hohe dressur - gesunderhaltung oder doch eher verschleiß

Rund um die klassische Reitkunst

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Phanja

Beitrag von Phanja »

Danke s&p für diesen Beitrag, den ich voll und ganz unterschreibe!
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Sitara
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Beitrag von Sitara »

Habt ihr denn gestern nicht gefeiert? So früh schon so aktiv... Frohes neues Jahr :-)

Nochmal zu Geolinas Ausführung zur Historie: Was ich aus einem Barockseminar mitgenommen habe, muß bereits zu Zeiten von Guerniere die klassische Barockreiterei und der Einsatz des Pferdes im Nahkampf an Bedeutung verloren haben. Soweit ich mich erinnere, wurde das Pferd zu seiner Zeit bereits hauptsächlich als Paradepferd (also zum Angeben) eingesetzt. Er hat eine Schule/Akademie für die Reitkunst ins Leben gerufen, seine Schüler waren junge Adelige. Und so richtig hat das wohl keinen oder zu wenige interessiert, denn er starb verarmt.

Mit der Entwicklung der Fernwaffen hat sich das Ausbildungs- und Zuchtziel der Pferde drastisch verändert. Versammlung wurde durch Schnelligkeit/Vorwärts ersetzt. Und sie waren natürlich Kanonenfutter, für eine langwierige Ausbildung war keine Zeit.

Klassisch Barocke Lektionen dienten dann nur noch zu Paradezwecken, Zeitvertreib für den Adel - und damit letztendlich hauptsächlich zum Angeben.

Insofern finde ich es durchaus legitim, die Sinnhaftigkeit der hohen Lektionen in der heutigen Zeit in Frage zu stellen.
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Meg
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Beitrag von Meg »

Schliesse mich auch S & P an und möchte noch den Faktor des Körperbaus hinzufügen.

Wobei ich mir nicht anmassen würde, Piaffe oder Passage reiten oder gar ausbilden zu können. Geschweige denn korrekt und schonend.
Zuletzt geändert von Meg am Mi, 01. Jan 2014 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
Whenever I feel blue, I start breathing again :-)
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Dem gegenüber steht die Entwicklung einer ganzen Ausbildungsmethode für den Krieg 8) Nach dem Ursprung darf man vielleicht nicht so sehr forschen und sich dran festnageln, alles entwickelt sich ja weiter. Zum Glück öfters zum Guten.

Ansonsten unterschreib ich auch bei S&P.
Es grüßt Nadine

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so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

padruga hat geschrieben:
Das glaube ich auch. Aber möglicherweise deutlich gesünder ohne Reiter. Wenn man sieht wie tief bei den einzelnen Schwingungs-Amplituden da der Rücken mancher Pferde unter dem Reiter absinkt, kann sich vorstellen, wie die Dornfortsätze sich jedes Mal gut in die Quere kommen. Und ich weiß auch nicht ob es wirklich so gesund ist, wie tief sich da die Fesselköpfe mancher Pferde absenken. Sicherlich, man macht es ja nicht dauernd, kurz ist es sicher nicht schädlich, aber unbedingt für die GESUNDERHALTUNG ist diese Lektion meiner Meinung nach zumindest nicht.
"Wohlbefinden des Pferdes" bei einer Übung ist für mich auch noch kein Kriterium dafür, ob es einem Pferd gesundheitlich dabei gut geht. In Anspannung gesetzt, vor allem bei Begeisterung, schweben die lahmsten Pferde plötzlich wie junge Götter, so dass man meinen könnte sie simulieren sonst nur. Auf der Weide wird gehinkt, aber wenn ein interessanter Artgenosse am Zaun vorbeimarschiert kommt, wird piaffiert und passagiert mit einer Leichtigkeit eines 3 jährigen. Und einige Lektionen, wie z.B. der spanische Schritt (oder Piaffe, Passage, Podest-steigen, halt alles was die Pferde zu einem dominanterem Ausdruck verhilft) macht Pferden halt einfach meist sehr großen Spaß und kurbelt die Begeisterung und die Adrenalinausschüttung an.
Wie gesagt, das Maß macht den Effekt. Und ich finde schon, daß "Wohlbefinden" einen großen Teil von Gesunderhaltung ausmacht.
Natürlich sollte man nicht stundenlang auf einer Badewanne herumpassagieren- nur, weil ein Pferd das vielleicht erbaulich findet. Aber auch hier : Das Pferd - auch in seiner Körperlichkeit ( wie ja auch Meg schreibt) - setzt die Grenze und unsere Verantwortung ihm gegenüber.
Zuletzt geändert von saltandpepper am Mi, 01. Jan 2014 12:33, insgesamt 1-mal geändert.
Motte
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Beitrag von Motte »

Ein frohes neues Jahr wünsch ich.
Dass Pferde bei unebenen Böden stolpern und sich verletzen, habe ich eher bei reinen "Fachidioten" erlebt, nämlich bei Pferden, die nur auf'm Geharkten (sprich: Viereck) geritten werden. Und das waren Pferde, die durchaus in schweren S-Lektionen ausgebildet waren. Aber die kannten halt nur ebenen Boden....

Zudem glaube ich nicht, dass ein Pferd unter'm Reiter Lektionen wie Passage o.Ä. braucht um seinen Job zu machen, sich wohlzufühlen und gesund zu bleiben. Da wird in meinen Augen sehr oft viel Murks gebaut, weil viele Reiter ihr Können maßlos überschätzen. Und da sind wir wieder beim Ego der Menschen....
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Motte, nun müssen wir uns entscheiden, ob wir über die korrekte Ausführung einer Lektion in ihrer Wirkung und ihrem Nutzen diskutieren wollen, oder über die Gefahren, die die falsche Ausführung/Erarbeitung einer Lektion mit sich bringt. Das sind ja zwei Paar Schuh.

Ich bin bei meiner Aussage von der korrekten, sinnvoll erarbeiteten Ausführung ausgegangen.

Es stellt sich natürlich ganz allgemein immer die Frage, ob man etwas, was falsch laufen kann überhaupt anstreben will oder ob man angesichts der Fehlerquellen ganz darauf verzichten will.
Nur, wenn ich mich nie an eine Lektion herantraue, werde ich sie auch nie lernen...
das muß jeder selbst für sich entscheiden und darüber möchte ich hier nicht urteilen.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Das wirft aber die Frage auf, wer denn heutzutage in der Lage ist, Lektionen der Hohen Schule korrekt und sinnvoll zu erarbeiten. Jetzt mal ganz ehrlich.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Geolina & Sitara:
Interessanter historischer Exkurs!
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Und hier noch Anschauungsmaterial zum Thema "Militärreiterei nach Erfindung der Fernwaffen":
http://www.youtube.com/watch?v=nOyvimZuF5o
Motte
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Beitrag von Motte »

s&p -

Hinsichtlich der korrekten, sinnvoll erarbeiteten Ausführung bin ich voll bei dir.

Diese beinhaltet aber zwangsweise eine gewisse Basis - seitens des Ausbilders/Reiters und natürlich auch seitens des Pferdes.

Und ja, ich bezweifel, dass diese Basis in bestimmten, derzeit gehypten Reitweisen, so gegeben ist. Und ohne Basis wird das Ganze dann zum Selbstzweck.
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Motte hat geschrieben:s&p -

Hinsichtlich der korrekten, sinnvoll erarbeiteten Ausführung bin ich voll bei dir.

Diese beinhaltet aber zwangsweise eine gewisse Basis - seitens des Ausbilders/Reiters und natürlich auch seitens des Pferdes.

Und ja, ich bezweifel, dass diese Basis in bestimmten, derzeit gehypten Reitweisen, so gegeben ist. Und ohne Basis wird das Ganze dann zum Selbstzweck.
Wenn ich mir anschaue, was bei uns im Pensionsstall sowohl bei Pferdebesitzern wie bei Reitbeteiligungen so abgeht, dann ist mangelnde Basis ganz unabhängig von der Reitweise ein allgemeines Problem, denn allzu oft reiten "unausgebildete Reiter auf unausgebildeten Pferden". Viele der Erstpferdebesitzer, die ich bei uns im Stall erlebe, sind eher unbedarft, kaufen sich ein Pferd, dass ihnen drei Nummern zu gross ist (zu heiss, zu gross, zu jung, kaum ausgebildet oder verdorben) und wundern sich dann, dass es nicht so funktioniert, wie sie erwarten. Neben zu kurzer Reitpraxis fehlen häufig auch elementare theoretische Kenntnisse zur Ausbildung ("Ja, aber die Pferde in der Reitschule konnten sowohl links wie rechts herum galoppieren, warum will meiner nur links herum galoppieren?") oder zum Pferdeverhalten ("Früher, als er den ganzen Tag in der Box war, hat er sich gefreut, wenn ich kam, jetzt in der Herdenhaltung interessiert er sich nicht mehr für mich."). Im besten Fall merken diese frisch gebackenen Pferdebesitzer, dass es nicht so einfach ist, wie sie sich dachten, und fangen an, richtig zu lernen.

Aber leider gibt es wohl in fast jedem Stall einen oder mehrere DARs (DAR = Dümmster Anzunehmender Reiter), die auch nach Jahren nicht kapieren, dass ihr "blöder Gaul" auf der Weide vor ihnen die Flucht ergreift, weil sie einfach schlecht reiten, und der Gaul von ihnen die Nase voll hat. Eine besondere Variante dieser Kategorie ist die gläubige Anhängerin der Methode XY (Buchstaben beliebig austauschbar), die unfehlbar ist und für alle Pferde passt. Die Methode wird dann stur angewendet (es reicht ja, die Methode anzuwenden, man muss nicht verstehen, wie und warum sie funktioniert), ohne dass die Reiterin merkt, dass etwas nicht stimmt, bis es dann zum Unfall kommt. Dann wird das Pferd verkauft, weil es die Besitzerin enttäuscht hat (auf die Idee, dass sie das Pferd enttäuscht haben könnte, kommt sie gar nicht).

DARs sind in jeder Reitweise zu finden und wohl die mühsamste Sorte Schüler, die ein Reitlehrer haben kann. Ein weiteres Problem ist, dass im Zeitalter des Edutainments ja grundsätzlich der Lehrer Schuld ist, wenn der Schüler nichts lernt, und dass Lernen Fun sein muss. Der Umgang mit Pferden verlangt dagegen eine hohe Frustrationstoleranz und viel Arbeit an sich selbst ebenso wie die Bereitschaft, dauernd dazu zu lernen und sein Hirn einzusetzen, und das ist halt anstrengend, mühsam und langwierig.

Um zum Thema "hohe Dressur" zurückzukommen, ich glaube auch, dass ein seriös ausgebildetes Pferd daran Spass haben kann (gewissermassen ein Beitrag an die geistige Gesundheit des Pferdes), aber das setzt eben einen entsprechenden Ausbilder voraus, denn ich kann ein Pferd nicht höher ausbilden, als ich selbst reiten kann.

PS: Es gibt bei uns im Stall durchaus auch ernsthafte Reiter, die aus ganz verschiedenen Reitweisen kommen.
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Motte hat geschrieben:s&p -

Hinsichtlich der korrekten, sinnvoll erarbeiteten Ausführung bin ich voll bei dir.

Diese beinhaltet aber zwangsweise eine gewisse Basis - seitens des Ausbilders/Reiters und natürlich auch seitens des Pferdes.

Und ja, ich bezweifel, dass diese Basis in bestimmten, derzeit gehypten Reitweisen, so gegeben ist. Und ohne Basis wird das Ganze dann zum Selbstzweck.

Das steht dir ja völlig frei, das zu bezweifeln.
Wie gesagt, ich gehe bei meinen Beiträgen davon aus, daß so gearbeitet wird. Wenn ich von falschen Herangehen und fehlerhafter Ausführung ausginge, könnte ich mir die Beiträge schenken- denn dann ist es zweifelsohne schädlich.
Wer das ausbilden kann, Rapunzel ? Nun, da gibt es schon ein paar....
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Gawan hat geschrieben:(DAR = Dümmster Anzunehmender Reiter)
:lol: :lol: :lol:

Gut beobachtet! 8)
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Finde ich jetzt auch derb zu sagen, dass dies - wenn dem so ist - nur "gehypte Reitweisen" betrifft. Und auch, dass es keinen mehr gibt der es ausbilden kann.

Rückwärtsgalopp ist etwas, dass glaube ich kein Otto-Normal-Reiter daheim nutzt. :roll: Sinnhaftigkeit begründet sich wahrscheinlich wirklich auf "Ich kanns" und "wurde früher mal gemacht". Das ist jetzt aber nicht die gesamte hohe Schule, oder?

gawan, hat das gut erklärt. Es gibt sie in jeder Reitweise. Während die der "gehypten" (auf die hier wohl angespielt werden) eben hübsch mit Barockkandare auf der Stelle traloppieren wollen, kann man sie beliebig bei der anderen durch aktive Turnierteilnahme Dank vorherigen "Intensivberitt" oder "Ich-lern-nicht-reiten-sondern-kauf-mir-ein-geflecktes-Pferd-und-reit-nun-mit-Shanks-und-Sporen" ersetzen. Kacke ist alles. 8)
Es grüßt Nadine

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