Reitkurs mit Richard Hinrichs vom 22.07. – 23.07.2006

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Josatianma
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Reitkurs mit Richard Hinrichs vom 22.07. – 23.07.2006

Beitrag von Josatianma »

„Erhöhen Sie Ihre Ansprüche!“ Das war wohl der Satz, den man während des Kurses am häufigsten hörte. Richard Hinrichs erteilte acht Reiter-Pferd-Paaren jeweils vier Unterrichtseinheiten mit schönen und sehenswerten Ergebnissen.

Er legte besonderen Wert auf die korrekte Ausführung der Paraden und Leichtigkeit mit der Hand. Stramm angezogene Kandarenzügel zog er auch einmal lächelnd aus der Hand und höhere Lektionen wurden erst erarbeitet, wenn die Grundlagen wie beispielsweise Seitengänge reell gezeigt wurden. Losgelassenheit und Ruhe waren die obersten Gebote. „Atmen Sie! Suggerieren Sie sich, dass Sie sich wohl fühlen. Wenn ich Sie spiegele, stockt mir der Atem.“

Die meisten Reiter arbeiteten überwiegend an Übergängen, Seitengängen und Piaffe. Um diese Lektionen zu erarbeiten, forderte Herr Hinrichs immer wieder den Wechsel zwischen Spannung und Entspannung – Rahmen verkleinern und Rahmen erweitern. Dies erreichte er zum Beispiel im Trab durch den Wechsel zwischen Schulterherein und Renvers. „Erhöhen Sie die Kompression! Bauen Sie Druck auf den Kessel auf – und dann die weiche Verstärkung. Ohne Hand!“
Im Galopp erarbeitete er dies, indem er vom Reiter zwei Sprünge im Vorwärts, anschließend zwei versammelte Sprünge am Platz forderte. Eine weitere Übungsreihe beinhaltete wenige Piaffetritte, daraus Angaloppieren und nach zwei Sprüngen Durchparieren in den Schritt, erneute halbe Tritte bis zur Piaffe, wieder Angaloppieren usw.

Die Spannung war teilweise förmlich greifbar, so dass die Zuschauer mitfieberten und mitritten. Jeder, egal ob Teilnehmer oder Zuschauer, hat sich über gelungene Lektionen gefreut. Besonders gefiel mir, dass während des gesamten Kurses über keinen einzigen Teilnehmer oder dessen Pferd gelästert wurde. Dies lag mit Sicherheit zum großen Teil an der Begeisterungsfähigkeit von Herrn Hinrichs, der jedes Paar ernst nahm und nach seinen Möglichkeiten förderte.

Die erste Übungseinheit nutzte Herr Hinrichs für eine Bestandsaufnahme. Die Reiter sollten so reiten, wie sie das auch zuhause tun würden. Er griff nicht ins Programm ein, wohl aber, wenn Mängel zutage traten – was bei jedem Reiter mal mehr, mal weniger der Fall war. Zum Ende der Trainingseinheit hin legte er dann in Absprache mit dem jeweiligen Reiter die Ziele für die nächsten Unterrichtseinheiten fest.

Die erste Reiterin stellte ihren silbern schimmernden PRE-Hengst vor. Die Beiden gaben im Schritt und Trab ein relativ hektisches und etwas eiliges Tempo vor. Im Galopp dagegen schienen Pferd wie Reiterin völlig verändert. Man meinte, ein anderes Paar vor sich zu haben, so entspannt und ruhig galoppierten die beiden einher. Mit ihnen arbeitete Herr Hinrichs vor allem an Übergängen im Schulterherein und Renvers im Trab, um Pferd und Reiterin zu entspannen und die Tritte allmählich zu verlängern. In der Piaffe touchierte er unterstützend vom Boden aus, forderte nur wenige Tritte und entließ den Schimmel dann in ein paar entspannende Sprünge Handgalopp.

Als nächstes ritt die turnierambitionierte Tochter des Hauses ihren Warmblut-Wallach. Die Reiterin ritt ihr Pferd zu eng im Hals, was Herr Hinrichs auch immer wieder bemängelte und zu korrigieren versuchte, indem er sie vom Dauerzug am Zügel auf punktuell genau dosierte Arrêts brachte. Die beiden wollten vor allem an der Pirouette im Schritt arbeiten. Dazu schickte Herr Hinrichs sie bereits mit dem Gedanken an Trab in die Kurzkehrtwendung, um ein gleichmäßiges Mittreten der Hinterhand zu erzielen. Besonders schön war hier die Entspannungsphase (Leichttraben am hingegebenen Zügel), die Herr Hinrichs gezielt forderte, um die Nase des Pferdes vor die Senkrechte zu bringen.

Das dritte Paar zeigte Arbeit am langen Zügel. Es handelte sich um einen 5jährigen Wallach, der gerade erst eingeritten werden sollte und als Vorbereitung dazu am langen Zügel gearbeitet wurde. Die beiden zeigten Volten, als Seitengänge Schulterherein und Travers sowie Spanischen Schritt. Allerdings neigte die Leinenführerin im Schulterherein dazu zuviel Abstellung zu fordern, sodass ihr der Schimmel über die äußere Schulter ausfiel. Im Spanischen Schritt war er sehr unkonzentriert und ließ sich nicht wirklich von seiner Leinenführerin beeindrucken.
Herr Hinrichs übernahm für den Anfang der jeweiligen Trainingseinheit die Leinen und brachte das Pferd mit Touchierübungen dazu, sich auf den Führenden und die geforderten Lektionen zu konzentrieren. Als er den Wallach soweit hatte, arbeitete er eifrig mit und zeigte sehr schön den Spanischen Schritt. Die Besitzerin konnte in der letzten Einheit das Gelernte gleich einsetzen und zeigte ähnlich schöne Ergebnisse wie Herr Hinrichs selbst.

Bei der vierten im Bunde handelte es sich um unser Mitglied „pepe“ alias Danny und ihren Scheckwallach Pierrot, genannt Pepe. Pepe ist ein Pferd mit kaum vorhandener Rittigkeit. Danny musste ihr Pferd erst einmal entspannt und locker zum Schwingen bringen. Durch verschiedene Übungsreihen mit Seitengängen im Trab schaffte es Herr Hinrichs, Pepe so „aus dem Konzept zu bringen“, dass er sich langsam fallen ließ und entspannte. Er zeigte in der letzten Trainingseinheit einen wunderbaren Außengalopp und schwungvolle und federnde Trabtritte. Ein weiteres Thema war die Piaffe. Pepe neigt dazu, mit festem Rücken auf der Stelle zu trippeln. Herr Hinrichs erarbeitete mit Touchierübungen an der Vorhand - da Pepe sicher diagonal fußt - über den Spanischen Schritt mehr Raumgriff in der Piaffe. So brachte er ihn zu langsamen und entspannten halben Tritten. Zum Schluss zeigte er ein paar wirklich schöne Tritte mit entsprechender Hankenbeugung.

Den nächsten Platz in der Teilnehmerliste teilten sich Mutter und Tochter mit ihren beeindruckenden PRE’s. Die Tochter ritt einen jüngst aus Spanien importierten Hengst, der zwar Talent hat, alles in allem aber noch viel zu hektisch ist. Mit ihr arbeitete Herr Hinrichs daran, mehr Ruhe ins Pferd zu bringen. Er nutzte dabei einige der hier bereits aufgeführten Übungsreihen. Beeindruckend war hier, dass die 18jährige Reiterin ganz gelassen und zentriert im Sattel saß. Ihr Sitz war zu jeder Zeit korrekt und schön anzusehen. Einzig etwas mehr Souveränität hätte ich mir gewünscht.
Die Mutter ritt einen „ehemaligen“ PRE-Hengst, der erst sechs Wochen vor dem Kurs aufgrund seines extrem hengstigen Verhaltens gelegt wurde. Danny`s ausgesprochener Liebling! Die einzelnen Lektionen beherrschte dieses Paar, aber die Reiterin wünschte sich noch mehr Ausdruck. So ließ Herr Hinrichs für die Trabverstärkung im Renvers die kurze Seite entlang reiten, um mehr Kompression zu erhalten. Die Verstärkung aus der Ecke durch die Diagonale kam dem gewünschten Ergebnis wirklich sehr nahe.
Beide Tiere waren ausnehmend schön und zeigten tolle Aktion unter dem Reiter. Zwei wirkliche Traumpferde!

Die nächste Teilnehmerin stellte ihre schwarzbraune Knabstrupper-Stute vor. Die beiden arbeiteten zusammen mit Herrn Hinrichs an einem ruhigeren Grundtempo im Trab. Spannend war bei diesem Paar auch die Galopparbeit. Die Stute tat sich im Außengalopp sehr schwer. Sie neigte gerne dazu, mit einem gewaltigen Sprung nach oben loszustürmen. Die Reiterin hatte sichtlich Mühe, was sie dazu verleitete, zuviel mit der Hand zu machen. Herr Hinrichs korrigierte dies immer wieder. Auch ihr legte er die Bedeutung von kurzen Arrets nahe, anstatt konstanten Dauerzugs. Das Paar beendete den Kurs mit einer Runde schönem, gesetztem Außengalopp und punktgenau gerittenen Seitengängen.

Ungewöhnlich war die nächste Teilnehmerin: eine Traberstute, die fünf Jahre lang auf der Bahn gelaufen ist. Für einen Traber hatte diese Fuchsstute einen sehr gleichmäßigen und runden Galopp, laut Herrn Hinrichs den besten Galopp, den er je bei einem Traber gesehen hat. Ihre Gänge sahen zwar schwungvoll, aber auch äußerst unbequem aus, was die Reiterin bestätigte. Sie legte vor allem Wert auf Sitzkorrektur. Die einzelnen Unterrichtseinheiten bestanden aus vielen Übergängen und Seitengängen, um die Stute etwas „bequemer“ zu bekommen. Außerdem begleitete Herr Hinrichs die beiden auf ihrem Weg zu den ersten halben Tritten. Herr Hinrichs ließ die Reiterin bis zur Piaffe leichttraben um den Gedanken des „Trabens statt Haltens“ aufrecht zu erhalten. Bei diesem Paar war offensichtlich, mit wieviel Liebe und Einfühlungsvermögen die Reiterin bei der Sache war. Ein schönes Paar, das wieder einmal bestätigte, dass klassische Reitkunst für jedes Pferd geeignet ist.

Das letzte Paar war das für mich beeindruckendste. Es handelte sich um einen 11jährigen Araberwallach mit seiner Reiterin. Auch er wirkte vom Exterieur her eher ungeeignet für Dressur. Erstaunlicherweise gab es aber fast keine Lektion, die die beiden nicht beherrschten. Herr Hinrichs arbeitete an den fliegenden Galoppwechseln auf der ganzen Bahn, an Rahmenerweiterung im Trab und Galopp. Piaffe und Spanischer Schritt gehörten quasi zum Standardprogramm. Das Highlight bestand allerdings aus der Verfeinerung der Passage. Der Wallach neigte zu sehr flachen Passagetritten mit wenig Aktion aus der Schulter heraus. Um die Schultern freizubekommen, entwickelte die Reiterin mithilfe von Herrn Hinrichs die Passagetritte aus dem Spanischen Trab. Eine äußerst erfrischende Vorstellung, die dieses eingespielte Team zeigte! Reiterlich waren diese beiden definitiv am weitesten, was wohl auch daran lag, dass die beiden bereits regelmäßig bei Ruth Giffels Unterricht genossen hatten.

Dieser Kurs war der erste mit Richard Hinrichs, den ich als Zuschauer erlebte habe. Ich war nach diesem Kurs für die Arbeit zuhause voll mit Ideen und hochmotiviert – ebenso motiviert wie jedes einzelne Reiterpaar! Alle haben in nur zwei Tagen zum Teil erstaunliche Fortschritte erzielt. Als Zuschauer musste ich nach der dritten Unterrichtseinheit die Segel streichen, weil ich nicht mehr Informationen aufnehmen konnte. Herr Hinrichs versteht es selbst nach einem 12-Stunden-Tag, dem Reiter intuitiv zur richtigen Zeit genau die richtigen Anweisungen zu geben. Er reflektiert den Reiter, „reitet“ vom Boden aus mit und fühlt sich in jedes Paar ein. Seinem Ruf als Koryphäe der klassischen Reitkunst wurde er in diesem Kurs mehr als gerecht.

Im Oktober findet der nächste Kurs mit fast den gleichen Teilnehmern statt und ich bin gespannt, was ich dann zu berichten habe!

Verfasserin: chica
Liebe Grüße, Sabine

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"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
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