Streitthema ANREITEN, was sagt ihr?

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Bashra
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Streitthema ANREITEN, was sagt ihr?

Beitrag von Bashra »

Hallo ihr Lieben,

das es immer und immer wieder zu Diskussionen kommt, wollte ich mal fragen wann ihr es für sinnvoll haltet ein Jungpferd anzureiten?

Da ich bei einem Züchter arbeite und sehe wie "kindlich" die meisten Pferde noch mit 3 oder 4 sind, tue ich mich wirklich schwer mit der Vorstellung, das so viele Pferde mit 3 schon fertig eingeritten sind, sprich 2,5 jährig schon mit der Arbeit begonnen wird!

Oft heißt es, das Pferd würde sich anbieten oder es wäre Ansichtssache!
Mich nervt dieses Argument so sehr, da ein Pferd das nett behandelt und gut gehalten wird einfach auch nett im Umgang ist, aber zeigt es damit denn das es eingeritten werden WILL?
Oder das Argument 10 Minuten Longiren am Tag würden einem 2,5 jährigen nicht schaden?

Also irgendwie finde ich, auch Pferde sollten eine möglichst unbeschwerte Kindheit haben, und das man neben dem körperlichen Aspekten vorallem darauf achten muss, wie es um die Psyche eines Pferdes steht.

Klar geht es en vielen Fällen nicht anders, aber ein Aufwachsen in der Fohlenherde halte ich für Ideal, da immer gleichaltrige Spielkamerdaden zur Verfühgung stehen. Ich finde auch das Pferde einfach der beste Umgang für ein Pferd ist, vorallem das ja nicht der Mensch das Pferd dann erzieht, sondern das Leittier!

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht und kennt ihr Quellen bei denen man auch tierärztliche Hintergründe erfahren kann?

Freue mich auf Antworten!
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Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Ich würde ein Pferd nie vor 3 Jahren anreiten und es dann davon abhängig machen, wie weit es körperlich und geistig ist.

Allerdings würde ich schon vorher mit den Pferden *arbeiten*.

Von reinen Fohlenherden halte ich gar nichts, idealerweise (in meinen Augen) wächst ein Jungtier in einem Herdenverband auf, sprich Pferde jeder Altersklasse.

Ich denke es spricht auch nichts dagegen die Pferde dem Alter entsprechend zu arbeiten, sprich anangs das Fohlen-ABC, Spaziergänge, später Bodenarbeit etc., immer an das geistige und körperliche Alter angepasst. Wenn man sie 2-3 x die Woche aus der Herde rausnimmt bleibt noch genug Zeit mit Artgenossen.
LG
Sheitana
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Medora
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Beitrag von Medora »

Ein schlagendes Argument gegen ein zu frühes Einreiten ist für mich, dass sich z.B. die Wachstumfugen der Lendenwirbel im Durchschnitt erst mit 4-5 Jahren schließen. Erst dann ist das Pferd überhaupt in der Lage, Schub- und Tragkraft zu entwickeln. Das Skelettwachstum ist sogar erst mit ca. 6 Jahren abgeschlossen.

Für mich sind das Argumente, wo sich wenig erwidern lässt, alle anderen sind wohl diskutierfähig.

Tania
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Ich bin jetzt mal etwas provokant, ohne daß dies geschriebene meine eigene Meinung widerspiegeln muß:

Jugendliche kommen mit 16 mit Abschluß von der Realschule und beginnen, wenn sie Glück haben, eine Ausbildung. Meistens im gewerblichen Bereich, in denen auch körperliche Arbeit gefordert wird. Bestimmte Arbeiten dürfen nicht verrichtet werden, aber welcher Betrieb hält sich daran?

Hunde werden in Hundeschulen bereits mit 12 Wochen an die ersten Apportiereinheiten gewöhnt. Dies geht ebenfalls auf die Knochen.

In den Schriften der Klassiker wird allgemein das späte Anreiten beschrieben. Meist mit vier oder fünf Jahren. Leider ist unter den heutigen wirtschaftlichen Aspekten dies nicht mehr möglich. Welcher Züchter stellt sich die Jungpferde vier Jahre auf die Wiese? Und welcher Käufer würde das entsprechende Geld dafür hinlegen?
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Medora hat geschrieben: Für mich sind das Argumente, wo sich wenig erwidern lässt, alle anderen sind wohl diskutierfähig.
Da hast du vollkommen Recht!

Ist dann halt auch die Frage, wie das Anreiten aussieht. Für mich besteht es vor allem darin, dass Pferd an das Gewicht des Reiters zu gewöhnen, ins Gelände gehen, danach erstmal einige Zeit wieder auf die Wiese. Ich denke meine 50kg kann das Pferd durchaus schon tragen nach entsprechender Vorbereitung.

Josas Argumente sind aber leider auch nicht ganz weguzschieben. Der Jugendliche mit 16 kann noch seinen Mund aufmachen, wenn ihm was weh tut, mit Hunden wird wohl leider genausoviel Mist gemacht.
Sieht man den wirtschaftlichen Aspekt kann kein Züchter überleben, wenn die Pferde nicht mit 3 angeritten ist.
LG
Sheitana
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Bashra
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Beitrag von Bashra »

Sheitana hat geschrieben:Von reinen Fohlenherden halte ich gar nichts, idealerweise (in meinen Augen) wächst ein Jungtier in einem Herdenverband auf, sprich Pferde jeder Altersklasse.
Das meine ich auch nicht, ich meine in erster Linie eine Gruppe mit einem erwachsenen Leittier, aber eben auch gleichaltrige und andersalte (<- tolles Wort) Aber eben nicht dieses Extrem: Absetzer kaufen und zum 20 Jahre alten Shettie auf die Weide stellen o.ä.


Und wir Züchten auch, unsere Pferde bleiben bis 4 oder 5 auf der Weide, natürlich mit entsprechender Jungpferdeerziehung!
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Beitrag von Sheitana »

@ Bashra Es gibt halt auch das andere Extrem, ein altes Leittier und 20 Fohlen...
LG
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Susetti
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Beitrag von Susetti »

Bei mir im Stall (Privat) hat auch eine ihren jetzt 3-jährigen stehen.. und der sieht soooo unfertig aus, wie so n Jährling. Dem fehlt noch gehörig an Masse und teilweise auch an Größe, aber trotzdem fängt die Besi schon mit Longieren (natürlich schön am Gebiss :twisted: ) an und will ihn demnächst einreiten bzw. einreiten lassen (das schwankt immer je nachdem, wie er mitarbeitet).
Inga (Traumdauterin) und ich sind der Meinung, der gehört noch n halbes bis n Jahr auf Koppel und sollte höchstens leichte Bodenarbeit (mit Kappzaum) gehen, aber alles andere erst später. Leider denkt die Besi nur an die Kosten, die ihr dadurch entstehen, so dass der "Kleine" wohl bald schon eingeritten wird. Echt schlimm, wie sehr das Geld das Wohl des Pferdes bestimmt :(
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Traumdauterin
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Beitrag von Traumdauterin »

wenn man züchter ist, ist das aus wirtschaftlichen gründen sicher schwierig, wenn man zu lang mit dem anreiten wartet, aber das kann ich nicht beurteilen, da kenn ich mich nicht aus ;)

ich würde mein pferd wohl auch nicht vor 4 jahren anreiten...gegen altersgerechte boden-/handarbeit hab ich nichts einzuwenden, ganz im gegenteil, ich halte das für eine wichtige, aufs anreiten und pferdeleben vorbereitende arbeit ;) es kommt sicher auch auf das einzelne pferd an, es gibt ja durchaus spätentwickler, die brauchen länger

find das ja manchmal gruslig, wie fertig die junghengste zur körung schon aussehen müssen...mit 2 jahren O__o

und was susetti sagte...der kleine ist echt noch ein baby. aber was will man machen *seufz*
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
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Klara
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Beitrag von Klara »

Also ich find es auch besser, wenn die Pferde relativ spät angeritten werden. Meine Stute stand fast vier Jahre nur auf der Weide beim Züchter. Ich habe sie dann mit knapp fünf angeritten. Die Pferde sind dann körperlich schon fertiger, aber auch vom Kopf her.

Meine Freundin hat ihren knapp 3-jährigen Wallach auch angeritten. Der sieht noch irgendwie aus wie ein Baby. Macht alles superbrav mit. Aber unsere Physiotherapeutin hat ihr vom Training unterm Sattel abgeraten, da er körperlich noch lange nicht bereit ist.

Ich hatte auch einen Wallach von mir mit drei Jahren angeritten und mit der Arbeit begonnen. Im ersten Jahr ging alles super einfach, weil er schön mitgemacht hat. Die Schwierigkeiten kamen dann später. Ich denke, dass man die Jungpferde sehr schnell überfordern kann, die Auswirkungen kommen dann erst viel später zu Tage.

Gefördert wird der Drang, mit den Jungen schon frühzeitig mit der Arbeit zu beginnen, auch dadurch, dass auf den Turnieren die Prüfungen für schon so junge Pferde ausgeschrieben werden. Ich hab neulich bei einer Springpferdeprüfung der Klasse L zugesehen. Zum Teil hatten die erst fünfjährigen Pferde noch mit sich selbst zu tun und mußten auch noch die Hürden überwinden. :cry:
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Beitrag von gimlinchen »

vollblüter werden mit weniger als 2 jahren angeirtten. die reiter sind zwar i.d.R. wirklich leicht (<50kg), dennoch halte ich das für ein verbrechen, wenn die pferdchen schon arbeiten udn auch rennen gehen müssen. die ersten zweijähirgenrennen sind im mai... da sind viele noch nicht ganz zwei. entsprechend "lange" sind die ja dann auch leistungsfähig.

andererseits - ich würde ein eigenes pferd glaub ich schon recht früh anreiten (lassen), und zwar je nach rasse und individuum früh. einen vollblüter sicher mit 2 jahren - ABER ich würde bloß kurz schauen, dass er sich mit der idee des reitens anfreundet. paar minuten, 3-4 mal in der woche und das auch nur kurz, kein "Arbeiten", dann wieder koppelurlaub, und natürlich mit einem 40kg reiter. warum? aus meiner erfahrung ist das anreiten bei sehr jungen pferden einfach sehr widerstandsfrei - warum sollte man das nichts nutzen, wenn man es nicht missbraucht?? wenn man das spielerisch und leicht haben kann? und dabei nicht schadet?

allerdings bin ich schon dafür, auch mit jungen pferden, also fohlen, schon ein kleines bisschen zu arbeiten, wirklich wenige minuten paarmal in der woche- weil die meisten ja ohnehin mit menschen zu tun haben MÜSSEn, also rein - und rausgebracht werden und so. da finde ich es angenehm, diese dinge gleich gut zu gestalten. (führen, klein bisschen spazierengehen, etwas anti schreck training, putzen, anbinden, halle kennen und nett finden - ein wenig bodenarbeit,..)
etwas anderes wäre das, wenn die jungpferde wirklich über monate alleine auf einer tollen weide sind - da könnte man ihnen mal "ruhe" lassen. aber wo ist das schon so?
(bei uns ärgert man sich 3 jahre mit super ungezogenen viechern rum, was die pferde und den menschen nervt. ute erfahrungen machen sie dabei ja auch nicht, weil eben die menschen nicht wirklich fröhlich sind mtit hampeligen jungviechern. dann kriegen sie den schreck ihres lebens, wenn sie plötzlich longiert werden... nicht gut.)

wirklich arbeiten, also sich über einen zeitraum länger als 5min anstrengen beim reiten sollten pferde meiner ansicht nach nicht, bevor sie (je nach rasse und individuum) ca. 4-6 jahre als sind. natürlich wartet kaum jemand so lange. :-(

- meine meinung -
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Wird ein Pferd korrekt und mit Zeit und Sachverstand (Erfahrung!) angeritten, hat man auch bei einem 4jährigen Pferd keinen Widerstand zu befürchten, dieser Widerstand resultiert meist aus einer Überforderung (psychisch).

Frühes Einreiten mag einfacher sein, aber ich nutze nicht ein sehr junges Pferd aus, indem ich es in einer Zeit einreite, wo es wenig Kraft hat und sich auch sehr leicht beeindrucken lässt.

Die Mär, dass die Pferde sich das "merken" und nach der Koppelpause schon alles kennen, ist einfach eine Ausrede für das frühe Einreiten.

Ein gut vorbereitetes Pferd (und das dauert "etwas" länger als 4 Wochen...) wird durch das Vertrauen an den Reiter und Ausbilder auch beim Anreiten mitmachen.

Ich bin das höher denkende Wesen, wie armselig, wenn ich mir die Jugendlichkeit eines Lebewesens zu Nutze machen muss, weil ich fürchte, dass es später zu "stark" für mich ist?
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Bernie hat geschrieben: Ich bin das höher denkende Wesen, wie armselig, wenn ich mir die Jugendlichkeit eines Lebewesens zu Nutze machen muss, weil ich fürchte, dass es später zu "stark" für mich ist?
Sehe ich auch so. Richtig angegangen wird man auch mit einem älteren Pferd keine Probleme haben, es zeigt höchstens schneller die Überforderung, weil es charakterlich gefestigter ist und lässt sich daher vielleicht nicht mehr soviel gefallen wie ein Zweijähriger.
LG
Sheitana
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Klara
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Beitrag von Klara »

Bernie: Ich bin das höher denkende Wesen, wie armselig, wenn ich mir die Jugendlichkeit eines Lebewesens zu Nutze machen muss, weil ich fürchte, dass es später zu "stark" für mich ist?

Genau das ist es aber.

Viele Leute haben mich gewarnt, weil meine Stute ja mit fünf Jahren wohl mehr Schwierigkeiten machen wird, als ein Dreijähriger.
Ich mußte mich tatsächlich schon mehr durchsetzen, weil sie als "Persönlichkeit" gefestigt war. Hinzu kam, dass sie in ihrer Herde als Leitstute natürlich von mir als Führungsperson noch mehr überzeugt werden mußte.
Es hat sich aber gelohnt. :)
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Medora
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Beitrag von Medora »

Jep, das kann ich bestätigen. Mit meinem Kleinen hätte ich es wohl auch einfacher gehabt, wenn ich den schon mit zweieinhalb gekauft und mit drei eingeritten wäre. Aber es hat sich dicke gelohnt, mir die Zeit zu nehmen, mit seiner Persönlichkeit zu arbeiten und mir sein "ja" zu erarbeiten.

Tania
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