Immer nur "lieb, lieb"

Rund um die klassische Reitkunst

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Phanja

Beitrag von Phanja »

@Cubano
Ich gehe überhaupt nicht davon aus, dass das Pferd etwas tut, weil es mich gern hat - ich gehe davon aus, dass man Pferden grundsätzlich Dinge so beibringen kann, dass sie die Dinge gerne tun :wink:

Wenn ich da von mir ausgehe - ich fand z.B. Geschichte ein stinklangweiliges Fach in der Schule - ich hätte mich nieeee freiwillig mit Geschichte beschäftigt. Einfach weil die Lehrerin das alles sehr trocken und langweilig rübergebracht hat. Und deshalb war für mich Geschichte einfach nur langweilig, öde und überflüssig.
Später habe ich mich sogar ausgiebig mit bestimmten Epochen der Geschichte beschäftigt - weil ich Leute kennengelernt habe, die sich gut auskannten und die Fähigkeit hatten, in mir Begeisterung zu wecken. Und dann war ich auch motiviert, mir selber Wissen dazu anzulesen und mich damit zu beschäftigen und dafür auch durchaus Anstrengungen (natürlich geistiger Art :-p) zu unternehmen. Das hab ich ja nicht gemacht, weil ich die Leute so gern hatte, die Geschichte so toll rüberbringen, sondern weil mein Interesse zum Thema geweckt wurde.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

Randbemerkung, die zu Phanjas Kommentar passt.: Desmond erwähnte mal, dass Pferde in der Rangordnung aufsteigen, wenn sie in der Arbeit besser werden, ich würde das anders ausdrücken, sehe das aber zuimindest bei meinem Pony auch. ich vermute schon, dass das den Pferden ein bisschen Motivation gibt. in gewisser Weise ein Anthropomorphismus, aber er entspricht halt meiner Beobachtung :-)
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

gimlinchen hat geschrieben:Randbemerkung, die zu Phanjas Kommentar passt.: Desmond erwähnte mal, dass Pferde in der Rangordnung aufsteigen, wenn sie in der Arbeit besser werden, ich würde das anders ausdrücken, sehe das aber zuimindest bei meinem Pony auch.
Dieses Aufsteigen von Pferden, die gut trainiert wurden, hat mir heute gerade meine Reitlehrerin von ihrem Hengst erzählt.

Noch zur Vorstellung, das Pferde von sich aus nur darauf aus sind, Energie zu sparen (ich frage mich, ob hier nicht menschliche Vorstellungen von Gemütlichkeit / Faulheit auf die Pferde projiziert werden): Mein Pferdl geht ja z.B. am Putzplatz meist auf Standby, und ist auch sonst eher ein Energiesparmodell, doch wenn der richtige Kollege dabei ist, kann er mit viel Energie und Ausdauer mit diesem spielen, bis er total verschwitzt ist. Auch bei wild lebenden Pferden üben ja zumindest die Junghengste, wie man mögliche Konkurrenten beeindruckt, zudem scheint in der Natur die offensichtliche Verschwendung von Energie die Damen zu beeindruckten, man schaue sich nur mal an, welchen Aufwand die Männchen teilweise betreiben.

Ich habe auch den Eindruck, dass ein Pferd durch ein Training, das sozusagen immer wieder an die Komfortgrenze, aber nicht darüber hinaus, geht, auch Freude an der eigenen Bewegungsfähigkeit entwickelt und damit auch ein zunehmendes Bedürfnis, sich zu bewegen. Ich habe auch schon von Fellpony-Züchtern gehört, dass man daran denken sollte, das Fellponys Arbeitstiere sind, und man daher etwas mit ihnen tun muss, damit sie sich wohl fühlen. Ein verfettetes Pony, das sich nur auf der Weide die Beine in den Bauch steht, wird sich weniger wohl fühlen als ein Tier, das etwas zu tun bekommt.
Bei mir selbst habe ich auch festgestellt, dass ein körperliches Training anfangs mühsam ist, mit der Zeit aber zu einer Gewohnheit wird, auf die ich nicht mehr verzichten kann, ohne mich unwohl zu fühlen.
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
padruga
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Beitrag von padruga »

Ich habe einen Friesen erlebt, der nach einem Tag Zirkuskurs, wo er auf ein Podest steigen durfte, dermaßen stolz darauf war, dass er auf der Koppel oder freilaufend in der Halle sofort auf alles raufgeklettert ist was rumgelegen ist und nur annähend zum Hochsteigen geeignet war. Da stand er dann mit stolz geschwellter Brust. Und wehe ein anderes Pferd kam ihm zu nah. Das war SEIN Privileg. Er war auch deutlich selbstbewusster in der Herde. Nach nur einem Tag schon!
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Beitrag von Ulrike »

Hallo,

ein Lebewesen hat ja auch Motivation, zum Spiel, zur freien Bewegung, zum Kampf, was weiss ich noch alles.


Dennoch gibt es freiwillig nicht mehr als es für die Ausführung dieser Motivation geben will.


Wir als Reiter freuen uns über eine motivierte Grundhaltung, die setze ich mal voraus.

Dennoch wollen wir mit dem Pferd etwas erreichen, sauberer an einer Lektion arbeiten, im Gelände den Berg hoch, irgendwas halt.

Dazu müssen wir das Pferd weiter motivieren.
Je nachdem, wie positiv seine Grundeinstellung ist, fällt es uns leichter oder schwerer, es wird aber angehalten, mehr zu geben als es das vielleicht im Moment von selber tun würde.

Es geht nicht um LEISTUNG sondern um Leistung, die auch im Komfortbereich erreicht werden will, von uns Reitern.

Wir sehen das Ziel am Ende, das Pferd nicht.

Sind wir fertig, wird das Pferd wieder genau in den Energiemodus zurückfallen, den es für den Moment braucht.


LG Ulrike
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Jen hat geschrieben:Das stimmt, kein Pferd der Welt piaffiert freiwillig über mehrere Tritte in Losgelassenheit und doch mit viel Energie. Dieses Zusammenspiel von Losgelassenheit und Energie kommt in der Natur so ja auch gar nicht vor. Aber da sind wir wieder beim Thema von vorhin, dass man auch (mehr oder weniger sanften) Druck mit einer positiven Grundstimmung ausüben kann und die Beziehung zum Pferd darunter nicht leidet, auch wenn es die Übung im Moment anstrengend und blöd findet.
So sieht es aus. Und das ist halt die Herausforderung, der sich ein Reiter stellen muss. Zum Rest muss ich ehrlich sagen: Ich habe die Erziehung meiner Pferde bisher wirklich fast ausschließlich über das Bauchgefühl gemacht. Und - vielleicht hatte ich auch Glück – bisher sind die Pferde, die ich hatte, eigentlich immer als gut erzogen durchgegangen. Auch die Hengste übrigens. Deshalb, man teere und federe mich :wink: , kann ich irgendwie auch nicht so wirklich nachvollziehen, wie man sich z.B. Gedanken darüber machen kann, wie man sein Pferd vernünftig von A nach B führt. Das sind Dinge, die macht man am besten - in dem man sie macht. :P
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Beitrag von gimlinchen »

jo, das sehe ich ähnlihc. hatte ab und zu das unterhaltsame vergnügen bei kursen von frau weritz zum thema "pferdekommunikationstherapie" zuzuschauen, wenn die zukünftigen therapeuten erst mal führen lernen, das ist ein hganz amüsant.. ich denke, dass manche leute so etwas lernen müssen, kommt daher, dass viele reiter einfach nicht mehr mit pferden aufwachsen.
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Beitrag von esge »

Ein Stück zurück, zu Gimlinchen rhetorischer Frage, warum sie sich als Freizeitreiter in einen Leistungsstress begeben soll.
Die Antwort für mich persönlich lautet, dass mir reiten auf Dauer keinen Spaß macht, wenn ich keinen Fortgang sehe. Mir macht schon seit längerer Zeit nur noch die Ausbildung Spaß, kaum noch das Reiten an sich.
Das ist zum Beispiel völlig anders mit meinem Hund. Da reicht es mir völlig, dass sie in dem Rahmen funktioniert, den ich brauche, um sie entspannt in meinem Leben immer dabei haben zu können. Darüber hinaus habe ich keinerlei Ehrgeiz, sie auszubilden - wie mir klar wurde, als ich keine Lust mehr hatte, mit ihr am Agility Training oder sonstigen Kursen teilzunehmen. Mich treibt überhaupt nichts zu Kursen mit Hund. Danke nein!
Aber Reiten macht mir ohne immerwährende Ausbildung einfach keinen Spaß. Und natürlich ist das im Wesentlichen MEINE Ausbildung - aber mein Pferd muss da halt mit. Was bedingt, dass es sich auch weiter entwickelt.
Schweres Schicksal. Muss mein Pferd durch.

Warum dann gleich wieder angenommen wird, dass dies konträr zu qualitativ hochwertig gemeinsam verbrachter Zeit stehen soll, ist mir allerdings ein Rätsel. Nicht, wenn man ein Pferd hat, das die eigene Einstellung teilt!

Kehren wir zum Thema zurück, müsste sich jetzt die Frage stellen, ob sich viele Konfliktsituationen, in denen man in die Verlegenheit kommt sich zu fragen, ob man "hart durchgreifen muss" vielleicht daraus resultieren, dass hier die falschen Partner miteinander klarzukommen versuchen?

Ich habe mal vor Jahren eine Fahrradtour mit einer Freundin unternommen. Anschließend waren wir beide sehr unzufrieden. Warum? Ich verstand unter Fahrradtour, mittels Drahtesel gemütlich eine Landschaft zu er"fahren". Sie jedoch, sehr viele Kilometer am Tag zu absolvieren. Wir trafen uns in der Mitte und waren beide nicht zufrieden. Mir war es zuviel Strecke, ihr zu wenig.
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Beitrag von gimlinchen »

@esge: da sind wir uns einig und ich habe offenbar missverständnisse erzeugt.

gemeinsam besser werden: ja! zeitdruck in der ausbildung wegen bunter schleifchen: nöööö

an mir arbeiten: ja absolut. (ich tapper seit 7 monaten deshalb zum aikido und zum Qigong, z.B.)

ich glaube, ich habe nur leistuingsstress anders definiert. sonst: 100 % zustimmung
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Beitrag von esge »

Wer sprach denn von Zeitdruck? :D Außer, dass ein Pferdeleben begrenzt ist... Und ich auch immer oller werde.
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Beitrag von gimlinchen »

so ist es :-)
Phanja

Beitrag von Phanja »

Da muss ich jetzt auch nochmal einhaken.
Ich glaube, dass sich Spaß an der Arbeit fürs Pferd und Weiterkommen in der Entwicklung sehr gut kombinieren lassen.

Und esge - ich meinte nicht, dass ein gewisser Ausbildungsehrgeiz automatisch zu Zwang in der Arbeit führt :wink:
Mir ging es hauptsächlich um Cubanos Punkt, die meinte, dass Pferde sich freiwillig oder aus eigenem Antrieb für die Arbeit nicht anstrengen. Das sehe ich einfach anders.
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Beitrag von esge »

Hm.
Ich behaupte, dass mein Pferd ein echter Border Collie ist. Also der personifizierte Will to please, gepaart mit hoher Bewegungsenergie und genügend Intelligenz, um menschliche Fremdsprache zu verstehen.
Trotzdem, ganz ehrlich? Wenn es um die Sorte Versammlung geht, die richtig quietscht - bei der HH-Winkelung meines Pferde quietscht es recht früh - drängelt sich nicht einmal er, sondern sucht vielmehr höfliche und durchaus kreative Fluchtwege, die man kaum als Arbeitsverweigerung bezeichnen kann, die ihn aber dennoch davor retten, sich hinten zusammen zu falten und Last aufzunehmen.

Nur, sind wir ehrlich: Wer von UNS geht freiwillig in diesen Grenzbereich und definiere "freiwillig".

Wenn ich an das denke, was ich da von meinem Pferd verlange, wäre das ebenso, als würde ich mir vornehmen durch Training zu erreichen, von meiner momentanen 45jährigen Steifheit mit 2 x 5 kg Hanteln langsam und kontrolliert in einen Spagat gleiten zu wollen. Autsch. Mich motiviert sehr wenig, dieses Ziel auch nur ins Auge zu fassen. Für die Gesunderhaltung brauche ich das nicht und einen anderen Anreiz sehe ich nicht. Ebenso dürfte es meinem Pferd gehen UND kann das nicht einmal theoretisieren.
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Beitrag von Cubano »

Phanja hat geschrieben: Mir ging es hauptsächlich um Cubanos Punkt, die meinte, dass Pferde sich freiwillig oder aus eigenem Antrieb für die Arbeit nicht anstrengen. Das sehe ich einfach anders.

Guten Morgen,
dann würde mich mal interessieren: Was glaubst Du, WARUM sich Pferde aus eigenem Antrieb anstrengen sollten?
Um das noch mal deutlicher zu formulieren: Es geht mir nicht um Dinge wie z.B. das Klettern auf ein Podest, was hier gestern angesprochen wurde. Denn das ist für ein Pferd nullinger anstrengend. Mir geht es wirklich darum, dass ein Pferd nicht irgendwie SH läuft, sondern wirklich korrekt. Das es nicht auf der Stelle tippelt, sondern wirklich piaffiert, mit Engagement von Rücken und Hanke und dergleichen mehr…
Warum ich übrigens glaube, dass JEDES Pferd nach dem Wasser-Prinzip von Ritter agiert, wenn es ans Eingemachte geht: Zum einen, weil ein Pferd rein genetisch darauf eingestellt ist, mit den Energien hauszuhalten, weil es im Zweifelsfall sonst nicht mehr schneller ist als der Säbelzahntiger. Zum anderen, weil ein Pferd die Sinnhaftigkeit der Anstrengung einfach nicht nachvollziehen kann. Wenn ich ins Fitness-Studio gehe, und mich dort anstrenge, dann weiß ich, warum ich das tue. Das Pferd weiß aber nun mal nicht, dass es länger gesund und munter bleibt, wenn es nicht als Schenkelgänger über den Platz tackert. Aus Sicht des Pferdes finde ich diese Einstellung übrigens komplett nachvollziehbar. Und genau deshalb ist übrigens der Spruch ”mein Pferd bietet mir an“, in den meisten Fällen nix weiter als eine Mogelpackung: Das Pferd bietet A an, weil ihm B zu anstrengend ist...
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Beitrag von esge »

Das würde ich auch wieder nicht unterschreiben. Nicht immer bietet Pferd A an, weil B zu anstrengend ist. Es bietet A durchaus auch dann an, wenn ihm A leicht fällt und Spaß macht.
Und doch, Säugetiere können aus reinem Spaß agieren und sogar schweißtreibend und kalorienzehrend. Man nennt das Spiel. Und Spielverhalten zeigen Tiere dann, wenn ihre Grundbedürfnisse nach Nahrung, Ruhe und Sicherheit sattsam gedeckt sind - was bei den meisten Haustieren zutreffen dürfte.
Doch, Tiere bieten uns schon Dinge an und wenn wir geschickt sind, können wir das so in das, was wir "Arbeit" nennen einbauen, dass es auch für uns Sinn macht. Das sind dann tatsächlich die Momente, wo beide am meisten Spaß haben. Und es ist enorm motivationsfördernd, gelegentlich mal Dinge auch einfach anzunehmen, die das Tier anbietet, auch wenn das grad nicht "dran" war. Gelegentlich! Es bleibt immer eine Gratwanderung zwischen Disziplin und Abtöten jeglicher Initiative.

Wenn wir auf die natürlichen Veranlagungen von Pferden schauen, kennen Pferde also durchaus Spiel. Was sie nicht kennen ist Arbeit. Was sie kennen ist "Druck weichen" und haben im Prinzip gar kein Problem damit. Gefahr oder Hunger oder Durst (Druck) tauchen auf, ok, ich bewege mich und baue somit den Druck wieder ab. Genauso funktionieren reiterliche Hilfen auch.
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