Wirkung von einseitigen und diagonalen Hilfen (Newcasle)

Rund um die klassische Reitkunst

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bea
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Wirkung von einseitigen und diagonalen Hilfen (Newcasle)

Beitrag von bea »

In Sylvia Lochs „Reitkunst im Wandel“ schreibt die Autorin über Newcastle u.a. Folgendes:
Er [ = Newcastle] lehrte, dass einseitige Zügel- und Schenkelhilfen auf die Schulter wirken, das Pferd also um den inneren Schenkel gebogen ist, während diagonale Zügel- und Schenkelhilfen auf die Hinterhand wirken.

(nachzulesen in „Reitkunst im Wandel“, S. 87 Mitte)

Die Aussage steht bei Sylvia Loch in einem kurzen Abschnitt über Newcastles Beitrag zum Schulterherein. Natürlich ist das Ganze etwas aus dem Zusammenhang gerissen (zum einen aus dem Zusammenhang von Newcastles Werk, zum anderen aus dem Zusammenhang von Lochs Aussagen rund um die oben zitierte Paraphrasierung dessen), aber ich verstehe doch das Zugrundeliegende nicht.
Worauf beruht Newcastles Annahme? Wieso wirken einseitige Hilfen auf die Schultern und diagonale auf die Hinterhand? Gibt es dafür anatomische / physikalische Grundlagen? Vertrat Newcastle die Ansicht, dass die Biegung durch einseitige Hilfen hervorgerufen würde (was ich daraus herauslese)? Wenn ja: Warum wertet Loch diese Aussage von Newcastle denn positiv (was zweifellos der Fall ist)?

Und schliesslich noch eine über das Zitat hinaus führende Frage, die mich auch interessieren würde: Inwiefern steht diese Aussage von Newcastle im Gegensatz zu der Aussage, dass man zwischen den Zügeln die Schultern und zwischen den Schenkeln die Hinterhand führen kann?

Es wäre schön, wenn mir jemand weiterhelfen könnte.

Danke im Voraus und LG, Bea
Reiten heisst: sitzen - fühlen - denken.
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

Interessante Frage, ich werde das bei beiden nachlesen und versuchen, in Einklang zu bringen.

Deine Schlussfrage steht m.E. jedoch gar nicht so sehr im Gegensatz dazu: die Zügel halten die Schultern, d.h. sie geben die Begrenzung nach vorne/Beizäumung/Anlehnung und leiten Wendungen ein (mit der Körperdrehung über die Schulter), die Schenkel (mit der Hüfte) lenken und halten die Hinterhand aktiv.

Wenn Du z.B. Schulterherein reitest, leitest Du mit dem inneren Zügel (und Deiner Körperdrehung) das Schulterherein ein. Der äußere Zügel fängt die Bewegung nach vorne ab, der innere Schenkel erhält die Bewegung über die weitere Aktivierung des inneren Hinterbeins, welches je nach Abstellung über das Äußere hinweg kreuzt. Innerer Schenkel treibt in den äußeren Zügel = diagonale Hilfengebung = innerer Schenkel wirkt auf das innere Hinterbein, äußerer Zügel wirkt verbremsend auf die äußere Schulter.

Ist das zunächst eine Erklärung oder verwirre ich Dich vollends???

Stephanie
moreno
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Beitrag von moreno »

Hallo Stephanie,

die Verwirrung greift durchaus um sich.

Für mein Verständnis gibt der innere Zügel nur Stellung und Biegung, das SH wird mit dem äußeren Zügel eingeleitet. Dieser begrenzt den Vortritt des äußeren Beinpaares, doch nicht die Bewegung nach vorne. Tut er das nicht, wird das Pferd eine Wendung ausführen.

Bebenbei: alle vier Beine legen im SH den gleichen Weg zurück, was manchen Buchautoren und Dozenten nicht klar zu sein scheint. Ist ja auch wirklcih schwer zu verstehen, daß vier Beine auf dem Weg von A nach B den gleichen Weg zurücklegen müssen.

Weiter: egal, wer was, wie oft und wie lange behauptet, wenn eine Lehre gegen die einfachen physikalischen Regeln der Bewegung und des Gleichgewichts verstößt, dann ist sie FALSCH! Falsch! Falsch! und sie bleibt auch FALSCH und auch dann noch, wenn man sie 1000 X wiederholt!

Mann oh Mann! Das ist doch keine Qantenmechanik.

Ich wünsche ein gesundes und erquickliches Jahr 2007

Dörr
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Larry
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Beitrag von Larry »

moreno schrieb:
innere Zügel nur Stellung und Biegung, das SH wird mit dem äußeren Zügel eingeleitet
kann mich da zZt anschließen.
(Also auf die reine Zügelhilfe bezogen, denke aber, dass das auch so von moreno gemeint ist-da auf das Zitat bezogen..)

Er [ = Newcastle] lehrte, dass einseitige Zügel- und Schenkelhilfen auf die Schulter wirken, das Pferd also um den inneren Schenkel gebogen ist,
Meinst Du ""eine ART"" der Vorhandwendung-""ähnlich""wie beim Western?
In welchem Zusammenhang?
Vielleicht ging es in einem Bereich um Schulterkontrolle und in dem andern Bereich um die Versammlung? Kann leider nicht nachlesen, habe das Werk nicht. Ist das Zitat(nur als Info für mich)evtl irgendwie aus der Symantic gerissen?
Vielleicht habe ich jetzt auch gerade einen Denkfehler..
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
moreno
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Beitrag von moreno »

Hallo Larry,

nein, ich meine ganz einfach, daß der äußere Zügel das sH einleitet.

Nehmen wir an, das Pferd trabt zur Vorbereitung auf ein SH eine Volte auf der linken Hand.

Die re., äußeren Pferdebeine legen einen weiteren Weg zurück als die linken. Der innere Zügel würde dann eine 2 Volte einleiten und erhält hierzu die Stellung und Biegung des Reittiers.

Nun muß der äußere Zügel den weiteren Weg der äußeren Beine mit einem sanften Anzug einfangen. Stellung und Biegung werden weiterhin, wie in der Volte, vom li. Zügel erhalten. Alle vier Beine legen nun die gleiche Strecke zurück. Das Pferd geht ein vom äußeren Zügel eingeleitetes Schulterherein.

Ich habe mich hier nur auf die Hilfen der Hand bezogen. Dass der Schwerpunkt bei jedweder Einleitung einer Bewegung eines lebenden Wesens auf dieser Erde der Bewegung vorausgeht, ist ein sine qua non.

Und bitte, der Reiter sollte möglichst ruhig sitzen bleiben (allerdings im Gleichgewicht und Einklang mit der Bewegung und die geht in diesem Fall nach re. Also: sanfter Bügeltritt re.) und nicht im Sattel rumrutschen. Das stört das arme Kerlchen unter demselben nur über alle Maßen.

Schönen Abend,

Dörr
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Larry
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Beitrag von Larry »

Hallo moreno,
vielen Dank für Deine schöne Erklärung- dann habe ich es doch für mich richtig verstanden. Das meinte ich auch so. Allerdings meine obrige "Auseinandernahme" deswegen,
bei uns(Leesha und mir) kommt eben noch die Gewichtsverlagerung hinzu(braucht mein Pferd einfach noch)und da scheiden sich ja nun auch wieder die Geister, wo man wann sitzt. Aber das war ja auch nicht Thema hier.
PS: Astrid braucht es ja nur bei Pepper SAGEN und die macht es schon...selbst ein fast richtiges Traver!
PPS: NEID! :wink:
PPPS: Das weiß sie aber auch :lol:
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Stephanie

Beitrag von Stephanie »

So ist es halt, man kann ja in verschiedenen Systemen reiten... Solange sie in sich schlüssig bleiben und die Harmonie erhalten ist, sollte das doch kein Problem sein, oder???
Eine Einleitung über die innere Hand erkennen Sie bei mir nicht, aber da ich zunächst die Biegung herstelle für das, was ich vorhabe, leite ich mit dem inneren Zügel ein - und benutze ihn mehr oder weniger, je nachdem, wie das Pferd bereits auf den biegenden Schenkel reagiert. Dann kommt die Körperdrehung, damit das Pferd weiss, wieviel ich abbiegen möchte und dann die Begrenzung über die äußere Hand, damit das Pferd mir nicht nach vorne wegläuft.

Ob Sie jetzt noch das Vortreten oder das Begrenzen nach Vorne unterscheiden, ist für mich Haarspalterei, denn es geht hier um Schulterherein, damit sind sowohl das Vortreten als auch die Begrenzung nach Vorne vorgegeben... jedenfalls in meinen Augen, da ich ja nicht von weiterführender Wendung im Sinne einer Volte gesprochen habe.

Und übrigens auch nicht vom Abstand der Beine oder dem Weg, den sie zurücklegen...
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Larry
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Beitrag von Larry »

Huhu Steffi, ich habe von Wendung gesprochen! :wink:
Bevor was durcheinander kommt.
Aber meine Frage war auf Bea bezogen.
Thema Schulterkontrolle/Art "Vorhandwendung".
Warum? Weil bei vielen weicht das Pferd dem Druck -während andere so arbeiten, dass das Pferd sich um den "Druck" des inneren Schenkels biegen "soll". Deswegen ist es für mich ja so schwierig, dass Zitat zu beantworten, ohne das Buch gelesen zu haben.
@Bea:
Ich weiß nicht, um welchen Reit""stil"" es darin geht.
Zu groß sind in einzelnen Detail die Unterschiede, die dann den Inhalt des Zitats ausmachen könnten. Sorry bin von Kleist geschädigt..da wird nämlich auf JEDES Detail(Wort,Komma,..) wert gelegt..
Hi,hi..gut das man auf dem Pferd mehr nach Gefühl reitet, wenn unsere Vierbeiner wüßten, was wir manchmal so hier im Forum treiben...
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bea
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Beitrag von bea »

Stephanie hat geschrieben:Ist das zunächst eine Erklärung oder verwirre ich Dich vollends???
Ich verstehe deine Erklärung eigentlich schon, kann sie aber nicht wirklich mit dem Zitat in Verbindung bringen. :kopfkratz:
moreno hat geschrieben:egal, wer was, wie oft und wie lange behauptet, wenn eine Lehre gegen die einfachen physikalischen Regeln der Bewegung und des Gleichgewichts verstößt, dann ist sie FALSCH! Falsch! Falsch! und sie bleibt auch FALSCH und auch dann noch, wenn man sie 1000 X wiederholt!
Absolute Zustimmung.
Larry hat geschrieben:@Bea:
Ich weiß nicht, um welchen Reit""stil"" es darin geht.
Ich selber habe Newcastle nicht gelesen, aber ich denke, es geht hier um seine Ansichten über das Reiten allgemein; könnte ich es vielleicht mit "Reitkunst im 16. Jahrhundert in England" umschreiben?
Schwierig...

Für mich hört sich das Ganze einfach so an, als ob Biegung durch einseitige Hilfen (und zwar durch die inneren) hervorgerufen wird - es also keine Begrenzung zu geben hat, auch im Schulterherein nicht. Oder könnte man hier die diavonalen Hilfen schon so hinein bringen, dass der äussere Schenkel verwahrend wirkt und somit auf die HH geht?
Wenn das Schulterherein mit dem äusseren Zügel eingeleitet wird (was zweifellos so sein sollte bei einem Pferd auf einem gewissen Niveau, wenn auch m.M.n. nicht bei einem "Grundschüler"), dann ist die Hilfengebung ja nicht mehr einseitig, weil noch der innere Schenkel dazu kommt, oder?
:kopfkratz:

Ich überleg mir das nochmals, muss nun aber los...

Danke für die bisherigen Erklärungen und bis später.
LG, Bea


Off Topic:
Larry hat geschrieben:Sorry bin von Kleist geschädigt...
*ggg* Ich liiiiiebe Kleist! :wink:
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Stephanie

Beitrag von Stephanie »

@larry: "Dieser begrenzt den Vortritt des äußeren Beinpaares, doch nicht die Bewegung nach vorne. Tut er das nicht, wird das Pferd eine Wendung ausführen. " Darauf bezog ICH mich - und das hat moreno geschrieben...

nur der Ordnung halber, :lol:
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Larry
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Beitrag von Larry »

@Stephanie: Ahh... siehst Du, da haben wir Beide jeder etwas anderes im "geistigen" Auge betrachtet.
@Bea: Werde mal schauen, was ich darüber finde..
PS: na, dann musst Du zu unseren Familientreffen kommen.
Selbst im hohen Alter ..Esprit ohne Ende.. :wink:
PPS: Und er liebt Pferde..hatte in Argentinien früher auch welche...aber lang ist es her...
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Beitrag von moreno »

Hallo Bea,

so ganz unter uns und ohne jedes persönliche Ressentiment. Glauben Sie wirklich, daß wir uns heute noch an New castle und de la Guérinière orientieren sollten?

Dies Bücher gehören in jede gut bestückte Reitbibliothek und im Gegensatz zu den Leuten, die sich auf diese Werke berufen (z. B. FN), sollte man sie auch gelesen haben, wobei ich aus eigener Erfahrung sagen kann, daß dies bei entsprechenden Klugscheißern nicht.......auch nur annähernd der Fall ist.......auch wenn ehemalige Leiter von Landesreitschulen dahinter stehen. Die Situation ist einfach nur niederschmetternd. Na ja, vielleicht haben sie auch einfach nur nicht kapiert?!

Nein, im Laufe der Zeit hat sich die generelle Einstellung zum Pferd gewandelt. Man weiß mehr über Anatomie, Physiologie, Psychologie etc. der Pferde. Daher sind neuere Abhandlungen für uns eher nützlich als die alten Bücher.

Was allerdings so als "Eurosammler" auf den Markt geworfen wird, das sollte man aus Respekt vor den Pferden eher meiden. Nicht jeder Autor, Redner, hat neben Geschwätz auch schon etwas zu sagen. Kritik ist angebracht. Scharfe Kritik notwendig.

Alte Meister sind gut und schön! Das Problem ist jedoch, daß man sie in ihre Welt und Zeit einordnen kann.

Übrigens: ich bin ein Fan von jedweder Reitliteratur, was vielleicht schon aufgefallen sein kann.

Dörr
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bea
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Beitrag von bea »

Hallo Herr Dörr
moreno hat geschrieben:so ganz unter uns und ohne jedes persönliche Ressentiment. Glauben Sie wirklich, daß wir uns heute noch an New castle und de la Guérinière orientieren sollten?
Bevor ich mich an irgendetwas "orientiere", möchte ich es zunächst mal verstehen - und genau daran hapert es hier noch. Ich stimme mit Ihnen selbstverständlich darin überein, dass jede Menge elementares Wissen im 17./18. Jahrhundert noch nicht vorhanden war und dass dieses Wissen die Reiterei sicher revolutioniert hat, trotzdem möchte ich eben auch "an die Wurzeln" - nicht zwingend, um es nachzumachen/mich daran zu orientieren, sondern vorerst einfach mal darum, um zu verstehen.
(ich denke, das ist auch in Ihrem Sinne... :wink: )
moreno hat geschrieben:Alte Meister sind gut und schön! Das Problem ist jedoch, daß man sie in ihre Welt und Zeit einordnen kann.
...was ich auch versuche. Aber Verstehen kann ich immer nur vom eigenen (heutigen) Standpunkt aus geschehen.
moreno hat geschrieben:Übrigens: ich bin ein Fan von jedweder Reitliteratur, was vielleicht schon aufgefallen sein kann.
Ich denke, das wird kaum jemand anzweifeln. :wink:

LG, Bea
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moreno
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Beitrag von moreno »

Prima Bea,

dann passt's. Viel Vergnügen und viel Glück mit den Büchern.

Ganz schöne Grüße,

Dörr
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