Anreiten ohne vorheriges Longieren?

Rund um die klassische Reitkunst

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Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Klassikfjord,


schöner als ein RoundPen ist meiner Meinung nach ein Picadero, sprich, ein quadratischer Platz mit Ecken.

LG Ulrike
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Der Rondpen erleichtert dem jungen Pferd aber am besten das Erlernen des Laufens an der Longe auf der Zirkellinie. Insofern würde ich in jedem Fall für den Anfang einen Roundpen bauen.
Später mag das mit den Ecken sinnvoll sein (warum findest du das besser, Ulrike?). Wenn das Pferd mit gutem Kontakt an der Longe gehen kann und sich auch in Tempo und Linie dirigieren lässt, braucht man allerdings keine Abtrennung mehr. Dann ist Longenarbeit auf dem großen Platz auch sehr schön.
"Reiten ist die Suche nach Schönheit, Geradlinigkeit und Wahrheit."
Nuno Oliveira
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Max Hase
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Beitrag von Max Hase »

Korrekt gebogen im Kreis zu gehen ist aber anstrengend für den Jungspund. Deshalb schätze ich die Möglichkeit, ein (Jung-)Pferd immer wieder auf die Gerade zu entlassen und neu in die Biegung zu holen, z. B. in einer Ecke.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Genau!

Da schliesse ich mich Max Hase an.

Mir war es am Anfang sehr wichtig, das das Geradeaus geübt wird und dann kommen große gebogenen Linien dazu. Meine ganze Arbeit an der Longe beinhaltet immer gerade und gebogene Linien.

Wenn ich nun einen Platz abstecken möchte, dann hätte der Ecken, genau aus dem Grund heraus.


LG Ulrike
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten, dass es zwar auch ohne geht, aber dass korrektes Longieren am Kappzaum mit viel geraderichtender Arbeit unheimlich hilfreich für ein Pferd ist.
Das erste Pony, das ich einreiten durfte, wurde gar nicht longiert. Auf dem Hof damals gab es nur eine kleine Halle mit vier Stützpfeilern in der Mitte. Die Ponies wurden zum Konditionsaufbau und zur Gewöhnung mit flachen Sattelkissen laufengelassen und lernten dabei die Stimmkommandos für die Gangarten. Dann wurden sie nach und nach minutenweise an Reitergewicht gewöhnt und lernten die Reiterhilfen kennen. Hat auch geklappt.

Meine Stute habe ich auch selbst ausgebildet. Zu der Zeit hatte ich noch keine Ahnung vom Longieren am Kappzaum, also gab es nur "Schleudern", meistens am Halfter. Im Nachhinein denke ich, der Nutzen darin lag hauptsächlich im Lernen von Stimmkommandos, und vor allem in der Gewöhnung an eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Menschen.
Erst später habe ich dann begonnen, nach dem Longenkurs zu arbeiten. Die erste Einheit bestand nur aus Führen in Stellung im Schritt und kurz mal "Anschraten" auf jeder Hand. Danach war das Pony völlig fertig mit der Welt, vor allem kopfmäßig. Etwa ein Jahr darauf hatten wir dann das Glück, eine Longenkurs-Trainerin zu finden, die uns seitdem begleitet. Das Longieren am Kappzaum hat meinem Pony und mir unheimlich viel gebracht.

Dabei ist es aber nicht einfach ein Longieren immer im Kreis, sondern man erarbeitet erstmal in Handarbeit die Stellung und Biegung, später noch die Seitengänge, und geht von dort ins Longieren über. Gibt es dabei Schwierigkeiten, geht es in die Handarbeit zurück. Außerdem wird, wie hier schon mehrfach beschrieben, häufig die Linie gewechselt. Man kann wandernde Zirkel machen, die lange Seite runtergehen und dabei drei Volten einbauen, ein Quadrat longieren, eventuell mit Volten in den Ecken, das Pferd Achten gehen lassen, Stangen mit dazunehmen, Pylonen umrunden, usw., usw. Dabei achtet man immer darauf, dass das Pferd nicht mit der inneren Schulter in die Kurve fällt und unterstützt ggf. mit der Gerte/Peitsche an der Schulter.

Das muss man nun nicht zwingend alles VOR dem Anreiten machen. Ich sehe kein Problem darin, ein Pferd an das Reitergewicht zu gewöhnen, vor allem, wenn es so toll im Gelände vorbereitet wird, ohne dass es jemals eine Longe gesehen hat. Vielmehr würde ich das Longieren und die Handarbeit entweder parallel oder vor ernsthafterer Arbeit in der Bahn ansetzen. Die meisten Pferde bekommen ja auch erst dann Probleme, wenn sie sich auf einer gebogenen Linie bewegen sollen, sei es mit oder ohne Reiter. Und das kann man einfach wunderbar an der Longe erarbeiten. Stellung, Biegung, Seitengänge gehen auch toll auf Trense. Aber spätestens beim Trab auf gebogener Linie für mehrere Runden wird es doch recht anstrengend, neben dem Pferd herzulaufen. Und viele Pferde mögen es auch nicht so gern, wenn man ganz dicht an ihnen dran ist.
Klassikfjord
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Beitrag von Klassikfjord »

Ein kleines Update von uns.

Madame Pony ist nun tatsächlich anlongiert.... ich hatte es mir selbst zur Bedingung gemacht, dass es in dem uns möglichen Rahmen funktioniert (also ohne Roundpen), ansonsten hätte ich es erstmal nicht weiter forciert.

Irgendwann ist der Knoten einfach geplatzt. Anfangs wehrte sie sich auf der schlechten Hand sehr und wollte sich der unangenehmen Situation entziehen (Steigen, umdrehen, volles Jungpferdeprogramm...). Laut Anraten meiner Reitlehrerin sollte ich das "einfach" komplett ignorieren, die Ruhe bewahren, auf gar keinen Fall abstrafen, immer wieder korrigieren und wie gewünscht weitermachen, und überschwänglich loben, solange sie das Richtige macht (oh wie wunderbar DAS funktioniert!!).

So tasteten wir uns von einigen Schritten im Schritt immer weiter vorwärts.

Und auf einmal machte es klick - das Pony hat glaube ich verstanden, dass ich ihr nichts böses will. Vermutlich passt es vom Körpergefühl auch besser für sie. Wir longieren jetzt mit Cavecon ohne Hilfszügel auf beiden Händen im Schritt und Trab.
Ich teile mir hierzu eine Hälfte des Reitplatzes, also ca. 20x20m mit Hütchen ab. Sie hat schon gelernt, sich leicht an die Longe anzulehnen im Trab und ich kann sie wirklich ganz toll mit Stimme motivieren.
Übergänge Halt - Schritt- Trab - Schritt- Halt klappen den auch schon wirklich fein. Ich mache immer maximal 10 Minuten, damit sie nicht unlustig wird. Es ist geradezu herzallerliebst, wie sie kleine Denkwölkchen im Gesicht hat, ich sie dann mit Stimme bestätige, und sie dann weiterstapft. An der Dehnungshaltung arbeiten wir noch nicht, sie soll erstmal ihr Vertrauen an das Longieren festigen. Wobei sie ein Pferd ist, dass von selbst schön loslassen kann, manchmal streckt sie sich für einen halben Zirkel schon schön im Trab und schwingt toll vom Hinterbein durch. Aber ich fordere es noch nicht aktiv ein.

Parallel dazu gehen wir natürlich weiterhin viel spazieren/joggen/Berge hochkraxeln und als Handpferd raus. So kann es erstmal bleiben :D .
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Beitrag von esge »

Die Probleme beim Longieren kommen meiner Meinung immer nur dann auf, wenn man gleich an langer Longe beginnen will. Beginnt man mit dem Führen zwischen zwei Händen an kurzer Longe, bzw. einem Seil, kommt es eigentlich nie zu Problemen, auch wenn man keine Bande hat. ich finde es geradezu erstaunlich, dass Leute sofort 5 m Longe rauslassen und sich dann wundern, wenn das Pferd das nicht versteht oder haltlos herumtobt.
Die Distanz kann nur mit wachsendem Verständnis des Pferdes ebenfalls wachsen. 1 m Seil, 2 m Seil, 3 m Seil und mitgehen, mitgehen, mitgehen. Ein Pferd, das sich ANSTÄNDIG führen lässt, lässt sich dann auch longieren. Einen Longierzirkel empfinde ich persönlich eher als unnötige Einschränkung. Lediglich zum Anreiten hätte ich jetzt grad gern einen Roundpen...
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Beitrag von Klassikfjord »

Da muss ich dir widersprechen. Wir hatten es genau so angefangen - erstmal führen von rechts und links geübt, und als das gut und entspannt ging, am längeren Strick "longiert". Vielleicht mit 2m Distanz zur Hinterhand. Gerade hierbei zeigte sie Widerwillen. Je weiter ich weg war, desto entspannter wurde sie.

Natürlich habe ich nicht direkt wie bei einem bereits longierten Pferd angefangen :roll: .
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Beitrag von esge »

Verstehe. Bestimmt gibt es immer Ausnahmen von den Regeln. :)
Dann empfand das Pferd den Druck wohl als zu hoch aus dieser geringen Distanz. Was nicht heißt, dass du Druck gemacht hast. Einfach da sein bedeutet ja schon Druck für manche Pferde.
Jedenfalls fein, dass es jetzt so gut klappt!
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Beitrag von Klassikfjord »

Jap, genau so war es. Sie fand es schon blöd, wenn ich mich auf ihrer ungeliebten Seite aufhielt.

In der Theorie hatte ich das übrigends auch so "angeplant" wie du (da ich mit dieser Methode bei einem anderen Jungpferd vor ein paar Jahren gute Erfahrungen gemacht hatte)... und war wirklich verdutzt, dass sie so anders reagierte.
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Beitrag von esge »

So ist es mit Pferden immer wieder. ich hatte ehrlich gesagt auch mehr die unsäglichen "Longierversuche" einiger Menschen in meiner Umwelt vor Augen als dein spezielles Problem als ich meinen Beitrag schrieb. :roll:
Sorry, dass ich da so pauschal mit rausgeplatzt kam.

Saltim hat als Jungpferd immer versucht, mich auf seiner linken Seite zu haben. So fix wie der von der rechten auf die linke gewechselt ist, konnte ich oft gar nicht reagieren. der hat das aber halt durch Wechsel gelöst, nicht durch losreißen und wegstürmen.

Idolo kannte Longieren schon vom Züchter und insofern habe ich es zwar auch nochmal kurz von Grund auf aufgebaut aber im Wesentlichen konnte ich da schon die Früchte ernten.

Mit dem Fohlenmadamchen habe ich beim letzten Besuch mal das Führen zwischen zwei Händen angefangen und als sie mal eilig wurde, rausgelassen, so dass sie ein paar Runden wie an der Longe lief. Die hat das aber wohl auch genetisch fixiert.

Mit meinen Isländern früher war das ein ganz anderes Thema - aber ich kann heute einfach nicht mehr beurteilen, was meine unglaubliche Dummheit und was der sture Nordlandkopp der Isis war. Aber mit denen erinnere ich mich auch an aufregende Zentrifugiereinheiten..... :roll:
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Beitrag von Ulrike »

Klassikfjord,


das klingt doch klasse.
Mein Männecken damals hatte schon beim Führen üben Schwierigkeiten, wenn ich ihn mal auf seiner rechten Seite geführt habe. Da hat er mich immer wieder neu kennenlernen müssen. Das war sehr schwierig für ihn.

Entsprechend hat dann auch diese Seite eine Weile gebraucht, bis sie verstand, das auf der rechten Seite die gleiche Dinge möglich sind, wie auf der linken Seite. Noch heute überrascht ihn seine rechte Hand...

LG ulrike
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Beitrag von Klassikfjord »

Ein kleines Update:

Das Pony läuft nun schön konzentriert (naja, zumindest meistens, wie das so ist mit den Jungspunden :lol: ) auf beiden Händen in allen Gangarten an der Longe. Ich bin mittlerweile wieder auf das Longieren am (gut sitzenden) Halfter übergegangen, da das irgendwie besser funktioniert.

Dehnungshaltung können wir noch nicht wirklich gezielt abrufen, allerdings achte ich darauf, dass die Hinterhand stets schön fleissig, nicht aber übereilt ist. Nach einigen Trabstangen und/oder Trab/Galoppwechseln streckt sie sich von alleine schön nach vorne ab, ohne dabei den Schwung von hinten zu verlieren. Sie hat ein sehr gutes natürliches Gleichgewicht, von daher bin ich momentan zufrieden, da ich zuversichtlich bin, dass sie mit stetiger Entwicklung die richtige Haltung von alleine annehmen wird.

Angeritten ist sie übrigends in der Zwischenzeit auch, das haben wir wie geplant im Gelände getan, es war wunderbar einfach, und kleine Ausritte macht sie schon wie ein alter Hase mit. Auf dem Platz reite ich bislang so gut wie nie, ich verfolge nach wie vor den Plan: Konditionsaufbau durch bergauf/bergab im Gelände. Viel als Handpferd, manchmal als Reitpferd. Wir haben ja Zeit :).
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Beitrag von Finchen »

Begleitend ist sicher hilfreich fürs Pferd Gymnastizierung an der Hand, um neben dem kräftebildenden Bergauf/-ab auch die Beweglichkeit und Balance zu schulen. Das macht es dann einfacher fürs Pony, den Reiter auch in Wendungen und später Seitengängen zu tragen und im Gleichgewicht zu bleiben.
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
Klassikfjord
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Beitrag von Klassikfjord »

Ja, da gehe ich mit :). Ist auch ab und zu auf dem Programm bei uns.
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