Hilfszügel und Nickbewegungen des Pferdekopfes

Alles was ihr vom Boden aus mit Eurem Pferd machen könnt

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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Hallo Jen,

wie sieht die Gertenhilfe zum "Schulteranheben" aus? Tickst Du das Pferd an der Schulter oder wie machst Du das?

Danke

LG Alix
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Jen
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Beitrag von Jen »

Alix_ludivine hat geschrieben:Hallo Jen,

wie sieht die Gertenhilfe zum "Schulteranheben" aus? Tickst Du das Pferd an der Schulter oder wie machst Du das?

Danke

LG Alix
Kommt ganz darauf an:

hat das Pferd ideales Tempo, dann streiche ich in senkrechter Richtung von unten nach oben. als würde ich die Schulter mit der Gerte "anheben" wollen. Wie stark diese Einwirkung ist, kommt auf die Sensibilität an.

ist das Pferd tendenziell zu schnell, streiche ich diagonal von vorne-unten nach hinten-oben (Brust-Schulter-Widerrist-Linie ungefähr).

ist das Pferd eher zu langsam, dann streiche ich diagonal von hinten-unten (Gurtenlage-Ellbogen) nach vorne hoch über die Schulter.

je sensibler das Pferd reagiert, desto weniger muss ich machen und nur noch ein leichtes anheben bzw. zeigen der Gerte auf die mitte der Schulter reicht.

In der "Nullposition" zeigt die Gerte auf den vorderhuf am boden. so ist sie sofort bereit, wenn ich eine einwirkung brauche, macht aber keinen Druck. Darum reicht schon ein leichtes anheben beim sensiblen Pferd in Richtung schulter.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

DANKE!
Manfred

Beitrag von Manfred »

Danke Jen,

für Deine Erklärung. Bei Niran muss es ähnlich wie bei Antares gewesen sein. Offenbar hast Du einen Weg gefunden, ihm das V/A auch ohne Ausbindung zu zeigen. Dies war mir jedoch nicht möglich. :(

Insofern haben wir es nun so gemacht und er hat sich auch in der Halsmuskulatur verändert. Hätte ich da noch länger falsch rumexperimentiert, dann wären sicher auch noch erhebliche Verspannungen im Rücken hinzugekommen. :roll:

Jetzt geht er auch schön auf gebogener Linie. Antje hat ihn so mal angehalten, um mir das zu demonstrieren, wie seine Beine dastehen. Er macht also große Fortschritte, auch wenn es noch besser hätte laufen können. :)

LG
Manfred
Brandy
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Beitrag von Brandy »

Hallo Jen!

Wirklich ein sehr interessanter Beitrag!
Ich hätt da noch ein paar Fräglein :?:
Was mach ich, wenn das Pferd gar nicht auf das Züpfeln reagiert? Hattest du so ein Pferd schon mal? Könnte man da anfangs Lekkerlis zur Hilfe nehmen oder ist das nicht ratsam?
Wenn du dann das Pferd in Stellung antreten lässt, wo oder wie gibst du das Kommando fürs Antreten? Auf was muss ich anfangs besonders achten? Das der Hinterhuf in die Spur des Vorderhufes spurt?

Vielen dank im voraus & liebe Grüsse

Brandy :wink:
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Jen
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Beitrag von Jen »

Brandy hat geschrieben:Hallo Jen!

Wirklich ein sehr interessanter Beitrag!
Ich hätt da noch ein paar Fräglein :?:
Was mach ich, wenn das Pferd gar nicht auf das Züpfeln reagiert?
ERst: Geduld haben. Natürlich reagiert das Pferd nicht vom ersten Moment an gewünscht. Aber da muss man einfach freundlich dranbleiben und jede auch nur so kleinste reaktion schon belohnen.

Ich hatte aber mal ein Pferd, das bei Druck aufs Genick panisch reagiert. Wenn man züpfelt, dann gibt das ja automatisch einen leichten Druck aufs Genick vom Genickriemen. Bei diesem Pferd habe ich zuerst mit einem Targetstick (aus dem Clickertraining) gearbeitet. Dazu lehrt man dem Pferd den Gertenknauf mit der Nase anzustupsen. Dann paare ich das Anstupsen mti dem gaaanz feinen Züpfeln und dann reicht mit der Zeit nur noch ein züpfeln.

Mit Leckerlis arbeite ich sonst viel, aber bei dieser Übung muss man einfach wirklich aufpassen, dass man nur die ersten 2-3x ein leckerli verwendet und es ganz rassig abbaut, sonst versteht das Pferd nicht wirklich den Sinn der Übung. Auch finde ich den Druck aufs GEnick mit der Hand wenig hilfreich, weil das Pferd soll schlussendlich lernen dem Züpfeln zu folgen. Du musst immer daran denken, dass in Bewegung du nicht mit der Hand aufs Genick drücken kannst. Schon gar nciht beim Longieren, wo du weit weg bist.

Wenn du dann das Pferd in Stellung antreten lässt, wo oder wie gibst du das Kommando fürs Antreten?
Ich gebe ein Stimmkommando und auch ein leichtes antippen mit der Gerte bzw. Gertenknauf dort, wo mein inneres Bein liegen würde. So lernt das Pferd gleich die richtige Schenkelhilfe. Ich wirke praktisch nie direkt auf die Hinterhand mit der Gerte ein.
Auf was muss ich anfangs besonders achten? Das der Hinterhuf in die Spur des Vorderhufes spurt?
Bei der Antreteübung lasse ich das Pferd mit dem inneren Hinterhuf direkt ind en Schwerpunkt treten, also in einem leichten Schultervor. Zu beachten, ist dass beim Antreten die Stellung und Biegung erhalten bleibt. Die geht meist verloren. Aber man darf auch nicht festhalten, sondern nur kurz die Hand schliessen udn sofort wieder nachgeben. Das Ziel ist, dass das Pferd die Haltung selber hält. Das dauert. Ich kann dir auch das erste video von Bent Branderup empfehlen, da sind diese Übungen sehr gut erklärt.
Liebe Grüesslis, Jen
***
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Brandy
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Beitrag von Brandy »

Danke für deine Tipps :wink:

Grüsschen

Brandy
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Saphiria
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Beitrag von Saphiria »

Danke Jen. Ich habe schon überlegt wie ich es erkläre und beweise, dass es ohne Ausbinder geht, denn ich habe die gleiche Erfahrung gemacht, wie Du, nämlich dass die Theorie tatsächlich stimmt: Man arbeitet ein Pferd von hinten nach vorn, nicht umgekehrt. Ich hätte es wohl nicht so verdeutlichen können, wie Du mit Deinen Bildern.

Trotzdem noch ein paar Gedanken:
Wenn man sich ein wenig mit Pferdeanatomie beschäftigt, wird einem klar, dass es physiologische Vorraussetzungen geben muss, damit ein Pferd die gewünschte Kopfhaltung überhaupt einnehmen -kann-. Ohne das untertreten können, ohne die dazugehörige Biegung und bei beidem die Aufwölbung des Rückens, ist es dem Pferd nunmal nicht möglich sich in dem gewünschten Maße selbst "zu tragen". Auch das fallenlassen des Halses und sich nach unten dehnen, kann erst erwartet werden, wenn sich das Pferd entspannt. Solange es z.b. durch die Arbeit an der Longe/ im Round Pen noch überfordert ist und dadurch nervös/ angespannt, wird es den Kopf natürlicherweise oben tragen, das widerum resultiert aus seinem artüblichen Verhalten und gleichzeitig aus der vorhandenen starken Körperspannung.

Deshalb ist auch nachvollziehbar, warum ein Pferd das erstmals den Hals nach unten dehnt plötzlich für Lektionen erreichbar erscheint... es entspannt sich (wobei der Kopf das "Anzeichen" für diese Entspannung ist, nicht die Ursache) und wird dadurch überhaupt ersteinmal aufnahmefähig.
Longiert man ein Pferd, so hat man ja durch die Longe am Kappzaum und die Gerte die Möglichkeit an der Biegung des Pferdes zu arbeiten. Ich habe bei meinem Pferd da eine etwas andere Vorgehensweise genutzt, da ich es schon angeritten bekommen habe und somit die Longenarbeit nicht bei Null begann. Er war also schon soweit sich auf dem Zirkel biegen zu lassen (Kontrolle der Stellung durch Longe, Gerte zur Kontrolle der inneren Schulter), so dass ich mit Zirkel verkleinern und vergrößern und dementsprechend auch Tempiwechseln sehr gute Erfahrungen gemacht habe.

Was Sternengucker angeht, ich hatte mal eine junge Stute, die war wahnsinnig nervös, logischerweise Kopf oben, Rücken extrem angespannt und guckig ohne Ende. Hier habe ich mit einer Stange am Boden gearbeitet. Die Stange legte ich dorthin wo sie bei jeder Runde ein "Ungeheuer an der Bande" vermutete und so lenkte ich ihre Aufmerksamkeit genau an dieser Stelle zum Boden hin. Durch die Konzentration auf die Stange, dadurch dass sie bei jeder Runde dorthin schauen und die Beine ordnen musste, erreichte ich die gewünschte Ablenkung von den "Ungeheuern" außerhalb des Platzes. Nach einigen Runden, die ich nicht an ihr herummanipulierte, sondern sie sich nur selbst ordnen liess (im Trab), begann sie sich ein wenig zu entspannen und bald streckte sie sich dann auch und schnaubte ab und damit war mein Tagesziel erreicht.

Zurück zum Sinn von Hilfszügeln. Ich persönlich meine, dass man solange man selbst einen Zügel in der Hand hält, ob es die Longe/ Doppellonge o.ä. ist, und solange man die Hände und Kopf frei hat hierdurch auf das Pferd einzuwirken, man grundsätzlich keine Hilfszügel braucht. Wie kann der Hilfszügel auch sensibler auf das Pferd reagieren als die Hand, wenn er
a)fest arretiert ist,
b) die Handeinwirkung durch etliche Schlaufen und Winkel verstärkt,
c) die direkte Handeinwirkung durch Umlenkung der "Kräfte" verzögert und zur indirekten Handeinwirkung macht
d) durch elastische Einsätze gänzlich schwammig wirkt/ nicht komplett nachgeben kann

Ein Hilfszügel kann wohl dann sinnvoll sein, wenn man eben keine oder nur eingeschränkte Einwirkungsmöglichkeit mit der Hand hat, also beispielsweise beim erarbeiten von stark versammelnden Lektionen am Boden, ohne Hilfsperson, beim Behindertenreiten.
Ich will nicht ausschliessen, dass es besondere "Fälle" gibt, in denen ein stark verrittenes Pferd z.b. soetwas braucht, ich habe so einen Fall noch nicht erlebt, aber ich habe auch eher mit vielen Jungpferden zu tun gehabt, weniger mit älteren verrittenen.

Meine Einstellung ist grundsätzlich die, dass die Kopfhaltung des Pferdes für mich kein Trainingsziel ist. Ich denke die "herumdoktorerei" an der Kopfhaltung ist ein ganz großes Übel überhaupt in der Reiterei und hat viele unnötige Hilfszügelerfindungen hervorgebracht. Wenn man sich darauf konzentriert an Lockerheit, Biegung und schliesslich am vermehrten "Untertreten" also dem Gleichgewicht, dem sich selbst tragen des Pferdes zu arbeiten (und schliesslich beginnender Versammlung), kommt die Kopfhaltung automatisch zustande.

Nun nochmal zur Ursprungsfrage: Ja, ein Pferd mit Ausbindern stößt im Schritt gegen das Gebiss, welches von den Ausbindern starr gehalten wird. Welcher Zug nötig ist um die Gummiringe zum nachgeben zu bewegen, kann ja mal jeder selbst ausprobieren. Auch im Trab und im Gallopp stößt es immer wieder gegen den starren Widerstand und kann dem nur "entkommen", wenn es sich so stark aufwölbt, dass der Ausbinder durchhängt. Normalerweise muss man den auch immer der Gangart gemäß und der erreichten Versammlung gemäß umschnallen und gerade bei Tempivariationen kann man der natürlichen unterschiedlichen Hals/Kopfhaltung mit einer solch starr festgelegten Zügellänge nicht gerecht werden. Was die Biegung angeht, so hat man auch nur zwei Varianten, entweder man schnallt die Ausbinder gleichlang, dann hängt der innere bei Biegung durch, oder , man schnallt den inneren kürzer (finde ich noch schlimmer), und manifestiert somit schonmal künstlich eine Stellung des Halses, ohne dass das Pferd schon gebogen ist. Auch das ist unflexibel, denn als Resultat fällt das Pferd dann wenn es sich noch nicht in dem Maße biegen kann aus und wird sich, da es dadurch empfindlich im Gleichgewicht gestört ist (ungebogen auf dem Zirkel entlangtraben mit nach innen gezerrtem Kopf muss aus dem Gleichgewicht bringen) noch mehr verspannen. Biegt es sich im vorgegebenen Stellungsmaße, so hat man eine starre Position erreicht, die spätestens beim Zirkelverkleinern/ vergrößern wieder seinen Sinn verliert.

Und nun noch eine Portion Polemik:
Würde man, um aus einem Menschen einen Seiltänzer zu machen, der elegant mit ausgebreiteten Armen in sich ausbalanciert auf einem dünnen Seil entlangtanzt, zum lernen das Arme-rudern und wackeln verbieten, ihm Winkel unter die Arme klemmen, damit er still hält und ihm eine Leiste an den Rücken binden, damit er gerade und mittig bleibt?
Viele Grüße Saphiria!
Brandy
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Beitrag von Brandy »

Sodala, ich hätt jetzt noch eine Frage :wink:

Mein Pferd macht die Biegeübungen im Stand nicht so gut, wie im Schritt. Jetzt bin ich mir am überlegen, ob er sich im Schritt villeicht nicht korrekt biegt.

Ich züpfel also, er geht in Biegestellung und ich lass ihn antreten züpfel nochmal und gehe vor oder neben ihm her. Er bleibt schön in Stellung (hoff mal das ich es richtig sehe), ich geh dann manchmal vor ihn, um gut zu sehen, wie er spurt. Wir machen es allerdings nur ein paar Runden und da macht er es relativ gut. Rechts rum klappts nicht so gut, er spurt spurt kaum richtig, vielleicht die erste Runde dann gehen die Hinterhufe raus, also Richtung aussen. Ich versuche dann die Schulter rauszudirigieren. Ist das richtig? Wie erkenne ich, ob sich mein Pferd korrekt biegt? Gibts da irgendwelche Anhaltspunkte?

Hoffe auf Hilfe!

Liebe Grüsse

Brandy
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