Kursbericht Manuel Jorge de Oliveira

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Janina
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Kursbericht Manuel Jorge de Oliveira

Beitrag von Janina »

Kursbericht Manuel Jorge de Oliveira
Samstag, 21.03.2015 Northeim
Nachdem ich letztes Jahr schon vergeblich versucht hatte, in einem Kurs bei Frankfurt einen aktiven Platz zu bekommen, hat es jetzt endlich in Northeim geklappt. Nur ein 1-Tages-Workshop, aber mit einer Einheit vor- und einer nachmittags. Es nahmen nur vier Pferde teil, die Organisatorin selbst mit zwei, also war alles sehr familiär gehalten.
Für den „Kleinen“ war es der erste „Auswärtstermin“ in diesem Jahr, von daher war ich sehr gespannt. Er ist Anfang des Monats sieben geworden und ich habe ja immer gesagt, dass er bis zu diesem Alter mit seinem Hengstdasein Zeit kriegen würde. Bei vergangenen Veranstaltungen war er ja zumindest die ersten ca. 10 Minuten jeder Einheit immer völlig außer sich, bevor man das mal durchgestanden hatte und mit der eigentlichen Arbeit anfangen konnte.
Wir sind Freitag schon hingefahren, da ich ihm und uns (mein Vater kam als Begleitperson mit) diesen Stress an einem einzigen Tag nicht zumuten wollte. Blöderweise hatten wir kein Glück mit dem Freitagsverkehr und mussten eine Vollsperrung auf der Autobahn weiträumig umfahren, so dass wir insgesamt ca. drei Stunden Fahrzeit benötigten.
Aber angekommen, bezog er gleich seine schön eingestreute und mit Heu vorbereitete Box. Außer einem Begrüßungswiehern verlief das auch sehr stressfrei.
Am nächsten Morgen startete ich gleich als erste Reiterin. Zuerst stellte ich das Pferd vor und wie sich herausstellte ist der Kleine ein Enkel von einem Hengst, der einmal im Besitz von de Oliveira war (und dort auch im Stiefkampfeinsatz). So hatte er natürlich gleich einen Bonus.
Brauchte er aber eigentlich gar nicht, denn er war wirklich nett. Wir fingen mit Bodenarbeit an. Das von Portugal bekannte Übertretenlassen. De Oliveira legt (richtig ausgeführt) sehr großen Wert auf diese Übung. Richtig ausgeführt bedeutet: Langsam! Seiner Meinung/Erfahrung nach schaden Seitwärtsbewegungen nicht, wenn sie kontrolliert und in langsamem Tempo ausgeführt werden. Ich will darüber keinen Streit lostreten. Da ich parallel zur Dressurarbeit sehr viel ins Gelände gehe, hat mein Pferd auch immer sehr viel „Geradeaus-Bewegung“. Ob ich wirklich jeden Tag diese intensive Arbeit mit einem Pferd machen würde… mein Bauchgefühl sagt eher „Nein“. Aber so zwei- bis viermal die Woche erscheint mir vertretbar.
Er nutzt diese Übung, um das Pferd zu begutachten, zu analysieren und zu interpretieren. Bei meinem Pferd stellte er fest, dass ein Teil der Unterhalsmuskulatur zu aktiv ist. Daher seine Anweisung vorübergehend tendenziell mit einer höheren Kopfeinstellung zu arbeiten.
Anschließend dieselbe Übung als Renverspirouette und dann alles noch mal unter dem Sattel.
Wenn er dann das Gefühl hat, das Pferd entspannt, wird flexibler, geht es an die Seitengangkombinationen: Schulterherein, Travers, Traversale, Renverspirouetten in immer sinnigen Abfolgen geritten, machen das Pferd unheimlich durchlässig und konzentriert.
Aber was viel wichtiger ist: Die Ecken richtig zu nutzen! Ja, alles bekannt, aber so im Alltagstrott macht man es ehrlicherweise dann doch irgendwie nicht so richtig. Das konnte ihn allerdings so richtig nahe der Verzweiflung bringen, wenn man trotz ständiger Wiederholung im „Eifer des Gefechts“ dann doch mal die eine oder andere Ecke „geschnitten“ hat…
Daraufhin ging es in den Trab. Ich trabte an, schön fleißig im Leichtraben und wurde sofort korrigiert: „No, no schooltrot!“. Also aussitzen, versammeln. Und wieder Seitengänge. Da wurde mein kleines Pferd doch etwas faul in der Hinterhand: Sooo anstrengend!
Also meinte er, um etwas mehr Kraft in selbiger zu aktivieren, würden wir jetzt mal etwas touchieren. Das kennt der Kleine überhaupt noch nicht. Aber ich habe gestern schon mal kurz ins Video reingeschaut (mein Vater hat die erste Einheit gefilmt, bei der zweiten hat leider die Kamera versagt): Da kamen tatsächlich die ersten schönen Piaffeansätze raus. Ehrlich gesagt war das schon besser als mein Schimmelchen das jemals gezeigt hat. Also Talent hat dieses Pferd einfach, das muss man ihm lassen. Er hat dann natürlich ein bisschen gespielt und auch mal etwas Passagetritte rausgekitzelt (also echte, aus den piaffeartigen Tritten entwickelte, keine Spanntritte, die der Kleine ja eh schon immer mehr als gerne angeboten hat).
Anschließend war die HH auch in den Seitengängen aktiver und es wurde weiter gymnastiziert. Es ist schwierig das schriftlich zusammenzufassen, weil die jeweiligen Kombinationen eben auf die jeweilige Reaktion des Pferdes abgestimmt werden.
Zum Abschluss noch etwas Galopparbeit: Gaaanz wichtig, das Pferd hierbei im Hals möglichst gerade zu lassen. Ich habe da die Tendenz in zu viel nach innen zu stellen, das blockiert dann etwas den Galoppsprung. Auch hier noch etwas Seitengänge und Übergänge. Außengalopp. Alles gar nicht so einfach, weil die Halle mit geschätzten 15 x 30m auch recht klein war und natürlich gegen Ende der Stunde die Kraft dann schon nachgelassen hat. Insgesamt ging die erste Einheit ca. eine Zeitstunde.
Die folgende Reiterin kannte ich noch von den PK-Kursen in Marburg. Sie ritt einen bildschönen Warmblüter aus der Donnerhall-Linie. Es war nicht ihr erster Kurs bei de Oliveira, so dass sie direkt starten konnten. Sie hat reiterlich einen ähnlichen Background wie ich, ist allerdings etwas vorsichtig geworden, nach einem schweren Unfall, den sie mit diesem Pferd hatte und ihr eine Wirbelfraktur bescherte.
Arbeit war grundsätzlich ähnlich wie bei uns, nur dass man bei diesem Pferd wirklich sehr darauf achten muss, nicht über eine bestimmte Grenze zu gehen, um ihn nicht zum „Austicken“ zu provozieren.
Anschließend arbeitete noch die Kursorganisatorin ihr eines Pferd, einen 6-jährigen bayerischen Warmblüter, an der Hand. Hier wollte er das Pferd erst mal in der freien Bewegung an der Longe sehen. Es startete in einem scheinbar sehr entspannten „Schlendertrab“, den er so nicht sehen wollte. Er meinte, dass sich dadurch zu viel negative Energie in dem Pferd aufstauen würde, die sich dann unerwartet plötzlich entladen könnte. Lustigerweise kenne ich genau dieses Phänomen noch von meinem Schimmel früher. Also frisch vorwärts hieß nun die Devise.
Hierbei entwickelte sich eine kleine Diskussion mit der einen von nur drei(!) Zuschauerinnen. De Oliveira lehnt (grundsätzlich, mit einigen zeitlich begrenzten Ausnahmen) das v.w.-a.w.-Reiten ab und besagte Dame fing dann eben an über das Für und Wider zu diskutieren. In dieser Diskussion fand ich ihn sehr souverän und auch sympathisch. Er erklärte eben, dass diese Haltung das Pferd auf die Schulter bringe und dass das zwar manchmal kurzfristig okay sei, aber dieses rundenweise praktizierte Reiten in dieser Haltung zu gesundheitlichen Schäden führen müsse. Aber wenn sie wolle, könne sie gerne mal mit Pferd zu ihm kommen, es ihm so vorreiten, wie es sich für sie richtig anfühlt und dann könne er ihr sagen, ob er damit einverstanden wäre oder nicht. *breitgrins*
Tja, Reden resp. Schreiben können alle viel und gut. Aber letztlich entscheidet die Praxis oder (das hat er auch gesagt) der Geschmack, die eigenen Vorlieben.
Den Abschluss bildete eine zuckersüße Hafidame, die zwar nicht ohne Talent war, aber wohl rassetypisch trotzdem mal hin und wieder vehement den Dienst quittiert. War hier nur ansatzweise zu sehen, da dies aufgrund der Erfahrung des Ausbilders vermieden wurde. Zum Abschluss wurde auch bei diesem Pferd, das die Arbeit an halben Tritten schon kannte, etwas touchiert und es kamen einige nette Piaffetritte heraus. Wobei das gar nicht das Ziel war, sondern es tatsächlich darum ging das Pferd zu entspannen. Wie oft sieht man Piaffearbeit/Touchierarbeit, bei der das Pferd sich nervlich immer mehr und mehr hochfährt. Hier war das Gegenteil der Fall! Sehr beeindruckend. Der einzige, bei dem ich ähnliches erlebt habe, war damals Herr von Neindorff gewesen.
Nach einer Mittagspause wurde in der zweiten Einheit noch mal vermehrt im Galopp gearbeitet und tatsächlich auch auf die Fliegenden Wechsel vorbereitet. Den ein oder anderen ist er auch gesprungen. Allerdingt braucht er da meiner Meinung nach noch mehr Vorbereitung in den Galoppseitengängen. Die fallen ihm noch zu schwer, als dass er die Hilfen für den Galoppwechsel schon so richtig umsetzen könnte. Aber wir haben Zeit. Der Schimmel hat die mit 15 + noch gelernt, der Kleine ist jetzt schon so weit, da mache ich mir überhaupt gar keinen Kopf.
Und gaaanz zum Abschluss noch etwas in Richtung Galopppirouette. Also wirklich nur „in Richtung“. Pferd war müde und ich ehrlich gesagt auch mit meiner Konzentration am Ende.
Fazit für uns: Also grundsätzlich läuft die Arbeit mit ihm in die richtige Richtung. Es gibt ein paar kleine Details, die ich korrigieren muss, aber jetzt nichts Dramatisches. Das ist ja immer mein größtes Anliegen. Mir war von Anfang an klar, dass dieses Pferd eigentlich alles mitbringt und ich da wenn, nur was „kaputt“ machen kann.
Besonders schön fand ich, dass diese Aufregung am Anfang wirklich nur ganz minimal vorhanden war. Auch wenn zwischendurch mal ein Pferd kam und wieder weggeschickt wurde (früher gerne Grund zum Ausflippen), gab es zwar mal ein Wiehern und kurzes Tänzeln, aber ansonsten alles „Wölkchen“. Hätte nichts dagegen, wenn er das so beibehält!
Ach so, vlt. noch zum v.w.-a.w.: Er lässt das Pferd nicht die ganze Einheit in einer Position laufen. Es gibt immer zwischendurch Pausen, in denen der Zügel völlig hingegeben wird und das Pferd die Möglichkeit hat sich abzustrecken.
Generell ist es „typisch portugiesische“ Arbeit. Ich persönlich finde sie genial. Wer aber Dynamische Vorwärtsreiten favorisiert, wird mit dieser Art seine Probleme haben. Ich würde es gerne wie er selbst auch, einfach mal so stehen lassen. Jeder wie er mag und jeder wie er und sein Pferd glücklich werden.
Ich habe jedenfalls die nächste Einheit im Juni gebucht (dann in der Nähe von Frankfurt) ;-)


Bitte um Korrektur und anschließendes Einstellen! :D
"When the horse is perfectly on our aids, then the horse is light, brilliant but never spectacular." (Miguel Távora)
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