Trag- und Schubkraft

Allgemeines rund ums Pferd

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Susanne
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Beitrag von Susanne »

@ Janina: In gewissen Maßen gebe ich dieser These recht. So muß das "Vorwärts" immer abrufbar und im Kopf des Pferdes sein, sonst fängt es an "rückwärts" zu denken. Aber wenn Schubkraft die Tragkraft fördern würde, dann wäre ein Ex-Rennpferd ja sofort Levadenreif :wink:. Nur bewirkt dieser Vorschub IMO genau das Gegenteil von Hankenbiegung, nämlich ein nach hinten Ausstellen des Beckens und eine enorme Streckung der Hinterbeine.

LG Susanne
Liebe Grüße
Susanne
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Janina
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Beitrag von Janina »

Genau das ist ja das Interessante: Diese "Strecker" sind genau die Muskeln, die während der Hankenbeugung kontrahieren (das kann man auch selber ausprobieren, wenn man sich hinstellt u. dann die Knie etwas beugt, also quasi eine Sitzposition ohne Stuhl einnimmt, nach einiger Zeit fangen genau dieser Streckmuskeln an zu schmerzen!)!
Und ja, rein von der Muskelkraft ist ein Rennpferd ideal ausgestattet, um diese auch als Tragkraft einsetzen zu können (nur dass es hierfür z. B. auch noch lernen muss, sein Gewicht nach hinten zu verlagern u. dahingehend werden Rennpferde i.d.R. ja nun mal logischerweise nicht ausgebildet).
heike61
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Beitrag von heike61 »

zwischengedanken:

ein muskel kann sich jedoch nur aktiv zusammenziehen (beugen), das "strecken" der muskulatur erfolgt passiv bzw. durch aktives zusammenziehen der gegenspieler.
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wenn ein ausbau der schubkraft die erhöhung der tragkraft bedingen würde-- dann wäre der starke trab eines der ersten teilziele.....

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ich denke, dass wir wesentliches "übersprungen" haben und somit im hankenbug gelandet sind.

oder anders gefragt:
wie beuge ich die hinterbeine ? durch mehr schub????
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Mela
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Beitrag von Mela »

Spannendes Thema,
ich glaube, wurde eh schon erwähnt, daß die Kunst die Balance zwischen Schub- und Tragkraft ist. Tragkraft ohne Schubkraft (sprich Vorwärts) nennt man dann wohl Verhaltenheit - ich höre euch schon aufschreien, aber was ist mit der Piaffe - auch die ist nur dann wirklich brilliant, wenn das Pferd gut auf den Vorwärts treibenden Schnenkel horcht und jederzeit ins Vorwärts geschickt werden kann sonst wird es schnell ein Zappeln auf der Stelle.
Bei einem jungen Pferd wird das Hauptaugenmerk eher auf der Schubkraft (VA - Nackenband) und der Entwicklung einer guten Balance (u.a. Schritt Seitengänge) liegen - im Laufe der Ausbildung verschiebt sich der Focus immer mehr in Richtung Tragkraft sprich vermehrte Hankenbeuge ohne das aber die Schubkraft verloren gehen darf!!
Wobei die Tragkraft nicht ausschließlich durch vermehrte Schubkraft entwickelt wird, sondern durch Gymnastizierung.
So gesehen hat ein perfekt bis zur Hohen Schule ausgebildetes Pferd die ideale Mischung aus Schub- und Tragkraft im genau richtigen Verhältnis :D
Liebe Grüße
Mela

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Während allerdings die Tragfähigkeit nicht gänzlich ohne die Schubkraft auskommt, benötigt die Schubkraft die Tragfähigkeit nicht.
Ein Rennpferd kann locker seine Rennen ohne Schulterherein bestreiten.
Ich denke allerdings, Schubkraft ist von Natur aus ausreichend vorhanden, da das Pferd schließlich ein Fluchttier ist. Der unnatürliche Verwendungszweck, der des Reittieres erfordert ein hohes Maß an Tragfähigkeit. Also, lege ich meinen Schwerpunkt in der Ausbildung gymnastischer Lektionen wie Seitengänge, ohne das Vorwärts zu vernachlässigen .

LG
Anchy
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heike61
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meine lücken in der funktionellen anatomie

Beitrag von heike61 »

Janina hat geschrieben: Und das wirkl. Interessante, was Heuschmann mal in einem Vortrag sagte, war, dass die Muskeln, die für die Entwicklung der Schubkraft eingesetzt werden müssen, dieselben sind, wie die, die während der Hankenbeugung aktiv sein müssen!
in seinem buch beschreibt er dies auch--
habe dort nachgelesen und mich bemüht dies, nachvollziehen zu können, da "klemmt" es bei mir jedoch gewaltig, gerade wenn ich zum besseren verstehen in einem anderen buch nachlese, wo der bewegungsablauf des hinterbeines mit der dazugehörigen muskulatur beschrieben wird.

spräche er von der gleichen "muskelgruppe", okay dann sehe ich irgendwo die logik (jedoch mit anderem resultat),...aber von der selben muskulatur jedoch:........ :? :? :? :?


Jen? oder sonst jemand da, der gut erklären kann?


"fragende" grüße
heike
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Jen
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Beitrag von Jen »

Hallöchen!

bin wieder zurück und wünsche erstmal allen - wenn auch verspätet, nicht weniger herzlich - ein gutes Neues Jahr :D

also, hier hat sich ja doch schon einiges interessantes ergeben. Ich versuche also mal etwas gezielter zusammenzufassen, was bisher beschrieben wurde, sowie mein Verständnis, wie ich Trag- und Schubkraft zu verstehen versuche. 8)

Ich glaube, bei einer Fortbewegung ist Trag- und Schubkraft immer zusammen vorhanden. Solange das Pferd nur still an Ort ist (zb. im Stand oder in der Levade) ist nur die Tragkraft vorhanden, der Körper des Pferdes wird gestützt.

X = Tragkraft, Y = Schubkraft

x + y = 100%

Im Stand: y = 0 -> x = 100%

Bild

Sobald ich eine Vorwärtsbewegung habe, habe ich auch einen Anteil an Schubkraft  y > 0 Um das Verhältnis von Trag- und Schubkraft zu bestimmen, muss ich zuerst mal die Stützphase anschauen. also der Punkt, wo das Hinterbein auf den Boden aufkommt (auffusst) bis es wieder vom Boden weggeht (abfusst). Ich sehe also den Anteil der Stützphase, wo das Hinterbein unter dem Körper ist als Tragkraft (Pferd wird gestützt). Sobald das Hinterbein aber nicht mehr unter dem Körper ist, sondern den Körper nach vorne schiebt, handelt es sich um die Schubkraft. Wenn ich also jetzt den Beginn einer Vorwärtsbewegung (Schritt, ohne Schwebephase) anschaue, dann wird das Gewicht auf das eine Hinterbein (zb. das linke) verlagert und das andere Hinterbein (das rechte) wird nach vorne geschwungen und fusst auf. Das rechte Hinterbein trägt jetzt als erstes während das linke Bein den Körper nach vorne über das rechte Hinterbein schiebt. Sobald der Körper über die „Nullposition“ (Stand) geschoben wird, fängt das rechte Hinterbein an den Körper vorwärts zu schieben, während das linke Hinterbein abfusst und nach vorne schwingt.

Ich finde es sehr hilfreich, das an sich selber zu spüren, indem man im Zeitlupentempo vom Stand (beide Beine nebeneinander) die Vorwärtsbewegung anfängt und analysiert. Erst wenn das eine Bein vorne ist, fängt das andere an zu schieben. Die Bewegung fängt also nicht mit dem Schieben, sondern mit dem Vorwärtsschwingen des Hinterbeins an!

Deshalb ist für mich dieser Vorwärtsschwung des Beines sehr zentral in der Ausbildung des Pferdes, wichtiger, als das Schieben. Denn das Schieben bestimmt in erster Linie das Tempo des Pferdes. Der Vorwärtsschwung bestimmt aber im Endeffekt, zweierlei: nämlich, wie lange die Tragephase des Pferdes ist (also wie lange das Bein unter dem Körper bleibt und wie gut die Kraft für den Schub umgesetzt wird. Die Tragephase bereitet den Schub vor, denn sie steht bei der Vorwärtsbewegung an erster Stelle! Nicht umgekehrt!

Stelle ich bei der Ausbildung den SCHUB (Y) an erster Stelle (wie an den meisten Orten gelehrt wird) so lege ich Wert darauf, dass der Körper stark vorwärts geschoben wird. Dies wiederum schiebt den Körper nicht nur über die Hinterhand, sondern auch über die Vorhand, kippt das Pferd nach vorne und es rennt dem Schwerpunkt hinterher -> Tempo wird stetig (leicht) erhöht. Meistens wird dabei vom Pferd durch das nach vorne kippen die Anlehnung erhöht (das Pferd „zieht“ in die Hand hinein). Dabei wird das Vorschwingen der Hinterhand und damit das vermehrte Tragen jedoch erschwert, weil das Pferd wie im Schubkarrenprinzip nach vorne unten gekippt wird. Es gilt also:

Y > X, wenn x + y = 100%

Für mich ist dieses Verhältnis unerwünscht.

Bilde ich jedoch das Pferd von Anfang an, darauf aus, dass es das Hinterbein möglichst weit nach vorne schwingt und ich den Zeitpunkt das ABFUSSENS (also das allererste Element des VORSCHWINGENS) beeinflussen kann, dann kann ich sowohl das Verhältnis des Tragens, wie des Schiebens beeinflussen.

Möchte ich nämlich das Pferd nicht nur in Vorwärtsbewegung, sondern auch in Versammlung haben, dann muss ich das Verhältnis so beeinflussen, dass Tragkraft x möglichst gross im Verhältnis zu Schubkraft y ist.

X > Y, wenn x + y = 100%

Also muss ich Schubkraft y verkleinern. Wie mache ich das nun? Da kommt das Timing der Schenkelhilfen ins Spiel: Will ich die Schubkraft vergrössern, dann muss ich in dem Moment treiben, wo das Bein am Boden ist, damit das Bein länger am Boden bleibt und stark hinten hinausschiebt. Will ich aber die Schubkraft verkürzen, muss ich idealerweise in dem Moment, wo das Bein abfussen soll den Impuls setzen. Will ich also das Pferd mehr in Versammlung bringen, muss ich den Zeitpunkt des Impulses einen Tic früher setzen, als das Pferd eigentlich abfussen möchte, um es zum schnelleren abfussen zu bringen. Damit das Pferd nun aber nicht ins trippeln kommt, muss ich VORHER dafür gesorgt haben, dass das Bein weit nach vorne schwingt (deshalb Vorschung an erster Stelle in der Ausbildung)! X soll also von den 100% einen möglichst grossen Anteil haben. Ohne das Erhalten des Vorschwingens, komme ich nur zu kurzen schnellen Tritten, aber nicht zu erhabenen, versammelten Tritten.

Bis jetzt habe ich nur in relativen Massen x und y angeschaut. Schaue ich in absoluten Zahlen (was ich natürlich nicht effektiv kann, nur hypothetisch) x und y an, so ist beim starken Trab x und y maximal, wobei x ≈ y (idealerweise). Beim versammelten Trab bleibt x ≈ y aber das absolute Mass von beiden ist natürlich viel kleiner, weil wir weniger Vorwärtsbewegung haben (weniger Schub nach hinten) sondern, wenn die Schubkraft statt nach hinten nach oben geht, eigentlich würde ich dies am liebsten nicht mehr Schubkraft nennen, sondern als neue Variable z einführen. Diese Variable z soll den Vektor der Kraft beschreiben, die den Körper nicht nur vorwärts, sondern nach oben transportiert. Ich glaube, sie ist sowohl Teil von Trag- wie auch Schubkraft. Also eigentlich wäre die Formel korrekterweise:

X + Y + Z = 100%

Bild

Ich glaube nämlich, dass die Kraft nach oben nicht einfach „nur“ Schubkraft ist, denn ob ich in die Luft springe, oder vorwärts springe ist ja ein Unterschied. Dieses Z ist schlussendlich für „Ausdruck“ und „Erhabenheit“ der Bewegung verantwortlich, also einerseits für die Schwebephase als auch andererseits für die „Energie“ in der Piaffe (welche ja keine Schwebephase hat und das Bein auch mehr nach oben statt nach vorne geschwungen wird).

Ich glaube auch, dass dieses Z der am schwierigsten zu beeinflussbarste Teil ist, denn er ist am stärksten von Kraft und Balance abhängig. Während das Vorschwingen v.a. von der Geschmeidigkeit und Balance abhängig ist. Deshalb steht bei mir auch die Geschmeidigkeit und Balance prioritär vor der Kraft in der Ausbildung, wobei natürlich mit zunehmender Geschmeidigkeit und Balance ja auch die Kraft trainiert wird. Aber spezielles „Krafttraining“ kann ich mit dem Pferd erst machen, wenn ich x und y gezielt(er) beeinflussen kann und das Pferd sowohl die Hilfen versteht, als auch den Bewegungsablauf dementsprechend steuern kann (Schubkraft vergrössern und verkürzen bei BEIBEHALTUNG des prozentualen Anteils von der Tragkraft).

Kann man diesem Roman einigermassen folgen…???
Liebe Grüesslis, Jen
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heike61
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Beitrag von heike61 »

jo jen,

frau kann bzw. ist bemüht.



schön dass du wieder da bist!!!!


liebe grüße
heike
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Jen
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Beitrag von Jen »

Danke :love:

Was ich nun nicht verstehe: Warum sprechen alle immer nur über Schubkraft? Schub schub schub. Es ist mir völlig nicht logisch, warum man sich nur bzw. vorwiegend auf Schubkraft beziehen kann. Definieren die meisten Schubkraft anders? Wie denn? und wie wird denn Tragkraft definiert? :kopfkratz:

Ich habe eben das Gefühl, eine der Miseren der heutigen Zeit ist, dass man Phrasen nachplappert und paukt, die mittlerweile gar keine richtige Bedeutung mehr haben. "Zum Treiben kommen" ja was heisst denn das? Vorwärts = ? Nach vorangehender Erklärung ist damit nämlich das berühmte "Vorwärts" massgeblich vom Vorschwung des Hinterbeins beeinflusst, was wiederum heisst, dass die Versammlung im Vorwärts erarbeitet wird und das "zum Treiben kommen" heisst: der frühere Impuls am Schenkel zum früheren abfussen, das heisst aber nicht "stärker" oder "mehr" treiben.

Und je geschickter man seine eigene Energie im Griff hat, desto mehr kann man darüber steuern (aber das ist wiederum ein anderes Kapitel ;) )
Liebe Grüesslis, Jen
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smilla
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Beitrag von smilla »

Ich habe mich auch bemüht und konnte folgen, auch wenn ich mich bei Ausdrücken wie x>y etc bemühen muss, dass nicht meine Matheabneigung herauskommt. Aber korrekter ist es so ;)

Hmm, mich würde wirklich interessieren, was der Anlass zu deinen Überlegungen ist.
Ich kenne entweder Leute, die sich gar nicht mit Theorie beschäftigen (im Extremstfall nicht mal etwas von natürlicher Schiefe gehört haben) oder welche, die so tun als ob, aber noch nie eine gute Haltung eines Pferdes erfühlt haben. Oder aber Leute, wie die allermeisten hier im Forum, die zumindest über grundlegende Dinge eine Ahnung haben.

Ich kenne eigentlich niemanden, der sich ernsthaft mit der Biomechanik befasst, aber zu solchen Irrwegen kommt, wie du sie beschreibst.
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Beitrag von kallisto »

Nun habe ich ein Problem:

Tragkraft ist nicht gleich Tragkraft, wenn ich die Hankenbeugung berücksichtige. Jedes Pferd kann steigen, aber die wenigsten können die Levade zeigen. Rein rechnerisch nehmen steigendes Pferd, als auch das Pferd in der Levade die gleichen Kräfte mit der Hinterhand auf. Ich kannte sogar ein Pferd, welches recht lang steigen konnte, ohne hinten zu "laufen". Von Hankenbeugung hier jedoch keine Spur.
Das Pferd in der Levade setzt vor allem seine Muskelkraft unterstützend ein und hat für den Zustand ein bewußteres Gefühl, so dass eine Levade in sich stabiler wirkt, von dem tiefen Schwerpunkt mal abgesehen.

Ich stimme Dir in Deinem geschriebenen zu, kann jedoch die Hankenbeugung und die Schwerpunktsverlagerung (sowohl vertikal, als auch horizontal) nicht mit einordnen. Ich finde es aber entscheidend, dass das Pferd sich mit den Muskeln trägt, wie in der Levade oder Piaffe, oder im Gegensatz dazu knochenverschleißend steigt oder schwunglos dahin tippelt (aber nicht erhaben, auch wenn die zeitliche Stützphase gleich bleibt). Was meinst Du?

LG Susi
Zuletzt geändert von kallisto am Mi, 09. Jan 2008 16:35, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitrag von Jen »

Hallo Smilla

hm, der Anlass dieser Frage...? Eigentlich kein spezieller. Ist auch nicht auf das Forum bezogen, sondern einfach ganz allgemein! Ich beschäftige mich halt seit einer Weile mit solchen Dingen. Und seit ich in letzter ZEit vermehrt auch meine eigenen Bewegungen analysiere, desto mehr habe ich das Gefühl zu verstehen, worum es geht, aber desto mehr Fragezeichen tun sich mir auf: Sowohl in der Literatur als auch - und da vor allem! - in der Praxis wird ja sehr häufig, wenn nicht sogar meistens, nur von Schubkraft gesprochen und irgendwann, wenn man (wie auch immer) die "höheren Weihen" der Ausbildung erklommen hat, dann kann man anfangen über Tragkraft nachzudenken. Und wenn man genauer nachfragt, bekommt man so schwammige Aussagen und hohle Phrasen. So bekomme ich es jedenfalls mit. Auch wenn ich den meisten xy-dipl. RL in meiner Umgebung zuhöre, dann ist das wahrscheinlich am meistgenannte Wort: Schubkraft. WARUM? Es ist doch nicht logisch, sich nur oder speziell oder vor allem auf Schubkraft zu beziehen! Es ist der aus meiner Sicht wahrscheinlich unwichtigste Anteil einer Bewegung für mich als Reiter.
Liebe Grüesslis, Jen
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Beitrag von Jen »

kallisto hat geschrieben: Ich stimme Dir in Deinem geschriebenen zu, kann jedoch die Hankenbeugung und die Schwerpunktsverlagerung (sowohl vertikal, als auch horizontal) nicht mit einordnen. Was meinst Du?

LG Susi
Ja. sowohl die Levade als auch das Steigen hat 100% Tragkraft. Nüchtern betrachtet. Niemand kann abstreiten, dass sowohl beim Steigen als auch beim Levadieren beide Hinterbeine zusammen 100% des Körpergewichts tragen.

Tragkraft ist meiner Meinung nach nicht einfach so mit Hankenbeugung gleichzusetzen. Hankenbeugung ist kein "Teil der Bewegung" sondern eher die Form. Hankenbeugung ist der Anteil, der diesen dritten Vektor Z beeinflusst. Im Prinzip ist der Unterschied - nüchtern mathematisch betrachtet - zwischen einem Steigen und einer Levade "nur" die Verteilung der Balance und der Form des Körpers. Mit der Folge, dass in der Levade mehr Kraft aufgewendet werden muss um diese Haltung halten zu können, als ein Steigen und es auch viel mehr Balance braucht, um dies zu erhalten. Eine Levade ist deshalb meist auch nur ein ganz kurzer Moment, wo das Pferd in der perfekten Position verharrt, während ein Steigen ja oft viel länger gezeigt werden kann.
Liebe Grüesslis, Jen
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

@Jen

Ich denke man kann die beiden Vektoren X und Y nicht einfach trennen. X kann nur groß sein wenn Y auch ausgeprägt vorhanden ist. Steht ein Pferd am Anfang seiner Ausbildung versucht man es auf den Reiter vorzubereiten und die Tragkraft zu erhöhen, indem man die Schubkraft fördert.

Dies geschieht im VA durch Erhöhung der Spannung des Nacken- und Rückenbands. Ist X groß, ist auch die mechanische Wirkung auf das Rückenband groß und unterstützt so das Sehnen/Bandsystem des Rückens! Es sind zwei Kräfte die wirken: Zug am Band durch die Bewegung des Hinterbeines (X) und durch das Senken des Halses. Diese beiden Kräfte sorgen für die Tragkraft und so wie ich Tragkraft verstehe, ist es die Fähigkeit des Pferdes das Gewicht des Reiters mit dem Rücken (Sehnen/Bänder) zu tragen!

Der von dir benutzte Vektor Y ist für mich Versammlung und nicht die Tragkraft die man am Anfang der Ausbildung anstrebt. Ich bezweifle aber, das die Höhe unbedingt ausschlaggebend ist für die Versammlung. Im Buch der Reiter formt das Pferd spricht Udo Bürger vom Beugegang (Stützphase). Das heißt die Fähigkeit des Pferdes Gewicht durch die Verkleinerung der Gelenkwinkel zu tragen (Was einen erhöhten Muskelaufwand bedeutet). Das heißt das Pferd schiebt seine Masse nicht in einem hohen Bogen über die Stützbeinphase (Steifes Bein), sondern in einem flachen, da das Gelenk gebeugt ist und Last aufnimmt!

Gruß Isomer
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Beitrag von Jen »

Isomer hat geschrieben:@Jen

Ich denke man kann die beiden Vektoren X und Y nicht einfach trennen. X kann nur groß sein wenn Y auch ausgeprägt vorhanden ist.
Bitte um Präzision! Was verstehst du unter gross?

Ich trenne die beiden Vektoren bzw. die Kräfte ja nicht gänzlich. Im Gegenteil Mich interessiert in erster Linie das Verhältnis von den Kräften, die ja immer beide vorhanden sind (bei einer Vorwärtsbewegung) also x zu y bzw. zu den 100%. Der Vorschwung des Hinterbeines hängt nicht in erster Linie vom Schub des anderen Vorderbeines ab. Die Bewegung fängt ja eben mit dem Vorschwung an und nicht mit dem Rückschub! Deshalb die Analyse vom Stehen zum ersten Schritt. Die Bewegung fängt immer mit der Vorwärtsbewegung des Beines an und nicht mit dem Zurückschieben. Deshalb ist der Vorschwung nicht in erster Linie abhängig vom zurückschieben, sondern umgekehrt!


Diese Schlussfolgerung:
Steht ein Pferd am Anfang seiner Ausbildung versucht man es auf den Reiter vorzubereiten und die Tragkraft zu erhöhen,indem man die Schubkraft fördert.

Dies geschieht im VA durch Erhöhung der Spannung des Nacken- und Rückenbands.
Die erschliesst sich mir nicht. du benutzt ausserdem eine ganz andere Definition von "Tragkraft".
Ist X groß, ist auch die mechanische Wirkung auf das Rückenband groß und unterstützt so das Sehnen/Bandsystem des Rückens! Es sind zwei Kräfte die wirken: Zug am Band durch die Bewegung des Hinterbeines (X) und durch das Senken des Halses. Diese beiden Kräfte sorgen für die Tragkraft und so wie ich Tragkraft verstehe, ist es die Fähigkeit des Pferdes das Gewicht des Reiters mit dem Rücken (Sehnen/Bänder) zu tragen!
Ich spreche von der tragenden Funktion des Hinterbeins. Nicht des Rückens. Dieser ist eine Folge des tragenden Hinterbeines. Ein Hinterbein, das vorwiegend schiebt, hat wie an anderer Stelle von jemandem schon beschrieben zur Folge, dass sich die Hüfte hinten hinausdreht und somit der Lendenbereich nach unten gedrückt wird, was den gesamten Zug vom Rückenband verhindert. Das Rückenband und die der jeweilige Rückenmuskel auf der Seite wird in dem Moment des VORSCHWINGENS des Hinterbeins gedehnt! Nicht im Zurückschiebenden Moment. Das Nackenband bzw. die beteiligte Bewegungsmuskulatur ist ja auch nicht permanent auf Zug, sondern in permanentem An- und Abspannen. Das gibt ja auch diesen sog. Rückenschwung. Ist das Pferd vorwiegend auf Schub geritten, dann schwingt der Rücken in der Stützphase des Hinterbeines nicht so hoch oder gar nach unten, anstatt nach oben, weil die Stützphase nicht genügend weit unter den Körper gelegt ist, sondern zu weit hinten ist.
Der von dir benutzte Vektor Y ist für mich Versammlung und nicht die Tragkraft die man am Anfang der Ausbildung anstrebt. Ich bezweifle aber, das die Höhe unbedingt ausschlaggebend ist für die Versammlung.
Hm, verwechselst du etwas? Y ist für mich schubkraft und eben genau NICHT Versammlung. :kopfkratz:

Im Buch der Reiter formt das Pferd spricht Udo Bürger vom Beugegang (Stützphase). Das heißt die Fähigkeit des Pferdes Gewicht durch die Verkleinerung der Gelenkwinkel zu tragen (Was einen erhöhten Muskelaufwand bedeutet). Das heißt das Pferd schiebt seine Masse nicht in einem hohen Bogen über die Stützbeinphase (Steifes Bein), sondern in einem flachen, da das Gelenk gebeugt ist und Last aufnimmt!
Das muss man wieder differenzierter sehen, denke ich. WIE genau bringst du dazu dass das Pferd die Gelenkwinkel verkleinert? Durch erhöhen der Stützphase unter dem Körper (Tragende Funktion des Hinterbeines) Das ist ja genau das: verkürzung der Schubkraft bei Beibehaltung der Tragkraft. Dadurch wird automatisch der relative Anteil von x (Tragkraft, Stützphase unter dem Körper) grösser im Verhältnis zu Y (Schubkraft, Stützphase weg vom Körper, schiebender Anteil). Dies hat zur Folge, dass die Gelenke gebeugt werden. Wie gross der absolute Anteil ist, ist wiederum vom Tempi abhängig. Ein versammelter Trab hat mehr absoluter Anteil an x, als eine Piaffe. Und auch wenn das Verhältnis zu y vielleicht genau gleich ist wie bei einer Passage, zb. als hypothetische Zahl 70:30, hat eine Passage mehr Aufwärtsbewegung (z) als Anteil als der versammelte Trab, welcher flacher ist. Sonst könnte man die zwei Gangarten/Lektionen ja gar nicht unterscheiden. Die Piaffe (an Ort) ist noch flacher, weil sie keinen Schubanteil mehr hat und nur das Hinterbein hochschwingt, was ein ganz sanftes schwingendes GEfühl unter dem Hintern vermittelt, das sehr angenehm zu sitzen ist, ohne "Erschütterung". Wenn die Gelenke gebeugt sind und das Hinterbein eben nicht stösst (Kruppe hochkommt), sondern eben vor/hochschwingt!
Liebe Grüesslis, Jen
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