Kandare und schlechte Gewissen

Rund um die klassische Reitkunst

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dshengis
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Re: Kandare und schlechte Gewissen

Beitrag von dshengis »

Hab das alte Teil mal aus der Versenkung vorgeholt.
pepe hat geschrieben:Ich habe heute ein wunderbares Pferd gerittenen: meins. Er war absolut leicht in der Hand, in schöner Balance, ein Flüstern mit den Beinen schickte ihn vorwärts, ein gegen-die-Bewegung-atmen zurück. Wenn ich die Spannung zwischen Hinterbeinen und Hand erhöhen wollte, spürte ich wie er versuchte den Rücken aufzuwölben. Einfach herrlich!
So, und nun mein Problem: das ist nur auf Kandare so.
Dazu eine (provokante) These:
"Die starke Wirkung der Kandare beruht auf der Hebelwirkung von Kinnkette und Anzügen, womit ein Druck auf die Laden ausgeübt wird, den die menschliche Hand mit der Trense so stark gar nicht auszuüben vermag."
@pepe und andere: Wie geht ihr damit um? Wie bewertet ihr diese These?

LG A.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Hm...schwer zu sagen. So lange man stets daran denkt auch in diesem Bereich die Hilfen zu minimieren, finde ich es nicht schlimm auch mal kurze Zeit mit einem Fehler leben zu müssen.
Schlimm finde ich eher Aussagen:Galopparbeit geht nur auf Kandare.
Da gehen bei mir die Alarmglocken an.
Aber da ich ja nur oller Hackamore-Reiter bin :wink:
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
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Junito
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Beitrag von Junito »

@ Larry: Als ich meinte, mein Pferd ginge nur auf Hebelstange (portugiesisches Pelham), war es bei mir gerade umgekehrt: Mein Pferd ging gar nicht mehr im Galopp.

Besser gesagt, er hat sich daraufgelegt und schien nach vorne umzufallen!

Bei uns im Stall steht übrigens eine P.R.E.-Stute, deren Besitzerin behauptet, auch sie ginge nur mit Kandare. Auffällig für mich: Sie hat immer noch enorme Probleme im Galopp. Dies laut Aussage ihrer Besitzerin, die sie damit ausbilden hat lassen. Das Pferd ist nun 10 Jahre alt.

Für mich interessant ist, dass die Stute sehr eng im Hals ist, einen schönen Unterhals hat und ihre Hinterhand nicht benutzt. Also die Kandare wird hier wohl dazu eingesetzt, das Ganze zusammenzuhalten. Aber sie "piaffiert" (tritt auf der Stelle).
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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pepe
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Beitrag von pepe »

Hmmm, was ist schlimmer: permanente Trenseneinwirkung oder der Respekt vor der Kandare?
Wobei sich mein Pferd in ständiger Dehnungsbereitschaft ist, auch auf Kandare.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Hallo,
da mein Ziel ist , nicht ständig einwirken zu müssen ziehe ich Pepes letzte Alternative eindeutig vor, allerdings nicht blank.
Ich reite vierzügelig, wobei ein paar der Zügel in die Augen der Stange eingeschnallt sind ( Unertrense ist mir ein zuviel im Maul).Der Kandarenzügel hängt eigentlich immer durch , bei Bedarf kommen diese zum EInsatz. Auf einer Trense hat sich mein Pferd stets gelümmelt,Kopf , Hals ,Maull alles war zu unruhig , die Stange hingegen wirkt beruhigend.
Ich bin also eindeutig für die Variante der kurzen aber entschiedenen Signale als Dauerdruck. Ich gehe aber mal stark davon aus, daß hier keiner die Kandare benutzt um Ausbildungsfehler zu kaschieren.

Liebe Grüße
Anchy
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Danny: Ich habs glaube ich schon mal geschrieben - ich würde anstreben, daß es auch mal nur auf Trense geht. Aber bei einem Korrekturpferd (und Dein Kerlchen muß ja schon recht "witzig" draufgewesen sein) sind Abweichungen vom üblichen Ausbildungsweg durchaus mal nötig. Solange man sich dessen bewußt ist und an einer Verbesserung arbeitet bzw. daraufhin arbeitet daß man gewisse Hilfsmittel mal nicht mehr braucht, ist das schon ok.
Liebe Grüße
Susanne
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FoxOnTheRun
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Beitrag von FoxOnTheRun »

Da kann ich Susanne nur recht geben. Auch ich gehe den Weg anders rum und reite den Roten auf Kandare, obwohl Die Anlehnung auf Trense am Anfang noch nicht meinen Ansprüchen eines Kandarenreifen Pferdes entsprochen haben.

Aber auf Kandare habe ich die Dehnungsbereitschaft, die rein auf Trense manchmal noch fehlt. Ich habe auf Kandare ein so unglaublich feines Pferd, daß ich es manchmal selber nicht glauben kann. Manchmal ist ein vorsichtiges Schließen dere Zügelfaust schon zu viel und er grunzt. Wobei ich den Kandarenzügel so gut wie nie annehme.

Auf Kandare kann ich mich draufsetzen und losreiten. Ohne große Diskussionen und habe ein lockeres und durchlässiges Pferd.

Und, was mich darin bestätigt, daß dieser Weg, wenn man ihn richtig beschreitet und die Kandare nicht nur dazu verwendet, den Pferdekopf in Position zu zwingen, ist, daß auch das Retien auf Trense immer schöner und feiner wird. ICh kann auf Trense noch lange nicht so konzentriert und versammelt reiten, wie auf Kandare, aber es eine deutliche Tendenz zum besseren zu beobachten.

Alle Ideale gut und schön. Aber nicht jedes Pferd geht einen geraden Weg in der Ausbildung. Und warum auch nicht die Kandare zu Korrekturzwecken verwenden, wenn man sich und dem Pferd so viel gezerre und geziehe erspart.
LG Foxi
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

@Fox on the Run
Da sprichst Du mir aus der Seele :D

Liebe Grüße
Anchy
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pepe
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Beitrag von pepe »

Aktuell muss ich anmerken das das Pferd seit ca. einem Monat nur auf Trense geritten wurde...
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FoxOnTheRun
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Beitrag von FoxOnTheRun »

@pepe: mit welchem Resultat?
LG Foxi
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Sicher kann man ein Pferd auf Kandare viel leichter und genauer reiten, als auf Trense. Aber leider vertuscht die starke Wirkung der Kandare und der Respekt (manchmal sogar die Angst), die das Pferd vor der Kandare hat, viele reiterliche Fehler. :roll:

Die reiterlichen Hilfen sind das Kommunikationsmittel, um dem Pferd unsere Wünsche mitzuteilen. Das optimale Zusammenwirken dieser Hilfen kann nur gelingen, wenn das Pferd von hinten nach vorn geritten wird, ohne dass es an igend einer Stelle zu einer Unterbrechung der Verbindung kommt.

Solange das Pferd die Trense nicht als Signalgeber akzeptiert, muss man leider davon ausgehen, dass die Kommunikation noch nicht so fein ist, dass man das Pferd der Kandare aussetzt. Natürlich wird ein solches Pferd auf Kandare "leichter" sein. Aber nur, weil es sich entweder entzieht oder weil wir unsere Fehler im Zusammenwirken der Hilfen gar nicht mehr merken. :cry:

Auch hier - wie so oft - gilt wieder, wenn ein Pferd "lieber" auf Kandare geht, sollten wir die Ursache nicht immer nur beim Pferd suchen, sondern uns fragen, ob es vielleicht auch daran liegt, wie wir die Hilfengebung einsetzen.

Je mehr ein Pferd korrekt von Hinten nach Vorn geritten wird, desto weniger kommt es darauf an, was vorne - also im Maul - passiert. Solange wir unser Pferd nur auf Kandare leicht und losgelassen reiten können, ist jedenfalls sicher, dass unsere Kommunikation überwiegend über die Hand erfolgt, also genau das, was wir eigentlich nicht wollen.

Die Vorgaben der FN, dass man ein Pferd zumindest auf dem Niveau L sauber und korrekt (losgelassen und zufrieden) auf Trense reiten können sollte, bevor man die Kandare einschnallt ist - vor allem als Schutz vor reiterlichen Fehlern - eine in meinen Augen ausgezeichnete Regelung.

Wir sollten nicht nur daran denken, was es uns (subjektiv) leichter macht, sondern daran, ob es für Pferd und Reiter im Sinne einer durchdachten Ausbildung das richtige Kommunikationsmittel ist.

Es stellt sich nicht die Wahl zwischen ständiger Einwirkung auf Trense oder feinem Reiten mit Kandare, das sind nur billige Ausreden. Die Frage lautet, die setze ich die reiterlichen Hilfen so ein, dass die Kommunikation funktioniert. Also wie reite ich einfach besser.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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chica
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Beitrag von chica »

@Steffen - danke für diesen Beitrag und schön, dass Du wieder da bist ;)
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pepe
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Beitrag von pepe »

Jaja Steffen, die eigene Unzulänglichkeit mit dem Werkzeug kaschieren...genau das ist das Problem.
Es wird mit Trense besser. Und du hast natürlich in einem Recht: die innere Einstellung. Wenn ich aufs Pferd mit der - ich nenns mal so- Kandaren- Einstellung aufsitze, komm ich fast immer zum gleichen Ergebnis. Meine Hilfengebung ist präziser, meine Kommunikation feiner, jedoch deutlicher. Das Pferd reagiert elektrisch und trotzdem entspannt....
Ob ichs jemals lernen werde? :roll:
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

nee, wirst Du wohl nie, :twisted:

... aber tröste Dich, ich auch nicht und wohl die Allermeisten hier nicht, am wenigsten Die, die glauben, sie hätten es begriffen.

Das ist einerseits sehr depremmierend, aber andererseits immer wieder eine Herausforderung. Und über eine sehr lange Zeit betrachtet, kommt man ja dann doch weiter, aber gleichzeitig hängt man die Ziele wieder höher, so dass man am Ende niemals wirklich sein Ziel erreicht. Das einzige was bleibt ist, den Weg zum Ziel zu machen, das tröstet zumindest ein wenig. :roll:

Schade und Schön zugleich. :lol:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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chica
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Beitrag von chica »

Anchy hat geschrieben:@Steffen
Es gibt aber nicht nur den einen , wahren Weg , der über die Trense führt.
Nehmen wir einmal Kappzaum zum an- und einreiten, danach Kappzaum/Kandare, blanke Kandare oder Kandare in der die 4 Zügel einmal in die Stange direkt und an den Schenkeln befestigt werden.
Mal abgesehen von dem Reiten auf blanker Kandare, frage ich Dich , was die Trense denn so mehr vermag als diese Kombinationen. Mit dem oben erähnen ( außer blanke Führung ) läßt sich ein Pferd aufrichten ,stellen, in die Tiefe schicken,meintewegen auch ans Gebiß lehnen. Für eine Vielzahl von Pferden ist die Trense auch völlig in Ordnung, aber es gibt da auch Pferde, die erst mit einer Stange ruhig im Maul werden um die nötige Logelassenheit zu erreichen. Bitte nicht falsch verstehen , ich propagiere hier nicht eine "Antitrensenhalung", aber, ich lehne auch das Schema F ab.

Liebe Grüße
Anchy
LG Ines
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