Balance ohne Anlehnung?

Rund um die klassische Reitkunst

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Barbara I
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Balance ohne Anlehnung?

Beitrag von Barbara I »

Kann man ein gut ausgebildetes Dressurpferd ohne Anlehnung reiten?

Ich kenne es so, dass ein Dressurpferd ausgebildet wird, indem man es mit Zügeln und Schenkeln einrahmt und ihm so hilft (oder helfen will), seine Balance zu finden, mit dem Fernziel, irgendwann die Hilfen "auf Ehrenwort" kurzzeitig aussetzen zu können.

Nun gibt es andere Ansätze (ich oute mich, aus der Natural-Horsemanship-Ecke :wink: ): das Pferd soll zuerst ohne ständige Anlehnung die Grundlagen lernen und seine Balance selbst finden. Als Ergebnis der Grundausbildung soll das Pferd ohne ständige Einwirkung Richtung & Tempo beibehalten und man soll die Zügel nicht zum "Bremsen und Lenken" brauchen.
:arrow: :arrow: :arrow: Ausgehend von dieser Basis kann man dann die Anlehnung (an Zügel & Schenkel) nutzen als Mittel zur feineren Kommunikation.


Zurück zu meiner Ausgangsfrage: fast alle Pferde, die ich kenne (einschließlich meins), wären ohne bzw. am hingegebenen Zügel nur bedingt "lenk- und bremsbar".
Ist das eine Lücke in der Grundausbildung eines Dressurpferdes?

Wenn ja, wie erreicht man diese Zügel-Unabhängigkeit auf dem klassischen Weg?
Nimmt man zu Beginn eine deutliche Anlehnung und macht sich nach und nach Zügel-unabhängiger?
Oder nimmt man die Zügel erst auf, wenn man das Pferd "am Sitz" hat?
Oder ist Reiten "am Sitz, ohne Zügel" nur was für Westernreiter :wink:


PS. wen's interessiert: ich beschäftige mich gerade mit Buch & DVD's dieser Dame http://www.cavallo.de/videos/video-kare ... 233219.htm
Zuletzt geändert von Barbara I am Fr, 27. Nov 2009 14:26, insgesamt 1-mal geändert.
horsman
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Beitrag von horsman »

ich für meinen Teil würde dies nicht als unbedingt erstrebenswert ansehen.
Zügel und eine gewisse Form "Anlehnung" halte ich per se nicht für verwerflich.

Ich denke auch, dass Balance nicht ein Zustand ist, der einmal hergestellt immer aufrecht erhalten bleibt, sondern auch und vor allem bei einem weit ausgebildeten Pferd zwar sehr fein aber doch permanent immer wieder neu hergestellt werden muss (Stichwort halbe Parade oder öhnliches). Desweiteren gehört ja zu der "Balance" die ich meine auch ein Versammlung, d.h. vermehrter bzw. veränderter Hinterhandsgebrauch (Stichwort Hankenbeugung). Diese ist mE ohne Zügelverbindung nicht sehr lange aufrecht zu erhalten. Für einige Sekunden ja, aber nicht für Minuten am Stücke.
Denke ich.

Wo ich grad den link aufmache: bei der Bodenarbeit besteht natürlich eine zusätzliche Möglichkeit das Pferd auch ohne Zügel zu versammeln, nämlich das nach vorne aus der Versammlung herauslaufen durch den Körpersprache (im weitestende Sinne Körperbremse) zu kontrollieren.
Im Sattel hättest Du höchstens den Reiterrücken und deren Gewichtseinflüsse. Aber ob man ein Pferd so weit ausbilden kann, dass es ohne die Zügel anzufassen nur durch den Reiterücken über Minuten versammelt bleibt ... es wäre der Traum, aber Realität? Für Sekunden ja, nichts anders ist das descente de main, aber für Minuten oder gar n halbe Stunde?
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Hm. Hab mich grade durch diverse Videos geclickt.
Bemerkenswert, was man alles erreichen kann, keine Frage.

Aber wenn ich lese "piaffiert ohne Zügel und Sattel" und gucke das dann an.... ist doch deutlich vorhandlastig, die Geschichte, und ich hab auch generell den Eindruck, daß die Pferde beim "mit nix reiten" ohne Rücken laufen...
Die Versammlung ist am Boden deutlich mehr ersichtlich als beim Reiten, wobei ich auch am Boden einen schalen Beigeschmack habe... kann das aber noch nicht wirklich benennen. Irgendwie fehlt die Mitte vom Pferd :?
Es grüsst ottilie
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

horsmän, 100% einverstanden.

Mir geht es gar nicht um Versammlung, sondern nur um die Basis.
Oder anders gesagt, den Grad an "Versammlung", den es braucht, um die konkrete Anforderung zu erfüllen, z.B. auf einem Zirkel zu galoppieren.
Kann mein Pferd die Richtung und das Tempo beibehalten, ohne dass ich es einrahme?

Gar keine Frage, dass man zum feinen klassischen Dressurreiten Zügel braucht.

Die Frage ist einfach: wenn mein Ziel ist, dass die Zügel ein Kommunikationsmittel sind, die die anderen Hilfen unterstützen und verfeinern, komme ich dann zu diesem Ziel:
- indem ich mein Pferd anfangs sehr deutlich einrahme und dann immer weniger / feiner
oder
- indem ich mein Pferd erstmal lehre, Richtung und Tempo zu verändern und sich dabei selbst auszubalancieren?


Besagte Dame beschäftigt sich übrigens schon mit Dressurreiten. Das geht aus dem Artikel vielleicht nicht so deutlich hervor, ist aber das einzige, was ich auf Deutsch finden konnte.
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

[quote="ottilie"] Aber wenn ich lese "piaffiert ohne Zügel und Sattel" [quote]

Das finde ich zugegebenermaßen auch grauenhaft. Dass das Pferd sehr stark überbaut ist, mag das "komische" erklären, rechtfertigt aber nicht diese schlechten Piaffeansätze.

Aber, wie schon gesagt, meine Frage bezieht sich ausschließlich auf die Basis, also - reiten in allen Arbeits-Gangarten auf großen Linien.
(Darüber hinaus halte ich es für mehr als sinnvoll, die Zügel in die Hand zu nehmen ;-)
horsman
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Beitrag von horsman »

@Barbara
ja sicher, das wird gehen.
Das machten die Indianer schon vor hundert jahren
orest
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Beitrag von orest »

Hallo,

für mich gehört eine 'Lenk- und Bremsbarkeit' (Reiten in allen Gangarten+ Lenkung) ohne jeden Zügeleinsatz zur Grundausbildung. Ich denke das ist auch relativ problemlos zu erreichen, wenn man mit dieser Zielrichtung ausbildet.


Ich reite z.B. häufig mit Handpferd ins Gelände. Die Zügel meines Reitpferdes fasse ich in aller Regel nur an der Schnalle an und reite einhändig. Er geht so brav in allen Gangarten in einer Gebrachshaltung. Die Zügel habe ich nur als 'Notbremse', z.B. falls er sich mal erschrickt und losflitzt.
Biegung in Kurven geht problemlos über den Sitz und an den Hals angelegte Zügel. Mein Pferd hat gelernt, solange z.B. weiterzutraben bis eine neue Anweisung kommt.

Meiner Meinung ist dies eine gute Basis für feines dressurmäßiges Reiten, da keine 'Resourcen' an Hilfen (z.B. der Schenkel) für die absoluten Basics verschwendet werden.

Ansonsten schließe ich mich Horsmän an.

Gruß Tina
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

@BarbaraI - fiel mir dann später auch noch ein, daß meine Antwort gar nicht richtig auf Deine Frage abgezielt hatte...

Ich war halt nicht so angetan von der Art der Reiterei, und horsmän hats gut ausgedrückt - wie die Indianer. So hats nämlich auch ausgesehen, und deswegen ist es zwar für mich zwar bewundernswert, wie man es schafft so zu reiten, aber ich für mich möchte das nicht.
Fiel mich heute nachmittag auch noch ein - es ist eine andere Art des Einsatzes der Hilfen, aber was ist denn mit der "Formung" des Pferdes? Die fällt dann wohl doch eher flach. Da sind wir wieder bei den kurzen Augenblicken der Freiheit auf Ehrenwort.

Prinzipiell ist es natürlich wünschenswert, wenn ich nicht nur über den Zügel Richtung und Tempo bestimmen kann, sondern vornehmlich übers Becken. Ob und wie man es schafft? Ich denke schon, daß man anfangs genauer vorgeben muß, was man möchte, und wenn das Pferd das dann begriffen hat, kann man auch leichter werden. Wichtig ist auch der Ablauf.
Wenn ich bspw. halten/durchparieren will, kann ich ja zuerst mein Becken "feststellen" und dadurch die Bewegung blockieren. Wenn das nicht reicht, die Stimme dazunehmen und "brr" "halt" "hoh" sagen. Wenn das nicht reicht, kommt eben der Zügel mit zum Einsatz. Beim nächsten Mal reagiert das Pferd vielleicht schon bei der Stimme, und ich brauche die Zügel nicht mehr. Und irgendwann reicht dann das Becken.
Das Problem ist halt, daß man dann IMMER IMMER IMMER so fein reiten muß, auch wenn man selber eher trampeltechnisch drauf ist. Deswegen ist es auch so schwer *seufz*
Es grüsst ottilie
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Barbara I
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Beitrag von Barbara I »

horsmän hat geschrieben:Das machten die Indianer schon vor hundert jahren
Was ja nicht heißt, dass das er ideale Weg zur klassischen Reitkunst ist.



Kann es sein, dass Du meine Frage nicht verstehst? Manchmal drücke ich mich zugegebenermaßen nicht so geschickt aus.
Vielleicht zitiere ich stattdessen mal die erwähnte Dame:


"Riding without using your reins is an important part of the foundation for the human and the horse. If you can communicate direction, yields of the hindquarters and forequarters, sideways, back up, speed control and stopping all without use of your reins, you will have a great base of trust and lightness. What we learn is that you can also create lateral bend, longitudinal stretching and weight to the hindquarters just from your body. You can do all the maneuvers of dressage without needing to alk for vertical flexion. If we train well, our horse will bring their posture surprisingly close to where we want it. In the end, I feel that I am just presenting the bit as if I am holding out my hand to say: shall we dance? It is the horse that says 'yes' when he puts his mouth in my hand".
(Karen Rohlf, Dressage Naturally)


Macht das Sinn?
Wenn nicht, warum nicht?
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

weight to the hindquarters just from your body
Nun ja. Insbesondere das hab ich überhaupt nicht gesehen auf den Videos...
Ansonsten mag sie ja Recht haben, daß das ein Riesenspaß ist. Und Vertrauen brauchts dazu auch - gegenseitig.
Trotzdem... es entspricht einfach nicht meiner Vorstellung von einem klassisch gerittenen Pferd, und daher spricht es mich auch nicht an.
Obwohl ich grundsätzlich mit der Aussage, weniger mit dem Zügel und mehr über den eigenen Körper zu erreichen, übereinstimme. Wenn man mal mitbekommen hat, WIEVIEL sich aufgrund von Verändern von Kleinigkeiten des eigenen Körpers bewegt - das ist schon heller Wahnsinn.
Es grüsst ottilie
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louise
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Beitrag von louise »

Hallo,

also grundsätzlich ist es für mich eine erste Form der Grundausbildung, dass ein Pferd sich über den Sitz lenken läßt.
Anfangs halt mit Zügeln und Sitz und je besser es auf die Gewichtsverlagerungen reagiert, desto weniger muss der Zügel für das Lenken benutzt werden.
Für Tempoveränderungen nach oben nehme ich den Schenkel, so "grob" wie nötig, solange das Pferd noch nicht auf Wadenmuskel reagiert, evtl. Stimme und Gerte oder Anführen/Peitsche eines Longierenden bei ganz jungen Pferden.
Für Veränderungen nach unten den Sitz und Paraden, damit es nicht zum Zügelziehen kommt und das Pferd direkt lernt, gegenzuziehen und weiterzulaufen. Je besser es auf den Sitz reagiert, desto weniger Zügel.

Das Ziel ist für mich im Laufe der Grundausbildung, den Zügel so schnell wie möglich fürs Lenken nicht mehr zu benutzen, sondern fürs Biegen, Stellen und Beizäumen - und zwar so schnell wie möglich. Ohne Zwang nach Tempo des Pferdes, aber ich versuche schon, dies immer wieder vorzugeben und anzufragen und eine positive Antwort von Seiten des PFerdes zu bekommen. Solange das Pferd noch nicht kann, erwarte ich nur Nachgeben und immer wieder nachgeben. Je besser das klappt, desto mehr versuche ich, Dehnungshaltung herzustellen übers Biegen und Nachgeben. Notfalls mal mit Halten, bis es nachgibt (s. Thema Main fixe, Abstossen am Gebiss). Damit das Pferd lernt, den Hals formen zu lassen, bzw. über den Rücken zu gehen.

Ich aktiviere die Hinterhand, verlange nach und nach über das vortretende Hinterbein Richtung Schwerpunkt die Dehnung der Kruppe und den hinteren Teil des Rückenmuskels und über die Dehnungshaltung, bzw. das Aufwölben des Halses bei ausbildungsgemäßer Aufrichtung u Wechsel zur Dehnungshaltung, die Dehnung des Halses und über den Trapezmuskel die Dehnung des vorderen Teil des Rückenmuskels. Insgesamt also ein verkürzen des Bauchmuskels, damit der Rücken gedehnt werden kann.

Insofern finde ich es schon sehr wichtig, dass Pferde zügelunabhängig gelenkt werden können.
1. ist es ein Zeichen von unabhängigem Sitz
2. macht es das Reiten feiner
3. ist die Hand frei zur Formung des Halses, Schulter, etc.
4. Hält die Hand auch nicht das Tempo, sondern auf Dauer der Sitz und der Schenkel.

Ich hab mir jetzt nicht die Videos angesehen, aber die meisten Reiter, die zügelunabhängig reiten, können das Pferd nicht so kadenziert reiten, dass es zu einer Piaffe reicht. Und Eure Beiträge bestätigen das in diesem Fall.
Die Pferde werden dann auf der Stelle gehalten mit dem Sitz (was ja so schon nicht wirklich leicht ist...) und machen dann wohl piaffe-ähnliche Diagonaltritte.
Ich glaube schon, dass das jemand reiten kann auch über einen längeren Zeitraum, aber dies muss ein sehr, sehr guter Reiter sein, der dies als Endziel einer Ausbildung vielleicht herzeigen kann, in einer intensiv verbundenen Reiteinheit mit seinem Pferd.
Ja, wer das kann, der kann wohl reiten...
Louise
horsman
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Beitrag von horsman »

äh moment mal,
auch sie "puts the bit in the mouth at the end"
ergo reitet sie mit Gebiss und Zügel und irgendeiner Form vom Kontakt zw. Hand und Maul.

Ansonsten drückt ihr Endziel genau das der Legerete aus.

Mag sein, dass es auch einen Weg dahin gibt, der zunächst mal ohne Zügel auskommt? Auch ohne Gebiss im Maul? Wann kommt dann Gebiss zum ersten Mal dazu? Wäre mal spannend einige Pferde in dieser Ausbildung zu verfolgen. Aber genauso spannend mal einige Pferd am Ende dieser Ausbildung, bzw einiger Zeit mal zu sehen, wie das Endziel aus sehen könnte.
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Jen
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Beitrag von Jen »

hm, ich komme ja überhaupt nicht aus der "natural horsmanship"-Ecke. Aber grundsätzlich mache ich ja was ähnliches: ich bereite das Pferd erstmal über Führtraining und Longenarbeit am Kappzaum auf die Reiterhilfen vor. Dann kommt das Reitergewicht dazu und all die Hilfen, die ich vorher v.a. mit Stimmhilfen kombiniert habe, werden jetzt nach und nach von oben gelehrt. dazu gehört zb. das Anhalten nur auf STimmkommando, ohne Zügelhilfe, denn die wenigsten Pferde wissen "von natur aus" dass es anhalten sollte, auf Zügelzug. die meisten Pferde gehen ja "von natur aus" eher gegen den Zügel. Druck erzeugt Gegendruck. Ich möchte, dass das Pferd ohne grosse Beeinflussung durch Reiterhilfen sein Gleichgewicht soweit findet, dass es sich einfach natürlich vorwärtsbewegen kann, dh. zwanglos vorwärtsgehen kann, ohne zu rennen/flüchten ohne zu klemmen/verspannen. das heisst auch, dass ich am Anfang meist mit langem/halblangem Zügel reite, damit das Pferd wieder in seine vorherige Länge findet. Noch keine (aktive) Dehnung, sondern einfach so wie es sich ohne Reiter vorwärtsbewegen würde. Durch das labile Gleichgewicht und das Anlegen der Zügel am Hals kann man die meisten Jungpferde rel. leicht lenken. Wenn das klappt: Dann nehme ich einen leichten Kontakt auf mit dem zügel und mache es mit dem Kontakt bekannt. Da ich ja keine Hilfszügel verwende, kennt das Pferd das ja gar nicht. Also versuche ich, ohne das Pferd zu beeinflussen oder zu stören, dass es diesen Kontakt akzeptiert und sich dadurch nicht gestört fühlt. Dann nach und nach wird dieser Kontakt immer konkreter, ohne dass ich das Pferd "forme". Gleichzeitig wird das Pferd ja auch immer geübter mit den Sitzhilfen, die Beinhilfen werden langsam mit den seitwärtsführenden Gewichts- und Zügelhilfen eingeführt, und so nach und nach fliessend übernommen. Je länger je mehr, wird das Pferd ein bisschen mehr geformt, es soll lernen den Kontakt von sich aus aufzunehmen und der Hand zu folgen (anlehnung anzunehmen ohne draufzulehnen oder gegen den Zügel zu gehen). nach und nach kommt der Sitz auch immer prominenter und je besser das Pferd formbar und lenkbar in den versch. Lektionen ist, desto weniger brauche ich vorne mitzuhelfen.

Ich kann also gar nicht so genau sagen, was ist zuerst, denn es ist immer wieder fliessend und wechselnd. Aber das Pferd wirklich "am Sitz" zu haben und zwar auf differenzierte, präzise, reiterliche Hilfen und nicht konditionierte rel. grobe Reflexe dauert Jahre. Ich will ja nicht einfach nur die Richtung und das TEmpo bestimmen, sondern nach und nach auch die Form des Pferdes. Bis das Pferd diese Form beibehalten kann braucht es viel Gymnastizierung und übung, Routine und Gleichgewicht. Wie gesagt, das sind Jaaaahre an Ausbildung. Nur weil ein Zügel durchhängt oder schlackert ist das noch lange kein gutes Zeichen! Viele Leute bewundern mich, weil ich am hängenden Zügel piaffieren kann. Aber das ist nicht wirklich gewollt, denn das Pferd verkriecht sich dabei auch gerne und das ist dann eben nicht wirklich korrekt! ICH will das Zügelmass und die Anlehnung jederzeit bestimmen können. Erst dann ist das Pferd wirklich durchlässig. Denn die Lektionen sind ja eines, aber die Übergänge in und aus den Lektionen... die sind dann eben wirklich der Knackpunkt und weniger die Lektionen für sich.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Jen hat geschrieben:ICH will das Zügelmass und die Anlehnung jederzeit bestimmen können. Erst dann ist das Pferd wirklich durchlässig. Denn die Lektionen sind ja eines, aber die Übergänge in und aus den Lektionen... die sind dann eben wirklich der Knackpunkt und weniger die Lektionen für sich.
Sehr gut beschrieben! Das gilt auf jeder Ausbildungsstufe für jede Lektion und ist ein deutliches Zeichen von nicht reellem Reiten oder die reiterliche Einwirkung nicht stimmt, wenn die Übergänge haken.
Jen hat geschrieben:Nur weil ein Zügel durchhängt oder schlackert ist das noch lange kein gutes Zeichen!
Bisher hat mir auch noch kein Reiter bewiesen, dass eine längerfristig aufgehobene Anlehnung ein anatomisch korrekt laufendes Pferd erzielen kann. Kurze Aufgabe ja, aber ich verstehe nicht, warum man dieses Zwiegespräch Maul-Hand nicht nutzen sollte, was weder was mit Ziehen oder rückwärts wirkender Hand zu tun hat. Es geht hier hauptsächlich um das dressurmäßige Reiten, dass es bei einigen Arbeitsreitweisen anders nicht möglich und sinnvoll ist (z.B. cutting etc.) ist eine ganz andere Sache.

LG Susi

LG Susi
horsman
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Beitrag von horsman »

versteh nicht ganz

genau dieses Zwiegespräch zw. Hand und Maul findet statt, wenn die "Anlehnung" a la Legerete mit losgelassem U.kiefer geübt wird.

Übrigens hat auch der Deutsche Tierartz und reiter Bürger dies in seinem Buch schon ähnlich beschrieben. Es ist also nicht so weit auseinander.
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