Agieren und Reagieren

Allgemeines rund ums Pferd

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-Tanja-
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Agieren und Reagieren

Beitrag von -Tanja- »

Ich habe Amor gestern seit längerem einmal wieder an die Longe genommen. Das fand er erst gar nicht witzig und sprang buckelnderweise um mich rum, wollte sich immer wieder verabschieden und hat mir dabei auch mein Kreuz ein bissele verrenkt, weil ich dann wie ein Fähnchen hinten dranhing. :roll: Hierbei ist mir folgendes aufgefallen, auf was ich bislang überhaupt nicht so geachtet habe:

Ich habe Amor zuerst immer nur reagieren lassen, sprich: ich habe agiert, indem ich Gangart, Tempo, etc. vorgab. Hierauf hat er mehr oder weniger deutlich mit Buckeln und Ausschlagen in meine Richtung reagiert.

Nachdem ich das irgendwann leid war, habe ich ihn erst mal so laufen lassen, wie er wollte. Er dürfte also agieren. Hierauf habe ich dann meinerseits reagiert, habe die Gangart oder das Tempo also nur aufgegriffen und lediglich ein wenig forciert, intensiviert. Schwierig zu beschreiben, aber ich denke, Ihr wißt, was ich meine.

So explizit wie gestern ist mir das noch nie aufgefallen. Amor ließ sich mit einem Mal wesentlich besser longieren, lief flüssiger, wollte sich nicht mehr verkrümeln. Ich mußte dann schließlich an das Lektionen-Reiten denken, wo man an einer bestimmten Stelle eben dies oder jenes vom Pferd verlangt, wobei dies sicherlich nicht immer der beste Zeitpunkt ist.

Wie baut Ihr dies in Eure Arbeit mit den Pferden ein?
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
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Filzi
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Beitrag von Filzi »

Das was du da beschreibst ist das typische Aktion und Reaktion.

Ich selbst halte dies für verdammt wichtig um so korrekt wie möglich mit dem Pferd zu kommunizieren.
Mir selbst ist ebenfalls schon aufgefallen, dass viele Dinge beim Reiten wie auch der Bodenarbeit eine Timing Sache ist.

Dies fängt schon damit an wenn man Schenkelimpulse gibt. Diese gibst du ja immer beim abfussen des jeweiligen Hinterbeines um dieses zum untertreten zu animieren. Gibst du sie zu spät oder zu früh verläuft sich die Hilfe ins nirgendwo.

Und bei der Erziehung eines Pferdes spielt dies eine sehr große Rolle.
Sagen wir zum Beispiel Pferd gibt eine Aktion vor, es läuft beim Gehen an dir vorbei weil es dich nicht respektiert, net aufpasst oder was auch immer.
Deine Reaktion sollte promt folgen und das Pferd korrigieren.

Ich hoffe ich habe mich einigermassen verständlich ausgedrückt 8)
Klingt alles irgendwie sehr kompliziert aber ich weiss was du meinst.
"Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg." Mahatma Gandhi
LordFado

Beitrag von LordFado »

hm... ganz prinzipiell denke ich aber sollte das Pferd seinen Unmut auf meine Anweisungen nicht kundtun müssen - zumindest DARF es das nicht in einer Art, die für mich dann gefährlich wird (nach mir schlagen). Das Pferd kann 23 Stunden am Tag tun und lassen, was es will - in dieser einen Stunde, die es geritten wird, hat es zu spuren - egal ob es grade Lust auf die Übungen hat oder nicht. Meine persönliche Meinung - alles Andere wird schnell gefährlich, denke ich.
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

Rangtechnisch: wer agiert, führt; wer re-agiert, ordnet sich unter.

Deine Beschreibung sehe ich aber genau umgekehrt wie Du:

Zu Anfang hast Du versucht, ihn dazu zu bringen, zu tun was Du willst, anstatt Unsinn zu machen.
-> er hat agiert (buckeln, Unsinn machen") und Du hast wahrscheinich ständig reagiert.

Später hast Du es dann umgedreht: Du hast ihn erstmal ignoriert, das heißt, seine Aktionen haben nicht zu einer Reaktion Deinerseits geführt.
Dann hast Du ihn angetrieben (agiert) , darauf hat er beschleunigt (reagiert). -> So soll's sein!

Grundsätzlich: wenn ich von einem Pferd etwas verlange, dann muss es das auch tun. Da mein Pferd ungefähr 10 x so viel wiegt wie ich, bin ich sehr vorsichtig, auch nur das zu verlangen, was ich durchsetzen kann!
- > wenn mein Pferd an der Longe bockt und losrennt, würde ich nicht versuchen, es zu bremsen, denn es würde mir nicht gelingen und ich hätte meine Schwäche eingestanden. Den Fehler habe ich vorher schon gemacht -> zurück zu den Grundlagen :wink:
lalala

Beitrag von lalala »

LordFado hat geschrieben:hm... ganz prinzipiell denke ich aber sollte das Pferd seinen Unmut auf meine Anweisungen nicht kundtun müssen - zumindest DARF es das nicht in einer Art, die für mich dann gefährlich wird (nach mir schlagen). Das Pferd kann 23 Stunden am Tag tun und lassen, was es will - in dieser einen Stunde, die es geritten wird, hat es zu spuren - egal ob es grade Lust auf die Übungen hat oder nicht. Meine persönliche Meinung - alles Andere wird schnell gefährlich, denke ich.
Dito !

Zwischen "das Pferd bot mir den Galopp an" und "das Pferd ist durchgegangen" liegen Welten. Ebenso zwischen "es bot mir Travers an" und " es versuchte sich durch Travers zu entziehen"...so kann man sich halt auch vieles schön reden.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Hmm, Georgia und ich haben das ganz einfach geregelt.
Ich mache wenn Freiarbeit statt Longieren. Die ersten paar Minuten gehören ihr, da kann sie nach Herzenslust fetzen, buckeln, steigen, was sie mag.
Danach möchte ich von ihr aber auch Konzentration haben und bekomme diese auch.

So gehe ich einer evtl. Konfliktsituation aus dem Weg, das Pferd darf sich austoben und ich komme trotzdem zu meiner konzentrierten Arbeit. Das ist bei Georgia an sich nicht nötig, aber trotzdem rennt sie schon mal gerne vor der Arbeit.

Allerdings darf Georgia auch ihren Unmut kundtun, wenn sie zu etwas gar keinen Bock hat und ich respektiere das auch. Inzwischen sind wir aber so eingespielt, dass wir kleinste Hinweise voneinander verstehen und so aufeinander eingehen können. Unlust oder fehlende Motivation gibt es bei uns selten.
Und wenn sind wir meist Beide faul... :wink:
LG
Sheitana
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lalala

Beitrag von lalala »

Sheitana hat geschrieben: Ich mache wenn Freiarbeit statt Longieren. Die ersten paar Minuten gehören ihr, da kann sie nach Herzenslust fetzen, buckeln, steigen, was sie mag.
Hast du bei so einem Kaltstart keine Angst vor Verletzungen ?
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

lalala hat geschrieben:
Sheitana hat geschrieben: Ich mache wenn Freiarbeit statt Longieren. Die ersten paar Minuten gehören ihr, da kann sie nach Herzenslust fetzen, buckeln, steigen, was sie mag.
Hast du bei so einem Kaltstart keine Angst vor Verletzungen ?
Hmm, wenn die Pferde auf der Wiese stehen sowieso nicht. Und sonst ehrlich auch nicht. Wenn ich manchmal denke wie die auf der Wiese losfetzen wenn sie gerade gelegen oder gedöst haben. Und Georgia hat ja keine kleine Box, sondern es ist ein großer Paddock dran. Sie ist ständig in Bewegung, also richtig "kalt" ist sie nie.

Georgia gehört auch nicht zu den Pferden die kopflos losfetzen sobald man sie frei lässt. Sie trabt, sie galoppiert, sie macht ein oder zwei Buckler, manchmal ein paar mehr, also nicht die wilde Sau. :wink:
LG
Sheitana
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Sunknúni
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Beitrag von Sunknúni »

Hm, wenn ich wirklich Arbeit verlange dann gebe ich auch vor, sprich ich agiere und das Pferd hat zu reagieren. Wenn ich jedoch merke, dass das Pferd gerade definitv was anderes braucht, muss ich natürlich umgestalten.

Konkretes Beispiel: ich will konzentrierte Longenarbeit machen, aber Pferd will lieber rumspinnen. Anstatt das Pferd einfach an der Longe austoben zu lassen, breche ich in so einem Fall lieber ab (denn an der Longe ist Rumspinnen einfach NoGo, ist mir echt zu gefährlich!), verlange eine Kleinigkeit und lasse das Pferd erst mal frei austoben. Hier kann es dann auch mal sein, dass ich eher reagiere, aber immer wieder Vorgaben mache um zu testen, wieweit sich das pferd schon auf die Arbeit einlassen kann.

Zwecks Warmlaufen lassen. Ich schaue zu, dass sich diue Pferde zumindest etwas warmlaufen (hängt auch etwas davon ab, ob sie auf der Weide waren oder nicht). Zur Not wird eben geführt. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass die Pferde es irgendwann lernen, dass erst Schritt gegangen wird. Das Kommando Trab ist dann halt auch Kommando zum Rumspinnen, aber das ist dann okay ;-)
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Jen
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Beitrag von Jen »

Es ist mir eigentlich erst 2x untergekommen, dass ich ein Youngster nicht für die Arbeit konzentrieren habe können und ihn frei lassen und toben lassen musste (natürlich nach genügend Schritt). Bei meinem älteren Pferd lasse ich sicher nicht das Programm vom Pferd bestimmen, sondern bestimme selber das Programm. Ich sehe es aber als Pflicht des Reiters und Ausbilders meines Pferdes an, dass die Aufgaben von vornherein so gestaltet werden, dass sie für mein Pferd lösbar sind, dann passiert es auch nicht, dass sich mein Pferd dagegen wehren muss. Macht es das trotzdem, muss ich mich zuerst hinterfragen, ob ich etwas falsch gemacht habe und gegebenenfalls die Hilfengebung anpassen. Aber ich lege sehr viel Wert auf die kleinen Details. Gerade die autoritätsverteilung legt sich in den kleinen Dingen fest. dh. ich achte darauf, dass das Pferd sich in genau dem Abstand, TEmpo und Richtung führen lässt, wo ich sage. Auch anhalten heisst anhalten und nicht noch 5 schritte an mir vorbeidrücken oder sich rückwärts 2 Schritte entziehen oder da ein bisschen mit der Schulter drängeln etc. beim stehen lassen macht das Pferd einen Schritt auf den Menschen zu, mensch weicht völlig unbewusst einen halben Schritt zurück, achtet euch mal genau... das sind alles mehr oder weniger subtile Sachen, wo das Pferd auslotet, wo seine bzw. meine Grenzen sind. Und gerade die klassische Reitkunst legt ja eigentlich sehr viel Wert auf Präzision! Sei das in der Linienführung bei Bahnfiguren, beim Takt und Tempo, Körperhaltung des Pferdes etc. Ich bemerke immer wieder, dass gerade bei den kleinen Dingen viele Leute viel zu wenig konsequent mit sich selber sind. Und dann kommt es eben zu solchen "Explosionen", wo man zum reagieren gezwungen wird. Vor diesen Explosionen passiert aber meistens schon ganz viel, was man schlicht verpasst hat! Es gibt für mein Pferd, das genügend auf der Weide ist und sich dort v.a. grasenderweise in langsamem Schritt bewegt keinen Grund plötzlich auf dem Reitplatz herumzutoben. Wenn es diese Art von Bewegung "braucht" kann es das auf der Weide tun. punkt. ich finde es immer etwas verdächtig, wenn Pferde urplötzlich vom faulen Fresser zum "temperamentvollen Streitross" mutieren. Das hat sehr oft weniger mit Temperament oder Bewegungslust zu tun, sondern schlicht und einfach mit den Grenzen, die man dem Pferd setzt oder eben nicht. Grenzen setzen kann man in aller Freundlichkeit und je früher und je genauer man sie setzt, desto selbstverständlicher werden sie akzeptiert. Deshalb lege ich ja auch schon beim rohen Pferd wert auf ein simples, aber gutes Führtraining. Da werden schon die Grundsteine gelegt für alles andere.

deshalb habe ich auch sehr selten Probleme, falls mein Pferd mal krank oder verletzt ist und sich ruhig verhalten sollte, weil er einfach anständig auf mich hört. Er ist kein hypnotisierter Esel ohne Willen, überhaupt nicht und es gibt sicher da und dort noch verbesserungswürdige Dinge. Aber ich muss keine Angst haben, dass er unkontrollierte Bockexplosionen hat, wenn er z.b. nur an der Hand schritt geführt werden darf oder so. ich finde das sehr wertvoll. Aber das klappt nicht, wenn das Pferd schon im "normalen Alltag" sich diese Freiheiten ausnimmt.
Liebe Grüesslis, Jen
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Jen, du sprichst mir mal wieder aus der Seele.
Und machst mich sehr nachdenklich. Bisher habe ich Soraya meistens am Anfang 5 min frei gehen lassen. Ich dachte "Es ist ein fünfjähriges Blüterpferd. Da kann man ihr wohl ein wenig Toberei zugestehen". Aber diesen Gedanken, dass sie ja auch auf der Weide toben kann, wenn sie möchte, hatte ich auch schonmal. Vielleicht werde ich die fünf min mal durch etwas anderes ersetzen..
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emproada
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Beitrag von emproada »

Ich denke nicht, dass etwas dagegen spricht ein Pferd auch mal toben zu lassen, aber dazu gehört definitiv nicht nach dem Menschen zu treten.
Viele Grüße Tina
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ninischi
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Beitrag von ninischi »

Nee, das macht sie auch nicht!
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smilla
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Beitrag von smilla »

Ich finde, das ist ein schmaler Grad. Einerseits schätze ich den Gedanken, dass ein Pferd sich vor dem Reiten austoben darf und in gewisser Weise selbst Vorschläge machen kann. Andererseits würde ich mich dem anschließen, dass das mit dem Toben eine Haltungsfrage ist. Wenn ein Pferd tagsüber nach Herzenslust laufen und buckeln kann, hat es dieses Bedürfnis doch schon befriedigt. Seit ich mit Hengsten arbeite, ist mir nochmal viel bewusster geworden, wie viel ein konsequentes Verhalten wert ist. Die Besitzerin verhält sich so und ich führe es weiter. Da gibt es NIE Dominanzprobleme, weil die Regeln ganz, ganz fest sind und von beiden (Pferd und Mensch) eingehalten werden. Das mag recht trist klingen, aber dafür hat man eine sehr entspannte Atmosphäre, kann mit 2 Hengsten ohne Probleme gleichzeitig auf den Reitplatz und beim Ausreiten sind sie völlig unproblematisch.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Also ich kann jetzt nicht behaupten, dass mein Pferd deswegen jetzt Probleme macht.

Nach fast 3 Wochen fest stehen habe ich mich ohne Sattel drauf gesetzt und Georgia zeigte nicht die geringsten Anzeichen was anderes als Schritt einzuschlagen. Ich habe auch sonst keine elementaren Probleme mit ihr.
Sie hat einfach manchmal Spaß daran über den Platz zu buckeln (nie! mit mir drauf oder so, dass es auch nur annähernd gefährlich werden könnte), also finde ich spricht nichts dagegen.
LG
Sheitana
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