Die Wiener nähern sich dem Sport

Rund um die klassische Reitkunst

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Tornano
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Beitrag von Tornano »

@ Francois:

P. K. soll nicht unter meiner ungenauen Formulierung leiden. Deshalb noch einmal mit seinen Worten:

"Francois Robichon de La Guérinière (1688-1751) befreite die Pferde vom Zwang des einzelnen Pilaren, entwickelte die Arbeit an der Longe und sprach den Hilfszügeln jeglichen Nutzen ab..." (zu finden auf Seite 150 der Irrwege)

Weder das eine noch das andere kommt bei P.K. in der Ausbildung vor. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, bin aber der Meinung Ausbinder in Wien schon gesehen zu haben. Ob Hilfszügel evtl. auch einen gewissen Nutzen vorallem bei schon weitausgebildeten Pferden stiften, ist dadurch nicht beurteilt, bei Guérinière kamen sie jedoch nicht vor.

Zur schulmäßigen Parade:

Ich finde es außerordentlich interessant, dass die schulmäßige Parade (vermehrtes Untertreten beider Hinterbeine unter den Schwerpunkt) scheinbar weniger Vorbereitung/Ausbildung erfordern soll, als Schulterherein.

Auch dazu noch ein kurzes Zitat von P.K. zu den Voraussetzungen für die schulmäßige Parade (m. E. sehr sinnvoll, ausdrucksstark und zeugt davon, dass er es grundsätzlich nicht für Blödsinn hält):

"- Das Pferd hat zuvor durch die Piaffe gelernt, sich zu setzen und mit den Hinterbeinen vermehrt unter den Körper zu treten...
- Das Halten setzt ein optimales Aufrichten des Halses und damit einhergehend die Gewichtsverlagerung auf die Hanken voraus...
- Der Reiter setzt seine Schenkel deutlich anders ein, als er dies für die Erzeugung der Vorwärtsbewegung tut: Die Schenkel wirken am Gurt, um das Pferd vorwärts zu schicken...; sie werden zurückgelegt, um das Pferd anzuhalten, rückwärts zu richten und zu versammeln..."

die "..." ergeben sich nur dadurch, dass das Ganze auf ein zuvor angesprochenes Bild übertragen wird. Dahinter verbergen sich keine weiteren Informationen, die das Reiten betreffen.

Selbst wenn man noch nie auf einem Pferd gesessen hat, dürfte seine Variante wesentlich erfolgsversprechender erscheinen, als zu hoffen, dass irgendwann das Pferd das ständige Treiben am Gurt in vermehrtes Untertreten umsetzt.

Wer das Buch zur Hand hat und einen Fehler findet, darf mich gerne in seinem Sinne korrigieren.
Zuletzt geändert von Tornano am Fr, 23. Mär 2007 00:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

...muss ich das jetzt so verstehen, dass ein Pferd zunächst die Piaffe beherrschen muss, damit es dann lernt, eine schulmäßige Parade anzunehmen?

Wie paríere ich mein Pferd denn durch, bis es soweit ist? Oder springt man im Trab ab, weil das Pferd die Parade erst nach der Piaffe lernt?

Was die Stellung der Beine angeht (nach vorn = am Gurt, Versammlung, Parade = etwas hinter dem Gurt), wird man natürlich nicht widersprechen. Kenne ich allerdings auch nicht anders. Wo ist da jetzt der Aha-Effekt. :roll: :?:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Francois
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Beitrag von Francois »

Tornano hat geschrieben:@ Francois:

P. K. soll nicht unter meiner ungenauen Formulierung leiden. Deshalb noch einmal mit seinen Worten:

"Francois Robichon de La Guérinière (1688-1751) befreite die Pferde vom Zwang des einzelnen Pilaren, entwickelte die Arbeit an der Longe und sprach den Hilfszügeln jeglichen Nutzen ab..." (zu finden auf Seite 150 der Irrwege)

Die Pilaren sind fester Bestandteil in Guérinière’s Werk Ecole De Cavalerie zu lesen auf den Seiten 115, 118, 204 ff. Auf Seite 102 findet man den Plan d’une Academie Reguliere, also den Aufbau einer damaligen Vorzeigereitanlage und dort sind klar die Pilaren eingezeichnet. Auf Seite 153 lesen wir:
Dans une École bien réglée, on devroit aprés le trot, mettre un Cavalier au piafer dans les plieres; il aprendroit dans cette action, qui est tres aisée, a se tenir de bon grace.

In einer wohlgeordneten Reitschule sollte man einen Reitschüler gleich nach dem Trab (an der Longe) auf ein Pferd in den Pilaren setzen, das (gut) piaffiert. Da das sehr bequem ist, könnte er auf diese Weise lernen, sich mit schöner Anmut auf dem Pferd zu halten.
Was aber P.K. meint, ist dass er die Pferde von der Arbeit um einen Pilaren herum befreit hat, wie es verschiedene Reitmeister vor Guérinière bis zum Exzess getan haben. Hier ist also etwas ganz anderes gemeint!

Zu deinen Hilfszügeln:
Guérinière spricht sich gezielt gegen den „Sprungriemen“ siehe S. 116 ff wobei „Sprungriemen“ unglücklich übersetzt wurde, der beschriebene Hilfszügel ist eher ein Martingal. Ein solches habe ich in Wien noch nicht entdeckt. Guérinière sprach also diesem zwingenden Hilfszügel den Nutzen ab, wohl auch im Hinblick auf die bei Newcastle gerne verwendeten Schlaufzügel. Dass Wien eben in bestimmten Situationen einen Ausbinder benutzt beruht darauf, dass man sich eben nicht ausschließlich auf Guérinière beruft, wie ich schon erwähnte, und dazu ganz klare Grundsätze hat, denn dort werden sie nur begrenzend eingesetzt, wie es z.B. Seeger beschreibt. Jedoch ist mir keine andere Institution auf der Welt bekannt, die in der Summe so viel vom Erbe Guérinière lebendig gehalten hat, wie die Spanische Reitschule. Exzellenz von Holbein hat Guérinière als absolut richtungsweisend neben Weyrother, Seeger und v. Oeyenhausen bestimmt. Und deren Reitschule existiert nicht erst seit dem 20. Jahrhundert!! Wie nun P.K. in diesem Zusammenhang als Verfechter der Lehren Guérinière gesehen werden kann, ist mir absolut schleierhaft. Als Wegweiser auf Deinem „Irrweg“ :wink: :wink: empfehle ich Dir wie gesagt einfach ein tieferes Studium von Ecole De Cavalerie. Es ist vielleicht nicht so bunt bebildert :wink: und auch nicht so provokant geschrieben, aber manchmal lohnt es sich die Originale zu lesen, anstatt sich von punktuellen Zitaten blenden zu lassen. Und wenn Du mal alle Quellenangaben recherchierst, wirst Du vielleicht auch besser die Qualität von P.K.'s neustem Werk einschätzen können. :?

Viele Grüße

Francois :wink: :wink:
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Francois hat geschrieben:Und wenn Du mal alle Quellenangaben recherchierst, wirst Du vielleicht auch besser die Qualität von P.K.'s neustem Werk einschätzen können. :?
Mensch, francois, darauf warte ich immer noch, das hattest Du doch schon im ecuyer angekündigt :?
Ist dieses Buch ("Reitkunst oder gründliche Anweisung zur Kenntniß der Pferde, deren Erziehung, Unterhaltung, Abrichtung, nach ihrem verschiedenen Gebrauch und Bestimmung") eigentlich die genaue Übersetzung von "Ecole de Cavalerie"? (beides bei olms)

LG A.
horsman
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Beitrag von horsman »

Ja, es ist zumindest die Original-Übersetzung aus dem 19 Jrh.
noch in altdt. Schrifttypen abgedruckt.
Aber welche Übersetzung ist schon genau - das geht in manchen Punkten gar nicht.
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Danke!
Ich bin der französischen Sprache leider nicht mächtig und kann den alten elsässischen Edelmann daher nicht im Original lesen. Und die Branderup´sche Version soll ja wohl nicht die gelungenste Übersetzung sein ;)
horsman
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Beitrag von horsman »

Steffen hat geschrieben:...muss ich das jetzt so verstehen, dass ein Pferd zunächst die Piaffe beherrschen muss, damit es dann lernt, eine schulmäßige Parade anzunehmen?

Wie paríere ich mein Pferd denn durch, bis es soweit ist? Oder springt man im Trab ab, weil das Pferd die Parade erst nach der Piaffe lernt?

Was die Stellung der Beine angeht (nach vorn = am Gurt, Versammlung, Parade = etwas hinter dem Gurt), wird man natürlich nicht widersprechen. Kenne ich allerdings auch nicht anders. Wo ist da jetzt der Aha-Effekt. :roll: :?:
Also zwischen einem einfachen anhalten eines jungen Pferdes und einer schulmäßigen ganzen Parade ist schon noch ein kleiner Unterschied. Das wissen sogar FN-ler :)
Und dass Arbeit an Piaffe der schulmäßigen Parade zu gute kommt und auch umgekehrt sehe ich auch so.
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

...eine Übersetzung mag nicht in jedem Wort - nach heutiger Einschätzung - optimal gelungen sein, sie ist aber sicher besser, als sich ausschließlich darauf zu verlassen, wie andere Guérnière verstanden haben.

Ich kann mich Francois nur einmal mehr anschließen und hatte ja auch mit einigen Zitaten bereits belegt, dass viele der kühnen Behauptungen über die Anweisungen de la Guérnières nicht richtig sind.

Wenn man wirklich glaubt, P.K. wäre die Wiedergeburt de la Guérnières und die Wiener Reitschule würde im Gegensatz dazu "englisches Reiten" betreiben unter Mißachtung der klassischen Reitlehre, hat man vermtlich weder den Einen noch die Anderen je gesehen oder ist wirklich so verblendet, dass eine weitere Diskussion kaum neue Erkenntnisse bringen kann.

@ dschengis: das von Dir benannte Buch ist ein Nachdruck der 3. Auflage der deutschen Übersetzung von 1817. ISBN 3-487-08288-8
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
Tornano
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Beitrag von Tornano »

@ Francois: Dass es sich um die Arbeit mit einem Pilaren handelt, wollte ich doch gerade klarstellen.

@ Steffen: Die unterschiedliche Lage der Schenkel für die einzelnen Schenkelhilfen ist für die meisten FN-ler schon revolutionär, mir hat das zumindest noch nie ein anerkannter FN-Reitlehrer so erzählt. (Mögest Du doch bitte die entsprechenden Stellen in den Richtlinien heraussuchen)

Zur schulmäßigen Parade:

Du müsstest nur einen anderen Weg finden, dem Pferd das Untertreten beider Hinterbeine zu erläutern, so oft wie viele denken findet ein vermehrtes Untertreten beider Hinterbeine jedoch nicht statt.

Welche Behauptungen sind denn frei erfunden? Neben den zitierten deutschen Büchern finde ich noch andere deutsche Autoren, die Übereinstimmungen mit P.K. liefern und seine Kritik an der FN stützen.

So findet man bei Otto de la Croix (da wir ja auch immer wieder zum Militär zurückkommen):

"Man vergisst leicht die Prüfung, ob die Normalhilfe in dem gerade vorliegenden Falle angebracht isst; ja es soll sogar Reiter, bzw. Lehrer geben, die allen Ernstes in der äußerlichen Anwendungen der durch die Normalhilfe beschriebenen Körperhaltung, Fauststellung usw. das Heil der Reiterei erblicken. Auch hier tritt die Form an Stelle der Sache!" (S. 44 von natürlcihe Reitkunst)

Sicherlich genau wie die Bilder von Seeger, Guérinière (die Bilder kann sogar ich, der der Sprache nicht mächtig ist angucken) etc. kein Plädoyer für die tiefe, feste Handhaltung. Ich frag mich überhaupt auch, wie man anhand dieser Bilder behaupten kann, die Herren hätten ihre Pferde nur minimal gebogen? Haben die die unzähligen Stunden der Künstler dafür verschwendet zu zeigen, was man normaler Weise nicht tut?
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

:?: :?: :?:

Ähh, ja und???? Was sollen uns diese Worte sagen ?

Natürlich ist auf eine individuelle Behandlung jedes einzelen Pferdes und Problems zu achten. Das ist gerade einer der zentralen Aussagen der klassischen Lehre. Wo hat das hier jemals jemand bestritten???

Wo hat denn jemand behauptet, es gäbe nur eine tiefe feste Handhaltung?
Schon mal eine Dressurprüfung gesehen? Achte mal auf die Handhaltung.

Wer fordert, dass die Pferde nur "minimal" gebogen würden? Reite mal die z.B. im Grand Prix vorgeschriebene Galopp Zick-Zack-Traversale, dann siehst Du ganz schnell, wieviel Biegung erforderlich ist. Und da Traversalen ja zu den Seitengängen gehören und diese - wenn ich Einige hier richtig verstehe - ganz zu Anfang geschult werden, ist es ja ein Leichtes, diese Lektion einmal nachzureiten.

Vielleicht kannst Du noch mal genauer erklären, was Du meinst?
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Beitrag von Tornano »

Jepp ich habe schon Dressurprüfungen gesehen und auch Unterricht... Ganz ehrlich hab ich da noch niemanden gesehen, der eine Hand deutlich höher als die andere angehoben hat und dafür dann belohnt wurde... Das Anheben der Hand mit nach oben gedrehten Fingernägeln finde ich die irgendwie nicht.

Mit Biegung meinte ich natürlich die Biegung der Halswirbelsäule... Du würdest das sicherlich Stellung nennen.
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

...nee, "Stellung" würde ich das Nachgeben in der Ganasche nennen. :wink:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Tornano hat geschrieben:@ Steffen: Die unterschiedliche Lage der Schenkel für die einzelnen Schenkelhilfen ist für die meisten FN-ler schon revolutionär, mir hat das zumindest noch nie ein anerkannter FN-Reitlehrer so erzählt.

Moins!
Also DANN musst Du wirklich grottenschlechte FN-RL´s kennen, die unterschiedliche Lage der Schenkel gehörte zu meinen Unterrichtszeiten in Alemania nahezu zum Standardprogramm der FN-Reitschulen, in denen ich damals war.

Saludos
Andrea
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Celine
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Beitrag von Celine »

Cubano hat geschrieben:
Tornano hat geschrieben:@ Steffen: Die unterschiedliche Lage der Schenkel für die einzelnen Schenkelhilfen ist für die meisten FN-ler schon revolutionär, mir hat das zumindest noch nie ein anerkannter FN-Reitlehrer so erzählt.

Moins!
Also DANN musst Du wirklich grottenschlechte FN-RL´s kennen, die unterschiedliche Lage der Schenkel gehörte zu meinen Unterrichtszeiten in Alemania nahezu zum Standardprogramm der FN-Reitschulen, in denen ich damals war.

Saludos
Andrea
Steht doch auch in den RL: vorwärtstreibend, vorwärts-seitwärtstreibend und verhaltend. Das hab ja sogar ich in meinem grottigen Unterricht damals gelernt
:wink: Begriffen allerdings nicht, zum Beispiel dass man die verhaltende Hilfe bei der ganzen Parade einsetzen kann oder soll oder wie auch immer, wurde nicht dazu gesagt.
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