Praxisbeispiele unserer Jungpferdeausbildung

Rund um die klassische Reitkunst

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Edelstein
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Beitrag von Edelstein »

ich habe da gerade eine sehr spezielle junge Dame zum Reiten.
Im Umgang superartig, gut erzogen, total menschenzugewandt.

Unter dem Sattel zwar vom Grundsatz sehr fein, was aber durch extreme Umweltorientierung bis hin zu grenzwertiger Nervosität eine ziemliche Herausforderung darstellt. Von Hibbeln/Tippeln, erschrecken, losrennen, zum steigen ansetzen hatten wir alles, in der Regel ließ es sich mit konsequenter Ruhe und Geduld bis zum Ende der Einheit lösen. Einziges Ziel also innere Losgelassenheit, v.-/a., um diesen langen Rücken anständig gymnastizieren zu können.
Über den Punkt kommen wir unter dem Sattel aktuell nicht hinweg, auch wenn es bessere und schlechtere Tage gibt.

An der Longe hingegen entwickelt sie sich in letzter Zeit unerwarteter Weise - zu Anfang auch extrem umweltorientiert, Unterhals raus, Rücken weg, losschießen, heißlaufen, nur mit Dreieckern möglich.
Jetzt lässt sie sich aktiv da rausholen und bleibt bei mir, selbst im neuen Umfeld (hier erst das dritte Mal auf dem Außenlongierzirkel, das ist für sie eigentlich noch fremdes, gefährliches Terrain):

https://www.youtube.com/watch?v=KNo8JGzz-qI

Auch hier das erste Thema entspannen, loslassen, gründeln, was nun schon ganz gut einzufordern ist.
(Osteo kommt diese Woche.)

Die Frage, die man sich stellt, ist immer wieder - ist sie einfach so oder kommt die Nervosität (entsprechend Magen-anfällig ist sie auch) doch durch irgendwelche Schmerzen.

Hat jemand Ideen zu dieser Thematik?
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Das Video läuft bei mir nicht flüssig, auffälliges an der Bewegung kann ich daher womöglich trotz Vorhandensein nicht sehen.

Aber grade die Erzählung sie ist Menschen sehr zugetan lässt mich daran denken, dass sie ggf den Menschen nicht so deutlich als klare, führende Instanz betrachtet, deshalb nicht ausreichend sicher ist und selber guckiger unterwegs ist.
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Siggy war teilweise auch extrem guckig. Vor allem nach dem Stallwechsel. Wir haben am Stall eine Tür Mitte der langen Seite und dann eine Eingangstür an der der kurzen Seite. Vor allem die Tür an der langen Seite hat mich ziemlich lange fast zum verzweifeln gebracht. Es gab Tag, da sind wir schier nicht dran vorbei gekommen. Siggy musste immer wieder rausglotzen. Sobald sich an der Tür was änderte oder bewegte war an Dressurarbeit nicht zu denken. Manche Reitstunde haben wir damit verbracht ihn Losgelassen an der Tür vorbei zu bekommen. Irgendwann hat sich das gegeben. Zum einen wurde ich sehr konsequent im Sattel zum anderen ist er weiter in der Ausbildung. Er hört mir jetzt beim Reiten zu. Also bei ihm war es einfach eine Sache der Ausbildung.


Und um einmal auch kurz hier zu berichten. Siggy und ich haben unsere erste Schleife erritten. Aber nicht das ist das eigentlich Tolle, sondern die Souveränität die er entwickelt. Letztes Jahr konnte ich ihn auf fremden Plätzen kaum bändigen. Auch mein Sohn (mit 1,90 m Körpergröße ihm körperlich auf jeden Fall gewachsen) hatte Probleme. Da ich die letzte Zeit viel mit ihm auf Turnieren waren kann ich nun sagen: er wird ruhiger und gelassener. Außenreize werden wahrgenommen, aber nicht mehr mit weggedrücktem Rücken oder Kopf hochreißen quittiert. In 14 Tagen ist sein erster Einsatz als Damensattelpferd (denke ich) und ich habe ein gutes Gefühl dabei.
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Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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Edelstein
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Beitrag von Edelstein »

Glückwunsch, Josa :-)

Eventuell ist es tatsächlich eine Sache der Ausbildung und der Routine. Bisher ist das Pferd jedoch eben nicht über den Punkt Losgelassenheit hinweg gekommen (und das unabhängig von Stallwechsel, Person etc.). Und ohne die kann ich nicht weiter ausbilden. Vielleicht ist die Longenarbeit ein Ansatzpunkt und man kriegt sie dort weiter, sie kriegt Kraft und es wird unter dem Sattel besser - vielleicht auch nicht. Mir geht es darum, noch Ansatzpunkte/Meinungen zu erhalten (vor allem weil aktuell der Zusammenhang mit dem Reiten gegeben ist), ob es halt doch einen gesundheitlichen Grund geben könnte.

Ich selbst habe weder durch die Besitzerin, noch durch andere Gründe Eile oder Stress mit dem Pferd, nur wäre es schön, irgendwann über diesen Punkt der Nervigkeit hinweg zu kommen und an den Punkt, wo das Pferd sich entfalten kann. Sie steht sich einfach selbst extrem im Weg.

Finchen, ja, sie ist definitiv sehr unsicher. Sie klebt deswegen auch gerne an ihr bekannten Pferden (wenn sie ihre beste Freundin aus der Ferne sieht ist alles vorbei).
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Super, Josa !!! :jump1:

Edelstein, ich finde, die Bewegung hängt in der Lende fest bei dieser Stute...Auch wenn sie den Hals fallen lässt, ist sie in der Lende festgehalten und pendelt im Becken nicht wirklich durch... kannst du mal ein paar Übergänge aus diesem kleinen Trab in den Schritt filmen und einstellen, ich sähe gerne, wie sie das regelt. Das ist ja mal ein hochinteressantes Pferdchen ! Was für Potential, wenn sie sich selbst nicht so im Weg stünde !!! Bildschön !!! Ist sie in den Rossen "normal" ?
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Edelstein
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Beitrag von Edelstein »

saltandpepper hat geschrieben:kannst du mal ein paar Übergänge aus diesem kleinen Trab in den Schritt filmen und einstellen, ich sähe gerne, wie sie das regelt
Ja, wird gemacht sobald ich wieder jemanden zum filmen habe - tatsächlich fängt sie da gerade an (gestern sehr schön), über das abkippende Becken abzubremsen (wenn sie nicht gerade abgelenkt ist).

In der Rosse keine Unterschiede (und sie war schon seeehr rossig seit sie da ist).
Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

"Unter dem Sattel zwar vom Grundsatz sehr fein, was aber durch extreme Umweltorientierung bis hin zu grenzwertiger Nervosität eine ziemliche Herausforderung darstellt. Von Hibbeln/Tippeln, erschrecken, losrennen, zum steigen ansetzen hatten wir alles, in der Regel ließ es sich mit konsequenter Ruhe und Geduld bis zum Ende der Einheit lösen. Einziges Ziel also innere Losgelassenheit, v.-/a., um diesen langen Rücken anständig gymnastizieren zu können. "

Kommt mir sehr bekannt vor, dachte bei Hagall, es sei sein Wesen insbesondere nachdem klinisch mehrfach abgeklärt war, dass da röngenologisch, mit US, mit Chiro etc nix zu finden ist.
Unsere Ursache sind die Hufe in Kombination mit Hypermobilität. Wenn die Hufe nicht in Balance sind, so dass er sich ständig selbst mit angespannter Muskulatur in Balance halten muss und unter permanenter Körperspannung steht (nicht unbedingt erkennbar, wenn man das Pferd nur so kennt :wink: ) kann Hagall kaum eine Sekunde am Putzplatz ruhig stehen, dreht wegen jeder Mücke hoch, muss mit Samthandschuhen angefasst werden.
Selbst echte Fachleute von denen ich viel halte (Lahmheitsspezialisten von Klinik-TÄs über Physiotherapeuten über wirklich kundige Hufschmiede) haben das nicht erkannt.
Erst meine Hufschmiedin, die selbst ein hypermobiles Pferd mit den selben Problemen hat und ihre Ausbilderin konnten mir klipp und klar sagen, was das Problem meines Pferdes ist...und oh Wunder, Hagall ist seitdem ziemlich normal gechillt geworden *g*
Und das bleibt nicht so, sowie an den Hufen im Laufe des Wachstums zwischen der Intervallen was nicht mehr stimmt kommt die Nervosität zurück, daher haben wir Intervalle von 4 bis max 5 Wochen, hoffe mit zunehmender Stabilität irgendwann 6 Wochen erreichen zu können, meinem Geldbeutel zuliebe :lol:
Wäre vielleicht eine Idee?
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Butterfly:
sehr interessant zu lesen. Ich wäre auch davon ausgegangen, dass ein guter Osteo/chiro rausfinden wird, wenn es eine körperliche Ursache gibt. :shock:
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Kann man das mit der Hypermobilität irgendwo nachlesen? Ich hab auch so ein Pferd..
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Edelstein
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Beitrag von Edelstein »

saltandpepper hat geschrieben:kannst du mal ein paar Übergänge aus diesem kleinen Trab in den Schritt filmen und einstellen, ich sähe gerne, wie sie das regelt.
hier ein Übergang - da es bisschen kompliziert ist mit gleichzeitig longieren u filmen leidet natürlich die Quali in jeder Hinsicht etwas :lol:

https://www.youtube.com/watch?v=9FUX7Ck ... e=youtu.be
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Edelstein
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Beitrag von Edelstein »

Butterfly1 hat geschrieben:"Unter dem Sattel zwar vom Grundsatz sehr fein, was aber durch extreme Umweltorientierung bis hin zu grenzwertiger Nervosität eine ziemliche Herausforderung darstellt. Von Hibbeln/Tippeln, erschrecken, losrennen, zum steigen ansetzen hatten wir alles, in der Regel ließ es sich mit konsequenter Ruhe und Geduld bis zum Ende der Einheit lösen. Einziges Ziel also innere Losgelassenheit, v.-/a., um diesen langen Rücken anständig gymnastizieren zu können. "

Kommt mir sehr bekannt vor, dachte bei Hagall, es sei sein Wesen insbesondere nachdem klinisch mehrfach abgeklärt war, dass da röngenologisch, mit US, mit Chiro etc nix zu finden ist.
Unsere Ursache sind die Hufe in Kombination mit Hypermobilität. Wenn die Hufe nicht in Balance sind, so dass er sich ständig selbst mit angespannter Muskulatur in Balance halten muss und unter permanenter Körperspannung steht (nicht unbedingt erkennbar, wenn man das Pferd nur so kennt :wink: ) kann Hagall kaum eine Sekunde am Putzplatz ruhig stehen, dreht wegen jeder Mücke hoch, muss mit Samthandschuhen angefasst werden.
Selbst echte Fachleute von denen ich viel halte (Lahmheitsspezialisten von Klinik-TÄs über Physiotherapeuten über wirklich kundige Hufschmiede) haben das nicht erkannt.
Erst meine Hufschmiedin, die selbst ein hypermobiles Pferd mit den selben Problemen hat und ihre Ausbilderin konnten mir klipp und klar sagen, was das Problem meines Pferdes ist...und oh Wunder, Hagall ist seitdem ziemlich normal gechillt geworden *g*
Und das bleibt nicht so, sowie an den Hufen im Laufe des Wachstums zwischen der Intervallen was nicht mehr stimmt kommt die Nervosität zurück, daher haben wir Intervalle von 4 bis max 5 Wochen, hoffe mit zunehmender Stabilität irgendwann 6 Wochen erreichen zu können, meinem Geldbeutel zuliebe :lol:
Wäre vielleicht eine Idee?
Butterfly, sehr interessant! Das ist genau die Krux - wo ansetzen, Ursachenforschung ist ein unendliches Feld und am Ende kann es was sein, womit man nie nie gerechnet hätte.

Wie ist denn sein Bewegungsbild, wenn er sich alleine bewegt (bzw. war)? Die Stute hier bewegt sich im Freien grundsätzlich mit rausgedrücktem Unterhals und schön festgehaltenem Rücken. So richtig schön falschrum ;-)

Bei uns würde ich die Hufe trotzdem eher ausschließen - im Umgang, beim Putzen etc ist sie immer total artig, im Stall entspannt, sie schläft auch viel und gerne und lässt sich auch dabei nicht aus der Ruhe bringen, da kannste dich dazu legen.

Tatsächlich entwickelt sie sich, seit ich nur longiere von mal zu mal weiter. Gestern sind direkt nebendran auf dem Paddock zwei Pferde immer wieder abgespackt, sie ist komplett entspannt geblieben. Vor zwei Wochen noch hätte ich mir das niemals vorstellen können bei ihr.

Das festgestellte Becken, der feste Lendenbereich - in den letzten Tagen hat sich bei mir der Glaube daran verstärkt, dass ihr tatsächlich etwas weh tut beim Reiten. Ich bin extrem gespannt, was die Osteo morgen sagt!
Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

@Finchen,
ja, dachte ich auch. Zumal der Chiro (Klinik-TA mit seeeeeeeeeeehr viel Erfahrung) schon teils die Hufe im Verdacht hatte, zumindest stellte er Hagall seinem Klinik-Schmied vor, der meinte, jo, da passt was nicht. Und der Doc selbst sagte, so lange die Hufe nicht ok sind findet er oben im Rücken immer was. Aber selbst nachdem ich 1 Jahr lang alle 6 Wochen in die Klinik gefahren bin zum Schmied und der Schmied dort total zufrieden war mit den Hufen war es nicht gut mit der Balance, Rücken etc.
Meine SB ist eine sehr kompetente Pferde-Physio (Humanphysio+Ausbildung bei Stefan Stammer), selbst sie und der sehr gute TA mit dem sie immer zusammenarbeitet konnten mir den "Wulst" hinter der Schulter bei meinem Pferd nicht erklären oder dachten, dass die Beinachseninstabilität mit einer anderen Hufbearbeitung weg gehen kann. Denn grundsätzlich sah da auf den ersten Blick alles ganz ok aus :wink: Dachte ja auch schon, ich hab Paranoia :lol: :roll:
Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

@Fortissimo, eventuell wirst du im neuen Buch von Stefan Stammer fündig oder Illusion Pferdeosteopathie von Tanja Richter. Ich hab beide gelesen und mich viel mit meiner SB drüber unterhalten, weiß nimmer genau wo ich was her habe :wink: Tendiere aber eher zu ersterem Buch.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Butterfly, da hast Du ja die Stecknadel im Heuhaufen gefunden.
Sehr interessant, was Du schreibst. Da muss man erst mal drauf kommen. Gratuliere!
Butterfly1
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Beitrag von Butterfly1 »

@Edelstein
"Wie ist denn sein Bewegungsbild, wenn er sich alleine bewegt (bzw. war)? Die Stute hier bewegt sich im Freien grundsätzlich mit rausgedrücktem Unterhals und schön festgehaltenem Rücken. So richtig schön falschrum"

Wenn er sich allein bewegt sackt er ziemlich schnell durch, Modell Hängebrücke, stabilisiert sich mit Unterhals und weggekippten Becken. Das zu weiche Bindegewebe gibt da einfach zu sehr der Schwerkraft nach :lol: Je besser der Trainingszustand ist und je besser die Hufe sind, desto eher bleibt er stabilisiert, auch wenn er mal paar Tage nix tut (Offenstall). Dann achte ich aber immer drauf, dass er täglich aufs Vibrations-Laufband kommt, dass zumindest bisschen die Tiefenmuskulatur angesprochen wird.

Wenn das Stütchen entspannt stillstehen kann und sich derzit an der Longe positiv entwickelt würde ich aber tatsächlich die Hufe erst in Betracht ziehen, wenn andere Dinge ausgeschlossen sind.
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