Lernpsychologie

Allgemeines rund ums Pferd

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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Vielleicht kann man dann zum Thema "Lernpsychologie" oder wie auch immer man das benennen möchte einen eigenen Fred aufmachen.
Wir sind ja schon ziemlich weit vom Ursprungsthema weg :roll:
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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chica
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Beitrag von chica »

@otti - ich hab das Thema jetzt mal geteilt ;) Ist ebenfalls ein sehr interessanter Bereich.
LG Ines
................................................
"Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart."
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Hestur
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Beitrag von Hestur »

lusitano-fan hat geschrieben:Aber eben genau diese Haltung (Pferde sind zu kognitiven Fähigkeiten nicht fähig, Pferde haben keine Gefühle, 'nein Pferde können das nicht verknüpfen') öffnet den Leuten die Tür, die Pferde nicht wirklich respektieren...
Ich verstehe jetzt den Zusammenhang nicht ganz, dass Pferde keine Gefühle haben, hat doch niemand behauptet, oder?

Cat_85 hat geschrieben:Das Pferd hat also scheinbar mit der Halle negative Assoziationen. Und da Pferde einen recht guten Orientierungssinn haben, weiß er auch wo es zur Halle geht. Er will Orte mit negativen Assoziationen meiden, also will er auch den Weg dahin nicht lang gehen.
So hätte ich es jetzt auch gesagt. Das Pferd kennt den Weg zur Halle und weiß aus Erfahrung, dass wenn es diesen Weg geht, es in die Halle geht zum Arbeiten. Heißt mal ganz kurz und knapp: Weg=Halle.
Das heißt es "mäkelt" schon auf dem Weg zur Halle, weil es eben diesen Weg mit der Halle assoziiert.
Ums noch komplizierter zu machen :lol:: Den Weg hat das Pferd wiederum mit der Halle verknüpfen können, weil die beiden Handlungen direkt aufeinander folgen und immer die selben sind - Weg gehen, Weg endet in der Halle. Das verknüpft sich quasi von selbst.
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Da hab ich mit meinem Beitrag ja eine spannende Diskussion ausgelöst :)

Zum Thema ein paar Erfahrungen, die ich mit meinem Pony gemacht habe:

Im Frühling, wenn die Pferde bei uns im Stall "angegrast" werden, fressen sich die meisten Warmblüter systematisch durch das frische Gras, während Gawan sich auf die Suche nach Spitzwegerich und Löwenzahn macht. Da er weder Pharmakologie studiert noch Bücher über Heilkräuter gelesen hat, kann er nicht wissen, dass es sich dabei um "Medizin" handelt. Warum sucht er dann danach und lässt das saftige Gras stehen?

Im Sommer gehe ich, bevor ich mich auf den Heimweg mache, meist nochmals auf die Weide und bringe Gawan ein paar Leckerli. Die Weide ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die im Laufe der Wochen einer nach dem andern geöffnet werden. Einmal ergab es sich, dass Gawan in einem Teil stand und ich in einem anderen. Ich gab ihm ein Leckerli durch den Zaun und trat dann einen Schritt zurück. Etwa zwanzig Meter entfernt von uns war eine Wasserstelle und daneben ein offener Durchgang. Da Gawan zuerst nur etwas verwirrt stehenblieb (er weiss aus Erfahrung, dass er in der Regel mehrere Leckerlis bekommt), machte ich einen Schritt auf die Wasserstelle zu. Da lief Gawan los, umrundete die Wasserstelle und kam zu mir, um sich sein Leckerli zu holen. Daraufhin kletterte ich durch den Zaun auf die andere Seite, Gawan lief gleich wieder um die Wasserstelle, um sich noch ein Leckerli zu holen. Er hatte also verstanden, dass er von mir bzw. dem Leckerli weggehen musste, um zu mir und dem Leckerli hinzukommen ("Umweg führt zum Ziel").

Im Herbst schaute mir eine Kollegin bei der Arbeit in der Halle zu. Da sie fror, hatte sie sich in eine Wolldecke gewickelt. Diese Wolldecke benutzte ich für folgenden Test: Ich legte die Wolldecke Gawan über Kopf und Hals, so dass er nichts sehen konnte. Zuerst machte er einige Schritte rückwärts, dann senkte er den Kopf und begann ihn hin und her zu bewegen, bis die Decke herunterrutschte. Als ich ihm zwanzig Minuten später nochmals die Decke über den Kopf legte, senkte er gleich den Kopf und schaukelte ihn hin und her (es war eine langsame Bewegung, kein Schütteln), bis die Decke wieder unten war. Er probierte also bei der Lösung des Problems verschiedene Methoden aus und verzichtete beim zweiten Mal darauf, die untaugliche Methode (Rückwärtsgehen) anzuwenden.

Was mir auch noch aufgefallen ist: Wenn ich Gawan auf der Weide zu mir rufe und das Halfter dabei habe (ihn also von der Weide holen will), strahlt er häufig, bevor er zu mir kommt.

Tanja Xezal
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Hestur
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Beitrag von Hestur »

Hi Gawan, also ich schreibe jetzt einfach mal so herunter, was mir zu deinen Beispielen einfällt.

Gawan hat geschrieben:Im Frühling, wenn die Pferde bei uns im Stall "angegrast" werden, fressen sich die meisten Warmblüter systematisch durch das frische Gras, während Gawan sich auf die Suche nach Spitzwegerich und Löwenzahn macht. Da er weder Pharmakologie studiert noch Bücher über Heilkräuter gelesen hat, kann er nicht wissen, dass es sich dabei um "Medizin" handelt. Warum sucht er dann danach und lässt das saftige Gras stehen?
Über dieses Phänomen habe ich etwas in einem Buch zum Thema Sommerekzem gelesen. Dort wurde beschrieben, dass Pferde intuitiv das fressen, was der Körper gerade benötigt.
Die Autorin schrieb als Beispiel, dass die Pferde auf der Wiese wochenlang um die Brennnesseln (ich glaube es waren Brennnesseln, bin nicht mehr ganz sicher) herumgefressen haben, und als scheinbar ein Mangel bestand, machte sich ein Pferd plötzlich ganz gierig über die Brennnesseln her. Ich würde das auch in die Kategorie Intuition einstufen, so wie viele Tiere wissen, welches Futter giftig und somit zu meiden ist, un welches nicht.
Im Sommer gehe ich, bevor ich mich auf den Heimweg mache, meist nochmals auf die Weide und bringe Gawan ein paar Leckerli. Die Weide ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die im Laufe der Wochen einer nach dem andern geöffnet werden. Einmal ergab es sich, dass Gawan in einem Teil stand und ich in einem anderen. Ich gab ihm ein Leckerli durch den Zaun und trat dann einen Schritt zurück. Etwa zwanzig Meter entfernt von uns war eine Wasserstelle und daneben ein offener Durchgang. Da Gawan zuerst nur etwas verwirrt stehenblieb (er weiss aus Erfahrung, dass er in der Regel mehrere Leckerlis bekommt), machte ich einen Schritt auf die Wasserstelle zu. Da lief Gawan los, umrundete die Wasserstelle und kam zu mir, um sich sein Leckerli zu holen. Daraufhin kletterte ich durch den Zaun auf die andere Seite, Gawan lief gleich wieder um die Wasserstelle, um sich noch ein Leckerli zu holen. Er hatte also verstanden, dass er von mir bzw. dem Leckerli weggehen musste, um zu mir und dem Leckerli hinzukommen ("Umweg führt zum Ziel").
Das finde ich jetzt schon faszinierend. Sicherlich hat es was mit dem Orientierungssinn zu tun, dein Pferd kennt sich ja sicherlich auf den Weiden bestens aus. Trotzdem glaube ich, dass mein Pferd zu so einer Handlung nicht in der Lage wäre. Meine wäre wahrscheinlich nur auf das Futter fixiert und irgendwann frustriert, wenn sie nicht rankommt :lol:
Im Herbst schaute mir eine Kollegin bei der Arbeit in der Halle zu. Da sie fror, hatte sie sich in eine Wolldecke gewickelt. Diese Wolldecke benutzte ich für folgenden Test: Ich legte die Wolldecke Gawan über Kopf und Hals, so dass er nichts sehen konnte. Zuerst machte er einige Schritte rückwärts, dann senkte er den Kopf und begann ihn hin und her zu bewegen, bis die Decke herunterrutschte. Als ich ihm zwanzig Minuten später nochmals die Decke über den Kopf legte, senkte er gleich den Kopf und schaukelte ihn hin und her (es war eine langsame Bewegung, kein Schütteln), bis die Decke wieder unten war. Er probierte also bei der Lösung des Problems verschiedene Methoden aus und verzichtete beim zweiten Mal darauf, die untaugliche Methode (Rückwärtsgehen) anzuwenden.
Das ist finde ich ein ganz typisches Beispiel der Verknüpfung - Rückwärts gehen = nichts ändert sich, Kopf schütteln = Decke fällt ab.
Pferde denken auch sozusagen in Kosten-Nutzen-Rechnungen, es wird genau überlegt, wie viel Aufwand etwas kostet, und was man im Ausgleich dafür bekommt. Solche Entscheidungen können beim wildlebenden Pferd durchaus über Leben und Tod entscheiden.
Ganz einfaches Beispiel wäre hierfür ein Pferd, welches etwas entfernt von seinem Besitzer steht, und dieser lockt mit dem Futtereimer. Was muss ich aufwenden, um an das Futter zu bekommen (hingehen, Energieverbrauch), was bekomme ich dafür (Futter).
Solche Entscheidungen werden aber meist innerhalb extrem kurzer Zeit gefällt.
Was mir auch noch aufgefallen ist: Wenn ich Gawan auf der Weide zu mir rufe und das Halfter dabei habe (ihn also von der Weide holen will), strahlt er häufig, bevor er zu mir kommt.
Meine macht das auch. Wenn ich sie aus dem Stall hole, bleibt sie fast jedes Mal im Stroh stehen und pinkelt.
Am Putzplatz z.B. wäre das pinkeln wesentlich unangenehmer, auf dem harten Untergrund spritzt es, das empfinden viele Pferde als sehr unangenehm.
Für diese These spricht für mich, dass es wirklich so ein "nochmal schnell alles rausquetschen was eben geht"-pinkeln ist :mrgreen: Es sind teilweise nur wirklich kleine Mengen (mal mehr mal weniger).
Dieses Verhalten finde ich persönlich auch sehr sehr interessant.
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

Jetzt ich nochmal. :D

Was Konditonierung ist wissen wir denk ich jetzt und das es beim Pferd sehr gut funktioniert auch. Darauf basieren ja, wie schon erwähnt, die ganzen "Tipps", dass man gleich nach einer positiven/negativen Handlung des Pferdes belohnen/strafen soll. Auch das Clicker-Training funktioniert über die Konditionierung Click=Belohnung.

Was Pferde ebenfalls können, ist Lernen durch Beobachtung. So schauen sich Fohlen gerne Unarten von ihren Müttern ab. Oder beim ersten Springtraining geht ein erfahrenes Pferd voraus und das Jungtier hinterher und wird dadurch sicherer (sicherlich spielt der Herdentrieb hier auch noch eine Rolle).

Dann gibt es noch das kognitive Lernen. Auch als Lernen durch Einsicht oder Lernen durch Denken bezeichnet. Dazu braucht man kognitive Vorraussetzung, wie Vorstellungsvermögen, Erfassen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, das Erfassen von Sinn und der Bedeutung einer Situation und je nach Situation noch abstrakte Systeme, wie Zeitvorstellung.
Meiner Meinung nach sind die meisten dieser kognitiven Leistungen für Pferde nicht zu schaffen. Gerade abstrakte Zeitvorstellung (Gestern, Heute, Morgen) erscheinen mir zu kompliziert, was eine Verbindung von "Gestern reiten -> Heute Aua" für mich unmöglich macht. Wir haben auch überlegt, ob sich die Situation anders darstellt, wenn das Pferd nie geritten wird, außer Sonntags und dann gleich fünf Stunden, mit Muskelkater am darauf folgenden Tag. Das man sagen könnte, dass das Pferd immer Schmerzen hat nach dem Reiten. Aber auch da erschien uns die Zeit dazwischen zu lang.
(Für andere Tierarten sind auch solche Denkvorgänge nachgewiesen, zum Beispiel Menschenaffen.)

Für mich lassen sich bis jetzt alle Sachen, die ich bei Pferden gehört und erlebt habe, auf einfache Lernvorgänge zurückführen. Wobei, wenn man ein Pferd nicht von Fohlen an kennt, kann man sich oft nicht alles erklären. Aber solche Erfahrungen klammere ich jetzt mal aus, denn auch die entstammen meist negativen Assoziationen.

Und was ich nochmal betonen möchte ist, dass dies nicht abwertend gegenüber dem Pferd gemeint ist. Denn auch diese Prozesse erfordern schon viel Leistung und sollen das Pferd keinesfalls als "dumm" darstellen. Denn egal wie man lernt, jedes Lebewesen hat neben diesen Lernfähigkeiten auch noch einen bestimmten Charakter, Gefühle, Schmerzempfinden und eine festgelegte Genetik. Somit ist auch für mich jedes Tier ein Individuum und wird als solches behandelt.
Doch ebenso wie ich bei Kindern darauf achte, dass ich ihnen keine Aufgaben stelle, die sie aufgrund ihrer Entwicklung noch nicht lösen können, so handhabe ich das auch beim Pferd. Und da klammere ich kognitives Lernen (neben anderem, typisch menschlichem Verhalten wie Wut) aus.
Gawan hat Folgendes geschrieben:
Im Frühling, wenn die Pferde bei uns im Stall "angegrast" werden, fressen sich die meisten Warmblüter systematisch durch das frische Gras, während Gawan sich auf die Suche nach Spitzwegerich und Löwenzahn macht. Da er weder Pharmakologie studiert noch Bücher über Heilkräuter gelesen hat, kann er nicht wissen, dass es sich dabei um "Medizin" handelt. Warum sucht er dann danach und lässt das saftige Gras stehen?

Über dieses Phänomen habe ich etwas in einem Buch zum Thema Sommerekzem gelesen. Dort wurde beschrieben, dass Pferde intuitiv das fressen, was der Körper gerade benötigt.
Die Autorin schrieb als Beispiel, dass die Pferde auf der Wiese wochenlang um die Brennnesseln (ich glaube es waren Brennnesseln, bin nicht mehr ganz sicher) herumgefressen haben, und als scheinbar ein Mangel bestand, machte sich ein Pferd plötzlich ganz gierig über die Brennnesseln her. Ich würde das auch in die Kategorie Intuition einstufen, so wie viele Tiere wissen, welches Futter giftig und somit zu meiden ist, un welches nicht.
Dem stimme ich zu, das erklärt sich für mich auch über instinktives Verhalten. Wobei ich auch der Meinung bin, das viele Pferde das schon verlernt haben. Solche Prozesse sind leider bei der Domestizierung häufig zu sehen.
Im Sommer gehe ich, bevor ich mich auf den Heimweg mache, meist nochmals auf die Weide und bringe Gawan ein paar Leckerli. Die Weide ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die im Laufe der Wochen einer nach dem andern geöffnet werden. Einmal ergab es sich, dass Gawan in einem Teil stand und ich in einem anderen. Ich gab ihm ein Leckerli durch den Zaun und trat dann einen Schritt zurück. Etwa zwanzig Meter entfernt von uns war eine Wasserstelle und daneben ein offener Durchgang. Da Gawan zuerst nur etwas verwirrt stehenblieb (er weiss aus Erfahrung, dass er in der Regel mehrere Leckerlis bekommt), machte ich einen Schritt auf die Wasserstelle zu. Da lief Gawan los, umrundete die Wasserstelle und kam zu mir, um sich sein Leckerli zu holen. Daraufhin kletterte ich durch den Zaun auf die andere Seite, Gawan lief gleich wieder um die Wasserstelle, um sich noch ein Leckerli zu holen. Er hatte also verstanden, dass er von mir bzw. dem Leckerli weggehen musste, um zu mir und dem Leckerli hinzukommen ("Umweg führt zum Ziel").
Wie gesagt, Pferde haben einen guten Orientierungssinn. Er wird die Tore der Weide sicher gut kennen. Wenn nicht, hätte er vielleicht gesucht und dann durch "Versuch und Irrtum" rausgefunden wo ein Tor zu dir ist. Aber ich weiß auch, das nicht alle Pferd so schlau sind und dann da stehen und hilflos wiehern. Da gibt es wie bei Menschen sicher auch Unterschiede in der Intelligenz. Jetzt könnte man überlegen, ob die Denkleistung "einen Umweg gehen" schon kognitives Lernen ist oder nicht, da es schon eine gweisse Übersicht über die Situation erfordert. Was meint ihr? :kopfkratz:
Was mir auch noch aufgefallen ist: Wenn ich Gawan auf der Weide zu mir rufe und das Halfter dabei habe (ihn also von der Weide holen will), strahlt er häufig, bevor er zu mir kommt.
Für mich ein ganz klassisches Beispiel für postive Assoziation (wieder gelernt durch Konditionierung). Er verbindet mit dir Positives. Und wer freut sich da nicht. :D Jedes Lebewesen sucht Orte oder andere Individuen auf, mit denen es Positives verbindet.
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Zitat:
Was mir auch noch aufgefallen ist: Wenn ich Gawan auf der Weide zu mir rufe und das Halfter dabei habe (ihn also von der Weide holen will), strahlt er häufig, bevor er zu mir kommt.

Für mich ein ganz klassisches Beispiel für postive Assoziation (wieder gelernt durch Konditionierung). Er verbindet mit dir Positives. Und wer freut sich da nicht. Jedes Lebewesen sucht Orte oder andere Individuen auf, mit denen es Positives verbindet.
Ähem, mit dem Wort "strahlen" meinte ich hier nicht, dass er sich freut, sondern dass er "sich erleichtert", "austritt", "Wasser lässt" bzw. schlicht und einfach pisst. Weiss jetzt nicht, ob ich mich dadurch geschmeichelt fühlen sollte.
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Hestur
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Beitrag von Hestur »

Gawan hat geschrieben:
Zitat:
Was mir auch noch aufgefallen ist: Wenn ich Gawan auf der Weide zu mir rufe und das Halfter dabei habe (ihn also von der Weide holen will), strahlt er häufig, bevor er zu mir kommt.

Für mich ein ganz klassisches Beispiel für postive Assoziation (wieder gelernt durch Konditionierung). Er verbindet mit dir Positives. Und wer freut sich da nicht. Jedes Lebewesen sucht Orte oder andere Individuen auf, mit denen es Positives verbindet.
Ähem, mit dem Wort "strahlen" meinte ich hier nicht, dass er sich freut, sondern dass er "sich erleichtert", "austritt", "Wasser lässt" bzw. schlicht und einfach pisst. Weiss jetzt nicht, ob ich mich dadurch geschmeichelt fühlen sollte.
:mrgreen:
Glaube auch, dass es sich hier um ein Missverständnis handelt, oder?
Oder pinkeln Pferde, wenn sie sich freuen? Das wäre mir jetzt ein vollkommen neues Verhaltensmuster :mrgreen:
Allerdings würde ich mich darüber natürlich freuen - meine hat dieses Pinkel-Verhalten wie gesagt auch.
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Beitrag von gimlinchen »

die lernpsychologie ist ein zweig der psychologie, der seine blüte in den 50er - 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte. die ergebnisse dieser zeit (aus dem sog. behaviorismus) finden dann auch eingang in das allgemeine gedankengut.
natürlich hat sich seither auch einiges getan...
die konditionierungsmechanismen sind natürlich unbestritten, sowie das lernen aus einsicht und auch das lernen am modell. letztere sind recht menschlich, logisch, weil sie menschliche voraussetzungen brauchen.

ich glaube, dass es zu kurz greift zu sagen, pferde lernen nur durch konditionierung (und zwar in den simplen beiden formen: klassische und operante konditionierung) und fertig. sicher ist das der grundlegende prozess.... ich glaube aber, dass pferde viel mehr und besser lernen können, als wir ihnen zugestehen und dass mehr prozesse eine rolle spielen.

das verknüpfen von außergewöhnlichem ereignis (wanderrittt oder, was ich selbst beobachtet hab, rennen) halte ich für sehr gut möglich.
in dem rennstall, in dem ich lange gearbeitet hab, hatten wir eine ganzez zeit folgendes thema: trainer "konnte" keine jungen pferde trainieren, heißt: die pferde reisten zum rennen mit einer bärenkondition, aber nicht mit der nötigen schnellen arbeit über kurze strecken und den daraus resultierenden muskeln. die pferde kamen beim rennen fein weit hinten an und: am nächsten tag hatten sie einen wahnsinnsmuskelkater.
man konnte das kaum mitansehen.... bei den nächsten rennen waren diese armen viecher alle völlig im ausnahmezustand. bei einigen blieb das so übers leben, bei vielen hat sich das nach ein positiveren erfahrungen gelegt.

ich glaube, wenn man mal einräumt (nur so als gedankenexperiment), dass pferde viel mehr können als stumpfes konditionieren, dann eröffnen sich interessante beobachtungen. wobei dermechanimsus des verknüpfens von reizen oder ereignissen vermultich schon grundlegend ist
skywalker

Beitrag von skywalker »

Danke für die eigene Box, sehr interessant.

Das mit der Beobachtung der Rennpferde finde ich sehr interessant. Ich hab vorher schon gemutmaßt, ob es einem Pferd möglich ist, Ursache und Wirkung auch über lange zeitliche Abstände hinweg zu assoziieren, wenn das Schema immer und immer wieder passiert. Also durch oftmalige Wiederholung.
Das Beispiel mit den Rennpferden würde das beweisen ... obwohl wahrscheinlich schon einfach der Umstand, ein REnnen laufen zu müssen ohne entsprechende Muskeln, unangenehm genug ist, um negatives zu assoziieren, da brauchts wahrscheinlich gar keinen Muskelkater am nächsten Tag, da tun die Muskeln schon währenddessen weh genug :roll:

Ich glaube dass Pferde sehr wohl Ursache-Wirkung verbinden können, aber halt nur, wenn eine unmittelbare zeitliche oder räumliche Verbindung gegeben ist. Ab einem bestimmten Abstand, zeitlich oder räumlich, glaube ich nicht, dass sie die Verbindung noch ziehen können.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht einmal, dass ein kleines Kind die Verbindung lange Wanderung - Muskelkater ziehen könnte. Grade ein Muskelkater ist ja ein sehr komplexer Schmerz, meistens weiß man gar nicht so genau, WO was wehtut, es tun nur plötzlich ganz bestimmte Bewegungen weh.

Ein anderes Beispiel: Glaubt ihr, kann ein Pferd einen Unfall mit darauffolgendem Schmerz verbinden, also sagen wir es fällt hin, oder nehmen wir was harmloseres: es haut sich irgendwo an und hat ein Cut, Cut entzündet sich, tut sehr weh... glaubt ihr, es weiß, diese Stelle tut jetzt so weh, weil es sich angehauen hat? Ich hab ehrlich keinen Schimmer?!

DAs Beispiel mit dem Finden des offenen Weges find ich jetzt nicht sooo außergewöhnlich... Erinnert mich einfach an die berühmte Ratte im Labyrinth... die Belohnung erfolgt auch sofort... Unsere Offenstaller müssen sich im Sommer auch den WEg vom Auslauf zur WEide suchen, da macht der Stallbesitzer immer quasi ein anderes Tor auf, das auf ein neues Stück Weide führt. Die wissen genau, irgendwo ist da offen, also spazieren sie einfach entlang, bis sie die Stelle gefunden haben. Manche sind schneller, manche langsamer (ja, es gibt auch welche, die finden sie nicht, stehen allein im Auslauf und wiehern zum Herzerweichen... aber da wundere ich mich immer, warum sie's nicht finden?)

Worüber ich sicher bin, ist, dass Pferde sich zeitliche Abfolgen sehr gut merken, und damit würde ich das Strahlen vor dem Holen erklären. Ein Pferd merkt sich: kommt mein Mensch und halftert mich auf, dann gehts nachher für gewöhnlich zum Putzplatz, danach zur Arbeit (und Arbeit mit voller Blase unangenehm), lieber vorher pieseln. Am faszinierendsten davon finde ich die Denkleistung: Putzplatz = schlecht zum Pieseln :wink:

Ein sehr faszinierendes Thema...

Ach ja, das mit den Pflanzen: das ist denk ich ein Urinstinkt, den auch der Mensch hätte, wenn er nicht dauernd industriell hergestelltes Futter futtern würde. Es ist total faszinierend zu beobachten, dass sich der Geschmack verändert, und auch die Tatsache, dass, wenn man viel Sport betreibt und auf gesunde ERnährung achtet, der Körper wieder lernt, nach dem zu verlangen, was er grade braucht. DA gibts dann die merkwürdigsten Heißhungerattacken: ich brauch jetzt unbedingt einen Apfel. Oder eine Karotte. Oder Fleisch, oder Milch. Total interessant. Kinder sollten diesen Instinkt an sich auch eine Zeitlang haben, bevor man ihn ihnen abgewöhnt :roll:
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Hestur
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Beitrag von Hestur »

skywalker hat geschrieben:Ein anderes Beispiel: Glaubt ihr, kann ein Pferd einen Unfall mit darauffolgendem Schmerz verbinden, also sagen wir es fällt hin, oder nehmen wir was harmloseres: es haut sich irgendwo an und hat ein Cut, Cut entzündet sich, tut sehr weh... glaubt ihr, es weiß, diese Stelle tut jetzt so weh, weil es sich angehauen hat? Ich hab ehrlich keinen Schimmer?!
Ich würde sagen der Cut tut ja von Anfang an weh, und wird durch die Entzündung wahrscheinlich noch vermehrt. Von daher könnte ich mir schon vorstellen, dass das Pferd das weiß, wie es sich verletzt hat. Wäre es jetzt so, dass das Pferd sich verletzen würde, aber erst überhaupt keinen Schmerz hätte, und dieser erst Stunden oder nen Tag später auftreten würde, dann glaube ich, wüsste das Pferd nicht, woher der Schmerz kommt.

Worüber ich sicher bin, ist, dass Pferde sich zeitliche Abfolgen sehr gut merken, und damit würde ich das Strahlen vor dem Holen erklären. Ein Pferd merkt sich: kommt mein Mensch und halftert mich auf, dann gehts nachher für gewöhnlich zum Putzplatz, danach zur Arbeit (und Arbeit mit voller Blase unangenehm), lieber vorher pieseln. Am faszinierendsten davon finde ich die Denkleistung: Putzplatz = schlecht zum Pieseln :wink:
Ja, ich finde zumindest sieht das nach einer Verknüpfung aus, die nicht innerhalb von Sekunden passiert, sondern über Minunten oder Stunden - allerdings im Zusammenhang mit einem regelmäßigen zeitlichen Ablauf. Ich denke der auch, dass dieser dabei eine tragende Rolle spielt.
Das witzige daran ist - diese Angewohnheit hat sie am neuen Stall entwickelt, wo die Bodenbeschaffenheit des Putzplatzes anders ist - der andere hatte leichtes Gefälle und konnte dazu besser aufsagen - es spritzte nicht so und es blieb keine Pfütze.
Am neuen Stall ist das eben anders. Dort hat sie wirklich nur ein einziges Mal gepinkelt, und seitdem nie wieder. Und seitdem pinkelt sie eben auch fast jedes Mal, wenn ich sie hole (Pferd ist schon aufgehalftert, wird geführt, bleibt beim durchqueren des Strohs nochmal stehen und pinkelt).
Das einmalige Pinkeln am Putzplatz scheint wohl ein sehr traumatisches Erlebnis gewesen zu sein :lol:
Oder ist das am Ende doch alles nur Zufall?
Unsere andere Stute jedenfalls macht das nicht, sie pinkelt regelmäßig am Putzplatz und ekelt sich dann furchtbar vor der Pfütze :wink:
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Ich glaube da spielt dann die Intelligenz des jeweiligen Pferdes mit ein.

Ich kenne Pferde, die merken sich, wenn sie sich irgendwo den Kopf angehauen haben, manche knallen immer wieder an dieselbe Stelle...

Ähnlich wird es mit dem Pinkeln sein, das eine Pferd merkt sich das, das andere macht jedesmal den selben "Fehler".

Wobei ich nicht sagen würde, dass ein Pferd damit intelligenter ist, als das andere, vielleicht hat es nur in anderen Bereichen seine Stärken und versteht z.B. schneller, was unterm Sattel von ihm verlangt wird.
LG
Sheitana
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lusitano-fan
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Beitrag von lusitano-fan »

Hallo ihr alle,

Danke für die neue Box :)

Ich finde Lernpsychologie sehr interessant, gerade da ich letztes Semster eine Vorlesung zum Thema Verhaltenstherapie besuchen konnte...die Grundlage für die Verhaltenstherapie ist die Konditionierung...im Grunde kann man sich jegliches menschliche Verhalten als erlernt und zum größten Teil konditioniert herleiten...so ist zum Beispiel eine Phobie alleinige Konsequenz eines oder mehrerer schlechter Ereignisse (oder Verkettung von Ereignissen) (und oftmals dann verstärkt durch ein Vermeidungsverhalten)...die VT arbeitet sehr viel mit Konfrontationstherapien (lustig, wir gehen mit einem Schlangenphobiker ins Schlangehaus, Schlangen streicheln etc...)

Zurück zum Muskelkater und dem Wanderritt, der ja, naja, Ursprung meiner Gehirnakrobatik war...ehrlich, ich gehe den Schritt zurück und lasse denen den Vortritt, die es besser wissen/beobachten konnten, denn ich habe meinem Pferd so einen Ritt noch nie zugemutet und in den meisten Ställen, in denen ich bisher geritten bin wurden solche Eskapaden entweder nicht gemacht oder Ausreiten war einfach 'uncool'...

Mit dem Thema Pferde haben keine Gefühle habe ich wahrscheinlich bei mir ein Ventil geöffnet...in besagter Halle tummeln sich sehr viele Springpferd und ihre Reiter, die die Pferde als Sportgeräte sehen (da wird dann auch mal ein stark atemgeschädigtes Pferd eine Stunde gearbeitet Schritt/Trab/Galopp) und dann in die Box gestellt, Medikamente rein und dann(!) Box und Boxenfenster zu, damit das Pferd in seinem eigenen Mief in der Dunkelheit steht ('Sonst wird ihm ja kalt!') ) soviel dazu, das sollte kein Angriff sein...kam wahrscheinlich so rüber :roll:

Zurück zum Thema DIESER Box (wie schön):
Wir waren gestern wieder in der Halle und haben Wunder oh Wunder nur 10 Minuten gebraucht :) sprich wir hatten am Montag positive Erlebnisse in der Halle...
Was ich bei meinem Pferd ganz gut beobachten kann ist, dass man durch schlechte Behandlung oder harte Behandlung sehr viel kaputt machen kann...er hat zum Beispiel am Anfang immer Angst vor kleinen Männern gehabt...wenn ein Mann in dieses Schema passte hat er sich immer mit ängstlicher Körperhaltung an die Boxenwand gestellt und genau beobachtet, was denn nun passiert...das finde ich zum Beispiel eine bemerkenswerte Genralisierung (wenn das immer so geschieht?) ...nicht nur eine bestimmte Person wird gemieden, sondern der 'Typ' der der Person zugrunde liegt...
Genauso war es auch sehr schwierig für mich mit Neptuno Bodenarbeit anzufangen, weil er sich, wenn er merkt, dass er etwas falsch gemacht hat, in die Position begibt als hätte man ihn geschlagen (Ich habe ihn nicht geschlagen!) und dann reicht es nur ihn schief anzuschauen, damit er rückwärtsrennt...das sind alles Lernprozesse, die wir langsam aufweichen müssen...
Mich würde echt bei manchen Pferden, die schon so viele 'Macken' haben, die ja Folgen von Lernprozessen sind, interessieren, was sie in ihrem Leben erlebt haben...

Liebe Grüße
Gesa
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Sheitana hat geschrieben:Ich kenne Pferde, die merken sich, wenn sie sich irgendwo den Kopf angehauen haben, manche knallen immer wieder an dieselbe Stelle...
Das hat aber eher was damit zu tun, dass die Pferde, die sich ständig anhauen ein geringeres Körperempfinden haben, als andere. Mit "merken wo die Ecke war" hat das in meinen Augen nichts zu tun. Manche Pferde wissen wo sie zu Ende sind, andere nicht. Ist bei Menschen nicht anders. Meistens ändert sich das Verhalten zum eigenen Körper bei beiden aber durch Gymnastik.

Zum Thema Muskelkater und das mit dem Reiten am Vortag verbinden. Definitiv nein. Das setzt voraus, dass Pferde wissen, das Muskelkater durch Überanstrengung der Muskeln verursacht wird und das wissen sie nicht.

LG Alix
"Erst gehen lernen, dann dressieren" (Udo Bürger)
heike61
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Beitrag von heike61 »

Alix_ludivine hat geschrieben:
Zum Thema Muskelkater und das mit dem Reiten am Vortag verbinden. Definitiv nein. Das setzt voraus, dass Pferde wissen, das Muskelkater durch Überanstrengung der Muskeln verursacht wird und das wissen sie nicht.

LG Alix

naja, dass pferde wissen wodurch "muskelkater" entsteht, das möcht ich auch nicht behaupten :lol:

ich bin mir jedoch sicher, dass pferde einen zusammenhang erkennen können, ob der mensch bei ihm "körperliches unwohl-sein" durch "reiten" ausgelöst hat.
dass pferde dies ---aus der sicht des menschens -- nicht immer eindeutig äußern, dem mag ich wohl zustimmen.



grüße
Wenn du weitergehst, ändert sich deine Perspektive!
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