Wenn das Pferd sich selbst im Weg ist

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Miri
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Wenn das Pferd sich selbst im Weg ist

Beitrag von Miri »

Hallo,
diesesmal geht es nicht um "mein" Pferd, sondern um das Pferd einer Freundin. Ich war am letzten WE zu Besuch und sie hat mir mal wieder ihr Pferd vorgeritten. Nur ist sie etwas unglücklich :? Das Pferd hat sehr viel Talent (so würde ich es jetzt mal nennen, andere sagen vielleicht auch Potenzial), jedenfalls hat er traumhafte Gänge. Ich durfte den Hübschen dann auch mal reiten und habe dann verstanden warum meine Freundin etwas unglücklich ist:
Ich habe das Gefühl er steht sich selbst im Weg! Er hatte eine "Blitzausbildung" :roll: als er jung war, da man das "Potenzial" schnell rausholen wollte und wurde dann aber nicht weiter gefördert, stand viel rum (keine Ahnung wieso, irgendwas muss wohl passiert sein, da man so ein Pferd eigentlich nicht rumstehen lässt) und meine Freundin hat ihn dann gekauft als er 11 war. Er war damals etwas "out of order" und sie hat dann erstmal wenig verlangt von ihm und ihn allmählich angefangen zu trainieren. Das ging Anfangs aber wohl in die falsche Richtung bzw. an die falschen Trainer, die auch "schnell das Potenzial rausholen" wollten :roll: . Seit knapp einem Jahr haben sie einen Trainer gefunden, bei dem sie aber nicht mehr als 2mal im Monat Unterricht haben können, aber der dafür Ruhe und Geduld mitbringt.

Klingt ja jetzt nach Happyend, aber der Haken ist einfach, dass das Pferd sich sehr schwer tut, er fühlt sich schnell überfordert, versucht aber ständig seinem Reiter alles recht zu machen, nur weiß er nicht, dass kein "Gestrampel" von ihm verlangt wird. Er ist unheimlich schief (rechts hohl) und lässt einem keine Chance das ganze mal zu verbessern, da er, wenn man z.B. ein paar mal Schulterherein geritten ist und dann links nachgibt, sich sofort wieder fest macht, wenn man geradeaus reitet.
Ich denke er lässt einen nicht an sich ran, er will nicht das man ihm hilft (so dumm es auch klingen mag) und das ist das was meine Freundin unglücklich macht, da sie ihm gerne helfen würde. Genauso verweigert er schnell etwas (z.B. bei mir Hinterhandwendung) und steigt :shock:
Habe mir nur so nach dem Absteigen gedacht "wie schade um so ein gutes Pferd" :(
Er ist nicht bösartig, nörgelig oder sowas, er ist auch eher sehr sensibel, aber er wehrt sich dagegen seine Probleme in den Griff zu bekommen.

Hatte jemand schonmal ein solches Problem/Pferd, wie seit ihr da rangegangen? Habt ihr aufgegeben, oder hat es irgendwann funktioniert?

Habe mir erst gedacht ein Threat zum Thema Schiefe zu machen, aber ich denke es ist bei diesem Pferd auch viel Kopfsache.

Meine Freundin (und ich auch) wäre sehr dankbar für jeden Rat!

LG, Miri
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Also, dem Pferd wurde jahrelang etwas beigebracht und das "gilt" nun auf einmal nicht mehr. Klar ist es verwirrt. Wärst Du ja auch, wenn in der Arbeit plötzlich alles anders wäre und auf ganz andere Dinge wert gelegt werden würden als vorher. Klingt so, als wäre er einfach geistig überfordert von der völlig veränderten Situation. Bei so einem Sensibelchen würde ich erst mal in ganz kurzen Reprisen arbeiten und loben, loben, loben. (So habe ich irgendwann meine Traberine zum zuhören und verstehen gebracht).

LG Susanne
Liebe Grüße
Susanne
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Muriel
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Beitrag von Muriel »

Kopfsache, ja, im Sinne von "Angst vor Schmerzen".

Gerade wenn ein Pferd mit Schnellausbildung zum "Treten" gebracht wurde, können sich auch körperliche Blockaden eingeschlichen haben.
Mit gutem Reiten kann man da sicher einiges bewirken, aber für mich ginge als erstes der Weg zu einem guten Physiotherapeuten oder Ostheopathen.
Wenn die Richtung nicht stimmt, nützt auch Galoppieren nichts.
wenn der Galopp aber besonders schön ist, ist die Richtung auch egal.
Thisbe
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Beitrag von Thisbe »

Klar, körperliche Ursachen möglichst ausschließen und beheben.
Ansonsten stimmt ich Susanne voll zu. Mein Pferd ist manchmal auch übereifrig und gewöhnt sich erst jetzt langsam dran, daß er nicht immer nur Leistung bringen muß. Der kannte das bisher nicht anders und hat immer funktioniert. Bei Timi hält sich das noch in Grenzen, aber es braucht viel Geduld und Lob (mit Leckerlie, das hat bei uns viel geholfen *gg*).
In der Seele des Pferdes findest du Saiten, die lange in dir nachklingen.
(Gunnar Arnarson)
Miri
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Beitrag von Miri »

Hallo,
ich werde die Tipps mit dem mehr Loben mal weitergeben. Ich hatte beim Zuschauen auch das Gefühl, dass sie da (verbal) sehr sparsam war. Vielleicht braucht er ja mehr Ansprache beim Reiten.
@Muriel: Das Pferd ist, seit meine Freundin ihn hat, die reinste Geldquelle für dortigen Osteo, da er am Anfang viel lahm ging und selbst als er sich erholt hatte leicht anfällig für Blockaden war/ist. Der Osteo schaut alle viertel Jahr nach dem Pferd (manchmal sogar häufiger, wenn er mal wieder Probleme hat). Das damahlige Blitztraining hat ihm, denke ich, ziemlich geschadet :( . Im Moment bekommt er noch extra Kräuter für die Knochen gefüttert. Also da ist meine Freundin echt nicht sparsam, das Pferd bekommt von Akupunktur bis Massage alles, wenn nötig :wink:

Vielen lieben Dank für eure Anregungen,
Miri
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Mein Pferd steht sich auch selbst im Weg. Er will es mir immer recht machen und reagiert absolut überempfindlich, wenn er etwas falsch macht. Ich werde ihn jetzt nochmal mit Bachblüten behandeln. Ich habe schon einmal gute Erfahrungen damit gemacht.

Es wäre zumindest mal eine recht schnelle und günstige Alternative. Wenn du mal ein wenig googelst, findest du recht schnell Informationen zu den Blüten. Im Reitforum gibt es auch einen Thread dazu, wo sich jemand die Mühe gemacht hat, die Blüten und deren Einsatzgebiete zu beschreiben.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
Muriel
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Beitrag von Muriel »

schön daß das pferd ostheopathisch versorgt ist. :D

Momentan erinnert mich das an meine Tochter, als sie klein war.
sie hatte diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten, was wir dann herausfanden.
als sich da Besserung abzeichnete, machte sie plötzlich grosse Entwicklungssprünge - vorher war sie leicht hinterher.
da war genau das Gefühl - der Körper behindert die Entwicklung des Geistes.

Bachblüten, Konstitutionsmittel (homöopathisch), Magnetfeld - irgendwas was dem Stoffwechsel hilft.
Wenn die Richtung nicht stimmt, nützt auch Galoppieren nichts.
wenn der Galopp aber besonders schön ist, ist die Richtung auch egal.
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summer
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Beitrag von summer »

mein bubi ist auch so ähnlich.
er ist sehr ehrgeizig und wenn er mal etwas nicht sofort versteht wird er sofort nervös und regt sich schrecklich auf.
im letzten jahr hatten wir unterricht bei einen nicht so tollen rl (siehe tagebuch) - da war jeder stunde ziemlich gleich, es war wurscht wie "lektionen" geritten wurden.
seit wir wieder auf dem "richtigeren" weg sind, ich viel mehr wert auf richtige lektionen und auf seine geraderichtende übungen lege, kommt es wieder öfter vor, dass er mal nicht weiß was ich will und schnell ungeduldig wird.
ich mache neue übungen kurz, versuche ihn viel zu loben (das muss ich mir auch wieder angewöhnen) und mache einige pausen nach gelungenen übungen.
wenn er sich aufregt, gehe ich einfach mal ein paar runden schritt und versuche dann etwas anderes, was er besser kann. wenn er sich wieder beruhig, versuche ich es einfach nochmal. bei meinem ist das beste beispiel im moment das übertreten auf dem zirkel. das ging am beginn gar nicht, dann hab ich immer sanft den inneren schenkel eingesetzt sodass er nur kurz etwas übertrat, dann gleich wieder gerade und lob (siehe tagebuch)
Sei deines Pferdes Gang unter dir wie die Bahn eines Sterns.
In deiner fühlenden Hand,deinem schwingenden Leib,deinem schwebenden Herzen liegt Kurve&pfeilgerader Weg,liegt Anfang&Ende,liegt die unermessliche Poesie der Bewegung,liegt die lebendige Kraft.
Wolke

Beitrag von Wolke »

summer hat geschrieben: ich mache neue übungen kurz, versuche ihn viel zu loben (das muss ich mir auch wieder angewöhnen) und mache einige pausen nach gelungenen übungen.
Ich hatte auch mal mit so einem Fall zu tun. Super-Pferd, aber leider (im Springsport) verheizt und dadurch schnell aus der Ruhe zu bringen. Wir haben uns in winzigen Schritten vorangetastet. Möglichst wenig Druck gemacht, beim geringsten Schritt in die richtige Richtung sofort gelobt und vorhandenen Druck weggenommen sowie immer wieder Pausen am langen Zügel eingelegt. Das Pferd brauchte viel Ruhe.
Ich denke, Pferde mit solchen Erfahrungen brauchen sehr viel Zeit. Mit jener Stute waren wir nach ca. 2 Jahren Arbeit lektionenmässig bei Schulterherein im Schritt angelangt, mehr nicht. Aber sie hatte immerhin gewaltig an Vertrauen in den Reiter zugelegt (wenn der richtige draufsass), man brauchte sie nicht mehr mit Ultra-Samthandschuhen anzufassen und sie schaltete beim Anblick von Cavalletti und Hindernissen nicht mehr in den Fluchtmodus sondern liess sich kontrolliert und ruhig über kleine Sprünge reiten.
thiesboettcher
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Beitrag von thiesboettcher »

Hi, viele Pferde sind nervös, weil sie schlicht weg ihren Job nicht kennen- oft läuft die Reiterei nach dem Motto: geh nicht nach links, aber nicht so weit rechts, nicht so schnell...

anstatt: geh mit 3,7 kmh nach A.

Weiterhin reagieren viele Pferde nicht richtig auf einen aufgenommenden Zügel, die meisten nehmen den Hals hoch und viele denken an vorwärts, wenn der Zügel aufgenommen wird.

Erste Schritte sind bei mir immer richtiges Annehmen (also weich machen und entspannen) von Zügel und Bein.

Danach geht es weiter.

lg Thies
Miri
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Beitrag von Miri »

Hallo,
es gibt Fortschritte! :D Habe heute mit der Besitzerin telefoniert und sie hat mir erzählt, dass sie ihn mehr lobt und im Moment immer nur mal 5min wirklich arbeitet und ihn dann relativ in Ruhe lässt, bzw. sobald er mit dem Schweif schlägt oder sich fest macht fährt sie einen Gang zurück und sie meint sie merkt Fortschritte, er wäre nicht mehr so leicht erregbar :)
Soll euch allen viele Grüße und ein dickes Dankeschön für die Tipps ausrichten!!
Liebe Grüße, Miri
Santana
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Beitrag von Santana »

hallo, das braucht auf jeden Fall reichlich Zeit und feinfühlige Korrektur. Wichtig ist sicher, dem Pferd durch richtiges Loben (Timing) im rechten Moment überhaupt mal klarzumachen, was erwünscht ist und was nicht...

Ihr seid auf dem richtigen Weg!
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Jen
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Beitrag von Jen »

Hallo

Um ein Pferd aus seinem festgefahrenen Muster herauszuholen ist es manchmal sinnvoll, zuerst dem Pferd etwas total neues zu lernen. Also z.B. statt es zu reiten, erstmal vom Boden aus anfangen. Sei das mit Bodenarbeit, Zirkuslektionen, Dualaktivierung, Longieren am Kappzaum, Freiarbeit etc. ist erstmal egal. Das Pferd soll einfach mal SPASS an der Arbeit mit dem Mensch bekommen. Und da ist es auch sinnvoll als Mensch etwas zu machen, was nicht "wichtig" ist, so dass man selber total frei und unbefangen, ohne Erwartungshaltung an die SAche herangeht und versucht das Pferd "aus sich heraus" zu locken. Das geht halt am einfachsten, wenn man etwas nimmt, was noch nicht negativ besetzt ist, weil es das PFerd schlicht (noch) nicht kennt. und das würde ich sicher so 1-2 Monate (ev. auch länger) machen, bis man das Gefühl hat, das Pferd freut sich etwas zu tun, bietet auch mal was von sich aus an und wirkt "fröhlicher".

Wenn dann die Freude und der Eifer da ist und auch etwas mehr Unbefangenheit, wäre es ganz wichtig, wenn sie genau diese Lockerheit aufs REiten übertragen könnte. Also nicht plötzlich denken: jetzt "muss" es funktionieren, sondern einfach am halblangen Zügel ein paar einfache Hufschlagfiguren machen und genau gleich lautstark loben, bis für diese einfachen Dinge der Eifer da ist. Keine Lektionen! Nicht an "Gymnastizieren" denken! Bei diesem PFerd geht es erstmal um den Kopf! Und da ist es ganz wichtig, jede Erwartungshaltung auch von sich selber wegzunehmen: d.h. nichts zu fordern und das anzunehmen, was das Pferd bereit ist zu geben. Erst wenn der Kopf frei ist, darf man vorsichtig sich wieder an das negativ besetzte herantasten. Gerade wenn man vorher longiert hat und/oder Dualaktivierung gemacht hat, wird das PFerd auch geschickter und kann sich selber besser gymnastizieren, so dass man sich nicht versucht fühlt, das Pferd zu stark zu formen.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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