Versammlung im Stand

Rund um die klassische Reitkunst

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Nadja
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Versammlung im Stand

Beitrag von Nadja »

Erarbeitet jemand von Euch die Versammlung im Stand?
Ich glaube F. Baucher (oje, wie schreibt sich der gute Herr?) arbeitet danach. Wie wird diese Phase zuvor aufgebaut?
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pepe
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Beitrag von pepe »

*räusper* Versammlung im Stand kanns doch garnicht geben, da dies Bewegung voraussetzt, der von allen so oft missachtete Schwung. Ich kann im Stand nur Körperpartien manipulieren. Steinigt mich bitte, aber das ist meine Meinung.
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

*räusper* Außer es ist die Levade gemeint? Da steht das Pferd ja auch... Aber Danny hat aus meiner Sicht recht
Liebe Grüße
Susanne
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Kommt darauf an wie man Versammlung definiert Pepe! Versammlung=Gleichgewicht (Balance) und gleichmäßige Gewichtsverteilung auf alle 4 Hufe oder sogar Richtung Hinterhand, dann würde ich sagen unbedingt gibt es Versammlung im Stand!!

Und was ist für dich Schwung? ......Bewegung? Geschwindigkeit? Prompte Reaktion, also der Wille ein Vorwärts auszuführen? Für mich ist sicher Schwung eine Voraussetzung für Versammlung in der Bewegung, aber ich würde nicht Behaupten das ein Pferd das einen Versammelten Schritt geht und plötzlich stehenbleibt, nicht mehr versammelt ist.

lg isomer
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pepe
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Beitrag von pepe »

*breitgrins* Klar, jetzt komm ich mit meiner Korinthen-K*ckerei daher weil mir wieder die Definition missfällt. Aber sei's drum: Auffassungen gibt es Unterschiedliche, und wir alle werden trotzdem ähnlich arbeiten!
So, nun die Franzosen- Reiter, die Baucheristen, ran! Antwortet, ihr Gutsten!
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Nadja
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Beitrag von Nadja »

Danke ja, doch noch richtig verstanden! :wink:
Ein Pferd im Stand ohne Bewegung in die Versammlung zu bringen, genau so mein ich das.

Niemand hier, der sich damit auskennt? :(
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Hmmm
Was willst Du denn mit der Versammlung im Stand erreichen? Und wozu soll die Übung dienen?
Ich versammle im Stand sehr wohl, um den Widerrist nach oben zu bringen und damit dem Pferd das Untertreten vermehrt zu ermöglichen (Achtung, nächste Lawine ist losgetreten :lol: ). Man kann das ganze ja auch mit "unter Spannung" setzen überschreiben, allerdings nicht AN-Spannung. Eher so wie der Sprinter im Startblock, die Spannung soll ja dann auch beim Losreiten nicht verloren gehen. So wie von Isomer beschrieben: Versammlung = Balance, und ohne eine Grundspannung im Körper (die aber nicht ver-oder angespannt sein darf) geht das nicht.
Tja, da hab ich wohl noch nichts geschrieben, wie ich das hinkriege...
Angefangen haben wir mit Übungen am Boden. Pferd hat Trense im Maul, dann wird durch ein Zusammendrücken des Zügels bei gleichzeitiger Führung der Hand am Backenriemen entlang Richtung Ohren das Pferd animiert, zum einen im Maul tätig zu werden (MEGAOBERWICHTIG), zum andern sich anzuheben. Bei kleinstem Erfolg SOFORT loslassen und LOBEN (geht übrigens am besten mit einer Schenkeltrense, da man ansonsten nur das Gebiß durchs Maul zieht). Und so arbeitet man sich dann langsam vorwärts. Gehts im Stand, daß das Pferd grösser wird, wagt man sich an Schritt. Und dann versucht man es eben auch unter dem Reiter (zur Unterstützung am Anfang sicherlich mit den viel zitierten hoch gehobenen Händen des Philippe Karl. Die Hände bleiben aber nicht oben, sondern gehen wieder runter. Nur Unterstützungsmaßnahme). Selbstverständlich ist auch der Sitz wichtig. Nur bei richtig abgekipptem Becken kann das Pferd auch im Widerrist hochkommen und oben bleiben. Das ganze ist irre anstrengend, man darf also nicht zu viel verlangen - sowohl Muskel- als auch Kopfmässig. Viel üben und jeden Tag etwas mehr, ausreichend Pausen - ein langer Weg.
Ich hoffe, es hat getroffen, was Du wissen wolltest.
Anderweitige Ideen?
Grüsse von
ottilie
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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Nadja
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Beitrag von Nadja »

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Buchbeschreibung
François Baucher - Enfant terrible oder Genie?
François Baucher (1796 - 1873) war ein Reformer, der die Reitkunst neu erfinden wollte. Sein System stützte sich auf die Grundsätze: Balance war vor der Bewegung zu erreichen und galt ihm als Voraussetzung, bevor überhaupt in der Bewegung mit dem Pferd gearbeitet wurde; Bein- und Handeinwirkungen waren zu trennen, nie sollte das Pferd durch gleichzeitiges Treiben gegen eine harte (bremsende) Hand verwirrt werden; die Nachgiebigkeit und Beweglichkeit des Unterkiefers ist Ausweis für das Erreichen von Balance und Entspannung, ohne die weitere Arbeit nicht möglich ist. Endziel ist die "Leichtheit" des Pferdes gegenüber allen Hilfen. Um diese Ziele zu erreichen, bediente er sich verschiedener Lockerungsübungen (Flexionen) vom Boden und vom Sattel aus, zunächst im Halten, später in langsamen Gangarten, mit denen er Unterkiefer, Genisck, Hals und damit den gesamten Rücken und Kruppe geschmeidig, entspannt und beweglich machte. Mit dieser neuen Philosophie provozierte Baucher im 19. Jahrhundert nicht nur seine Zeitgenossen. Bis zum heutigen Tag stiftet sein Versuch der Neuerfindung des Reitens Verwirrung. Es ist der Verdienst Jean-Claude Racinets, die zum Nachdeneken anregenden Erkenntnisse Bauchers, basierend auf eigener, langjähriger Erfahrung als Reitlehrer und Pferdeausbilder der französichen Schule, erstmals in Theorie und Praxis für den heutigen ambitionierten Reiter anschaulich, aber auch kritisch von allen Seiten beleuchtet und aufgearbeitet zu haben. Jean-Claude Racinet hat sich dem "Reiten in Leichtheit" verschrieben, basierend auf den Lehren von de la Guérinière und Baucher, das die Balance durch Entspannung des Pferdes, insbesondere des Maul-Kopf-Bereiches, fördern will und Kraftanwendung beim Einsatz der Hilfen ablehnt. Eine Philosophie, die in der Tat den Kern der französischen Reittradition ausmacht.


Mein RL hat scheinbar das Buch gelesen und fährt nun voll auf dieser Schiene. Er hat uns dann heute diese Hausaufgabe mitgegeben. Nun ja, meine Fragezeichen dazu kamen mir dann auf der Heimfahrt (wie typisch :roll: ). Ich kann irgendwie nicht wirklich dahinter stehen. Bei mir kommt hier natürlich durch mein medizinisches Hintergrundwissen Skepsis auf: Wie sollen Irritationen in der HWS verhindert werden? Dies soll durch genügend Gelenkflüssigkeit geschehen. Diese bildet sich jedoch bekanntlich in der Bewegung...

Ich gehöre sonst ja eigentlich zu den gut- und leichtgläubigen Reitschülern (jedenfalls im Vordergrund, im Kopf brodelt es manchmal gewaltig) und hinterfrage so gut wie nichts öffentlich. Wenn ich alles erläutern würde, ich glaube der Ärmste hätte seinen Job längst an den Nagel gehängt... :wink: ...aber ich werde ihm in den nächsten Tagen mal meine Gedanken dazu mitteilen --> das ist wirklich das erste Mal, dass ich sowas mache! :oops:

Ich dachte ich hätte da evtl. was falsch verstanden und jemand von Euch könnte mir noch den Wind aus den Segeln nehmen... :wink:
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Naja, das Baucher-Buch von Racinet ist ein wunderschönes Buch - ich lese immer wieder gerne drin. Am Besten gefällt mir die Geschichte von dem einen Reiter in Saumur (?), der sein Pferd stundenlang im Stand bearbeitet hat (wohl aber nicht unbedingt für alle erkennbar, weswegen es einen Anklang von Meditation zu Pferde hatte ).
Aber für die praktische Umsetzung gestehe ich meine Kleingeistigkeit: So wunderbar ich die (theoretische) Idee, Balance vor die Bewegung zu setzen, auch finde, in der Praxis ist mir ein ordentlicher Galopp durchs Gelände lieber :?

LG A.
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Nadja
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Beitrag von Nadja »

dshengis hat geschrieben:Naja, das Baucher-Buch von Racinet ist ein wunderschönes Buch - ich lese immer wieder gerne drin. Am Besten gefällt mir die Geschichte von dem einen Reiter in Saumur (?), der sein Pferd stundenlang im Stand bearbeitet hat (wohl aber nicht unbedingt für alle erkennbar, weswegen es einen Anklang von Meditation zu Pferde hatte ).
Aber für die praktische Umsetzung gestehe ich meine Kleingeistigkeit: So wunderbar ich die (theoretische) Idee, Balance vor die Bewegung zu setzen, auch finde, in der Praxis ist mir ein ordentlicher Galopp durchs Gelände lieber :?

LG A.
Danke für deine Antwort. Bin wirklich froh um andere Überlegungen.
Dann sollte es sozusagen ja fast wie "Yoga für Pferde" sein?! :lol: :wink:
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kiki
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Beitrag von kiki »

Meinst du mit der Versammlung im Stand, die Übung der Flexion?

Wenn du das so betitels, bekommst du vielleicht mehr Antworten, da einige hier davon Ahnung haben.

Ich habe davon leider nicht so viel Ahnung, soviel ich weiß, ist die Flexion eine allgemein bekannte und wichtige Übungung bei der französischen klassischen Reiterei, zum lösen des Unterkiefers.

Ich hatte ja gerade den Racinet Kurs als passiver Teilnehmer einen Tag besucht ( franz. Klassisch und vorher nur BB reitweise kannte )
und er im Stand bei dem einen oder anderen Pferd auch solche Übungen gemacht hat ( wenn ich das richtig Interpretiere ) da er dazu leider keine näheren Erläuterungen geben hat, es für mich aber so aussah.
Mehr kann ich dazu leider nicht beisteuern.
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Nadja
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Beitrag von Nadja »

Jein, ich meine damit eigentlich nicht nur die Flexion, kann aber dann ein weiterer Schritt sein um zu lösen. Es geht mehr darum, mit dem Heben der Hände das Pferd zum Abkauen zu bringen, das Genick zu heben um es dann zu kippen und sich zu versammeln.
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Klingt ein bisschen wie der Ansatz zum Rückwärtsrichten á la Karl...
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Ich denke es geht darum den UK zu lösen und die Widerrist anzuheben, wie Racinet es in seinem Buch beschreibt. Daraus soll die Versammlung entstehen, soll bedeuten das Pferd wird vorne höher und freier und ist in der Lage die Hinterhand einzusetzen.

Das ist jetzt etwas grob beschrieben und ich denke du solltest das Buch lesen damit du den theoretischen Hintergrund besser verstehen kannst.


gruß isomer
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horsman
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Beitrag von horsman »

Nenn es "Versammlung" oder nenn es wie Du sonst willst.

Übungen im Halten machen (richtig ausgeführt) m.E. schon Sinn, und können m.E. Versammlung i.S. einer besseren Gewichtsverteilung auf alle 4 Füsse und eines schöneren Hinterhandsgebrauch auch vorbereiten und wiederherstellen.

Es gibt dazu verschiedene Übungen, z.B. Halsflexionen, Halsaufrichtung, Bergziege usw. Sie haben immer (wenn korrekt angewandt) einen gymnastischen Effekt, einen lösenden Effekt (Schlüsselstelle Unterkiefer!) und auch einen Effekt auf den Lernprozess.

Für Baucher war das Arbeiten im Halten insofern Grundlage, als dass er dabei die Kraft (die das Pferd gg. den Reiter ausüben könnte) von der Bewegung trennt. Er war der Ansicht, dass dem im Halten gewonnen besseren Gleichgewicht "nur" noch wieder die Bewegung (Tröpfchen für Tröpchen) hinzu gefügt werden muss (Thai Chi lässt grüßen).
Inwieweit er das vielleicht auch übertrieben hat und ob es bei ihm funktionierte...wer weiß das schon.

Für mich ist dieser Gedanke aber durchaus wichtig. Wenn man z.B. im Halten den Unterschied erfühlt, ob das Pferd besser oder schlechter gleichgewichtet steht, kann man dieses Gefühl in die darauf folgende Bewegung mit nehmen, bzw. man kann beim zufügen der Bewegung erfühlen wann und wo das GW ev. verloren geht. Das war für mich ein echter Aha-Effekt. Plötzlich kriegt die ganze Parade (die ja auch im FN-Lehrgebäude eine wichtige Rolle spielt) eine ganz neue Dimension, usw.

Anderes Beispiel: ein Pferd welches beim Aufsteigen nicht stehen bleiben will. Früher dachte ich immer, der will halt los, Laufbedürfnis, Stalldrang usw.
Seitdem ich Bauchers Ideen etwas verinnerlicht habe, habe ich eine andere Theorie. Das loslaufen bedeutet Verlust von Gleichgewicht in Richtung nach vorne (ausgelöst durch den aufsteigenden Reiter), welches das Pferd ausgleichen muss. Daraus ergeben sich völlig andere Korrekturansätze. So achte ich z.B. vor und während des Aufsteigens schon auf Herstellung und Erhalt eines "guten" Gleichgewichts. Und: es funktioniert, das Pferd steht still und ich kann den Zeitpunkt des losreitens selbst bestimmen.

Ein Pferd im Halten in ein besseres Gleichgewicht hin zu stellen (z.B. auch dei der Bodenarbeit), kann schon eine recht anspruchsvolle Übung auch für das Pferd sein, welches ihm einiges abfordert (muskulär und auch von Kopf).

Fazit: Das Halten und Übungen im Halten bekommen im baucheristischen Gedankengut eine völlig neue Dimension, die nicht unterschätzt werden darf und womit es sich lohnt mal zu beschäftigen.
Sicher aber wird man ein Pferd nicht ohne Bewegung ausbilden können und letztlich zeigt sich die Qualität der Arbeit natürlich erst in der Bewegung.

Gruss
horsmän
Zuletzt geändert von horsman am Do, 16. Aug 2007 11:38, insgesamt 1-mal geändert.
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