnarben an den Maulwinkeln… :evil: Ich habe allerdings festgestellt, dass er an den meisten Tagen mit einer leichten aber konstanten Anlehnung deutlich besser klarkommt, als mit so-wenig-wie-möglich-in-der-Hand.

LG
Andrea
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

wenn ich Dich richtig verstanden habe, geht das Pferd entweder nicht vorwärts, oder es eilt, darum denke ich, dass man in der Anlehnung sowohl das Problem, als auch die Lösung suchen muss.

Wenn das Pferd Narben hat und Du das Gefühl hast, es hat Angst vor der Hand, scheint mir der einzige Weg, das Pferd durch viele Übergänge wieder mehr an den Zügel zu reiten. Dabei würde ich versuchen, z.B. in der Trabtour das Pferd zunächst etwas Schultervor zu stellen, dann gerade zu richten und etwas mehr vorwärts zu reiten, jedoch nur einen Moment, dann wieder Tempo raus und das gleiche oft wiederholen, auch auf dem Zirkel. Der Wechsel zwischen SV und Gerade Vorwärts sollte dazu führen, dass es etwas mehr Anlehnung sucht, kann jedoch - je nach Hintergrund des Problems - dauern.

Ich würde das Pferd auch in dieser Phase nicht mit zu vielen Lektionen überfordern, sondern lediglich Übergänge im Trab reiten, beim Zulegen ggf. leicht traben. Bei allen Übergängen sollte man darauf achten, dass die Anlehnung unbedingt erhalten bleibt.

Mit Stangentreten (--> pepe) habe ich auch sehr gute Erfahrungen gemacht. Bei den Seitengängen würde ich im Moment nur SH reiten im Wechsel mit einem frischen Geradeaus. Übergänge sachte reiten, nicht zu viel "Impuls".

Den Narben nach könnte das Pferd einiges erlebt haben, so dass man sicher keinen Erfolg garantieren kann, aber das wäre jedenfalls meine Empfehlung.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Steffen hat geschrieben:Den Narben nach könnte das Pferd einiges erlebt haben, so dass man sicher keinen Erfolg garantieren kann, aber das wäre jedenfalls meine Empfehlung.
Guten Morgen,
ja Steffen, davon ist auszugehen: Neben den Drahtnarben hat er auch noch ein eingedelltes Nasenbein vom "unsachgemäßen" Gebrauch der Serreta. Weshalb es ein geschlagenes Jahr gedauert hat, bis ich ihn am gepolsterten Kappzaum longieren konnte…
Ansonsten: danke!

Saludos
Andrea
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

Guten Morgen,

da die Anlehnung ja nicht das Problem an sich zu sein scheint, sondern eher das Ermutigen/Stärken/Lockern der Hinterhand, neige auch ich eher zu den Varianten von Jen.

Longieren und dabei biegen, nach und nach immer mehr erreichen wollen, dass er in der Spur bleibt mit der Hinterhand, durch Übergänge die Lockerung der Kruppe erreichen wollen.
Stangen: unbedingt JA. Du kannst ja erstmal nur eine nehmen, allein das höhere Heben der Beine bringt schon eine Veränderung in der Muskulatur. Erst im Schritt, dann im Trab, dann eine zweite Stange dazu.
Erweitern, mit später mehreren Stangen Abstände verändern, erst normale Trittlänge, dann mal erweitern, verkürzen, damit das Pferd ein eigenes Gefühl dafür bekommt.

Kennst Du das Körperband aus der Bodenarbeit?

Oder Du machst mal Tanzglocken an die Hinterbeine, damit das Pferd merkt, dass da noch was ist. Natürlich nur, wenn er keine Angst hat, wenn ihm was an der Hinterbeinen hängt.

Führen in enge Wendungen, z.B. eng gestellte Tonnen, zunächst weite Bögen, dann immer engere. Hohe Hindernisse, an die er ggf. drankommt, also keine Pilonen. Führen am Halfter oder Kappzaum mit wegweisender Gerte, nicht über Strick ziehen, er soll selbständig gehen und in die Wendung blicken.

Übertreten lassen an der Hand in kleinen Reprisen, Schrittlängen verändern beim Führen (verkürzter, erweiterter Schritt) und immer wieder raus ins Gelände und wenn möglich, klettern lassen.

Es handelt sich bei so einem Pferd nicht um eine reine Ausbildung, sondern um Rekonvaleszens - Training. Also: immer nur kleine Schritte, fühlen lassen, ermutigen, loben. Viel vom Boden aus machen!
Wenn Du vorne an der Biegung arbeitest: zunächst hinten vernachlässigen.
Wenn Du hinten an der Schrittlänge arbeitest: vorne Anlehnung und/oder Biegung zunächst vernachlässigen.
Wenn beides alleine gut klappt, langsam zusammenfügen.

Sowas dauert seine Zeit, aber der Einsatz lohnt sich mit der Zeit!
Viel Spass und über ein Feedback im Laufe des Trainings würd ich mich freuen!

Stephanie
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