Kreuzgalopp

Rund um die klassische Reitkunst

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Jen
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Beitrag von Jen »

Wenn er Stress beim Galoppieren hat, dann ist es wichtig, ihm diesen Stress zu nehmen und ihm Freude an der Arbeit zu geben. Ich handhabe das so, dass ich die Pferde auch lobe, wenn sie in den Kreuzgalopp gehen und pariere sie einfach durch entspannen und ausatmen und beruhigen nach einer halben Runde oder so durch. Sie dürfen sich nicht "bestraft" fühlen, dass sie angaloppiert sind. Viele (junge) Pferde haben kein Konzept davon, dass es ein Links- und ein Rechtsgalopp gibt. Sie nehmen einfach das, was gerade so kommt. Deshalb ist das nur eine Gleichgewichtsgeschichte und sie lernen mit der Zeit, dass es ja ein Signal für den entsprechenden Galopp gibt. Aber das erst später. Nach dem duchparieren des falschen/Kreuzgalopps bereite ich solange wieder vor, bis sie im Schritt/Trab wieder absolut entspannt sind, sonst galoppier ich nicht an. Pickelhart. Sie müssen den Galopp "vergessen" und dürfen ihn nicht gespannt erwarten. Deshalb ist es wichtig nach dem Galopp/Galoppversuch sich ganz viel Zeit zu nehmen, weiter arbeiten als ob überhaupt nix gewesen wäre und ev. auch auf erneutes Angaloppieren in dieser Einheit zu verzichten. Deshalb auch nicht gleich Handwechsel und dort Galopp, wenn das noch ein Problem ist, dieses Muster haben sie schnell raus und kommen eher in Stress. Sondern auch da erst ganz normal Schritt/Trabarbeit und ev irgendwann mal einen kurzen Galopp oder eben auch nicht! Sie dürfen es nicht erwarten und nicht in Stress kommen. Wenn man dies konsequent macht, wird das Pferd jedesmal schneller runterkommen und Galopp wird "normal". Das Pferd muss einfach lernen, Galopp gehört dazu, wie alles andere und ist nix schlimmes. Erst dann kann man den Galopp überhaupt formen und verbessern. Diese erste "Vorbereitungsphase" kann durchaus mehrere Monate dauern, je nachdem, wie schwierig der Galopp für das Pferd ist.

Als Galoppvorbereitung empfehle ich viele Tempiübergänge im Trab, so dass das Pferd auf's Vorwärts-Kommando leicht und prompt reagiert und schön bereitwillig vorwärts zieht. Das braucht man, damit das Pferd in den Galopp nach vorne einspringt und nicht abbremst, zum angaloppieren, was viel mehr Kraftaufwand bedeuten würde. Solange das klemmt, wird auch das Angaloppieren klemmen.
Liebe Grüesslis, Jen
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Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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bea
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Beitrag von bea »

Vielen lieben Dank, Jen, für deinen ausführlichen Post. Ja, mein Hauptaugenmerk liegt natürlich darauf, ihm den Stress beim Galopp zu nehmen und Freude an der Bewegung zu vermitteln. Was du sagst wegen dem Loben, leuchtet mir sehr ein. Natürlich habe ich ihn nie gestraft, wenn er im Kreuzgalopp eingesprungen ist, sondern ich hab das im Grunde einfach ignoriert, ihn nach wenigen Sprüngen ruhig in den Trab zurückgenommen, ihn entspannen lassen und dafür kräftig gelobt, und habe dann einen neuen Versuch gestartet. ich sehe aber ein, dass Lob für die Galoppbemühung ihm vermutlich leichter verständlich gemacht hätte, dass die dritte Gangart auch Spaß machen kann. Es ist überhaupt erst seit wenigen Einheiten so, dass er etwas mehr loslässt, bereitwillig statt verhalten einspringt, auch mal einen übermütigen Buckler einbaut, und ich anschließend nicht noch fünf bis zehn Runden Trab brauche, bis er sie wieder entspannt hat. Das gibt mir auch die Hoffnung, dass wir es irgendwann noch hinkriegen werden. Ich werde mich bemühen, uns beiden noch mehr Zeit zu lassen und auch weniger Erwartungen zu haben. Er gibt sich auf jeden Fall immer super-viel Mühe, und da ist es eigentlich fair, wenn ich diese Mühe auch dann belohne, wenn sie halt im falschen Galopp endet. Gleichzeitig werde ich natürlich weiterhin an der Kräftigung und der Balance im Schritt und Trab weiterarbeiten.
Reiten heisst: sitzen - fühlen - denken.
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bea
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Beitrag von bea »

Nach einem weiteren Jahr nun mal ein Update:
Kurz nach meinem letzten Posting hier Ende März begann unsere fast halbjährige "Krankheitsphase", in der wir zwar gelegentlich etwas arbeiten konnten, aber nicht systematisch. Galopp war so natürlich erst recht gestrichen.
Mitte August/Anfang September begann ich dann wieder mit dem Training, das v.a. an der Longe stattfand, und nahm von Anfang an auch den Galopp dazu. Parallel bin ich auch häufiger im Gelände galoppiert, was ihm sichtlich gut tat. Meine Taktik im Gelände: hinter zweitem Pferd in den leichten Sitz und nur über die Stimme angaloppieren. Hat meistens recht gut funktioniert und er hat selber in einen korrekten Galopp gefunden - manchmal waren wir auch im Kreuzgalopp unterwegs. Auf dem Platz sind wir seit nun fast einem Jahr kaum mehr geritten.
An der Longe habe ich damals angefangen, konsequent mit der Körperbandage zu arbeiten, was grundsätzlich sehr positiv war und sichtlich eine bessere Spannung ins Pferd brachte. Galopp wurde ebenfalls entspannter, aber immer noch sehr häufig Kreuzgalopp. Osteo hat uns im September bestätigt, dass das Pferd körperlich enorme Fortschritte gemacht hätte - erst recht, wenn man die lange Trainingspause mitberücksichtigt. Trotzdem: Galoppieren konnten wir immer noch nicht wirklich. :roll:
Seit Anfang Januar haben wir nun eine Bodenarbeitstrainerin. Eigentlich unterrichtet sie Freiheitsdressur und Zirkuslektionen, aber ich habe auch mal eine Longier-Stunde mit ihr gemacht, die uns sehr viel gebracht hat: Bisher dachte ich ja immer, dass sowohl das Pferd als auch ich das Problem sind im Galopp: er zu wenig Spannung, ich zu weit vorne positioniert und zu unruhig, wenn ich mit relativ viel Energie Spannung aufbauen will. Bei meiner Trainerin hat sich dann sehr schnell rausgestellt, dass SEINE Probleme eigentlich vernachlässigbar sind, wenn ich MEINE in den Griff bekomme. :oops: Sprich: Ich bleibe ganz konsequent in der Mitte stehen (stell mir jetzt immer eine Pylone hin ;) ), lass ihn möglichst ohne Peitscheneinsatz einspringen, und bleib auch dann gaaaaaaanz ruhig. Für gutes Einspringen gibt es sofort Lob - und zwar nicht nur mit der Stimme, sondern das Pferd darf nach ein paar guten Sprüngen auch zu mir in die Mitte kommen, kriegt ein Leckerli und darf eine kurze Pause machen. Seither haben wir eine neue Lieblingsgangart. :lol: Er wartet nun richtig auf den Galopp und springt grundsätzlich gerne ein. Ich muss kaum Druck aufbauen und auch die Schlauchgeräusche sind fast verschwunden. :)
Die Qualität der Galoppade ist allerdings immer noch "unterirdisch", sprich: Es kostet ihn sehr viel Mühe, die Gangart bzw. die Spannung zu halten und auch mal eine halbe Runde oder gar eine Runde durchzugaloppieren. Die Probleme mit dem Kreuzgalopp sind immer noch da, allerdings interessanterweise im Vergleich zu früher verschoben: War er früher links meistens korrekt und rechts fast immer im Kreuzgalopp, ist er nun rechts immer (!!) richtig, links hingegen fast durchgehend im Kreuzgalopp. Ich erkläre mir die Verbesserung auf rechter Hand damit, dass er gelernt hat, das Gewicht von der rechten Schulter zu nehmen, was vorner immer sehr extrem war. Warum er links nun so viel öfter im Kreuzgalopp ist, kann ich mir aber auch nicht erklären. :kopfkratz:
Trotzdem: In der Tendenz bin ich sehr zufrieden! Jetzt mit der Trainerin an der Seite habe ich auch jemanden, der mir beim Longieren auf die Finger schaut, was bei einem so sensiblen Pferd wirklich enorm wichtig ist. (Ich hatte in den letzten Jahren auch schon andere Pferde an der Longe und alle galoppierten problemlos ---- auch dann, wenn ich mal ein paar Zentimeter zu weit nach vorne kam!) Wir longieren in jeder Unterrichtseinheit anfangs nun etwa 15 bis 20 Minuten zusammen. Jetzt mal schauen, wie es weitergeht - aber eigentlich bin ich zuversichtlich, dass wir es irgendwann noch lernen werden. ;) Geländegalopps gab es kaum in den letzten Monaten, aber ich hoffe mal, dass dies mit dem Frühling dann wieder besser wird. Momentan longiere ich rund zweimal wöchentlich und lass ihn dabei so oft wie möglich einspringen, damit er auch über die Übung lernt, sein Gleichgewicht zu finden.
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