Kurs mit Marc de Broissia im März in Oberösterreich

Alle subjektiven Kursberichte erscheinen an dieser Stelle

Moderator: Josatianma

Antworten
Benutzeravatar
chica
Admin
Beiträge: 5813
Registriert: Di, 19. Sep 2006 20:59
Wohnort:

Kurs mit Marc de Broissia im März in Oberösterreich

Beitrag von chica »

Der Kurs fand an dem Wochenende statt, als Orkan Emma über Europa fegte, der recht beeindruckend ist, wenn man sich in einer Reithalle (Stahl-Planenkonstruktion) befindet. Wir mussten daher auch am Samstag die Mittagspause schon nach den ersten zwei Reitern vorziehen, weil bei dem Radau durch den Wind an Reiten nicht mehr zu denken war.

Es war eine kleine Runde von Reitern, die sich an dem Wochenende in Steyr eingefunden hatte; die Veranstalter haben selbst vier Pferde und sind alle auch beim Kurs mitgeritten.
Von der ersten Stunde an fällt die ruhige Präsenz des Kursleiters auf. Es entgeht ihm nicht die kleinste Kleinigkeit, er sieht auch noch die kleinste Unexaktheit in der Ausführung der Übungen. Er ließ die meisten Teilnehmer mit ruhigen Volten im Schritt beginnen, da wurde erst klar, wie schwer diese scheinbar einfache Lektion ist. Geduldig und sehr engagiert erklärt de Broissia die unterschiedliche Gymnastizierung der hohlen und gebogenen Seite. Dem Reiter darf auf so einer Volte nicht die kleinste Kleinigkeit entgehen – wie er sagte, „man muss innerhalb einer Viertelsekunde 100 Dinge gleichzeitig tun und spüren". Das ist auch ein Leitsatz, der sich durch den ganzen Kurs durchzieht - „gutes Reiten verlangt eine unglaubliche Selbstdisziplin vom Reiter, jeden Tag auf´s Neue“. Mit einem Augenzwinkern meinte er, dass sei auch der Grund, warum die wirklich großen Reiter keine einfachen Menschen für ihre Umgebung sind bzw. waren.

Sehr sympathisch fand ich auch seine immer wiederkehrende Maxime, dass Pferdetraining niemals nach Schema F funktionieren kann und Korrekturen bzw. notwendige Übungen für´s Pferd, nicht für ein Publikum geritten werden, d.h. nicht immer schön ausschauen bzw. gleich so aussehen, wie man das Endergebnis haben möchte, aber es darauf ankommt, genau die Übung zu wählen, die dem Pferd in dieser Phase der Ausbildung hilft. „Man kann sein Leben lang Schulterherein reiten ohne jeden gymnastischen Effekt, wenn es nicht auf die individuellen Bedürfnisse des Pferdes abgestimmt ist. Bei jeder Lektion muss man sich ganz genau darüber im Klaren sein, was man damit bezwecken will."
Er erklärte auch, warum es sinnvoll ist ,Seitengänge in verschiedenen Abstellungswinkeln reiten zu können: Jede Abstellung hat einen anderen Sinn, manchmal geht es mehr darum die Hinterhand und Nierenpartie zu stärken, dann ist eine größere Abstellung sinnvoll, da geht es dann nicht so sehr um die Biegung; ein anderes Mal legt man den Fokus mehr auf die Biegung und weniger auf die Abstellung. Ziel ist ein Schulterherein mit guter Biegung und mit dem inneren Hinterbein unter den Schwerpunkt tretend – aber das ist das Ziel und schaut in der Ausbildungsphase nicht notwendigerweise immer so aus.

Er betont auch sehr häufig, wie wichtig eine lange Oberline ist und wird nicht müde den Reitern die Anweisung „Hand vor, weniger Zügel“ zu geben. Er erklärt, dass vor allem Iberer durch zuviel Handeinwirkung ruiniert werden, Warmblüter dagegen halten das länger aus, was natürlich nicht heißt, dass es ihnen gut tut! Nur dass sie halt so gezüchtet wurden eine feste Hand besser wegzustecken, traurig eigentlich.

Sehr berührt hat mich seine Aussage über einen sehr hibbeligen spanischen Hengst. Er sagte „das Pferd hat zuwenig Vertrauen in seinen Körper, darum wird er so nervös, das kommt bei Pferden, die nicht sehr stark sind, häufig vor. Die Aufgabe des Reiters ist es ihn so zu gymnastizieren, dass er Vertrauen in sich selbst bekommen kann“.

Ein Highlight ist es auch, den Meister mit der Touchierpeitsche zu sehen. Er ist dabei so fein und präzise, so etwas hab ich noch nie in dieser Qualität gesehen. Es sieht fast so aus, als berührte er kein Härchen zufällig. Sehr spannend war diese Arbeit mit einem schon älteren Lusitanohengst, der vor vielen Jahren von de Broissia ausgebildet wurde, dann aber jahrelang nur auf einer Weide stand und jetzt seit ca. 1 Jahr wieder aufgebaut wird. Er erklärte, dass nicht die große spektakuläre Piaffe immer den guten gymnastizierenden Effekt bringt, sondern oft die kleine ruhige Piaffe. Sehr beeindruckend war, wie er darauf bestand das Pferd nicht (nämlich gar nicht!) mit den Zügeln zu halten, sondern nur mit dem Körper – nicht einfach für die Reiterin, aber die Verbesserung war offensichtlich.

Große Präzision verlangte er auch beim Reiten der Bahnfiguren. Gnadenlos besteht er auf deren Exaktheit und erklärt die Wichtigkeit mit den hohen Anforderungen, die man an sich selbst stellen muss. Auch die Reaktion vom Pferd auf Hilfen soll prompt erfolgen, denn nur so ist ein maximale Feinheit zu erreichen – sehr anschaulich bei einer jungen PRE Stute, die eher zögerlich auf den Schenkel reagierte, lieber einmal wirklich durchkommen mit den Hilfen als es auf halbherzige Hilfen abzustimmen. Der Galopp der Stute, vor allem das Angaloppieren hat sich im Laufe der ersten Stunde extrem verbessert. Sehr interessant war auch seine Erklärung zur Anatomie derselben Stute, die wenig Ganaschenfreiheit hat und sich daher eher schwer tut in Beizäumung zu gehen. Er gab der Reiterin den Rat die Beizäumung betreffend lieber weniger zu verlangen um sie nicht zu überfordern.

Auf körperliche Schwierigkeiten der Pferde ist er mit sehr viel Feingefühl eingegangen, so z.B. ein Warmblutwallach der einen „Klumpfuß“ vorne hat, für den es besonders wichtig ist die Vorhand zu entlasten. Die sehr feine Reiterin hat das Pferd trotz seiner Behinderung schon sehr weit gefördert.

Bei jedem Pferd hat er zu Beginn die Lage des Gebisses und den Nasenriemen überprüft – diesen bei Bedarf auch weiter geschnallt.

Zusammenfassend möchte ich noch auf das extrem engagierte Unterrichten von Marc de Broissia zurückkommen. Er hat sich wirklich bei jedem einzelnen Reiter/Pferd Paar sehr bemüht und auch keine Unterschiede gemacht, egal welchen Ausbildungsstand bzw. Rasse die beiden hatten. Ich hatte vom Zuschauen den Eindruck, dass er beim Unterrichten jede noch so kleine Muskelverspannung des Pferde spürte, dabei ist auch seine enorme langjährige Erfahrung merkbar. Auch Fragen der Reiter, aber auch von den Zuschauern, wurden sehr ausführlich und oft unter Einsatz des ganzen Körpers ausführlich erklärt.

Ich habe als Zuschauer noch nie soviel von einem Kurs profitiert wie von diesem. Beim nächsten Kurs bin ich als Teilnehmer angemeldet. Inzwischen versuche ich meine lange „Arbeitsliste“, die ich mir im Geiste beim Zuschauen gemacht habe, zu bearbeiten.

Verfasserin: Mela
LG Ines
................................................
"Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart."
(Noël Pierce Coward)
Bild
Benutzeravatar
Jen
User
Beiträge: 3007
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:12
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Beitrag von Jen »

oh, ich würde schon lange gerne mal bei einem Kurs von MdB zuschauen! Der Kursbericht macht richtig Lust darauf! Ich hoffe, es klappt diesen Sommer. DAs Datum in Aufkirchen habe ich mir schon dick angestrichen in der Agenda, aber da ich diesen Sommer noch umziehen muss, weiss ich nicht, ob es klappen wird. Aber auf der Prioritätenliste steht es jedenfalls sehr weit oben und wenn nicht am nächsten Kurs, so dann doch am übernächsten (od so). :)
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Benutzeravatar
ottilie
User
Beiträge: 5400
Registriert: Fr, 22. Jun 2007 12:00
Wohnort: Oberbayern

Beitrag von ottilie »

Warum kann man eigentlich nicht nur auf Kurse rumfahren und sich Anregungen holen, sondern muß arbeiten :evil: ?
Danke jedenfalls für den schönen Bericht.
*aucheineNotizaufden"willsehenZettel"macht*

Danke für den schönen Bericht!
ottilie
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
Benutzeravatar
Anchy
User
Beiträge: 1063
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 08:01
Wohnort: Sprockhövel

Beitrag von Anchy »

Danke für den schönen und detaillierten Bericht.
Da bekommt man gleich Lust mitzumachen. Da Herr B. auch leicht frankophil ist , hätten wir wahrscheinlich auch nicht so die Probleme.
Wie war denn der Ausbildungsstand der Teilnehmer. Ich las einmal, daß er unter M Niveau nicht unterrichtet.

Liebe Grüße
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
Unbek. Ecuyer
Benutzeravatar
Mela
User
Beiträge: 263
Registriert: Mo, 30. Jul 2007 21:57
Wohnort: Baden bei Wien, Österreich

Beitrag von Mela »

@Anchy
die HP kenne ich auch - das M-Niveau hat mich auch verunsichert, aber der Ausbildungsstand der Teilnehmer war sehr unterschiedlich. Allerdings sind alle Teilnehmer schon länger bei diversen klassischen Ausbildnern geritten, also alles keine Neulinge in der Materie.
Die Veranstalter sind ja selbst Ausbildner und haben auch einen dementsprechenden Ausbildungsstand.
Liebe Grüße
Mela

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
Benutzeravatar
Mela
User
Beiträge: 263
Registriert: Mo, 30. Jul 2007 21:57
Wohnort: Baden bei Wien, Österreich

Beitrag von Mela »

PS: ich hatte den Eindruck, daß alle, denen die Reitkunst wirklich ein Anliegen ist und die bereit sind an sich zu arbeiten, bei MdB willkommen sind.
Liebe Grüße
Mela

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
Benutzeravatar
Larry
User
Beiträge: 1485
Registriert: So, 24. Sep 2006 18:20
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Beitrag von Larry »

Na, da bekommt man richtig Lust auch mal mitzumachen! :wink:
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
Benutzeravatar
Mela
User
Beiträge: 263
Registriert: Mo, 30. Jul 2007 21:57
Wohnort: Baden bei Wien, Österreich

Beitrag von Mela »

Hallo Leute,
ich fahre morgen abend für eine Woche auf Urlaub, bin dann nicht online, falls noch Fragen zum Kurs auftauchen entweder bis morgen früh, sonst nicht wundern wenn ich eine Woche nicht anworte :lol:
wünsche euch eine schönes Osterfest
Liebe Grüße
Mela

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
lalala

Beitrag von lalala »

Ein schöner Bericht - deckt sich auch ziemlich mit meinen Kurserfahrungen in HH. Ein sehr faszinierender Ausbilder.
Benutzeravatar
bea
User
Beiträge: 2265
Registriert: So, 24. Sep 2006 19:34
Wohnort: CH

Beitrag von bea »

Danke für den tollen Bericht, Mela! Ja, ein Ausbilder mehr, den ich umbedingt mal sehen möchte...
Reiten heisst: sitzen - fühlen - denken.
Benutzeravatar
Larry
User
Beiträge: 1485
Registriert: So, 24. Sep 2006 18:20
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Beitrag von Larry »

Würde gern mal als Zuschauer etwas schmulen kommen..
gibt es eine HP mit Terminen?
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
Jenni
User
Beiträge: 116
Registriert: Do, 27. Dez 2007 20:09
Wohnort: Unterfranken
Kontaktdaten:

Beitrag von Jenni »

Danke für den tollen Kursbericht!
Wenn ich mal die Gelegenheit habe, ihn unterrichten zu sehen, muss ich da unbedingt hin.

Meine RL hat einen von ihm ausgebildeten PRE Hengst. Auf dem Pferd hatte ich genau das gefühlt, was hier beschrieben wurde: Reiten kann man ihn nur, wenn man wirklich konzentriert ist und auf jedes Detail achtet.
Benutzeravatar
Mela
User
Beiträge: 263
Registriert: Mo, 30. Jul 2007 21:57
Wohnort: Baden bei Wien, Österreich

Beitrag von Mela »

@ Larry
ich glaube auf der Seite von M.d. B. sind keine Kurstermine, mußt du dir wohl leider über Suchprogramm im Netz suchen, schätze in Ö wird dir ein Termin nichts nützen :wink:
Liebe Grüße
Mela

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
Antworten