Handbuch Pferdeverhalten-Ursache, Therapie und Prophylaxe...

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chica
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Handbuch Pferdeverhalten-Ursache, Therapie und Prophylaxe...

Beitrag von chica »

Handbuch Pferdeverhalten - Ursache, Therapie und Prophylaxe von Problemverhalten
Autorin: Margit H. Zeitler-Feicht
Verlag Eugen Ulmer, 2001
224 Seiten, gebunden, 24,90 Euro
ISBN: 3-8001-3110-2

Klappentext: Seit einigen Jahren gibt es auf internationaler Ebene eine wissenschaftlich fundierte Verhaltenskunde des Pferdes. Das vorliegende Handbuch informiert über den aktuellen Wissensstand. Es vermittelt die biologischen Grundlagen des Pferdeverhaltens, um den Leser „pferdekundiger“ zu machen und einer Vermenschlichung des Umgangs mit Pferden entgegenzuwirken. Das Buch wendet sich dabei sowohl an Pferdehalter und -besitzer als auch an Tierärzte und Studenten.
  • • Verknüpfung von Forschungsergebnissen mit langjährigen Erfahrungen aus der Praxis
    • Tipps zur Optimierung von Haltung und Umgang mit Pferden
    • Beschreibung pferdegerechter Therapieverfahren bei Problemverhalten
Anpassungsfähigkeit des Pferdes an die Umwelt:
Evolution und Domestikation, Anpassungsgrenzen des Verhaltens

Angeborene Verhaltensweisen - Konsequenzen für Haltung und Umgang:
Alle Verhaltensweisen von Sozial- über Ruhe- bis Neugier- und Erkundungsverhalten

Ursachen, Diagnostik, Therapie und Prophylaxe von Problemverhalten:
Wie unterscheidet man Verhaltensstörung und unerwünschtes Verhalten? Wie lernt ein Pferd? Wie kann man Problemverhalten therapieren?

Problemverhalten im Stall, in Umgang und Nutzung:
Von Koppen über Weben, gesteigerter Aggressivität und Verladeproblemen bis zu Bocken, Steigen und „Headshaking“

Dr. Margit H. Zeitler-Feicht reitet seit ihrem 6. Lebensjahr und konnte ihr langjähriges Hobby schließlich zum Beruf machen. Seit über 20 Jahren ist sie wissenschaftlich tätig im Bereich Pferdeverhalten, -haltung und -krankheiten, derzeit am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München. Neben ihrem Engagement im Pferdeschutz bildet sie im In- und Ausland Verhaltenstherapeuten für Pferde aus.

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Rezensionstext:

So mancher wird jetzt sicherlich denken: Oh je, schon wieder ein Pferde-„Guru“, der uns sagt, wie wir mit unseren Pferden umgehen sollen! Was dieses Buch in meinen Augen aber von vielen anderen unterscheidet, ist der wissenschaftliche Ansatz, mit dem die Autorin an das Thema herangeht. Sie versucht, dem Leser zu vermitteln, dass viele Probleme, die wir heute mit unseren Pferden haben (die Foren sind ja voll davon), ihren Ursprung in der Genetik der Tiere und dem mangelnden Wissen der Menschen darüber haben.

Im ersten Teil, betitelt Anpassungsfähigkeit des Pferdes an die Umwelt, wird ein recht ausführlicher Überblick über die Entwicklung unserer heutigen Pferde aus dem nur etwa fuchsgroßen Urpferd gegeben. Das Pferd wird als Steppen-, Herden- und Fluchttier charakterisiert, das trotz inzwischen 5000-jähriger Domestikation noch immer Verhaltensweisen zeigt, die die Menschen fehlinterpretieren. So ist zum Beispiel das etwa 15-stündige Fressbedürfnis eines Pferdes keine Verfressenheit, sondern der kargen Kost eines umherziehenden Steppentieres geschuldet. Ein Pferd „weiß“ nicht, dass es in menschlicher Obhut gehaltvollere Nahrung erhält und darum vielleicht nur zwei- bis dreimal täglich gefüttert wird. Sein längeres Fressbedürfnis ist trotzdem vorhanden und bricht sich dann manchmal in Verhaltensstereotypien Bahn.
Weiterhin werden in diesem Teil die verschiedenen Pferdetypen (Ponys, Kaltblüter, Warmblüter, Vollblüter) mit ihren typischen Merkmalen vorgestellt sowie auf die Grenzen der Anpassungsfähigkeit eines Pferdes eingegangen. Beispielsweise kann es bei einem Pferd, dessen Fressbedürfnis durch nur seltene Fütterung nicht gestillt werden kann, zu zwanghaften Ersatzhandlungen, etwa dem Benagen von Holz, kommen.

Der zweite Teil, Angeborene Verhaltensweisen - Konsequenzen für Haltung und Umgang, beschäftigt sich mit den Verhaltensweisen von Pferden, die der Mensch nicht beeinflussen kann und damit, welche Mindestanforderungen bei der Pferdehaltung erfüllt sein müssen, damit es nicht zu Problemverhalten kommt. Es wird auf den Tagesablauf freilebender Pferde eingegangen, auf das Sozialverhalten, das Fortpflanzungsverhalten, das Mutter-Kind-Verhalten und vieles mehr. Gleichzeitig wird erläutert, welche Konsequenzen sich daraus für die Nutzung und Haltung von Pferden ergeben. Als Beispiel sei hier die Einzelaufstallung genannt, die für das Herdentier Pferd als nicht artgerecht klassifiziert wird, da sie das Pferd an angeborenen Verhaltensweisen wie ständiger Bewegung und Sozialkontakt zu Artgenossen hindert.

Teil drei beschreibt Ursachen, Diagnostik und Therapie von Problemverhalten, wobei der Leser zunächst einmal lernt, dass man zwischen unerwünschtem Verhalten und Verhaltensstörungen unterscheiden muss. Unerwünschtes Verhalten sind Verhaltensweisen, die zwar dem Normalverhalten von Pferden entsprechen, jedoch Probleme bei Haltung und Nutzung mit sich bringen, wie etwa Nicht-Einfangen-Lassen, Schlagen, Scharren, Kleben, Zähneknirschen. Eine Verhaltensstörung dagegen liegt vor, wenn das Verhalten stark vom Normalen abweicht. Dies ist etwa der Fall bei Koppen und Weben.
Die Autorin nennt viele Auslöser und Ursachen der von der Norm abweichenden Verhaltensweisen, gibt Tipps zur Diagnostik und auch Möglichkeiten der Therapie. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Erklärung des Lernverhaltens von Pferden, so dass der Leser auch erfährt, wie man über Konditionierung, Nachahmung oder Prägung einem Pferd überhaupt etwas vermitteln kann.

Die beiden letzten Teile, Problemverhalten im Stall und Problemverhalten in Umgang und Nutzung, beschreiben nun, nachdem man sich das theoretische Rüstzeug angelesen hat, wo unerwünschte Verhaltensweisen und Verhaltensstörungen ihren Ursprung haben und wie man sie durch artgerechte Haltung vermeiden kann. Sehr übersichtlich werden folgende so häufig vorkommende Verhaltensweisen beschrieben: Koppen, stereotypes Belecken, Barrenwetzen, Holznagen, Kotfressen, übermäßiges Fressen, Weben, Boxenlaufen, Scharren, Schlagen gegen Boxenwände, Fehlprägung, Autoaggression, gesteigerte Aggressivität, Schweifreiben, übertriebene Fellpflege, Kopfschlagen, Sich-Nicht-Legen, Nicht-Einfangen-Lassen, Nicht-Führen-Lassen, Verlade- und Schmiedeprobleme, Beißen und Schlagen, Zungenstrecken, Kleben, Scheuen, Steigen, Bocken, Sattelzwang. Zu jedem Problem gibt es eine ausführliche Beschreibung, es werden mögliche Auslöser benannt, auf gesundheitliche Folgen eingegangen und - soweit möglich - Therapievorschläge gemacht.

Zugegeben: Leichte Kost ist meine Buchempfehlung nicht gerade, da das Werk sehr wissenschaftlich geschrieben ist und für viele Pferdehalter recht unbequeme Wahrheiten enthält. Aber die Fachbegriffe sind verständlich erläutert, und man erhält eine Fülle von Informationen über das natürliche Verhalten von Pferden, durch falsche Haltung auftretende Probleme und Ansätze zu deren Lösung. Das Buch ist mit vielen Fotos, Zeichnungen und Grafiken versehen, die das Beschriebene häufig leichter verständlich machen, außerdem gibt es ein Glossar, eine lange Liste weiterführender Literatur und ein Register, was es zu einem schnellen Nachschlagewerk macht.

Viele der so genannten Verhaltensprobleme liegen sehr oft in einer nicht artgerechten Haltung oder in einem fehlerhaften Umgang des Menschen mit seinem Pferd, indem er etwas fordert, was ein Pferd aufgrund seiner genetischen Disposition nicht leisten kann oder weil sein Verhalten durch den Menschen total falsch bewertet wird. Man erfährt aber auch, wie man das erlernte, aber unerwünschte Verhalten durch entsprechende Gegenkonditionierung wieder in den Griff bekommen kann. Das ist mit Sicherheit nicht einfach, und viele Pferdehalter werden dafür professionelle Hilfe benötigen, aber die Autorin zeigt viele Wege auf, mit denen man zum Ziel kommen kann.

Mein Fazit: Ein nicht ganz einfaches, aber sehr empfehlenswertes Buch, das dem Leser schnell klarmacht, wie Pferde aufgrund ihrer Entwicklungsgeschichte und Genetik „ticken“, woher Problemverhalten kommt und wie man versuchen kann, es durch besseres Verständnis der Pferdepsyche zu vermeiden oder zu behandeln. In meiner Ausgabe gibt es leider noch sehr viele Rechtschreibungs-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler, aber vielleicht hat der Verlag in späteren Ausgaben doch nochmal einen Korrekturleser drüberschauen lassen.

Verfasserin: Nora
LG Ines
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"Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart."
(Noël Pierce Coward)
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