Ab wann was mit jungen Pferden tun?

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

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Medora
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Ab wann was mit jungen Pferden tun?

Beitrag von Medora »

Nachdem ich neulich in meinem Freiarbeitsthread die Diskussion um dieses Thema etwas abgewürgt hatte und weil es hier an verschiedenen Stellen immer mal wieder hochkommt und z.B. auch schon dieser Link
möchte ich einfach mal dazu eine Diskussion eröffnen.

Die Ansichten darüber, wie jung ein Pferd sein darf, wenn man anfängt, mit ihm was zu machen und auch darüber, was man alles machen kann, sind ja sehr unterschiedlich. Mein Anliegen ist jetzt weniger, dass wir alle unsere verschiedenen Positionen beziehen und die Fronten sich verhärten - ich fände es viel interessanter, einmal die Hintergründe zu erfahren und die möglichen Folgen zu beleuchten.


Meine eigene Einstellung ist da ziemlich strikt. Ich denke, das Pferde mindestens die ersten drei Jahre so weit es geht, "nur Pferd" sein sollten. Idealerweise in einer gemischten Herde. Hin und wieder mal menschlicher Kontakt, also füttern, anfassen, Hufpflege und Gesundheitscheck u.ä. ist selbstverständlich und sie sollten sich natürlich auch halftern und am Halfter führen lassen. Beim ausdrücklichen Führtraining allerdings würde ich dann schon die Bremse ziehen...

Warum sehe ich das so? Weil ich glaube, dass das Allerwichtigste, was Jungpferde lernen müssen, sie am besten von anderen Pferden vermittelt bekommen. Ich glaube, es gibt als "Erziehungsinstanz" nichts Wertvolleres als eine funktionierende Herde und ich halte mich da als Mensch am liebsten raus. Das, was junge Pferde in einer funktionierenden Herde lernen, kann ihnen kein Mensch beibringen und das setzt die Basis für alles Weitere. Und ich bin überzeugt davon, dass Pferde alles, was der Mensch von ihnen will auf einer solch gesunden Basis problemlos lernen.

Um jetzt nicht falsch verstanden zu werden - ich würde nicht sagen, dass es einem anderthalb oder zweijähren wirklich "schadet", wenn ein bisschen Führtraining mit ihm gemacht wird. Das Problem, was ich nur sehe ist, dass es für uns Menschen oft unendlich schwer ist, nicht zu viel zu tun. Viele schaffen sich Jährlinge an und wenn sie denn nun endlich ein Pferd haben, wollen sie auch - durchaus verständlich - was damit tun. Und einsdreifix wird aus dem "bisschen Führtraining" schon Bodenarbeit oder mehr :roll:

Nun interessieren mich Eure Meinungen dazu. Worin seht Ihr die Vor- und die Nachteile des frühen Beginns? Und an die, die schon was mit recht jungen Pferden tun: wie stellt Ihr für Euch sicher, nicht zu viel zu fordern (das wäre für mich eine mordsmäßige Herausforderung!).

Medora,
die hofft, hier jetzt KEIN böses Blut zu schüren, sondern die das Thema ehrlich interessiert
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Jen
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Beitrag von Jen »

würde ich ein Fohlen kaufen, würde ich es bis 3.5j. auf der Fohlenweide (bevorzugt gemischtaltrig, besonders für Hengste/Wallache) lassen, dann ca. ein halbes Jahr am Boden arbeiten und mit 4j. anfangen einzureiten und zwar nicht so, dass es nach 3Monaten schon "alles" können muss, sondern dem Pferd und dem Körperbau entsprechend. Ist ein Pferd vom Körperbau her noch nicht so weit, habe ich kein Problem es bis 4.5j. auf der Fohlenweide zu lassen und es auf der Fohlenweide ab und zu besuchen, zu putzen und ein paar spielerische Bodenarbeitsübungen beim spazierengehen einflechten.

Leila habe ich ja erst mit 4.5j. zu mir geholt und mit 5j. eingeritten. absolut kein Problem und sie hatte auch keinen "Stress" dabei. Natürlich merkt man, dass man keinen naiven youngster vor sich hat, der einfach zu allem ja sagt, aber das finde ich genau gut, denn so muss man sich wirklich überlegen, was man macht! Das Feedback vom Pferd ist mir sehr wichtig.

Dass ein 2jähriger sich, wenn man ihn dann schon nach Hause holt, wie vielerorts üblich langweilt ist ja klar! meistens hat er da ja nicht so viele Spielpartner und Action wie in der herde auf der Fohlenweide. Logisch "hungert" der nach Aufmerksamkeit und Abwechslung! Aber ich halte mich da eher an die alte Regel: früher wurde in der kavallerie das Pferd erst ab dem 4. oder gar erst ab dem 5. Lebensjahr ausgebildet und erst nach zwei Jahren Grundausbildung in den Dienst genommen. ich finde diese Faustregel das Pferd erst nach dem Abschluss des zahnwechsels "richtig" zu arbeiten sinnvoll.
Liebe Grüesslis, Jen
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Ich sehe es genauso. Das Jungpferd sollte möglichst in einer harmonischen Herde mit Altergleichen (aber auch Älteren) aufwachsen. Es soll zu einem gesunden selbstbewußten sozialen Tier heranwachsen - es reicht völlig das es ab und an den Menschen akzeptiert und ihm gegenüber friedfertig und aufgeschlossen bleibt. Alles andere kann ich immer noch beginnen wenn das Tier geistig (!!) und körperlich soweit ist und sich gern auf den Menschen einlässt.

Deswegen verpasse ich nichts und es ist nichts zu spät wenn ich die Arbeit mit einem gut sozialisierten 3, 4 oder gar 5jährigen Pferd beginne. Zeit muss immer da sein.

So hat es immer den Anschein man will was beschleunigen. Wenn das Pferd dann körperlich soweit ist kann ich gleich mit Anreiten loslegen und muss kein halbes Jahr lang erstmal Führ/Longentraining machen ;)

Ich sehe ein das eine gewisse Versuchung da ist dieses kleine Geschöpf komplett auf sich zu prägen, aber ist es nicht viel schöner es ein paar Jahre lang einfach "nur" Pferd sein zu lassen? Der Ernst des Lebens beginnt früh genug - mit Menschen müssen sie sich immer "zusammenreißen" kein Toben kein Zappeln etc. Das find ich arg streng für die jungen Wilden und mühsig. Sollen sie sich die Hörner abstoßen und dann zum langsamen Arbeiten angehalten werden wenn sie soweit sind.

Dabei bin ich mittlerweile als grobe Alterangabe bei frühstens ab dem 3 Lebensjahr angelangt leicht zu beginnen dann einen Sommer wieder frei und dann wieder weitermachen. So würde ich es mit dem Youngster machen der noch auf meinem Wunschzettel steht. Wobei das Alter hier wirklich nach dem körperlichen und geistigen Entwicklung kommt.

Es gibt ein "Kleines Pferde-ABC": Halfter, Anbinden, Hufe geben, Aus nem Eimer fressen, TA und Schmied ranlassen, Artig am Strick laufen ohne den Führer herumzuziehen oder zu "parken". Das reicht um über die ersten Jahre zu kommen ;) Alles andere birgt wirklich die Gefahr der Überforderung. Schrecktraining, Spazieren, Bodenarbeit, gar Longe oder Angurten...alles nicht nötig bevor man nicht wirklich davon ausgehen kann das Pferdchen demnächst einzureiten, und dann sollte man alle Zeit der Welt gepachtet haben. Und wenns Pferdl "schon" 5 ist bevor der erste Ausritt losgeht... :wink:
Es grüßt Nadine

*******************
so schwer wie die freiheit, so leicht ist der zaum der sie hält... (frei nach and one - krieger)
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Jen
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Beitrag von Jen »

Nachtrag: Moik haben wir damals mit 4j. gekauft. Er wurde mit 3j. anscheinend "kurz eingeritten" wurde kastriert ging danach nochmals auf die Weide bis 4j. Wir haben nochmals bei Null angefangen, er konnte überhaupt nichts. Ich will nicht spekulieren woran das lag und ob seine z.T. massiven Abwehrreaktionen auch aufgrund der Ausbildung(sart?) oder seinem Charakter zuzuschreiben waren. Aber Fakt ist: die frühe Ausbildung hat nix gebracht.
Liebe Grüesslis, Jen
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Lesley
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Beitrag von Lesley »

"Meine" Fohlen/Jungpferde hatten immer das Glück, dass sie gleichaltrige Spielkameraden hatten. Es war keine reine Jungpferdeherde, sondern sie liefen bei den anderen mit.

Ich habe die kleinen 1-2x pro Woche rausgeholt: putzen, Hufe geben, anbinden lassen und kleinere Spaziergänge (10-20 Min.).
Ca. 3jährig dann erstmals Trense, Longiergurt und langsame Gewöhnung ans Longieren.
Wobei ich da bei dem Zeitpunkt nicht sooo viel mitzureden hatte, weil mir die Fohlen nicht gehörten. Das Anreiten hat dann unsere Trainerin übernommen, aber ich habe sie trotzdem noch regelmäßig rausgeholt und "Arbeit an der Hand" gemacht (nicht im klassischen Sinne, sondern eher Führtraining, Scheutraining, bisschen Stangengewöhnung).
"Wissen, das nicht jeden Tag mehr wird, wird jeden Tag weniger!"
(Chin. Sprichwort)
Esprit05

Beitrag von Esprit05 »

Ich gehöre ja zu der Fraktion, die das junge Pferd zwar erst (?) ab vier anreiten wollen, vielleich auch noch später, aber vorher trotzdem schon etwas mehr als das "kleine Pferde-ABC" machen.
Ich muss zugeben dass es mir auch etwas schwer fallen würde die ersten vier Jahre gar nichts mit meiner Kleinen zu machen. Aber ich denke auch, dass etwas Schrecktraining und Führtraining, z.B. in Form von Spaziergängen oder einfach etwas "Schlimmes" mit auf die Weide nehmen, nicht schaden solange man das Pferd nicht überfordert. Jeden Tag würde ich das auch nicht machen und auch nicht allzu lange. Aber ich glaube, dass mein Pferd auch wegen dieser Vorarbeit (ist bei mir eigentlich nur Spazierengehen, Putzen und ab und zu Handpferdereiten) so gelassen ist wie es jetzt ist. Natürlich spielt auch der Charakter eine Rolle, aber sie ist beim Schmied z.T. ruhiger als die 10 jährigen. Auch solche Sachen wie TA-Besuche, Wurmkuren geben und Verladen finde ich wichtig von Anfang an gelassen zu meistern. Ich habe allerdings ja auch nicht den Vergleich zu einem Pferd, mit dem die ersten Jahre nichts gemacht wurde.
Generell denke ich dass es nicht schadet wenn das Pferd schon früh mit Menschen in Kontakt kommt, Vertrauen aufbauen kann und eine gewisse Grunderziehung durchläuft. Andererseits kann man als Unerfahrener natürlich auch schnell ein junges Pferd verderben...
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Etienne
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Beitrag von Etienne »

Tolles Thema!

Ich habe beide Pferde im Babyalter gekauft. Esprit mit 1,5 Jahren und Gigolo als Absetzer. Esprit wurde mit etwas über 3,5 Jahren anlongiert und angeritten.
Wie ich das bei Gigolo handhaben werde, bin ich mir noch nicht so ganz einig und freue mich auf eure Erfahrungsberichte. Er hat auf jeden Fall noch viel Zeit, er ist ja erst 1,5 Jahre.
Sicher ist, dass ich viel mehr Boden- und Handarbeit zu Beginn mit ihm machen möchte. Leider stand das Thema bei Esprit nicht so im Vordergrund, weil ich es einfach nicht besser wusste.
Zur Zeit mache ich mit Gigolo noch gar nichts (außer putzen) und empfinde das auch als richtig. Er steht mit gleichaltrigen, jüngeren und auch älteren Pferden in einer Offenstallherde und fühlt sich da auch wohl.
Bin gespannt auf Eure Berichte.

Sus
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Immer wieder ein schwieriges Thema, bei dem sich schon seit Jahrhunderten die Geister scheiden. Es scheint somit auch kein wirkliches Erfolgsrezept zu geben...

Mein Araber stammte aus einem Stall, der leider alles andere als für eine Aufzucht geeignet war. Wir mußten mit den Absetzern täglich über eine gut befahrene Straße zur Koppel, da mußte schon mehr als das Grund-ABC sitzen. Der Stallumzug war unter diesen Umständen unumgänglich.

Zweiter Impuls für mehr Beschäftigung gab mir mein Huforthopäde, der sich mit Erfolg den problematischen Hufen und deren Auswirkungen bis zu den Karpalgelenken annahm und mir seine bewegungstechnischen Grundlagen verklickerte. Evtl. eine Folge der nicht optimalen Bewegung nach dem Absetzen. Die Vorderhufe entwickelten sich durch seine große Schiefe sehr ungleich, sie waren sehr zehenweit und er federte stark in den Fesseln. Das Standbein beim Grasen mutierte zum Bockhuf. Der HO riet mir als Unterstützung zu regelmäßigen Laufen über verschiedene Böden und bergauf und bergab. Dem konnte ich 1-2 mal die Woche in Form von Spazierengehen nachkommen. Mit langen Graspausen machte ich ihm die Sache schmackhaft :) War alles sehr zeitintensiv, aber wenn Bewegung dann ruhig und mit vielen Pausen. Heute steht er vorne in einer Linie und die Drehung wurde minimiert. Ein kleiner Nebeneffekt ist, dass er ein hohes Selbstvertrauen bekommen hat und ich mich allein mit ihm überall hinbewegen kann, was selbst unter Reitpferden keine Selbstverständlichkeit ist.

Eine optimale Aufzucht gibt es für mich in der Steppe in einer Familienherde mit vielen Umweltreizen und jede Menge Bewegung auf unterschiedlichen Böden. Wir können dem sowohl sozial als auch körperlich nur ungenügend nachkommen incl. der hohen späteren Anforderung, die für das Pferd artuntypisch sind. Die mitteleuropäischen Böden sind dazu einfach zu weich, so dass ich die Notwendigkeit sehe, entweder durch gutes Weidemangement (lange variationsreiche und bewegungsanregende Koppeln, Keniamodell) oder durch menschliche Unterstützung 1-2 wöchentlich (Handpferd, Spazierenreiten) den Körper entwickeln zu lassen, auch eben gerade für die spätere Eignung als Reitpferd immer mit Rücksicht auf Erholung und Wachstumsschüben. Tiefe Schlammböden bei deutschen Nieselwetter sind anstrengend und leider nicht bewegungsmotivierend. Selbes gilt für fette und satte Graskoppeln. Gerade nicht optimal gebaute Pferde wie mein Araber ziehen da sehr schnell den kürzeren mit langfristigen Auswirkungen eben im Bewegungsapparat, die irreparabel sein können. Über eine artgerechte Haltung einer gefestigten Herde, die ihren eigenen Tagesablauf lebt, gibt es nicht zu streiten. Sollte allerdings nicht nur für Jungpferde gelten ...
Die Menschenprägung findet teilweise fast überall automatisch statt und sollte mit erzieherischen Grundregeln ablaufen. Mehr ist nicht notwendig, falls das Pferd nicht wirkliche Probleme im Alltag macht, sich sehr scheu oder unsicher gibt. Die Gewöhnung an den Menschen ist in jedem Alter für ein Pferd artuntypisch, aber ein Kind lernt leichter und schneller...

Die Aufzucht entscheidet vor allem das Pferd mit Hinblick auf seine Schwächen (Körper, Charakter) als auch seine spätere Eignung. Oft kann in einer abgelegenen Jungherdekoppel gar nicht intensiv auf jedes Obacht gegeben werden, die es aber in den entscheidenden Entwicklungsphasen braucht. Ein güter Züchter weiß, wieviel Aufmerksamkeit der Nachwuchs aus der Distanz fordert. Generell zu sagen bis zu einem gewissen Alter ausschließlich auf eine weiter entfernte Koppel halte ich für falsch. Die Kontrolle auf Verletzungen reicht nicht.

Was ich ablehne sind Zirkuslektionen oder andere geistige Arbeitseinheiten binnen 3 Tagen für junge Pferde, unvorbereitete Situationen (TA, Hänger oder Schmied), sowie ein harter Übergang zum Reitpferd. Ihnen sollte immer sowohl körperlich als auch geistig Verarbeitungspausen von mehreren Tagen gegeben werden. Ganz wichtig ist, dass das Pferd während der Aufzucht EINE Bezugsperson hat, um Vertrauen aufzubauen.

Eine sehr schwierige und komplizierte Sache, wenn man jedem Jungpferd gerecht werden will und es optimal entwickeln lassen möchte. Nur Koppel und das Motto: Die Jungpferde werden schon wissen, was für sie gut ist, ist aus meiner Sicht unter den zivilisierten Haltungsbedingungen zu einfach gesagt 8) Aufzucht sollte nicht in einem Glücksspiel ausarten, auch wenn die Kehrseite alles andere als billig oder zeitsparend ist.

Das Thema Einreiten beginnt für mich dann, wenn die Jungpferde- und Aufzuchtphase abgeschlossen ist. Vor vierjährig nicht, aber auch nicht später als fünfjährig, wenn alles gesund und fit ist.

LG Susi
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

Ich habe (besonders aus der Friesenwelt) oft den Eindruck dass viele sich ein Fohlen kaufen, weil der "große" zu teuer ist, aber soooo lange warten will man ja doch nicht also muss der Zwerg schon als Jährling Spazierengehen, Bodenarbeit machen und Zirkuslektionen lernen (damit man eine Beziehung aufbaut). Dabei rollen sich mir die Fußnägel hoch...

Ielke hab ich als Absetzer gekauft. Er stand bis 3jährig im Sommer auf der Hengstkoppel und im Winter mit Kumpel Goya zusammen in einer großen Box.
Fohlen-ABC gab´s weil alle paar Tage mal die Hufe ausgekratzt wurden und mal mit der Wurzelbürste über den Pelz geschrubbt wurde, "Führtraining" fand auf dem Weg von der Box zum Auslauf statt, ähnliches "Dominanztraining" z.B. beim Füttern (bei uns muss man in die Box rein zum Füttern da der Trog nicht von außen befüllt werden kann, wer da aufdringlich ist kriegt auch schonmal nen Klaps auf die Nase).

Kann mich noch erinnern, als Goya und Ielke 2 waren wollten wir mal "Bodenarbeit / FÜhrtraining" auf dem Reitplatz machen. Hm, die beiden waren so brav dabei, dass wir lieber die Stricke abgemacht haben und mit Planen, Gymnastikball etc. rumgealbert haben :D


Zum Thema "Beziehungsaufbau" hab ich auch ein Extrembeispiel, dass keine Baby-Betüddelung nötig ist: Meine Freundin hat vor zig Jahren auf unserem Hof nen 4jährigen als Reitbeteiligung bekommen. War ein junger Wallach, auf der Hengstweide aufgewachsen, mit 3,5 gelegt, wg. Komplikationen lange nix gemacht außer dass er viel in der Klinik war und in seiner Box stand. (Mittlerweile gehört er ihr) Heute kenne ich kaum kein Pferd, dass fixierter auf seinen Zweibeiner ist als Hindrik, ging soweit dass er den damaligen Besitzer nicht mehr ernst genommen hat...
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Newton
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Beitrag von Newton »

Interessantes Thema!
Ich habe damals meinen Haffi als Absetzer gekauft. Er ist mit gleichaltrigen Pferden aufgewachsen, aber ich habe eigentlich von Anfang an fast täglich was mit ihm "gemacht". Das war in der Regel "nur" Putzen, Hufe auskratzen und vielleicht mal den Reitplatz zeigen oder ein paar Minuten spazieren führen. Mit 3 habe ich angefangen, ihn zu longieren und mit 4 habe ich ihn angeritten. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich ihn mit diesem Programm überfordert habe. Er war zwar von Anfang an eher faul, aber ich denke, das war einfach seine Mentalität - er ging halt ökonomisch mit seinen Kräften um 8) ....
Rausgekommen ist bei der Sache ein aufgeschlossenes, immer freundliches, absolut zuverlässiges Reitpferd. Vom Körperbau her war er eher sehr ungünstig, aber das war meine Unerfahrenheit, dass ich das nicht erkannt habe. Wir hatten uns mit der Zeit halt darauf geeinigt, was "wir" :wink: machen konnten und wollten und was nicht.

Meinen Camargue jetzt habe ich mit 4 1/2 Jahren gekauft. Er war da noch absolut roh. Man konnte ihn am Halfter relativ zuverlässig hinter sich herziehen, aber das wars auch schon. Im Prinzip hat er dann das, was ich mit dem Haffi in 2-3 Jahren gemacht habe (also Führtraining, Putzen, Hufe geben und Anfänge vom Longieren und Bodenarbeit) in ungefähr 3 Monaten nachgeholt.

Mein Fazit aus der Sache ist, dass ich nicht glaube, dass man irgendwelche Verluste hat, wenn man das Pferd bis 3 oder 4 jährig einfach auf der Wiese stehen lässt. Ich kann bisher zumindest keinen Nachteil erkennen.

Aber wahrscheinlich ist das auch eine Charakterfrage.
Der Haffi meines Mannes z.B. langweilte sich schon immer, wenn er keine alternative Beschäftigung hatte (außer Wiese und Herde, was er ja eh schon immer hatte - ich glaube, eingesperrt in eine Box, würde der sich und die Box zerstören, aber das will ich lieber gar nicht erst testen).
Er wird dann schnell sehr, sehr lästig - für die Menschen, aber auch für die anderen Pferde. In DEM Fall war es sicher besser, ihn altersgerecht nebenher immer noch ein wenig zu beschäftigen. Aber ich glaube, dieses Tier ist eh eher eine Ausnahme *leichtgenervtguck*....

LG, Nicole
LG, Nicole und der Zauberer von Oz
manu82
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Beitrag von manu82 »

dass zu diesem thema ein threat eröffnet wird,war mir sowas von klar 8) aber ist ja auch n thema, worüber jeder seine eigne meinung bzw. jeder schon selbst erfahrungen gemacht und damit für sich selbst entschieden hat, wie er das leben seines pferdes gestalten möchte...
ich selbst mach mit muffin (1,5 jahre) 3-4 mal die woche was. d.h. spazieren gehn und ab und zu mal für ne viertel stunde in die halle, wo wir regenschirm, plane und co kennenlernen und ab und an mal über ne stange traben...den rest der woche steht er in ner gemischten herde (zusammen mit kallistos pferdilis) im offenstall...
jetz können sich einige wieder das maul zerreißen und sagen "hilfe mit so nem jungen pferd!das wird ja überfordert ohne ende!" :roll:
aber a.) muss das jeder selber entscheiden und b.) kann man von der ferne solche behauptungen gar nicht aufstellen, weil man überhaupt nicht sieht, wie es dem pferd geht bzw. wies pferdl es aufnimmt.
ich für meinen teil habe überhaupt nicht den eindruck mein pferdl zu überfordern. ganz im gegenteil, wenn es ihm zu viel werden würde, würde er mir net ständig neugierig über die schulter gucken oder mir immer folgen wenn ich die plane zücke oder ne stange hinlege...
außerdem habe ich das gefühl, dass sich dadurch auch die kommunikation
und bindung zwischen uns gebessert hat.

so und nun manege frei für weitere berichte.. :)
Zuletzt geändert von manu82 am Sa, 17. Nov 2007 15:02, insgesamt 2-mal geändert.
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Etienne
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Beitrag von Etienne »

manu82 hat geschrieben:finde es nur nicht ok, seine meinung einem anderen aufdrücken zu wollen (und dabei ihn mit blöden kommentaren zu dissen) und nicht, wie es eig. sinn& zweck eines solchen forums ist, erfahrungen gegenseitig auszutauschen.
Wer will Dir denn hier seine Meinung aufdrücken?

Wie Du das ganz richtig erkannt hast, ist ein Forum dazu da Erfahrungen und Meinungen auszutauschen und da hat nun mal nicht jeder die gleiche. :wink:

Und entschuldige bitte, bis jetz war alles ganz sachlich, die Einzige die um sich schlägt bist Du! :wink:

LG Sus
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

In der Tat ein schwieriges Thema.
Meine beiden Jungs kamen 1,5 jährig zu mir. Mangels einer großen Herde wuchsen sie in einer kleinen WG auf, in der die anderen Bewohner nur unwesentlich älter waren. Ein totaler Kindergarten mit einer "Erzieherin" (ältere Stute einer Freundin :wink: ).

Ich habe den Jungs schon viel Kindergartenzeit gelassen, aber dennoch recht früh mit einigen Dingen angefangen wie zum Beispiel das Fohlen ABC. Anlongiert und angeritten wurden beide dreijährig. Das ist über 10 Jahre her und ich habe mich dabei an meinem Umfeld orientiert.
Trotzdem glaube ich das es den Pferden nicht geschadet hat. Beide sind im Wesen ruhig und ausgeglichen, hatten so nie Probleme mit dem Rücken oder irgendwelche undefinierten Lahmheiten oder sonstige Gebrechen. Außerdem war ich sehr bemüht auf die individuellen Sträken und Schwächen einzugehen. So konnte der Friese noch lange nicht galoppieren, als der Kleine schon recht ausbalanciert war.
Heute würde ich vielleicht auch eher ein bißchen länger warten.
Das die meisten Pferde dreijährig schon wenige Wochen nach dem anreiten sehr viel können, hat sicher auch finanzielle Gründe. So ein Pferd kann schenller verkauft werden und frißt dann woanders. Der Markt will doch junge "unverbrauchte" Pferde, die schon A-L Lektionen gehen oder 4 jährig Häuser springen. Zeit ist Geld und darum muß es schnell gehen.
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Medora
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Beitrag von Medora »

Oh, schön - viele Beiträge!

Als ich mir im letzten Jahr ein Jungpferd anschaffte, hatte ich auch vorher gut überlegt, wie alt der sein sollte. Da ich ja Aramis habe, wäre es nicht nötig gewesen, mir ein Pferd anzuschaffen, mit dem ich auch schon was machen kann, aber ich habe mich dann trotzdem gegen einen Jährling und auch gegen einen zweijährigen entschieden. Zum Einen weil ich den normalen "Betrieb" für so ein junges Pferd nicht wollte (die stehen bei uns ja nicht 24 Stunden auf Wiese, sondern kommen immer wieder rein) und zum anderen weil ich mich gut genug kenne - wenn so ein Youngsterlein da ist, hätte ich auch was damit gemacht. Ich wollte ja z.B. auch nie vor 4 auf ihm sitzen - naja, drei Monate vor seinem 4. Geburtstag war es dann doch. :oops: Die Verlockung ist schon sehr groß.

Gut, Anthony war nicht in einer wirklich gemischten Herde, sondern in einer nur mit Jungpferden. Da fehlte dann auch eindeutig ein bissl Erziehung durch die Alten (die Aramis dann nachholte :wink: ) Faszinierend für mich war, dass dieses so gut wie vollkommen rohe Pferd sehr offen, neugierig und vertrauensvoll war. Er ging ja z.B. am Verkaufstag sofort mit mir auf den Hänger, als wäre es das Normalste der Welt.

Die Sehnsucht danach, durch einen sehr frühen Kontakt eine besonders enge Beziehung aufbauen zu können, finde ich verständlich - ich glaube aber, dass das in die Hose gehen kann. Dieses Friesenbeispiel ist sicher extrem, aber ein bisschen geht das in die Richtung, die ich auch schon andachte: Mir war immer wichtig, dass das Pferd vor allem Pferd ist und nicht schon in frühen Jahren vor allem "Pferd eines Menschen" ist.

Was mich immer wieder schockt ist, was z.T. "offiziell" schon von Jungpferden verlangt wird. Ich bekomme das ja ein bissl im Stall mit von wegen Stutenleistungsprüfungen etc. Und bei den Hengsten ist das ja noch viel heftiger und in anderen Reitsportarten erst recht. Im Vergleich dazu verpümpfeln wir unsere Jungpferde ja regelrecht. :roll: Ich möchte mal wissen, wie sich z.B. die Tatsache, dass Galopper schon anderthalbjährig ausgebildet werden mit dem Tierschutzgesetz vereinbaren lässt...

Medora
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stromboli20
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Beitrag von stromboli20 »

Ich habe Strombo mit 2 2/4 Jahren bekommen. Leider ist er nie in einer Altersgerechten Herde aufgewachsen und stand im Ständer, als ich ihn kennenlernte :(
Es gibt sicherlich kein Patentrezept, wann Pferde anfangen dürfen zu arbeiten - vor allem definiert jeder das Wort "Arbeit" schon anders. Für mich ist Arbeit auch geistige Anstrengung ! Jedes Pferd ist anders und wann mit der Ausbildung begonnen wird, ist wirklich sehr unterschiedlich.
Ich bin mit Strombo eigentlich nur das erste halbe Jahr spazieren gegangen, damit er die Welt sieht. ICh denke, ein Jungpferd sollte: sich anbinden, führen und verladen lassen und ruhig bei Hufschmied und Tierarzt sein. Ich begann um sein drittes Lebensjahr mit Bodenarbeit und leichter longenarbeit. Lieber 10 Minuten konzentriert arbeiten und dann aufhören. Für ein junges Pferd ist das schon geistig sehr anstrengend.
Strombo hat sich sehr angeboten und man muss schon aufpassen, dass man dann nicht zuviel verlangt.
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