Riegler vs. Meyners - der richtige Sitz

Rund um die klassische Reitkunst

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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Wenn es leichter geht ist es "Selbstbetrug" ?
Wenn es gut angeleitet ist, ist es kein Selbstbetrug und trotzdem einfacher, weil man gezielt an die Sachen geht und nicht im Trüben stochert, bis man durch Zufall mal irgendwas sinnvolles tut / läßt. Möglicherweise ist es aber für viele erstrebenswerter, erst mal zu leiden, damit das Erreichte dann mehr "Wert" hat- ist es doch mit dem berühmten "Blut und Schweiß" erreicht ?

Damit wir nicht aneinander vorbeireden : kein Mensch- und am wenigsten ich :wink: - behaupten, daß Reiten und Sitzen lernen mal so hoopflitz nebenbei gelernt werden kann. Aber man kann es sich auch sehr schwer machen oder leichter.
Die Dehnfähigkeit haben die Muskeln meist, aber der Reiter hat nicht die Fähigkeit willenskräftig das Loslassen und damit das Dehnen zuzulassen. Und oft auch keine Bewußtsein, wie er gezielt anspannen kann.
Echte Verkürzungen gibt es natürlich auch ( hatte ich ja auch geschrieben), aber das BEWUSSTE , AKTIVE loslassen und spannen können, das fehlt oft deutlich mehr.

Ich muß, um losgelassen auf einem Pferd sitzen zu können, nicht meine Schnürsenkel mit durchgedrückten Knien zuschnüren können. Ich sitze fast nie länger als mal 1-2 h im Sessel und bin trotzdem nicht mehr beweglich wie eine Ballerina. Aber im Sattel loslassen, das kann ich.
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Rioja
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Beitrag von Rioja »

Ich selbst habe es auch nicht so mit "sich im Sattel quälen" Für mich erwies es sich als wenig hilfreich, krampfhaft ohne Steigbügel leichttraben zu müssen, auch Anweisungen wie Absatz tief ect brachten mir nicht den rechten Erfolg. Mein Sitz war im wahrsten Sinne des Wortes verkrampft. Erstes Loslassen erfuhr ich dann durch die bildlichen Vorstellungen nach Swift. Da ich nun aber auch in einem Alter bin, in dem die Muskulatur an Elastizität verliert und ich mehr oder weniger versteife :shock: lockere, dehne und trainiere ich meine Muskulatur durch mein Ausgleichsport Karate. Das bringt mir deutlich mehr, als wenn ich das im Sattel versuchen würde. Da sollte man dann schon über entsprechende Muskulatur verfügen, finde ich.
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emproada
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Beitrag von emproada »

Komischerweise sieht es doch aber jeder ein, dass z.B. beim Balett oder Tanzen zuerst sehr anstrengend ist die Grundtechnik zu lernen und erst wenn diese da ist, kann es auch leicht aussehen. Und genau dasselbe ist es doch beim Reiten auch.

Die Übungen von Meyners sind sicherlich toll und helfen Kleinigkeiten zu verbessern, aber Reiten lernt man trotzdem nicht auf dem Boden. Und ganz ehrlich, wer mach diese Übungen auf Dauer gesehen regelmäßig?
Viele Grüße Tina
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

saltandpepper hat geschrieben:Wenn es leichter geht ist es "Selbstbetrug" ?
Wenn es gut angeleitet ist, ist es kein Selbstbetrug und trotzdem einfacher, weil man gezielt an die Sachen geht und nicht im Trüben stochert, bis man durch Zufall mal irgendwas sinnvolles tut / läßt. Möglicherweise ist es aber für viele erstrebenswerter, erst mal zu leiden, damit das Erreichte dann mehr "Wert" hat- ist es doch mit dem berühmten "Blut und Schweiß" erreicht
Spannende Argumentation :wink:
Also auf mich bezogen, klares Nein. Ich habe es nicht so mit Blut und Schweiß, eigentlich bin ich sogar eher der Mensch, der gern mal den augenscheinlich leichteren Weg geht. Die GEFAHR des Selbstbetruges (das ist ein wenig etwas anderes, als Deine Eingangsfrage) ist in meinen Augen nur, dass der Mensch dazu neigt, sich den Weg des geringsten Widerstandes zu suchen und deshalb die Korrekturen des Grundsitzes entweder über die Gebühr lange in Anspruch nehmen, oder aber einfach nicht effektiv genug sind.
Was die Muskulatur angeht, gehe ich mal von mir, aber auch von etlichen reitenden Kollegen aus, allesamt ebenso Schreibtischtäter wie ich auch. Da verkürzt sich im Laufe der Jahre durchaus einiges und das autscht dann leider auch. Und: Mir wäre es wirklich lieber, dem wäre nicht so.
Zur Losgelassenheit auf dem Pferd: Wichtig. Aber nur in Kombination mit einem effektiven Sitz. Den ich wiederum nur erreiche, wenn ich daran arbeite. Ohne diesen ist Losgelassenheit im Zweifelsfall nur spannungslos auf dem Pferd sitzen.

P.S. Le Bai: Also ich kann das tatsächlich – Schnürsenkel mit geradem Bein zubinden. Gerade ausprobiert :P
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chica
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Beitrag von chica »

emproada hat geschrieben:Die Übungen von Meyners sind sicherlich toll und helfen Kleinigkeiten zu verbessern, aber Reiten lernt man trotzdem nicht auf dem Boden. Und ganz ehrlich, wer mach diese Übungen auf Dauer gesehen regelmäßig?
Muss ich Dir wiedersprechen. Bei mir wurden definitiv "Großigkeiten" verbessert (ebenso bei allen Reitern, die ich bisher in Kursen beobachten konnte!) und ich versuche die Übungen täglich auszuführen, die gerade für meine Probleme passen. Meine Trainerin ist da sehr konsequent und führt ihre Übungen jeden Tag morgens und abends aus.
LG Ines
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Gast2

Beitrag von Gast2 »

naja,
beim ballett muss man Muskeln so dehnen können, dass es z.B. zum Spagat reicht. Auch Tanzen als Sport erfordert ähnlich Kunststückchen.

Wäre mir aber neu, dass man das beim Reiten auch braucht.

Letztlich sitzt man "einfach so" auf dem Pferde, und sofern man nicht gerade unter einer schweren körperlichen Behinderung leidet, sollte es einem muskulär möglich, erstmal "einfach so" zu sitzen.
Der Rest des Reitersitzes ist Balance und Spannung bzw. Entspannung an den richtigen Stellen. (ich hab es jetzt mal mit Absicht etwas überspitzt dargestellt.)

Aber ganz sicher ist das Reiten kein SPORT, wie es Ballett oder Tanzen bedeutet.

Insofern ist die Frage, warum es dann bitte wehtun soll, die Grundtechnik zu lernen.

Weil man sich krampfhaft am Maria-Hilfs-Riemen festzieht um beim ohne Bügel reiten vom brettsteifen stoßenden Schulpferd mit 1,75 m Stock nicht runterzufallen, um danach außer tierischem Oberschenkelmuskelkater auch noch Blasen an den Händen zu haben? (achtung, wieder überspitzt)
Nee, oder?
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emproada
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Beitrag von emproada »

@chica: dann Respekt vor dieser Selbstdisziplin, die hätte ich nicht. :wink:

@baura: naja, rein vom Sportgedanken her kann man Reiten meiner Meinung nach schon mit Tanzen vergleichen. Nur draufsitzen reicht ja leider doch nicht ganz.
Viele Grüße Tina
Gast2

Beitrag von Gast2 »

wenn Du damit "gutes Körpergefühl" meinst, im Sinne von "ich weiß genau, was jetzt gerade meine linke kleine Fußzehe macht und kann sie konkret ansteuern dies oder das zu tun", JA, keine Frage, dann ist Reiten wie Ballett oder Tanz.

Rein körperlich-leistungsbezogen allerdings nicht. Wie gesagt, wäre mir neu, dass man per se besser reiten kann, weil man alle Muskeln extrem spannen und dehnen kann.

Natürlich hilft Sportlichkeit generell, das Reiten zu erlernen, nichtsdestotrotz erscheint mir der Gedanke "quäl Dich, Du Sau" (ein Zitat von Udo Böltz als er Jan Ullrich, bei seinem ersten Toursieg, in den Alpen anfeuern wollte) im Zusammenhang mit Reiten eher kontraproduktiv.
Zuletzt geändert von Gast2 am Do, 20. Jan 2011 11:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

emproada hat geschrieben: @baura: naja, rein vom Sportgedanken her kann man Reiten meiner Meinung nach schon mit Tanzen vergleichen. Nur draufsitzen reicht ja leider doch nicht ganz.
Sehe ich auch so. Vor allem ist und bleibt ein guter Grundsitz, also wirklich in der Balance und nicht nur irgendwie halbwegs, für mich auch unerlässlich, damit ich ein Pferd "zielführend" (ich liebe dieses Wort :wink: ) reiten kann, ohne dass ich selbst durch Sitzfehler die Arbeit meines Pferdes schwerer mache.

@Chica: Vielleicht liegt das bei mir auch an der mangelnden Selbstdisziplin, dass ich persönlich mich für den anderen Weg entschieden habe. Definitiv halte ich ein tägliches Übungsprogramm nicht durch, für Ausgleichssport fehlt mir schlicht die Zeit
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emproada
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Beitrag von emproada »

@Cubano: geht mir genauso mit der Selbstdisziplin, ich quäle mich dann lieber einmal. :wink:
Viele Grüße Tina
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Ich finde die Argumente beider Seiten stichhaltig und interessant. Ich habe mal einen super Lehrgang nach Meyers besucht, und lerne jetzt wieder neu auf dem gleichen Weg wie Cubano: Reiten mit viel Konzentration, wenn nötig auch nur 45 Minuten geradeaus bis der Absatz federt.

Beide Wege sind gut, aber für mich persönlich - das kann bei jedem anders sein - ist es viel wichtiger, dass die Dinge mir in Fleisch und Blut übergehen, denn alle Lockerheit die ich durch die Meynersschen Übungen erlange nützt nichts, wenn man mit dem Pferd in eine ungewohnte Situation kommt, beispielsweise in einer Prüfung. Dann krampft man sofort und fällt massiv in alte Verhaltensmuster zurück.
In diesem Moment finde ich es wesentlich hilfreicher, wenn man immer wieder "automatisch" in den korrekten Grundsitz zurückfindet und das geht - meiner persönlichen Meinung nach - mit dem klassischen Weg à la Riegler über viele Wiederholungen besser.

Schön wäre die Kombination aus beiden, aber bei zwei Alphatieren wie den beiden Herren dürfte selbst die Niedersachsenhalle in Verden zu klein werden.... :wink:
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Medusa888 hat geschrieben: In diesem Moment finde ich es wesentlich hilfreicher, wenn man immer wieder "automatisch" in den korrekten Grundsitz zurückfindet und das geht - meiner persönlichen Meinung nach - mit dem klassischen Weg à la Riegler über viele Wiederholungen besser.
Das ist bei mir genau so. Vor allem, da ich zu den Reitern gehöre, die nicht immer auf dem Pferd hinterfragen (und das will ich auch gar nicht), was jetzt zu tun ist und dann als nächstes. Ich denke, auch wenn das sich natürlich nicht wirklich schick anhört, zum Reiten, vor allem aber zum Sitzen, sollte ein gewisser Automatismus gehören – ich will irgendwann an den Punkt kommen, an dem ich meinem Körper nicht mehr sagen muss, was zu tun ist, sondern an dem er das schlicht weiß. Da muss man sich nur mal ein paar wirklich gute Reiter anschauen: Die totale Selbstverständlichkeit, mit der die auf jedem Pferd sitzen ist in etwa, das wo ich mal hin will. Allerdings nur auf meinen.
Und da es bekanntlich 2000 Mal und mehr braucht, bis sich falsche Bewegungsmuster eliminieren lassen, ist stumpfe Wiederholung in meinen Augen ziemlich effektiv. Dummerweise braucht man dazu eine gehörige Portion Selbstmotivation und sollte entstehende Durststrecken möglichst mit einem Lächeln auf dem Gesicht durchstehen können…
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Cubano hat geschrieben:Und da es bekanntlich 2000 Mal und mehr braucht, bis sich falsche Bewegungsmuster eliminieren lassen, ist stumpfe Wiederholung in meinen Augen ziemlich effektiv. Dummerweise braucht man dazu eine gehörige Portion Selbstmotivation und sollte entstehende Durststrecken möglichst mit einem Lächeln auf dem Gesicht durchstehen können…
Der Meinung war ich auch immer, aber Ninischi (hat ja Sport auf Lehramt) studiert, wenn ich das richtig registriert habe) hat mal geschrieben, dass das heute nicht so ganz up to date wäre und gäbe neue Methoden. Wir müssen sie mal dazu befragen.

Ansonsten stimme ich Dir zu, "Selbstverständlichkeit" erreichen, wäre sehr schön!
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emproada
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Beitrag von emproada »

Ja, "Selbstverständlichkeit" wäre wirklich schön.

Ich denke auch, dass bei jedem etwas anderes funktioniert. Der eine braucht Ausgleichsübungen, der nächste Bilder und jemand wie ich braucht 1000 Wiederholungen von schnöden Anweisungen a la "gerade sitzen".
Viele Grüße Tina
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

emproada hat geschrieben:Komischerweise sieht es doch aber jeder ein, dass z.B. beim Balett oder Tanzen zuerst sehr anstrengend ist die Grundtechnik zu lernen und erst wenn diese da ist, kann es auch leicht aussehen. Und genau dasselbe ist es doch beim Reiten auch.
Da möchte ich nochmal einhaken...
Beim Ballett ist es doch so, daß der Körper andauernd unter Spannung steht, und zwar unter ziemlich großer.
Was meines Erachtens dort weitaus mehr wiegt als die Technik ist eher das Training der Muskeln und Sehnen, um die Techniken ausführen zu können, den Körper (mitunter nur auf der Zehenspitze) auszubalancieren und vor allem Halte-Übungen (Arm hoch, Bein hoch) auszuführen...

Sprich der ganz große Unterschied im Gegensatz zum Reiten ist der, daß es beim Ballett drum geht, eher "nach oben" gegen die Schwerkraft zu arbeiten, leicht zu sein wie eine Feder und sich dementsprechend durch den Raum zu bewegen.

Beim Reiten hingegen nehme ich bequem Platz in meinem Sattel, habe (je nach persönlicher Ausstattung 8) ) mehr oder weniger Auflagefläche und mein Körper arbeitet nicht nach oben, sondern sinkt eher nach unten (die aufgerichtete Wirbelsäule jetzt mal als "O"-Position betrachtet).

Insofern - der Balletttänzer darf nie loslassen, sonst macht es "plumps" und es ist vorbei mit der Anmut.
Der Reiter jedoch darf sich vom Pferd tragen lassen :wink:
Ich möchte niemals mit der (An)Spannung eines Baletttänzers auf dem Pferd sitzen.

Für mich gehts beim Reiten um Körperkontrolle mit sicherlich notwendiger Muskelarbeit, aber nicht um körperliches Training.
Hoffentlich wird bissl klar, was ich meine... :roll:
Es grüsst ottilie
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Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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