Reitkurs bei Desmond O’Brien, 2. und 3. Juli 2007

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Josatianma
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Reitkurs bei Desmond O’Brien, 2. und 3. Juli 2007

Beitrag von Josatianma »

Bereits um viertel vor fünf am Montagmorgen klingelt der Wecker. Die Pferde freuen sich sicht- und hörbar über die ungewöhnlich frühe Mahlzeit und sie stören sich auch keineswegs an unserem ausgiebigen Gähnen beim Füttern und Misten. Anschliessend werden die Hühner und die Papageien versorgt und wir gehen mit dem Hund noch einige Meter; danach gibt es auch für uns Frauen Frühstück. Gegen halb sieben, unterdessen bedeutend wacher und voller Vorfreude, machen wir uns ans Verladen der Pferde – auf nach Horgenberg, zum Reitkurs mit Desmond O’Brien! Am Sonntagabend schon hatten wir Hänger und Auto gepackt und unsere Pferde sogar noch gewaschen; Gitano und Bella hatten in ganzer Pracht geglänzt: Er wie mattes Silber, sie wie schimmernde Bronze. Jetzt am frühen Morgen ist davon aber nichts mehr zu sehen; der Himmel ist dicht verhangen und kaum haben wir beide Pferde im Hänger, was zum Glück nur wenige Minuten dauerte, fallen auch schon die ersten schweren Regentropfen. Puh, das war knapp gewesen! Durch den immer schlimmer werdenden Regen dauert unsere Fahrt aus dem Bündnerland in Richtung Zürich dann aber fast zwei Stunden. Kurz vor unserer Ankunft in Horgenberg lässt der intensive Regen aber zum Glück etwas nach, und so können wir zumindest trocken ausladen. Die zwei provisorischen Boxen für unsere Pferde sind schon vorbereitet. Es war gar nicht so einfach gewesen, eine Unterkunft für den Kurs zu finden. Wenn man mit einem Hengst kommen will, dann ist das halt schon nicht so leicht… Aber Alex hat sich bereit erklärt, für uns zwei Boxen aufzubauen, und er hat uns auch angeboten, auf dem Hof zu schlafen, was wir natürlich dankend angenommen hatten. Für den Kurs angemeldet war ja nur Gitano; Bella kam zum Händchen-Halten mit. „Wenns em Bueb hilft…“, hatte Alex gemeint. Eigentlich hatte meine Kollegin vorgehabt, allein mit Gitano herzufahren. Früher war er mit ihr auch durch die halbe Welt gereist, oft auch ohne Bella. Aber seit er Papa geworden ist und ausserdem noch den Stall gewechselt hat ist das alles nicht mehr so einfach. Wir sind zwar dran, ihn nun auch wieder allein zu arbeiten und es wird auch immer besser, aber es wäre wirklich schade gewesen, nun auf dem Kurs ein verspanntes und nervöses Pferd zu riskieren. Also kam Bella mit! Sie fand es Klasse, mal wieder so etwas zu erleben; früher war sie auch oft unterwegs gewesen. Jetzt ist sie 22 – 22 Jahre alt und kein bisschen müde!

Wir stellen die Pferde also in ihre Boxen und fahren dann mit dem Auto die kurze Strecke zur Anlage, wo der Kurs stattfinden sollte. Die erste Teilnehmerin arbeitet eben ihren Lipizzanerwallach am langen Zügel. Die zweite Teilnehmerin können wir uns dann nicht mehr ansehen, da wir in den Stall zurückkehren und die Pferde vorbereiten müssen. Die haben sich in ihrem provisorischen Daheim für die zwei Tage schon gut eingelebt. Gitano geniesst die vielen Frauen um sich herum, Bella hingegen, daheim einzige Stute zwischen insgesamt drei Hengsten und zwei Wallachen, muss ihren Mann ständig ermahnen, dass er zu ihr gehören würde. Tja, einmal umgekehrte Rollen…
Unterdessen hat es wieder zu regnen begonnen. Ich schwinge mich auf mein Pferd und helfe dann meiner Kollegin, ihren Mantel so zu drapieren, dass der wertvolle alte Damensattel nicht nass wird. Der Ritt zur Reitanlage hinunter dauert knapp zehn Minuten. Eben wird mit einem Fuchs und seiner Reiterin an Piaffe und Levade gearbeitet. Wir drehen noch einige Runden auf der weichen Sandbahn um den Springplatz. Der Regen war wieder stärker geworden; sämtliche Zuschauer hatten ihre Plätze verlassen. Einsam stehe ich also am Reitplatzrand, Bella neben mir angebunden. Ich hatte den Mantel meiner Kollegin über ihren Sattel gelegt und mich selber eng in meinen eigenen gewickelt. Reitunterricht im Regenmantel geht einfach nicht, denn da sieht man ja nichts. So wird die arme Reiterin heftig durchnässt, ebenso wie auch Desmond, der nur eine Regenjacke trägt. Auch den Damensattel schützt nun nichts mehr.
Gitano geht zunächst ziemlich verspannt. Desmond hatte nach der Zielen meiner Freundin gefragt und danach sollte sie einfach mal reiten. Sämtliche Seitengänge im Trab, Traversale in der Passage, ein wenig Galopparbeit. Sie nehmen sich dann der Piaffe an – einer Lektion, die Gitano ziemlich langweilig findet. Alles, was nach oben geht – sei das nun die Passage oder Ansätze zur Levade – findet er Klasse, aber Trab auf der Stelle? Desmond unterstützt vom Boden aus – und macht etwas zu viel des Guten! Energisches Schnalzen – und Gitano erhebt sich zunächst vorsichtig auf die Hinterhand, nachher sogar gerade nach oben. Okay, also vorsichtiger. Desmond bemüht sich sichtlich, das Schnalzen, das Gitano als Zeichen zum Steigen kennt, zu unterlassen. Nicht immer gelingt es ihm – die Macht der Gewohnheit ist stark –, aber zunehmend arbeitet der Hengst konzentriert mit. Einige Piaffetritte geraten sehr schön; Schrittpirouetten sollen auf das Thema Galopppirouetten, das am Nachmittag mit eingebaut werden soll, vorbereiten. Ich bin sehr zufrieden mit der Unterrichtseinheit, meine Kollegin nicht so ganz, was aber sicher auch damit zusammenhängt, dass sie bis auf die Haut durchnässt ist und friert. Nach dem Absatteln und Versorgen der Pferde ziehen wir uns erst mal um, danach fahren wir ins Restaurant, wo das gemeinsame Mittagessen stattfindet.

Am Nachmittag sehen wir uns wieder der Lipizzaner an: erste Seitengänge am langen Zügel im Schritt und Trab. Das Pferd ist zwar nicht mehr ganz jung, seine Besitzer haben ihn aber ziemlich verritten übernommen und wollen nun nochmals ganz zurück zu den Basics. Schön, wie aufmerksam er mitarbeitet! Auch Gitano ist am Nachmittag besser bei der Sache. Wieder Piaffearbeit, zusätzlich möchte meine Kollegin sich nun auch noch an die Pirouetten wagen. Sie beschreibt Desmond Gitanos Galopppirouetten als „sehr spanisch“: Statt Sprung um Sprung zu machen, kommt er gerne den Hilfen zuvor, wirft sich herum, macht sich steif. Meine Freundin ist daher froh, das Thema im Kurs thematisieren zu können und daran zu arbeiten. Vorbereitend fordert Desmond Schritt- und sogar Piaffpirouetten. Letzteres hat Gitano noch nie gemacht. Seine Reiterin ist überglücklich, als einige ganz schöne Tritte gelingen. Auch die Galopppirouetten verbessern sich sichtlich; Sprung um Sprung tasten sie sich heran. Desmond setzt die Pirouetten auch als Hauptthema für den nächsten Tag auf das Programm; er schlägt vor, dass meine Kollegin morgen Vormittag im Herren- statt wieder im Damensattel kommen solle. Zum Schluss dieser Einheit möchte er nun noch einen fliegenden Wechsel sehen und ein wenig Passage. Beides wirkt noch in wenige Minuten hineingezwängt und kommt nicht wirklich befriedigend heraus, trotzdem ist meine Kollegin ganz glücklich. Gitano ging lockerer als am Vormittag, er hat gut mitgearbeitet; sie ist sichtlich stolz auf ihn.
Es folgt die abendliche Theorieeinheit, bei der Desmond auf Fragen antwortet, welche die Teilnehmerinnen der Kursorganisatorin per Mail zuschicken konnten. Die anschliessende offene Diskussion wird auf das Nachtessen im Restaurant verlegt. Der Abend zieht sich in die Länge, ist aber super gemütlich und lehrreich. Irgendwann bin ich aber nicht mehr aufnahmefähig; der Tag ist lang und intensiv gewesen. Gegen halb elf endlich können wir ins Bett fallen. Beide schlafen wir tief und fest im weichen, antiken Bett im Gästezimmer auf Alex‘ Hof.

Am Dienstagmorgen werden erst die Pferde versorgt und gemistet. Mehrere Stuten im Stall sind hochrossig. Gitano ist im Glück, Bella fühlt sich gestresst. Ach, Männer… Alex‘ Frau hat uns ein wunderschönes und ausgiebiges Frühstück gerüstet. Wir fühlen uns super verwöhnt und können gar nicht genug für die tolle Bewirtung danken. Um halb neun müssen wir dann auf dem Reitplatz sein. Desmonds Reitkurse beinhalten immer eine sportliche Theorie, die gestern Abend zu dem Zeitpunkt stattgefunden hatte, als wir mit unseren Pferden heimgeritten waren. Extra für uns beide hat er nun aber am Dienstagmorgen noch eine Kurzeinheit eingelegt – ein Service, den wir zu schätzen wissen! Das Thema sind Galoppwechsel und Pirouetten. Ersteres selber zu laufen klappt gut, letzteres finde ich gar nicht so einfach. Ich bekomme beinahe einen Knoten im Hirn, als ich in der Überzeugung, Pirouetten zu springen, ständig Traversvolten vorführe. Nicht so viel denken, machen! Wie sehr ich diesen Spruch doch kenne, der auch jetzt wieder von meiner Kollegin, die ja auch meine Reitlehrerin ist, kommt. Desmond führt meinen Körper, während ich es endlich mal schaffe, eine Pirouette zu springen – immer nach links, wohlgemerkt, meine gute Seite. Ich fühle mich ein bisschen überfordert, versuche zu spüren, was mir nicht immer 100%ig gelingt. Auch bei meiner Kollegin sieht man sehr deutlich, dass ihr eine Seite bedeutend leichter fällt.

Um neun beginnt dann die Arbeit mit den Pferden. Heute ist zusätzlich zu den sechs Pferden von gestern auch noch eine Friesenstute dabei, deren Besitzerin am letzten Kurs schon mitgemacht hat. Deutlich sieht man, dass an den Themen, die sich beim letzten Kurs herauskristallisiert haben, gearbeitet wurde: Der Takt der Reiterin ist besser, das Pferd läuft lockerer. Jetzt nimmt sich Desmond das Tempo vor, schwingt sich auch selber in den Sattel. Nach einem zackigen, aber entspannten Galopp schnaubt die Stute in schöner Dehnungshaltung ab. Nach der Friesenstute sehen wir noch einige Minuten dem Lipizzaner zu, dann müssen wir wieder los. Meine Kollegin nimmt für diese Unterrichtseinheit wie gestern besprochen den Herrensattel. Am Himmel zeichnen sich nun sogar einige blaue Flecken ab; wir reiten ohne Regenmäntel los und haben Glück mit dem Wetter.
Erstes Thema ist wieder die Piaffe. Gitano macht sie wunderschön gesetzt und locker; zweimal, und gut ist. Also Übergang zu Thema Nummer zwei, der Pirouetten. Meine Kollegin soll eine ganz bestimmte Übung reiten: eine Art Quadratvolte mit geradem Pferd, in den Ecken aber gegen aussen hin zunächst Traversvolten, diese sollen nach einigen Ansätzen zu Pirouetten ausgearbeitet werden. Sie muss sich darauf konzentrieren, möglichst viele Sprünge zu machen. So kommt Gito weniger ins Werfen, muss sich mehr setzen und kommt überhaupt mal mit der Vorhand mit. In seinem Übereifer beginnt er nun aber damit, auf der Geraden hinten ständig umzuspringen; die Pirouetten aber gelingen immer schöner, aber noch nicht optimal. Desmond setzt sich in den Sattel. Feinfühlig gibt er die Galopphilfe, locker geht Gitano vorwärts. Man sieht, wie Desmond jeden einzelnen Galoppsprung konsequent fordert, ihn gar nicht hinten umspringen lässt. Toll sieht es aus! Auch die Pirouetten sind weich und fliessend.
Bella steht etwas verloren am Anbindebalken. Zweimal wiehert sie sehnsüchtig; es ist klar: Sie möchte auch etwas tun. Ich versuche sie zu trösten und verspreche ihr, dass sie beim nächsten Kurs mitmachen dürfe, zusammen mit mir.

Nachdem wir die Pferde hochgebracht und versorgt hatten, sehen wir noch einem Paso Ibero mit seiner Reiterin zu, die wir auch beim letzten Kurs, wo wir zugesehen hatten, schon kennen gelernt hatten. Ein sehr sympathisches Pferd: feingliedrig, aufmerksam, willig. Desmond arbeitet mit seiner Reiterin an den Seitengängen in allen Grundgangarten. Man sieht, wie das Pferd Spass an der Sache hat. Danach geht es zum Mittagessen ins Restaurant. Ich und meine Kollegin müssen schon wieder vom Essen aufstehen, als noch gar nicht alle fertig sind: Sie ist die zweite Reiterin am Nachmittag; jetzt ist wieder der Damensattel dran. Die Übung mit der Quadratvolte wird nun auch im Damensattel geritten. Schön, welche Fortschritte Gitano macht! Pferd, Reiterin und Ausbildner sind sichtlich zufrieden. Meine Maus am Rand des Platzes ist wieder etwas unwillig; sie scharrt, möchte arbeiten. Als Gitano fertig ist, fordere ich meine Kollegin auf, noch eine Runde auf der Sandbahn zu traben; Bella will etwas tun! Ihr gefällt es; im Gegensatz zu Gitano und seiner Reiterin, aber auch im Unterschied zu mir wirkt Bella noch sehr fit.

Zurück auf Alex‘ Hof versorgen wir die Pferde und fahren dann nochmals auf die Anlage hinunter. Der Himmel ist wieder wolkenverhangen; die ersten Tropfen fallen, kaum dass wir angekommen sind. Jetzt ist der Fuchs dran, den wir am Montag bei der Arbeit an Piaffe und Levade gesehen hatten. Er ist auf Kandare gezäumt, verkriecht sich aber gern etwas. Desmond fordert weniger Stange, mehr Trense; die Aufrichtung wird schöner, freier. Das Pferd tritt toll unter, die Seitengänge sind harmonisch und schwungvoll, Piaffe und Levade schön gesetzt. Der Regen wird immer stärker. Nach dieser Reiterin verabschieden wir uns. Es ist bereits nach 16 Uhr. Zum Verladen, Aufräumen und Heimfahren müssen wir auch nochmals einige Zeit einrechnen. Wir danken Alex für die liebevolle Gastfreundschaft und melden uns bei ihm schon mal provisorisch an für nächstes Jahr, wann der nächste Kurs mit Desmond stattfinden würde. Auf der Heimfahrt meint meine Kollegin, sie sei stolz auf ihr Pferd – darauf, wie er das gemeistert habe. Ich merke an, sie dürfe ruhig auch stolz auf sich sein.
Wir reden wenig auf der Heimfahrt; beide sind wir müde. Ich lehne mich in meinem Autositz zurück und beginne, ein wenig vor mich hin zu träumen: ich und Bella bei Desmond im Kurs. Wie hatte meine Kollegin zu Desmond beim Abschied gesagt? „Nächstes Jahr lernst du auch noch meine Stute kennen!“ Seine Antwort darauf war gewesen: „Soll das eine Drohung sein?“ Ich lächle vor mich hin; ich freue mich auf nächstes Jahr! „Bis dahin beherrsche ich das Schulterherein!“, sage ich zu meiner Kollegin. Sie schaut mich streng an: „Na, hoffentlich!“, meint sie. Eigentlich hat sie ja recht, denke ich; meine Pferdeprofessorin und meine anderen Lehrer werden mir das schon beibringen können. Wenn ich daran denke, was ich in diesen zwei Tagen allein vom Zusehen mitnehmen konnte – wie wird es dann erst mit meiner vierbeinigen Professorin sein?

Hier noch einige Bilder:

Gitano am Sonntagabend vor dem Kurs
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Piaffe unter dem Damensattel
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Bella am Anbindebalken vor dem Reitplatz
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Gitano Kopfportrait
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Autor: bea
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bea
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Beitrag von bea »

Hier gibt es übrigens noch mehr Bilder vom Kurs - allerdings nicht von mir - zu sehen:
http://pferdefotos.stall-etzliberg.ch/g ... l1_15.html
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Meg
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Beitrag von Meg »

toller Schimmel!!!!

Warum sind denn da von Bella keine weiteren Bilder???

Danke für den Bericht!

LG
Meg
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bea
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Beitrag von bea »

Danke, Meg! :)

Von Bella gibt es daher keine Bilder auf der Homepage, weil wir ja eben nicht am Kurs teilgenommen haben. Hihi, aber Gitano hat der Fotographin offensichtlich auch gefallen - er ist bei Weitem am häufigsten abgelichtet. :wink:

LG, Bea
Reiten heisst: sitzen - fühlen - denken.
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