Einführung in die Arbeit am langen Zügel mit Desmond O´Brien

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Josatianma
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Einführung in die Arbeit am langen Zügel mit Desmond O´Brien

Beitrag von Josatianma »

Einführung in die Arbeit am langen Zügel mit Desmond O´Brien - 9. und 10.3.2009

Nachdem ich vorhabe, mit Otto in die Arbeit mit dem langen Zügel einzusteigen, trifft es sich gut, daß mir meine Freundin Tina bereitwillig ihren Lucio zur Verfügung stellt, damit ich mit Desmond ein wenig Gespür dafür entwickeln kann, wie das alles funktionieren soll.

Das Ganze findet statt in Wustrau/Brandenburg auf der Anlage "Zum Vehtränk", und zwar 2 Tage vom 9. bis 10. März 2008.

Sowohl Lucio als auch Desmond wissen sehr genau, was sie tun, ich brauche mich also nur führen lassen...


1. Einheit
Ein erster Vorteil stellt sich sofort am Anfang raus - Trense rauf und los. Das fängt ja ganz gut an. Desmond lässt mich anfangs einfach dicht hinter dem Pferd hergehen, die Zügel breit geführt und die Hände leicht links und rechts am Pferd aufliegend. Überschüssiger Zügel wird in eine große Schlaufe um den Daumen gelegt, die Gerte halte ich aussen und mit der Spitze nach unten. Die Zügel selber werden angefasst wie man auch Reitzügel in der Hand hält. Um zu spüren, wie sich das Pferd so anfühlt, lasse ich Lucio einfach mal so durch die erste Ecke gehen, wie er will - nämlich gerade aus, über die innere Schulter fallend. Dann soll ich versuchen, mich mit meinen Händen ans Pferdemaul ranzufühlen und mitzugehen. Für die nächste Ecke gebe ich kurz vorher innen eine Parade, gebe außen etwas nach (so wie auch beim Fahren eine Wendung eingeleitet wird) - schon habe ich die gewünschte Biegung (wie gesagt, Lucio ist Profi ). Nach der Wendung muß man nur wieder dran denken den äußeren Zügel wieder anzunehmen, damit es auch gerade aus weitergeht. Man muss berücksichtigen, dass das Pferd ja gut 2 Meter vor einem geht - also entsprechend früh Wendungen eingeleitet und auch wieder beendet werden müssen. Überhaupt erfordert das Arbeiten am langen Zügel mehr Vorausdenken als beim Reiten, aber ich habe den Eindruck, dass sich dies sehr positiv auf die Reiterei auswirken wird, weil man noch genauer und korrekter arbeitet. Wir kommen zum Handwechsel. Auf der Diagonalen muß ich von der einen Pferdeseite auf die andere wechseln (ich gehe an der inneren Seite des Pferdes) und außerdem auch die Gerte nach außen nehmen. Nunja, klappt schon irgendwie. Gröbere Fehler meinerseits und Zügelsalat werden großzügig von Lucio übersehen. Der Handwechsel an sich ist - ohne den Positionswechsel - eigentlich nur das Führen durch 2 Wendungen . Es gibt auch einen Notfallplan, wenn sich das Pferd erschrickt und wegspringt oder sonst etwas ungewöhnliches passiert. Man nehme den äußeren Arm nach oben, damit das Zügelende über den Pferderücken kommt, lasse die Zügel bis auf die Schlaufe am Daumen los, verlange durch Paraden am Zügel etwas Stellung und das Pferd longiert um einen herum. Da kann man es dann ganz entspannt wieder einsammeln und weitermachen. Der äußere Zügel über dem Rücken ist ganz wichtig, damit er nicht irgendwo gegen die Pferdebeine schlagen kann und so das arme Tier noch panischer wird. Außerdem kann sich der Zügel so nicht mehr unter der Schweifrübe verklemmen. Bis hier war alles gut, aber Desmond will selbstverständlich auch sehen ob das im Trab auch noch klappt... Also tief Luft geholt und den 2. Gang eingelegt. Glücklicherweise ist Lucio nicht allzu groß und kann auch in Versammlung gehen (Lucio ist ein Tölt-Iberer, ein Paso-Americano - ich hoffe, das war jetzt richtig, hab's leider nicht so mit den Paso-Rassen *schäm*). Trotzdem habe ich zu tun einigermaßen passabel hinterher zukommen (wie das dann mit Otto werden soll, der mal an die 10 bis 15 cm größer sein dürfte, will ich jetzt noch gar nicht wissen). Desmonds Sinn für Ästhetik kommt natürlich sofort zum Vorschein und er zeigt mir daher, dass ich mit großen Schritten (leider mit kurzen Beinen) ein besseres Bild mache. Selbstverständlich erinnert mich ein kleiner Muskelkater am nächsten Tag an die ungewohnten Bewegungen - lustigerweise an den Pomuskeln. Aber gut, wenn der Erfolg bei mir eine knackige Rückansicht ist soll es mir die Sache wert sein. So traben und schreiten wir durch die Bahn, wenden noch etwas hin und her und flugs sind die 30 Minuten vergangen.

2. Einheit
Da diese am selben Tag stattfindet, entscheide ich mich von Lucio umhertragen zu lassen um meine Kräfte zu schonen. Ich werde mal wieder darauf hingewiesen nicht zuviel Gewicht auf die Steigbügel zu bringen, um flexibler im Becken zu bleiben. Im Galopp macht es mir Mühe so schnell zu sitzen wie Lucio sich bewegt. Wir haben eine nette Einheit und schließen mit ein paar schönen Piaffetritten ab.


3. Einheit
Am nächsten Tag machen sich die bereits beschriebenen Pomuskeln bemerkbar, aber es hält sich im Rahmen. Obwohl wir Desmond nicht viel Schlaf gegönnt haben (woran ich nicht ganz unschuldig war ) nimmt er sehr viel Rücksicht und läßt mich die ganze Einheit nur im Schritt absolvieren - Glück gehabt *seufz*. Es ist super spannend, da ich heute nach kurzer Zeit bereits auf die Wiener Zügelführung umstellen darf - ich gehe neben Lucio her, der äußere Zügel läuft über Lucios Rücken, und ich trage die Hände wie beim Reiten vor mir. Da Lucio das ganze kennt, klappt alles super schön und mir fällt es irgendwie auch koordinativ leichter. Gleich am Anfang passiert es allerdings - draußen toben Pferde und Lucio hüpft mit. Dank des gestern erklärten Notfallhandlings ist das aber kein Problem und ich habe Lucio gleich wieder bei mir. Wir wagen uns an die Seitengänge. Vorsichtiges Herantasten an Schulter vor und Schulter herein, immer genau abwägend, wo wieviel Luft gegeben werden muß. Lucio lässt sich traumhaft führen. Anschließend sollen wir aus der Ecke kehrt machen und zurück zur Bande traversieren. Da knotet es bei mir im Hirn, ich muß erst geistig vorarbeiten, wie ich das regele - die Seitwärtsbewegung mit dem äußeren Zügel zu begrenzen ist mir erst nicht so klar. Aber dann klappt es. Desmond zeigt mir auch noch, wie man die Hand unterstützend ans Pferd legen kann. Ich merke, wie ich richtig tief konzentriert bin, die Linien einzuhalten und Lucio entsprechend bald Anweisungen zu geben und ihn genau dahin zu führen, wo ich mir den Weg vorstelle. Ein geniales Erlebnis. Sogar Kurzkehrt und Piaffe klappen sehr gut (die Piaffe allerdings wieder mit der breiten Führung direkt hinter dem Pferd). Zum Abschluß bekommen wir noch den Tipp das Pferd anzuhalten, nach vorne zu gehen und zu belohnen. Anschließend jedoch das Pferd sozusagen mit dem langen Zügel hinauszuführen. Ansonsten könnte es bei einer Vorführung passieren, dass das Pferd nach dem letzten Loben nicht mehr "angefahren" werden kann - an was man alles denken sollte.

Ich habe jedenfalls zwei wundervolle Tage erlebt und bedanke mich ganz herzlich bei Lucio, Tina und Desmond, die mir das ermöglicht haben.

AUTOR: ottilie
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smilla
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Beitrag von smilla »

Und ich bedanke mich bei dir für den tollen Bericht! Gibt es eigentlich Fotos?
"Reiter und Pferd sind zu einer geistigen und körperlichen Einheit verschmolzen, sind zwei Herzen und ein Gedanke- die wunderbare Alchemie des Reitens hat aus den zweien in Wahrheit eins gemacht. Solche Kunst ist klassische Kunst!"
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Und ich kann mich nach der ersten Selbsterfahrung gut reinfühlen :lol:

Toll beschrieben :D
Es grüßt Nadine

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ottilie
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Beitrag von ottilie »

@smilla - leider nein. Das hat sich diesmal nicht ergeben.

@Kosmo - sei froh, daß Du nen Haflinger hast.
Hab mittlerweile den 1. Versuch mit Otto gemacht und festgestellt, daß das maximal als "Blindzügeln" durchgehen kann - ich seh nämlich nicht drüber, wo wir hinlaufen :roll: Also muß es gleich auf die Wiener Art gehen. Da rennen wir wenigstens - bewußt - nirgendwo gegen 8)
Es grüsst ottilie
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Aber es gibt zumindest ein Bild von Tina und Lucio :D
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Beitrag von Kosmonova »

Weltenbummler hat mir nur die Wiener-Art erklärt. Und ja ein Glück das er so klein ist :lol:
Es grüßt Nadine

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Beitrag von kallisto »

Danke für den tollen Bericht! Immer toll, wenn man etwas lesen kann, auch wenn man selbst und Pferd von der Langzügelarbeit Meilen entfernt ist.

LG Susi
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Kosmonova
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Re: Einführung in die Arbeit am langen Zügel mit Desmond O´B

Beitrag von Kosmonova »

Ottilie hat geschrieben:(Lucio ist ein Tölt-Iberer, ein Paso-Americano - ich hoffe, das war jetzt richtig, hab's leider nicht so mit den Paso-Rassen *schäm*).
Susi, hier. Aber ich hab auch erstmal doof geguckt :lol:
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Beitrag von kallisto »

War schneller, weil ich den Bereicht nochmals durchgelesen habe und meinen Beitrag schnell editiert :)

LG Susi
Kristina
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Beitrag von Kristina »

Hallo, ich muss mich als Tina von Lucio nur zum Bild kurz zu Wort melden- nicht das hier ein falscher Eindruck von der Arbeit am langen Zügel entsteht....
Auf dem Bild sieht man Lucio im Tölt und das ist ein Bild aus der Deutschen Meisterschaftsprüfung der IGV, der internationalen Gangpferdevereinigung, bei deren Prüfungen die Zügel regelhaft auch über den Longiergurt zusätzlich geführt werden sollen, damit es leichter ist und sich somit mehr Teilnehmer an die Arbeit am langen Zügel rantrauen. Eigentlich ist es so nicht richtig- also bei der normalen Arbeit haben wir den Gurt nicht anbei und dann ist es korrekt langer Zügel, den Lucio eben statt nur im Trab halt auch im Tölt gehen kann.
Kristina
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Beitrag von Kristina »

Ach so, für alle, die sich nicht so auskennen Lucio ist tatsächlich ein Paso-Ibero-Americanohengst- auch anerkannt und gekört und zum Decken über den Bayr. Zuchtverband freigegeben. Ich glaube im Moment gibt es fünf Zuchthengste,die eingetragen und gekört sind.
Er ist eine Mischung aus Vater Lusitano und Mutter Mangalarga Marchador.
Bei Lucio ist toll, dass Tölt und Trab ziemlich 50/50 verteilt sind und er die tolle Dressurveranlagung/Versammlungsfähigkeit der Lusitanos mitbekommen hat.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

toller bericht, danke!!
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lancia
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Beitrag von lancia »

Da kriegt man gleich Lust auf Langzügeln :) Toller Bericht! Als LZ-Anfänger fühlt man richtig mit ;-)
"...aber dem edlen Pferd, das du reiten willst, mußt du seine Gedanken ablernen, du darfst nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen." Goethe
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