Stefan M. Radtke: Klassische Reitkunst im modernen Dressursp

Hier werden von uns neue Fachbücher vorgestellt

Moderator: Josatianma

Antworten
Benutzeravatar
Josatianma
Admin
Beiträge: 12317
Registriert: Di, 19. Sep 2006 20:50
Wohnort: Reichshof

Stefan M. Radtke: Klassische Reitkunst im modernen Dressursp

Beitrag von Josatianma »

Stefan M. Radtke: Klassische Reitkunst im modernen Dressursport

Gebundene Ausgabe: 175 Seiten
Verlag: Kosmos (Franckh-Kosmos); Auflage: 1 (Februar 2009)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3440115186
ISBN-13: 978-3440115183
Preis: 29,90 Euro

„Diskussionsstoff für die Dressurszene“ ist die Pressemitteilung zu dem vorliegenden Buch von Stefan M. Radtke betitelt. Der Titel des Buches selbst „Klassische Reitkunst im modernen Dressursport“ lässt auf eine kritische Auseinandersetzung der klassischen Reitweise mit dem heutigen Dressursport schließen. Ich bin gespannt, wie dieses Buch mit dem überall heißdiskutierten Thema umgeht. Auch das Geleitwort von Arthur Kottas-Heldenberg und seine Aussage: „Meiner Meinung nach ist es Stefan Radtke mit diesem Buch sehr gut geglückt, Ausbilder, Reiter und Richter zum Nachdenken anzuregen“. Gut, Grundvoraussetzung wäre es, dass die Personen es auch lesen.

Das Vorwort von Herrn Radtke lässt die Hoffnung auf spannende Lektüre ebenfall steigen. Jedoch finde ich das ausgewählte Bild nicht wirklich glücklich gewählt, da der Fuchs, eventuell auf Grund einer Kaubewegung gerade die Zunge rausdrückt, die Augen halb geschlossen und die Ohren etwas auf Halbmast hängen hat.

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den psychologischen Grundsätzen für Pferd und Reiter. Sehr schön finde ich hier, dass Herrn Radtke nicht nur der direkte Umgang mit dem Pferd wichtig ist, sondern für ihn bereits das Betreten der Stallgasse dazu gehört. Auch plädiert er für eine ordentliche körperliche Haltung des Reiters in seinem Alltag.

Zur Haltung an und für sich trifft er keine definitive Aussage, weist aber auf die Vielzahl von Erkrankungen aufgrund von Bewegungsmangel hin. Die korrekte Einstreu und genügend Luft sind für Herrn Radtke für das Wohlbefinden des Pferdes ausschlaggebend. Es folgen noch ein kurzer Einstieg in das mentale Training, das Körpergefühl und der positiven Einstellung des Reiters. Eine widersprüchliche Aussage entdecke ich in den Kapiteln über den Sitz. „Wenn ich mir jedoch Fotos oder alte Kupferstiche der alten Meister anschaue, dann drängt sich mir der Gedanke auf, dass diese Herren doch um einiges besser zu Pferde gesessen haben, als man es heute im Dressursport der schweren Klasse zu sehen bekommt.“ (S. 28 – Der Sitz des Reiters) und auf der nächsten Seite „Die alten Meister der Reitkunst saßen sehr häufig aufgrund zu lang verschnallter Bügel im Spaltsitz und im Hohlkreuz.“ (S. 30 – Der losgelassene Sitz). Hier wäre eine genauere Definition der alten Meister angebracht gewesen.

Die Ausbildungsskala ist Inhalt des zweiten Kapitels. Obwohl viel diskutiert ist sie auch für Stefan M. Radtke die Grundlage für die korrekte Ausbildung eines Pferdes. Er ändert nur die Reihenfolge der Punkte Losgelassenheit und Takt. Für ihn kommt die Losgelassenheit vor dem Takt, da viele Taktfehler ihren Ursprung in der Nicht-Losgelassenheit des Pferdes haben. Die einzelnen Punkte werden kurz und klar umrissen. Mehrfach weist er darauf hin, dass sich die Meister früher zu einzelnen Punkten (Losgelassenheit/Takt) wesentlich mehr Gedanken gemacht haben, als es heute oft der Fall ist. Im Absatz über die Anlehnung wird ein kurzes Plädoyer gegen die Rollkur gehalten, jedoch darauf hingewiesen, dass ein kurzzeitiges hinter die Senkrechte kommen von jungen Pferden zur Haltung der Balance durchaus notwendig sein kann.

Einen kurzen Überblick über Zäumungen und Zügelführungen enthält das dritte Kapitel. Gerade die Zügelführungen auf Kandare werden gut beschrieben. Sowohl die 3:1 als auch die Fillis-Führung werden vorgestellt. Schade finde ich persönlich, dass Herr Radtke einerseits das Ende der 3:1 Zügelführung durch die Freigabe der beliebigen Zügelführung durch die FN bedauert, andererseits auf allen Fotos die 2:2-Führung zu sehen ist. Hier hätte ich mir gewünscht, entweder eine 3:1 oder Fillis-Führung zu sehen. Nur zu Demonstrationszwecken ist jeweils ein Foto mit einer der Führungen zu sehen. Insgesamt sind fast alle Pferde auf den Fotos auf Kandare gezäumt.

Zu Beginn des Kapitels „Seitenbiegung, Geraderichtung, Hankenbeugung“ stellt Herr Radtke die Abkauübungen von Baucher vor. Sie werden jedoch nur kurz angeschnitten und nicht genauer beschrieben. Witzigerweise wettert Herr Radtke immer mal wieder gegen Gustav Steinbrecht, der bekanntlich in seinem Buch „Das Gymnasium des Pferdes“ viel Negatives über Baucher geschrieben hat. Für Herrn Radtke können die Biegeübungen nach Baucher oft den Chiropraktiker ersetzen. Neben den halben und ganzen Paraden finden in dem Kapitel des Buches die Schrittpirouetten, der Außengalopp, die Trabverstärkungen und das Rückwärtstreten ihre Erwähnung.

Kurz angeschnitten werden in dem zehn Seiten umfassenden sechsten Kapitel die Seitengänge. Da das Buch sehr viele Bilder enthält und auch nur jeweils etwas mehr als die Hälfte einer Buchseite bedruckt ist, damit an der Seite Kästen mit Zitaten Platz haben, enthält das Kapitel nicht mehr als das Notwendigste zu den Seitengängen.

Einen wesentlich größeren Raum bekommt die Galopparbeit im siebten Kapitel. Hier bespricht Herr Radtke intensiv die fliegenden Galoppwechsel in ihren Variationen und die Galopppirouette. Er geht dabei auf das korrekte Erarbeiten der Lektionen ein. Die Hilfengebungen werden gut verständlich erklärt und unterschiedliche Ansätze erläutert.

Das siebte Kapitel befasst sich mit der vertiefenden Arbeit in der Versammlung. Dies geschieht bei Herrn Radtke anfänglich an der Hand. Er äußert sich abfällig über eine „aus Unwissenheit entstandene sehr schlechte, unbrauchbare und zum Selbstzweck gewordene Form der Handarbeit, …“ ohne genauer zu spezifizieren, welche Handarbeit er damit meint. Seine vorgestellte Handarbeit gleicht der in der Wiener Hofreitschule. Für Stefan Radtke kann jedes Pferd piaffieren lernen. Nach der Vorübung an der Hand wird dies unter dem Reiter weiterausgebildet. An dieser Stelle kritisiert er die heute auf den Turnierplätzen gezeigten Piaffen als Zerrbilder. Auch die Passage hat ihren Platz in diesem Kapitel. Neben der Handarbeit ist die Pilarenarbeit ein Bestandteil in Herrn Radtkes Ausbildungsprogramm. Seine Arbeit in den Pilaren fängt jedoch erst an, wenn das Pferd die Piaffe bereits beherrscht.

Die leise Kritik, die Herr Radtke in seinem Buch am heutigen Dressursport immer wieder anklingen ließ, wird im letzten Absatz „Die klassische Reitkunst heute“ recht deutlich.

Das Buch von Stefan M. Radtke ist angenehm zu lesen. Die Auswahl der Bilder ist ingesamt recht gelungen. Zu Bemängeln wäre die fehlende Reitkappe als Vorbild und die Konsequenz der Kandarenführung. Dass es zum „Diskussionsstoff für die Dressurszene“ reicht wage ich zu bezweifeln, dazu sind Bücher auf dem Markt, die weitaus mehr provozieren.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
Excalibur

Beitrag von Excalibur »

schöne Rezension! Hatte das Buch auch schon in der Hand. Ach ja aber das liebe Geld.....

Danke!
Benutzeravatar
Hestur
User
Beiträge: 236
Registriert: Mi, 05. Nov 2008 15:09
Wohnort: HSK

Beitrag von Hestur »

Hmm wäre ja eine Überlegung wert - habe den Vorgänger 'Dressur' von Radtke, bin aber damit noch nicht ganz durch.
Benutzeravatar
AndreaV
User
Beiträge: 15
Registriert: Mi, 03. Jun 2009 15:59
Wohnort: CH-Seuzach

Beitrag von AndreaV »

Habe das Buch auch gelesen, aber nie eine so stimmige Rezension machen können. Kann das voll und ganz mittragen.
Solange Reiter denken, dass Pferde nicht fühlen, müssen Pferde fühlen, dass Reiter nicht denken.
Antworten