Lernpsychologie

Allgemeines rund ums Pferd

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lalala

Beitrag von lalala »

Jo klar, du kannst dem Pferd alles so ankonditionieren. Ob es das dann aber anatomisch korrekt ausführt wenn es dabei mit einem schlecht sitzenden Reiter etc. zu kämpfen hat, sei dahingestellt. Wenn du nur "Bratwurst" sagst, galoppiert das Pferd z.B. an, gibst du aber die korrekten Hilfen dazu, trägt es sich selbst und hebelt sich nicht raus etc. Genau so wie du jegliche andere hohe Dressur ankonsitionieren kannst. Diagonal im Stand die Beine heben ist eben noch keine korrekte Piaffe, sieht aber so ähnlich aus...
Mein Lieblingsbeispiel dazu ist der Spanier Soto mit seinem Schimmel - sitzmässig war er ein echter Knaller und sein Schimmel hat trotz allem noch diese wahnsinnigen Vorstellungen geliefert oder Oliveira im fortgeschrittenen Alter...
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

**Rubin** hat geschrieben:
lalala hat geschrieben: Wenn du deinem Pferd auf "Bratwurst" das galoppieren beibringst ists doch auch okay. Aber grundsätzlich konditionierst du doch das Pferd nur auf deine Signale.
Jo klar, du kannst dem Pferd alles so ankonditionieren. Ob es das dann aber anatomisch korrekt ausführt wenn es dabei mit einem schlecht sitzenden Reiter etc. zu kämpfen hat, sei dahingestellt. Wenn du nur "Bratwurst" sagst, galoppiert das Pferd z.B. an, gibst du aber die korrekten Hilfen dazu, trägt es sich selbst und hebelt sich nicht raus etc.
Das würde mich jetzt mal interessieren: Was bedeutet z.B. "anatomisch korrektes Angaloppieren"?

Einfach mal als Vergleich: Die Richtlinien Band 1 (1974) schreiben dazu auf S. 149 folgendes: "Zum Angaloppieren gibt der Reiter folgende Hilfen. Das Pfed wird zunächst an die Zügel gestellt und ihm eine leichte Stellung nach innen gegeben. Der innere Schenkel am Gurt regt den inneren Hinterfuß zum vermehrten Vorteten an, wodurch die bisherige Fußfolge geändert und das Pferd zum Angaloppieren veranlaßt wird. Der äußere Zügel beschränkt durch eine halbe Parade den Vorttritt des äußeren Hinterfußes, während der äußere Schenkel verwahrend hinter dem Gurt liegt. Das Gewicht des Reiters ruht vermehrt auf dem inneren Gesäßknochen."

Dagegen Philippe Karl (Reikunst, S. 105): "Im Galopp greift etwa zwei Drittel der Zeit ein seitliches Beinpaar vor das andere. () Also begünstigt der Reiter das Angaloppieren auf einem bestimmten Fuß, zum Beispiel dem rechten, wenn die Hilfen
- den Raumgriff des linken (also äußeren. A.) seitlichen Beinpaares so stark wie möglich einschränken (belasten)
- zu freiem Ausgreifen des rechten seitlichen Beinpaares anregen (entlasten und beleben)
- falls nötig, das Pferd schräg stellen, so dass das rechte Beinpaar vor das linke greift. Das darf nicht durch Hereinstellen der Hinterhand geschehen, sondern durch Herausführen der Schultern nach links (also außen. A.)."


Die Unterschiede sind deutlich, meine ich. Bei Karl wird innen entlastet, die innere Schulter frei gemacht, damit sie gut vorgreifen kann, in den Richtlinien wird dagegen innen belastet und eine Innenstellung gefordert.
Ich will um Gottes willen keine Diskussion um die Richtigkeit franko-iberischer oder deutscher Reitweise lostreten, mir gehts nur um die Frage, was ist denn "anatomisch korrekt" (hier anhand des Angaloppierens)?. Ich behaupte nach wie vor, dass man das Pferd auf vieles bis nahezu alles konditionieren kann, was nicht heißt, dass es nicht auch eindeutig anatonmisch falsches Reiten gibt (z.B. Rollkur, aber auch da wird Herr Sjef Jansen anderer Meinung sein).

LG A.
„Hast Du nie auf einem Schimmel gesessen, hast Du nie ein gutes Pferd geritten.“ - Altpolnisches Sprichwort
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

@ dshengis: Mal so als Gedankenexperiment...
Wenn man sich mal auf ein ungesatteltes Pferd setzt, das auf Stimmkomm hin angalopiert. Der Reiter macht also nichts. Und dann mal schauen, wo einen das Pferd insetzt, wenn es angaloppiert? Das müsste dann doch die richtige Richtung sein, oder? Hat Caprilli das nicht so gemacht, ohne Sattel über ein Hidnerniss und schauen was man tun muss das man nicht runetrfällt?
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

@lalala
Könntest Du mir zu "Oliveira im fortgeschrittenen Alter" konkrete Beispiele geben, inwiefern die Pferde, die er ritt, trotz seines Sitzes taten, was sie sollten?

@dshengis
Die Richtlinien und PK sind sich ja immerhin darin einig, dass auf der inneren Seite angeregt, auf der äusseren eingeschränkt wird. Das Problem mit solchen Vorschriften ist, das sie etwas normieren wollen, was viel mit Erfahrung zu tun hat, zudem können solche Vorschriften die Individualität von Lebewesen nicht berücksichtigen (spielt da ev. eine militärische Denkweise hinein?).

Dabei muss ich an die Burschen im Tanzkurs denken, die fleissig 1-2-3 zählten und sich bemühten, uns nicht auf die Zehen zu treten. Manche zählten auch noch nach einem halben Jahr jeden Schritt, andere lernten mit der Zeit, der Musik zu folgen, die ihnen eigentlich zeigte, wann welche Bewegung dran war.
Aufs Reiten übertragen: Natürlich kommt niemand als guter Reiter auf die Welt, und wie ein Tänzer müssen wir alle einmal mit 1-2-3 anfangen. Im Idealfall lernt ein Reitschüler auf Pferden, die so geritten sind, dass sie auf sinnvolle Hilfen reagieren, die übrigen "Hilfen" ignorieren.
Ein guter Reiter dagegen muss nicht mehr "zählen", also nach Vorschrift seine Hilfen sortieren, sondern er merkt, fühlt, wie immer man das nennen will, welche Hilfen dieses Pferd in diesem Moment an diesem Ort braucht, damit es sauber angaloppiert. Kann durchaus sein, dass die Hilfen nicht immer exakt die selben sind (das Gewicht etwa einmal mehr innen, ein ander mal mehr aussen), weil das Pferd z.B. auf einer Hand steifer ist oder am Ende einer Lektion gelassener als am Anfang etc.

Für mich bilden Pferd und Reiter eine Art dynamisches System, das sich, da es ja normalerweise in Bewegung ist, immer wieder ins Gleichgewicht bringen muss. Fairerweise sollte der Reiter nicht die ganze Arbeit dem Pferd überlassen, sondern es zumindest in seiner Suche nach dem Gleichgewicht nicht stören.
Dies ist nicht nur eine physische, sondern auch eine psychische Angelegenheit, denn für ein Tier, das dermassen auf seine Bewegungsfähigkeit angewiesen ist, bedeutet eine Störung des Gleichgewichts massiven Stress.


Tanja Xezal
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

Gawan hat geschrieben:Für mich bilden Pferd und Reiter eine Art dynamisches System, das sich, da es ja normalerweise in Bewegung ist, immer wieder ins Gleichgewicht bringen muss. Fairerweise sollte der Reiter nicht die ganze Arbeit dem Pferd überlassen, sondern es zumindest in seiner Suche nach dem Gleichgewicht nicht stören.
Dies ist nicht nur eine physische, sondern auch eine psychische Angelegenheit, denn für ein Tier, das dermassen auf seine Bewegungsfähigkeit angewiesen ist, bedeutet eine Störung des Gleichgewichts massiven Stress.
Das finde ich wirklich gut gesagt.
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