Sitzprobleme - Sitzfragen

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Wolke

Sitzprobleme - Sitzfragen

Beitrag von Wolke »

Ich kämpfe momentan grad mit meinem Sitz und hätte gerne eure Hilfe. Leider hab ich keinen RL, der mir da helfen würde, ich muss das irgendwie alleine mithilfe von Videoanalys und Beobachtenlassen durch meinen Freund (Anfänger) zurechtkriegen.
Hier mal zwei Videos. Beide ohne Steigbügel und Zügel (aus Jux :wink: ) und ich bitte euch, dass ihr euch auf meinen Sitz konzentriert, nicht aufs Pferd. http://www.myvideo.de/watch/1491061 http://www.myvideo.de/watch/1490935

Was ich selber sehe:
a) Unterschenkel weniger nach vorn und ruhiger. Ich glaube, mit Steigbügeln ist das besser als hier. Da bin ich (vom Gefühl her) weniger im Stuhlsitz. Ab und zu ziehe ich auch die Knie hoch.

b) Weniger mit dem Oberkörper schaukeln im Galopp. Das Problem hab ich schon ewig. Ich dachte eigentlich auch, dass es behoben sei, seit ich herausgefunden habe, dass ich im Galopp nicht mit dem Becken schieben muss, sondern bloss alles, worauf ich sitze, entspannen und die Bewegungen des Pferdes mehr nach oben und unten als nach vorne und hinten abfedern muss. Das Entspannen fällt mir zwar auf den Videos schwer, weil das Pferd noch nicht so gesetzt galoppieren kann (erst recht nicht bei diesem "Freestyle-Reiten" *g*), dennoch habe ich das Gefühl, dass der Oberkörper ruhiger sein müsste.

c) Teilweise schauts so aus, als wäre ich im Hohlkreuz. Ich versuche zwar, mir einzureden, dass das täuscht, weil mein Po von Natur aus schon recht nach hinten raussteht :roll: (laut Arzt habe ich nicht eigentlich ein Hohlkreuz!), aber teilweise sieht man gut, dass die Schultern zu weit zurückgenommen sind.


Soweit so gut. Fragen:
Seht ihr sonst noch was oder habt ihr mir Tipps?
In einem anderen Forum wurde mir gesagt, ich würde zu wenig in der Mittelpositur schwingen, und zwar nicht nur im Galopp, wo ichs weiss, sondern auch im Trab, wo ich eigentlich zufrieden bin. Wie seht ihr das?
Ich spüre da keinerlei falsche Spannung. In der Fachliteratur fand ich, dass die Mittelpositur aus dem Becken, den Hüftgelenken und der Lendenwirbelsäule bestehe. Meine Hüftgelenke fühlen sich locker an, ich spüre, wie sie sich im Takt des Pferdes bewegen und kann mir auch bildlich vorstellen, wies aussehen soll, seit ich dazu ein Lehrvideo (Balance in der Bewegung) gesehen habe, was mir sehr geholfen hat. Auch das Becken fühlt sich locker an und ich spüre eigentlich immer die Sitzbeinhöcker. Die Lendenwirbelsäule ... Nun ja, ich habe durch eine Skoliose-OP eine versteifte Wirbelsäule. Die beiden untersten Brustwirbel und die beiden obersten Lendenwirbel sind fest zusammengeschraubt = sozusagen ein einziger Wirbel.
Gut. Langer Rede kurzer Sinn: Bis wo geht eigentlich die Mittelpositur? Wie wichtig ist die Lendenwirbelsäule fürs Mitschwingen? (Wenn ichs trocken versuche, kann ich das Becken in alle Richtungen kippen und kreisen lassen und die Hüftgelenke haben mit der LWS ja nichts zu tun, oder?)

Und zu guter Letzt: In welche Richtung muss man das Becken kippen? Nach vorne/hinten und v. a. was geht vor/zurück - der obere Teil des Beckens (Richtung Hohlkreuz) oder der untere (Rundrücken)?

Danke für die Geduld beim Lesen ... :lol:
muppet
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Beitrag von muppet »

Das sind ja recht kurze Sequenzen, immer aus der gleichen Perspektive, aber ich versuch mich jetzt trotzdem mal und schreibe einfach locker, wie ich es auch einer Freundin sagen würde. Bitte nicht als zu persönliche Kritik verstehen, zudem sieht man ja zum eigentlichen Einwirken so auch eher nichts. :wink:

Insgesamt ist mir Dein Sitz zu steif. Ich denke daraus resultiert alles weitere:

- Das wichtigste scheinen mir Deine Oberschenkel. Ich finde, daß sie klemmen und damit blockierst du einen geschmeidigen Sitz. Sie sind nicht flexibel. (Damit meine ich nicht mal unbedingt, daß Du sie krampfhaft an den Sattel presst, sondern daß sie eben nicht locker sind.)
Ich beschreibe das mal näher, um zu verdeutlichen was ich meine: es sieht nicht so aus, als ob du die Lage Deines Beines gesamt ändern könntest, ohne daß Dein weiterer Sitz aus dem Gleichgewicht kommt. Das aber ist nötig und zeugt von einem lockeren Sitz. Das Bein sollte aus dem Hüftgelenk heraus gesamt leicht nach vorne und hinten genommen werden können, ohne daß Du kippst.
Also daran arbeiten im Bein lockerer zu werden, diese dazu einfach öfter mal nach untern hängen lassen und nicht an den Sattel klemmen. Die Lage der Unterschenkel wird sich dann automatisch mit verändern.
Locker hängen lassen, auch mal damit pendeln, um ein Gefühl dafür zu bekommen, daß die Muskeln das Bein nicht aktiv am Sattel halten müssen.

- Die Mittelpositur (dazu zähle ich Hüfte und unteren Rücken) ist tatsächlich etwas steif. Das resultiert imho aber auch aus dem Beinproblem, beides bedingt isch gegenseitig.
Du schreibst, daß Du die Hüfte auf dem Boden in alle Richtungen kippen und wackeln kannst. Genau das würde ich auch weiter am Boden üben. Nach vorne, hinten und zu Seite kippeln, auch mal direkt vor dem Reiten, um das Gefühl von Lockerheit in Deinem Kopf abzuspeichern.
Sehr gut zum Üben sind dafür auch das Sitzen auf einem großen Gymnastikball, das Kippeln auf einer Stuhlkante und Schaukeln.

Beckenposition: für die Optimale Sitzposition kippst Du das Becken leicht nach hinten.
Stell Dir zwei Pfeile vor: Einen waagrechten, der zeigt das Pferd in seiner Vorwärtsbewegung, und dann einen Pfeil, der von oben schräg auf diesen waagrechten Pfeil trifft. Schräg von vorne, wirkt er gegen die Bewegungsrichtung, je schräger desto stärker: dies zeigt, wie ein nach vorne gekipptes Becken gegen die Bewegung des Pferde geht und diese blockiert. So siehts du, wie man mit minimalem Beckenkippen (Gewichtshilfe) ein Pferd bremsen kann. Dies zeigt aber auch, daß man ein Pferd z.B. durch Leichttraben mit herausgestrecktem "Entenpopo", wie man es so oft sieht, bremst, weil man beim Einsitzen gegen die Bewegungsrichtung des Pferdes sitzt. Um das nicht zu tun, sollte man auch beim Leichttraben sein Becken beim Einsitzen leich nach hinten abkippen und einen "Impuls" in die Bewegungsrichtung geben bzw. diese nicht zu stören. Beim Aussitzen ermöglich diese leicht (das ist nur minimal!) nach hinten gekippte Becken das Mitschwingen oder besser Mitgenommenwerden in der Bewegung des Pferdes.

- Insgesamt wirkt Dein Sitz zwar in sich recht gerade, ich finde ihn aber nicht reell aufgerichtet.
Die Brustpartie ist rund, nach vorne, also die ganze Schulterpartie ist nicht gerade, das führt ein bisschen zum Runtergucken. Die Schultern sind nicht locker.
Der Sitzt wirkt ins sich gesamt nicht locker, was auch zum deutlichen Mitschwanken in der Bewegung führt, da Du diese nicht flexibel durch deinen Körpder schwingen lassen kannst.


Deine Wirbelsäulenproblematik sollte dabei kein Hinterungsgrund sein, wenn Du in der Lage bist, Deine Hüfte felxibel zu bewegen. Wir haben am Stall eine Reiterin mit Wirbelsäulenversteifung, die das jahrelang behauptet hat (sie hat zusätzlich auch so ein "Po-Problem"), aber da sie ebenfalls in der Lage war, ihr Becken zu kippen, war es nur ein falsches Bewegungsmuster. Man muß es einfach mal erspühren, was zugegeben nicht immer einfach ist.

Ich würde Dir folgende kleine Übung empfehlen, die ich gerne anwende:
Jemand hält Dein Pferd fest.
Du sitzt im Sattel, hälst dich vorne fest und ziehst beide Beine Angewinkelt nach vorne hoch (wie wenn du am Boden in die Hocke gehst und dabei deinen Po zum Boden führst). Dann rutschelst du so lange im Sattel hin und her, bis du im tiefsten Punkt des Sattels sitzt und deine beiden Sitzbeinhöcker spührst. (Ruhig mal mit den Händen unter dem Po kontrollieren). Dann die Beine langsam an den Seiten locker runtergleiten lassen, ohne die Sitzposition zu verändern. Danach den Oberkörper ausrichten mit der Vorstellung, daß der Scheitel der höchste Punkt ist. Dabei die Schulter zurück nehmen, leicht so daß es noch angenehm ist.
Danach Augen zu und Position erspühren und merken und dann mal mit geschlossenen Augen im Schritt führen lassen. Sobald der Sitz außer Kontrolle gerät, wieder von Anfang an beginnen. So kann man sich ein Muster, wie sich Der Sitz anfühlen muß, sehr schön einprägen.
Zuletzt geändert von muppet am Mi, 30. Mai 2007 22:49, insgesamt 1-mal geändert.
muppet
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Beitrag von muppet »

Oh je, ist das lang geworden. :oops: Sorry! Aber jetzt mag ich das auch nicht mehr löschen. :roll: :lol:
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kiki
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Beitrag von kiki »

Ich hatte früher ähnliche Probleme, den Fakt ist reiten ist fühlen, wie erlernt sowas und wie erklärt man sowas?
Das ist der Kernpunkt.
Deshalb möchte ich eigentlich auch nicht konkret was analysieren, die Probleme die du hast hat muppet ja schon sehr schön erläutert, das sehe ich ähnlich.
Es geht jetzt darum wie man dir helfen kann locker zu werden, das ist nämlich einfacher gesagt als getan.
Mir hat das Buch von Sally Swift Reiten aus der Körpermitte sehr geholfen, sie schafft es mit bildlichen Vergleichen Gefühle und Bewegungen gut zu beschreiben.
Schließlich und endlich muß du aber praktisch arbeiten, immer wieder und mit einmal mach es Klick, du fühlst es und weißt es ist richtig, und dann machst du es immer wieder so.
Nicht verzagen, kann mehrere Monate dauern. Aber dann kannst du es.
Habe nach einer längeren Reitpause, dann wieder 3x auf dem Pferd gesessen und es klappte wieder, beim ersten mal habe ich noch gedacht sch.... jetzt brauchst du wieder so lange, zum Glück nicht.

Das 2te was ich bei mir festgestellt habe ( habe 2 Pferde ) ist, das ich das in den Schwerpunkt tretende Pferd ( gesetzt/gestellt ) super sitzen kann und ein völlig auseinanderfallendes Pferd im Trab nur sehr schwer locker mitschwingen kann. Also auch an der Ausbildung deines Pferdes arbeiten, dann hast du es leichter.
Und so wie du das Pferd auf dem Video frei geritten hast, war es nicht gesetzt/gestellt.
kallisto
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Beitrag von kallisto »

kiki hat geschrieben:Das 2te was ich bei mir festgestellt habe ( habe 2 Pferde ) ist, das ich das in den Schwerpunkt tretende Pferd ( gesetzt/gestellt ) super sitzen kann und ein völlig auseinanderfallendes Pferd im Trab nur sehr schwer locker mitschwingen kann. Also auch an der Ausbildung deines Pferdes arbeiten, dann hast du es leichter.
DAS ist ein Fakt, der eine Beurteilung (als Fremder/von Fotos) von Sitzfehlern fast unmöglich macht. Man kann immer nur die Folgen auswerten und weniger die Ursachen. Ich kenne schwere Warmblüter, die bringen selbst sehr gute Reiter aus dem Konzept.
Und ich weiß es auch selber von mir, dass ich auf einer Stute die Beine einfach nicht ruhig halten konnte, währenddessen es auf anderen ging und ich selbst aber kein schlackerndes Beingefühl hatte. Das Problem hatten aber auch die anderen. Des weiteren konnte ich mich auf rückenempfindlichen Pferden mit schwacher Hinterhand nie gerade hinsetzen, weil ich merkte, dass ich das Pferd dann blockiere und mir der der ideale Sitz in dem Falle eher Probleme beim Pferd bringt.
Daher weg von Linien und Winkeln. Wichtig ist ein ruhiger, unverkrampfter, aber nicht schlackernder Sitz. Die Körperspannung und der Schwerpunkt sind abhängig vom Pferd, wodurch sich beides beeinflußt. Jedoch nützt mir ein unterstützender Dressursitz nichts auf einem jungen Pferd, wo ich eher passiv sitze. Beide müssen im Laufe der Ausbildung zusammen wachsen und ihre Haltung anpassen, so dass eine Kommunikation zustände kommt.
Es nützt auch nichts an die Hände oder Unterschenkel zu denken, weil die immer zu unruhig etc. sind. Der Reitersitz kann nur im ganzen betrachtet werden. Mach die Augen zu und versuche zu fühlen, wo Du das Gefühl hast, Du "atmest" nicht an der Pferdebewegung und dort liegen die Probleme. Du mußt die Bewegung sanft fühlen können, ohne diese zu stören oder ihr nicht folgen zu können.
Bei Sitzproblemen ist der Kopf das entscheidende, weniger das muskuläre. Da das alles schwer zu beschreiben ist, ist die Kommunikation vom Reitlehrer über den Schüler bis zum Abstellen der schlechten Haltung ein Riesenproblem.

Auch ist zu berücksichtigen, dass jeder Reiter schief ist, evlt. auch Rückenfehlstellungen hat und spezifische Grundhaltungen hat. Es ist auch nicht jeder für Ballett geboren und einige werden allein durch ihre schlechte Alltagshaltung mit wiederkehrenden Sitzproblemen kämpfen.

LG Susi
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smilla
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Beitrag von smilla »

Ich kämpfe auch mit meinem Sitz (wie wahrscheinlich jeder Reiter, denn der Sitz ist ja unser Werkzeug). Mir hat es sehr geholfen, bewusst zu atmen. Das klingt vielleicht etwas abgedroschen, aber es hat kleine Wunder bewirkt ( das Pferd war auf einmal locker und ich war viel lockerer!!!).
Wolke

Beitrag von Wolke »

So, die Sitzprobleme haben sich massiv verbessert - dank Physiotherapie! Anscheinend habe ich jahrelang Verspannungen im Rücken mit mir rumgetragen, ohne davon etwas in Form von Schmerz zu merken (bis dieses Frühjahr, da tats auf ein Mal weh). Seit die Verspannungen durch Massagen und Übungen gelöst sind, kann ich viel besser sitzen. Das Hohlkreuz ist weg, und der Oberkörper bleibt im Galopp auch ruhiger! :D
Hier mal zwei Videos von gestern zum Vergleich (leider taugen sie nicht sonderlich zur Bewertung des Sitzes, bin meist zu weit weg): http://www.youtube.com/watch?v=tRhnlimY_PE http://www.youtube.com/watch?v=j1e5NPEdCu0
Teilweise schauts so aus, als wäre ich im Hohlkreuz. Ich versuche zwar, mir einzureden, dass das täuscht, weil mein Po von Natur aus schon recht nach hinten raussteht
Von wegen "von Natur aus" ... :roll: Jetzt wo die Lendenmuskulatur nicht mehr verspannt ist, steht auch das Hinterteil nicht mehr so abnormal raus. :wink: Aber selber lösen können hätte ich das nicht.
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Beitrag von smilla »

Das ist ja ganz toll! Auf den Videos kann man die Verbesserung zwar leider nur erahnen, aber man sieht schon einen Unterschied! Echt schade, dass die Video von so weit weg sind.
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bea
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Beitrag von bea »

Schön, dass das Problem gelöst ist. Interessant finde ich, dass das mit der Physio ja eigentlich reltiv schnell ging - zwei Monate ist ja eigentlich keine Zeitspanne...
Super! Du bestärkst mich auch wieder in meinem Vorsatz, endlich mal zu einem Osteopathen zu gehen. ;)

LG, Bea
Reiten heisst: sitzen - fühlen - denken.
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