Wo ist hier die Bremse? Durchgehen im Gelände

Rund um die klassische Reitkunst

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Wolke

Wo ist hier die Bremse? Durchgehen im Gelände

Beitrag von Wolke »

Kein besonders klassisches Thema, aber mich würd doch interessieren, was ihr dazu meint. Mein Pflegepferd hatte die ganze letzte Woche nichts zu tun, gestern wollte ich dann ausreiten. Das war vielleicht nicht die beste Idee. Da ist sie mir aus dem Nichts heraus durchgegangen und ich hatte nicht die geringste Chance, zu bremsen oder zu lenken, nicht mal den Kopf rumreissen ging. Also wir kamen zuerst auf einen Waldweg, da wollte sie antraben, ich wollte weiterhin im Schritt bleiben, aber sie hörte nicht auf die Hilfen und war schliesslich im Galopp. Ich muss eine ganze Armee von Schutzengeln gehabt haben, ohne Sattel auf einem Pferd, über das ich nicht mehr die geringste Kontrolle hatte, und das schliesslich frischfröhlich über eine asphaltierte Landstrasse in ein Wohngebiet auf eine Kreuzung zu galoppierte. Als es etwas stärker bergab ging, musste sie schliesslich anhalten. Danach wollte sie auch immer wieder antraben und ich konnte sie nur noch mit äusserst groben Zügelhilfen davon abhalten.
Auf dem Reitplatz benimmt sie sich sonst eigentlich gut. Sie reagiert zwar noch nicht perfekt auf alle Hilfen, aber sie lässt sich gut kontrollieren. Hat auch ein recht weiches Maul, das ich nun eigentlich nicht durch solche Aktionen verderben möchte. Gibt es noch eine andere Möglichkeit, als sie für den Rest des Winters auf den Reitplatz zu verbannen? Doof ist natürlich auch, dass ich sie aufgrund der Trächtigkeit eher schonen möchte, aber eigentlich bräuchte sie viel mehr Arbeit, als sie momentan hat. Eine Bekannte meinte, ich müsste mir wohl ein schärferes Gebiss besorgen (momentan reite ich mit einer einfach gebrochenen Knebeltrense), das ich im Fall der Fälle als Notbremse einsetzen könnte. Sowas wie ein Pelham mit vier Zügeln oder so. Andererseits fürchte ich mich davor, dass ich sie mit einem solchen Gebiss dann auch nicht halten könnte und immer was noch Schärferes aufrüsten müsste.
Ach, so ein Mist aber auch!
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dshengis
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Re: Wo ist hier die Bremse? Durchgehen im Gelände

Beitrag von dshengis »

Wolke hat geschrieben:Kein besonders klassisches Thema
Warum denn nicht? Wir Klassiker reiten doch auch aus, oder? ;) und ab und an können Pferde auch im Gelände durchgehen...
Da ist sie mir aus dem Nichts heraus durchgegangen und ich hatte nicht die geringste Chance, zu bremsen oder zu lenken, nicht mal den Kopf rumreissen ging. ( ) Ich muss eine ganze Armee von Schutzengeln gehabt haben, ohne Sattel auf einem Pferd, über das ich nicht mehr die geringste Kontrolle hatte,
Allerdings :P Nun ja, ich wäre vielleicht nicht ohne Sattel raus gegangen, wenn ich weiß, das Pferd steht seit einer Woche :?
Eine Bekannte meinte, ich müsste mir wohl ein schärferes Gebiss besorgen (momentan reite ich mit einer einfach gebrochenen Knebeltrense), das ich im Fall der Fälle als Notbremse einsetzen könnte.
Das halte ich für die schlechtere Variante. Wir haben für solche Situationen den Halsring, der einfach ganz woanders ansetzt. Bei jedem noch so scharfen Gebiss kann sich das Pferd festbeißen, darauf nicht. Und im Zweifelsfall ziehe ich an dem Teil richtig, sorry, aber es geht irgendwo auch um meine Gesundheit und die anderer Menschen. Nicht auszudenken, wenn der Gaul auf eine Straße rennt und mit einem Auto zusammenkracht. Dann lieber die Luft abschnüren :roll: Meiner Erfahrung nach funzt das aber sehr gut, schon auf relativ leichte Einwirkung hin, so dass letztere Variante nicht nötig wäre. Immer aber kombiniert mit normaler Zäumung.

Falls das nicht geht: Wie reagiert sie auf Riegeln? (Keine Frage, soll man nicht machen, lehne ich vollkommen ab, aber in ähnlicher Situation habe ich auch schon mal meine Grundsätze vergessen.) Und zwar nicht nach unten, sondern eher nach oben. Also mit eher hoher Hand. (Ist zwar nicht in Monsieur Karls Sinne, aber es geht ja in diesem Moment auch nicht um feines Reiten.) So dass Du die Balance nach hinten verlagerst. Oft ist ja das immer-schneller-werden auch eine Folge eines Balance-Verkustes, der durch nach "vorne-fallen" ausgeglichen wird. Das Pferd rettet sich, indem es vor sich selbst davon springt. Wäre mal eine Überlegung wert. Der HR wirkt m.E. ähnlich.

Der übliche Tip ist ja, solange weitertreiben, bis Pferd nicht mehr will, aber was machen, wenn man gar nicht den Platz dafür hat??? Da wäre ich dann schon eher für Schadensbegrenzung :?

LG A.
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Puh gefährlich. Wie war sie denn sonst im Gelände? Wie ist es mit spazierengehen bzw. rechtzeitigem Abspringen?

Unser Pony war immer bei jeder offenen Wiese der Meinung er könnte jetzt durchgehen. Ich habe der RB von mir dann einfach den Tipp gegeben eine Hand auf den Widerrist abzustützen und mit der anderen klare Paraden zu geben. Das hat gewirkt. Es ist in dem Fall nie feines Reiten, aber besser als ein Unfall.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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lalala

Re: Wo ist hier die Bremse? Durchgehen im Gelände

Beitrag von lalala »

Wolke hat geschrieben:Kein besonders klassisches Thema, aber mich würd doch interessieren, was ihr dazu meint. Mein Pflegepferd hatte die ganze letzte Woche nichts zu tun, gestern wollte ich dann ausreiten. Das war vielleicht nicht die beste Idee.
yep....in Zukunft solltest du sowas nach 1 Woche nixtun unterlasssen

In so einem Fall solltest du das feine reiten gepflegt vergessen, du gefährdest ja nicht nur dich und das Pony, sondern auch andere...ich mache es auch wie josa - du kannst ein Pferd nicht mit 2 Zügeln bremsen, damit fügst du ihm noch mehr Schmerzen zu und es wird sich weiter reinsteigern....beruhigende Stimme (bei manchen hilft auch anschreien, die sind dann oft verdattert und den Moment kann man nutzen), an einem Zügel Zügelhilfen geben, Beine immer am Pferd lassen (nie wegstrecken) und ggf. wenn Platz ist versuchen das Pferd auf eine gebogene Linie zu bekommen - aber auch da Vorsicht: du willst ja nicht stürzen...

Wenn das Pony das öfter macht wäre ein anderes Gebiss, z.B. Pessoa 4 zügelig geritten, zeitweise gar nicht schlecht. Die heisse Stute einer Freundin lässt sich im Gelände z.B. am besten mit Hackamore reiten...lieber ein alternatives Gebiss und eine "Bremse" als andere in Gefahr bringen und du musst ja nur scharf einwirken, wenn es zu brenzligen Situationen kommt, sonst kann man die Zügel ja locker aufm Hals liegen lassen
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Ganz ehrlich , auf einem Pferd , daß so ohne ersichtbaren Grund ( 1 Woche keine Arbeit gehört nicht dazu ) plötzlich rennt setzte ich mich mit Sicherheit nicht drauf , um ins Gelände zu gehen. Solche Ponys/Pferde sind kleine Zeitbomben und müssen sehr sorgfältig asgebildet werden , um an den Hilfen zu stehen. Richtiges Erschrecken dagegen ist verzeihlich und in diesem Moment ist mir jede Legerete egal , es geht um mein Leben.
Große Leute können in versuchen mit einer Hand einen Trensenring zu erwischen und langsam (nicht ruckartig) den Kopf zum Knie zu ziehen. Schon beim ungewollten antraben schnell einen Zügel derart kurz nehmen, daß das kleine Mistv...nur noch in engen Kreisen laufen kann , absteigen ,beruhigen und überlegen , ob Du es noch einmal riskieren willst.

LG
Anchy
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Preferida
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Beitrag von Preferida »

Mein Stinker hatte auch mal eine Zeit in der er mit mir durchging, und zwar auf dem Platz ohne irgendeinen Grund. Nur weil ich im Schritt auf einen Zirkel abwenden wollte. Kopf hoch und ab ging's.
Er ließ sich danach nicht wieder stoppen und galoppierte in immer schneller werdendem Tempo Runde um Runde mit mir durch den Platz. Bei dem Versuch einen Zügel anzunehmen um ihn zu wenden wurde er nur noch schneller. Letzendlich kam meine Mutter auf die Idee einer Futterschüssel und stellte sich damit in die Mitte der Bahn. Zum Glück reagierte er und stand endlich.
Ich war allerdings ziemlich fertig.
Wir waren der definitven Meinung dass dieses Verhalten ja nun absolut gefährlich ist, und für ein Mädel von ca. 13 Jahren die ich damals alt war nicht wirklich gut als Reitpferd.
Somit wechselten wir auf LTj mit Stoßzügel( so verschnallt dass dieser nur zum einsatz kommt wenn er den Kopf richtig hoch reißt). Da er vor dem Durchgehen immer erst den Kopf hoch riss um sich zu entziehen.
Das erste Mal danach wieder im Sattel war mir nicht sonderlich wohl. Ich ging an den Punkt wo er zuvor mit mir durchging und wieder versuchte er es. Doch es ließ sich im Keim ersticken, da er sich durch den Stoßzügel beim Kopf hoch reißen selbst weh tat. Er versuchte es noch 1 oder 2 Mal.
Danach war das Thema durch. Ich ritt danach noch einige Zeit mit dem Stoßzügel um sicher zu gehen dass auch weiter nichts passiert.
Hab also acht, Reiter, auf
dich selbst. Ist dein Pferd
stützig, heftig, ungefügig,
so dürfen wir kecklich die
Behauptung aufstellen,
dir gebricht es an
liebenswürdigem Charakter
und richtiger Methode
(Francois Baucher)
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Hi,

so ein Durchgehen wie Du es beschrieben hast beruht auf einem absoluten Mangel an Rittigkeit. So ein Problem kann man nach meiner Trabergetiererfahrung (wow, die hatte früher Blitzstarts im Gelände drauf, Rennpferd halt :twisted: ) nur durch Dressurarbeit im Platz lösen. Was anderes wie eine etwas dünnere Wassertrense und für mich ein doch sehr homöopatisch verschnalltes Martingal. Aber im Gelände wirklich gut zu haben ist Novaja eigentlich erst seit sie durchlässig genug geworden ist...so irgendwann nach den Seitengängen in allen drei Gangarten konnte ich sie das erste Mal ganz entspannt durchparieren, als eine Mitreiterin im flotten Galopp an uns vorbeizog und das Pferd vor uns zu einem lustigen Rennen animierte. Ich saß auf Novaja, als wir überholt wurden und dachte mir nur "Sch****, was mach ich nu." und habe dann verblüfft festgestellt, hey, ich kann ja durchparieren. Da hätte ich am Anfang auch mit einem wirklich scharfen Gebiß keine Chance gehabt, die Gelassenheit hätte einfach gefehlt, das Vertrauen und das Verständnis für das was ich will...

Übrigens, ohne Sattel ausreiten ist immer eine etwas heikle Angelegenheit. Vorallem wenn man das Pferd nicht wirklich kennt und einschätzen kann.

LG Susanne
Liebe Grüße
Susanne
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Medora
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Beitrag von Medora »

Also,

ich denke, wenn das Pferd eine Woche gestanden hat und wegen der Trächtigkeit auch sonst geschont wird, sind mit ihr einfach die "Frühlingsgefühle" durchgegangen, die witterungsbedingt im Moment bei uns auch zuschlagen. In dieser Kombination mal eben ohne Sattel eine kleine Runde machen zu wollen, ist auch meiner Einschätzung nach keine so gute Idee, aber jetzt gleich mit scharfen Gebissen aufzurüsten, ist sicher auch kein guter Weg.

Vielleicht das nächste Mal vorher etwas longieren oder leicht, aber konzentriert in der Bahn arbeiten und dann erst raus?

Medora
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Medora
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Beitrag von Medora »

Ach so,

noch was vergessen: Ich habe mal den Tipp gelesen, bei einem solchen Fall von durchgehen, gerade nicht zu bremsen zu versuchen, sondern im Gegenteil: anzutreiben! Gottseidank bin ich bisher noch nicht in so einer Lage gewesen, aber laut dieses Tipps soll man wohl dadurch wieder leichter Kontrolle bekommen. Klingt auch für mich abenteuerlich, habe es aber irgendwie im Kopf behalten.

Medora
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Larry
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Beitrag von Larry »

Das war vielleicht nicht die beste Idee
Warum, mache dir doch keine Vorwürfe!!!
Ist doch von der Idee her besser, als gleich "richtig" in der Bahn los zu legen- wo das Pferd evtl. durch Kälte und stehen stocksteif ist. Mache ich genauso. Ist doch eine nette "Einstimmung".
Da ist sie mir aus dem Nichts heraus durchgegangen

Hm, ich denke eher, das war große Lauffreude.. nach dem Stehen..endlich wieder etwas kälter und für die Pferde dem Winterfell angepasst..da macht es auch den Hottis Spaß mal so richtig am Rad zu drehen.
und ich hatte nicht die geringste Chance, zu bremsen oder zu lenken,
na ja, in der "Aufregung passiert es doch jedem mal, dass er genau DAS macht(unbewusst)was man NICHT machen sollte. Sind ja nun mal menschliche Reaktionen, denen verfällt jeder mal. Also Kopf hoch!
nicht mal den Kopf rumreißen ging.
Na Gott sei Dank!!!
Das würde ich NIE empfehlen.
Gibt eine netten Spruch von Bridges: Pferde rennen trotzdem geradeaus- auch wenn sie nichts sehen! Mit Glück bist du gleich T... mit etwas Pech sitzt Du im Rollstuhl!
Du musst Dir da für solche Fälle einen Notplan IM Kopf abspeichern, den Du jederzeit abrufen kannst. Ich weiß, es klingt komisch. Aber in solchen Fällen muss man ja gegen normale menschliche Reaktionen kämpfen! Siehe unten, was ich meine.
Mein Tipp:
In so einem Moment (Umfeld muss es hergeben) Zügel etwas vor Nachtreiben und dann pö a pö zurückholen. Geht aber nur NACH dem nochmaligen Vorschicken. Besonders nicht in den leichten Sitz gehen. Auch wenn er im ersten Moment gedanklich mehr Sicherheit bietet! REIN setzten-atmen und vermehrt ausatmen. Sprich das alles ruhig laut aus- um es dir immer wieder zu sagen. Egal! Den ganzen Plan vor Dich hinsprechen-laut- und die Punkte abgehen..
Also wenn es Dir möglich ist, reite die ganze Strecke noch einmal- gern auch mit Leuten, die(auch auf dem Fahrrad, Pferd... wie auch immer) 100m hinter dir bleiben. Das ist mehr für dich, als für das Pferd.
Solche Dinge können echt sonst lange Nachwirkungen haben, da sitzt der Schreck erst einmal eine Weile!
Eine Bekannte meinte, ich müsste mir wohl ein schärferes Gebiss besorgen
Blödsinn!! Dann longiere sie lieber vorher ab, wenn Du Dich damit wohler fühlst. Was soll das Gebiss bringen? Sie beißt sich drauf fest und geht gegen. Na klasse!
Nein, Du wirst das schon machen-also evtl. vorher longieren und Begleitung(mit Abstand) dabei haben.
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
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kallisto
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Beitrag von kallisto »

Hallo,

kenne das leider auch. Das war mit einer Vollblutstute, die ich zum ersten mal im Gelände galoppiert habe. Ich war mit einer Freundin ungläubig unterwegs und die Pferde wußten, als das Feld näherkam, dass sie dort immer galoppieren durften. Schon nach den ersten 3 Galoppsprüngen flgo sie dahin. Sie war wie ein Pfeil und ich schwöre, dass ich noch nie so schnell galoppiert bin. Da ich bis dahin schon 3 Monate täglich gearbeitet hatte, hatte sie Kondition und sie ließ den anderen Vollbluthengst zurück. Der kalte Wind ließ meine Augen tränen und spürte keinen Galoppsprung mehr. Ihr Hals war starr und die Stute gab alles. Ich war Passagier. Zu meinem Glück befanden wir uns im Winter auf dem Flugplatz, der ca. 3 km lang war und sie konnte das Tempo auf Dauer nicht halten. Sie kannte die Strecke und auch das Rennen.
Für ein Abwenden auf einen großen Bogen war das Tempo zu hoch. Ich hatte einfach Angst, dass sie ausrutschte, weil es nur ein Rasenflugplatz war und leichter Schnee lag. Ich hatte das Glück, dass ich sie Ausrennen lassen konnte und zum Schluß pumpte sie natürlich und war schweißnaß trotz Minustemperaturen. Der Hengst meiner Freundin blutete etwas aus den Nüstern heraus. Wir waren beide baff über das Tempo. Ich war noch etwas schockiert über das Tempo und der Gedanke, was wäre wenn gewesen... Mir ist schonmal ein Steigbügelriemen und vor etlichen Jahren der Sattelgurt im Gelände gerissen. Das Pferd ließ sich aber durchparieren. Ein Pferd muss durchparierbar sein, egal ob das Pferd Rennblutgene hat oder nicht.
Ich bin dann mit der Stute die ganze Stecke wieder im Schritt wieder zurück und das zweite mal übte ich Kontrolle auf das Galopptempo zu übernehmen, was auch funktionierte, alleine dass sie schon etwas ausgepowert war. Die Stute kannte bisher nur, dass sie an der Stelle alles geben sollte. Ich wußte, dass die anderen Mädels gerne "Rennen" mit den Pferden geritten waren und dass die Pferde es nicht anders kannten. Ich selbst empfand das als hochgefährlich. Zumal die Stute sich allein aus dem Temperament heraus sicherlich überfordert hatte.

Wir sind die Strecke noch paar mal geritten und es war schon ein großer Erfolg, wenn ich den Start bestimmen konnte. Die Stute spielte sich auf, lief rückwärts und buckelte dann vorwärts. Zum Glück war der Hengst meiner Freundin etas ruhiger. Die ersten paar m war ich auch bei den folgenden Male Passagier. Fakt ist, wenn man ein Pferd einmal laufen läßt, dann kriegt man das schwer wieder heraus. Trotzdem würde ich immer vorbeugend handeln und gerade so einen Vollblüter nie seinen Willen zum gestreckten Galopp lassen. Klar sie lieben es und sie sind dafür gezüchtet (ist die Halbschwester zu meinem Pferdchen 8) ). Aber die Sicherheit geht vor.

Gut ist, wenn ein ruhigeres Pferd mit dabei ist. Schärfere Gebisse helfen nichts, sie beißt sich wirklich fest. Bei den folgenden Ausritten hatte ich sie vorher immer ablongiert. Aber wer Vollblüter kennt, da hilft auch das nicht viel. Die rennen auch noch im Höllentempo nach 20 km. Bei Warmblütern macht das Ablongieren sicherlich etwas aus. Jeden großen Galoppsprung im Keim ersticken. Wenn das Tempo einmal da ist, bist Du chancenlos. Konsequent sein, wenn kein Galopp gewollt ist, dann auch kein Galopp reiten. Beschäftige das Pferd, wenn es "heiß" wird. Seitwärtsgänge, Volten etc. Nur auf Stellen galoppieren, die sehr steil bergauf sind, die das Pferd nicht auf Tempo lassen kommen.

Insgesamt eine schwierige Sache. Da Deine Stute auch noch tragend ist, wäre die hohe Kreislaufbelastung auch ein Risiko für das Fohlen. Ich würde die Strecken meiden, bei denen das Pferd an Galopp "denkt" und immer vorbeugen durch Ablongieren, Beschäftigen und das Üben von Übergängen im Gelände.
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chica
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Beitrag von chica »

Bin ja auch mit so einem heißen Feger gesegnet. Starletta ist im Gelände ab einem höheren Tempo als Schritt ein Durchgänger. Keine Ahnung, was mit diesem Pferd veranstaltet wurde...

Momentan gehe ich ausschließlich im Schritt ins Gelände, was soweit auch ganz gut funktioniert. Sie wird immer gelassener. Den Galopp üben wir zur Zeit nur in der Bahn und so langsam stellt sich der erste Erfolg ein (sie düst mir auch in der Bahn gerne ab!).

Medora hat mit dem Treiben schon recht. Erst wenn Du wieder zum Treiben kommst, hast Du wieder Kontrolle über das Pferd. Ziehen oder Kopf rumreißen helfen nur bedingt, da Pferd sich dann eben festbeißt und dann wars das. Ich versuche mich mental so vorzubereiten, dass ich die schlechten Reflexe ausschalte, d. h. kein Ziehen am Zügel, kein Klemmen, sondern langes Bein, nachgebender Zügel und wieder zum REITEN kommen. Nicht nur Beifahrer sein.

Sobald sich das in der Bahn gefestigt hat, werde ich auch wieder im Gelände Übergänge üben. Bis dahin wird eben das Tempo runtergefahren und kein Risiko eingegangen. Ausgeritten wird auch nur mit Leuten, die kein Problem damit haben, ne Stunde nur Schritt zu reiten. Die gibt es zwar selten, aber es gibt sie ;)
LG Ines
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Beitrag von Jen »

kallisto hat geschrieben:Wenn das Tempo einmal da ist, bist Du chancenlos. Konsequent sein, wenn kein Galopp gewollt ist, dann auch kein Galopp reiten. Beschäftige das Pferd, wenn es "heiß" wird. Seitwärtsgänge, Volten etc. Nur auf Stellen galoppieren, die sehr steil bergauf sind, die das Pferd nicht auf Tempo lassen kommen.
Dem kann ich absolut zustimmen. Und konsequent sein, heisst von der ersten Minute an und in ALLEN GANGARTEN sehr konsequent sein. Auch im Schritt schon das Tempo selber bestimmen! Denn da fängt es meistens an, dass das Pferd langsam aber sicher das Tempo übernimmt.

Unser Oldie war ein Irländer, welcher in Irland Jagden gegangen ist. Ein Pferd also, dessen Grundausbildung darin bestand im vollen Galopp über alle Hindernisse zu springen und erst am Ende des Weges (oder vor dem Pub ;) ) zu halten. :roll:

Wir haben ihn NIEMALS mehr einfach rennen gelassen. Er merkte sich jede STrecke wo er einmal galoppiert ist und auf dieser STrecke wollte er dann immer galoppieren. Es war ein ganzes Stück Arbeit ihn so rittig zu machen (Grundausbildung nachholen!), damit er kontrollierbar wurde.

Wenn ein Pferd Hilfen verweigert, dann ist dies ein Erziehungs- und Ausbildungsproblem. Auch wenn das Pferd noch so lange gestanden ist, es darf nicht einfach vollständig das Kommando übernehmen. Das deutet darauf hin, dass es sonst einfach mehr oder weniger Goodwill des Pferdes ist, dass es einigermassen folgsam ist, wenn es ausgelastet wird, aber es steht nicht wirklich an den Hilfen. Klar, auch das bestausgebildetste Pferd kann mal durchgehen. Eine 100% Garantie hat man nie. Aber je besser ausgebildet das Pferd ist, desto schneller wird man wieder die Kontrolle erlangen und desto seltener wird es überhaupt passieren.

Ich würde also bei diesem Pferd jetzt darauf schauen, dass es regelmässige Beschäftigung v.a. für den Kopf bekommt. Bodenarbeit, Erziehung, Ausbildung vom Boden. Ausritte würde ich vielleicht nur nach einer Einheit am Boden und ev. nur mit einem sicheren, ruhigen zweitpferd machen. Sonst lieber ausgedehnte Spaziergänge, aus Rücksicht auf ihre Gesundheit und der des Fohlen.
Liebe Grüesslis, Jen
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Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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Beitrag von kallisto »

Jen hat geschrieben:Denn da fängt es meistens an, dass das Pferd langsam aber sicher das Tempo übernimmt.
Ich vermute, dass dieses Durchgehen irgendwie mit dem Fluchtinstinkt zusammen hängt. Irgendwie neigen schreckthafte und hochsensible Pferde und Pferde, die wenig Vertrauen in den Menschen haben, mehr zum Durchgehen. Ich denke, dass dadurch ein Pferd so unkontrollierbar wird. Weil mir erschien es wie ein "Fluchtrausch", in dem die Stute fiel und weil die Pferde immer solange rennen, bis die körperliche Erschöpfung da ist. Jedes Pferd schont seine Ressourcen, weil ein erschöpftes Pferd ist fluchtunfähig. Dann wäre es nicht nur ein reines Ausbildungs- sondern auch ein Vertrauensproblem.

Wie seht ihr das oder gibt es dazu Fakten aus der Pferdepsychologie?
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Medora hat geschrieben:Ach so,

noch was vergessen: Ich habe mal den Tipp gelesen, bei einem solchen Fall von durchgehen, gerade nicht zu bremsen zu versuchen, sondern im Gegenteil: anzutreiben! Gottseidank bin ich bisher noch nicht in so einer Lage gewesen, aber laut dieses Tipps soll man wohl dadurch wieder leichter Kontrolle bekommen. Klingt auch für mich abenteuerlich, habe es aber irgendwie im Kopf behalten.

Medora
Also, damit wäre ich heute noch unterwegs :wink: - Frau Pferd hätte sich garantiert so reingesteigert, daß sie eher am Herzinfarkt gestorben wäre als auf ein "Vorwärts"-Hilfe hin anzuhalten. Bei der "Kalorienzähler"-Fraktion habe ich den Trick schon angewendet, wenn die merken es wird anstrengend dann hören die freiwillig auf. Aber bei einer Rennsemmel würde ich da nicht drauf wetten...

@ Kallisto: Ich denke mal, daß ist einfach ein tierischer Adrenalinschub durch die Flucht...und Überleben ist erst mal wichtiger als Kräfteschonen :wink:
Liebe Grüße
Susanne
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