Anreiten von älterem Pferd

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

Moderatoren: Janina, dshengis

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fina
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Beitrag von fina »

Ich habe hier gerade eine Stute, 11 Jahre, zwar früher "irgendwie" geritten wurde und jetzt seit 7 Monaten bei mir und wir haben nochmal ganz von vorne begonnen.

Sie lässt sich jetzt in Schritt ,Trab, Galopp longieren, arbeitet an der Hand gut mit und unterm Sattel wagten wir den ersten Galopp. Wir gehen ganz ruhig ins Gelände und ich bin eigentlich sehr zufrieden mit ihrer Entwicklung.
Geht gut.
Man hat aber einfach einen anderen "Sparringspartner". Die Stute ist dominant, ranghoch, hatte Fohlen und stand 4 Jahre als Herdenchefin fast unangefasst und unangefochten herum. Man muss ihr schon gute Gründe nennen, damit sie einem die Wünsche erfüllt, die man so an ein Reitpferd stellt. :lol:
Dafür genießt sie jeden Fitzel Aufmerksamkeit und ist deutlich aufgeblüht, seit sie hier ist und gearbeitet wird.
Die Arbeit hat sich jetzt schon gelohnt, auch wenn man einfach Probleme managen muss, die man mit einem jungen Pferd nicht hat.
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LucyLou
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Beitrag von LucyLou »

Ich hatte mal als Reitbeteiligung einen 8-jährigen WB-Wallach, der als Jungpferd professionell bei einem Fuhrunternehmer gefahren worden war und dann als vierjähriger an seine Besitzerin verkauft wurde. Da diese wenig Erfahrung und viel Angst hatte und das Pferd sie in seinem Ungestüm ein paarmal "verloren" hatte, war der nie richtig geritten worden. Bevor ich mit ihm anfing stand er jahrelang überwiegend im Offenstall herum, wo er zum Herdenchef aufgestiegen war. Als ich ihn das erste Mal ritt, konnten wir auf dem Viereck nicht einmal eine Runde außenrum traben.

Dieses Pferd hat sich bei 2-3x wöchentlich reiten (die Besi war dann schwanger und hat gar nichts mehr mit ihm gemacht) so rasend schnell entwickelt, dass ich völlig platt war. Schon nach zwei, drei Monaten ließ er sich fein und locker in allen drei Grundgangarten auf dem Platz reiten, hatte die ersten Ansätze der Seitengänge verstanden und war motiviert bei der Arbeit.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser schnelle Fortschritt nur möglich war, weil das Pferd in seiner Persönlichkeit und auch körperlich schon viel gefestigter war als ein Jungpferd mit demselben Ausbildungsstand. Sicher klappt sowas nicht mit jedem älteren Pferd, aber bei diesem war sein Alter für mich ein echter Vorteil.
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Kurzes Update: ich habe die Stute zu mir geholt und ich fange gerade an, sie aufzubauen, Schrittspaziergänge ins Gelände, ein wenig Bodenarbeit und an der Longe... Bislang ist sie willig und brav... droben ist ja noch keiner gesessen...

Danke, für die vielen positiven wie auch kritisch hinterdachten Antworten, das hat mir sehr geholfen!

LG
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
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greta j.
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Beitrag von greta j. »

Schön! Viel Erfolg und Freude bei eurer gemeinsamen "Arbeit"! :)
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Lala
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Beitrag von Lala »

Belfigor hat geschrieben:Kurzes Update: ich habe die Stute zu mir geholt und ich fange gerade an, sie aufzubauen, Schrittspaziergänge ins Gelände, ein wenig Bodenarbeit und an der Longe... Bislang ist sie willig und brav... droben ist ja noch keiner gesessen...

Danke, für die vielen positiven wie auch kritisch hinterdachten Antworten, das hat mir sehr geholfen!

LG
Freut mich für euch. Ich hätte es ganz bestimmt auch gemacht, wenn mir das Pferdchen gefallen hätte. Aber ich hatte schon immer ein Flair für Pferde mit starker Persönlichkeit :wink:
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Kerstin-K
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Beitrag von Kerstin-K »

Schön, das freut mich sehr, sehr, sehr ! Stell doch mal bitte Bilder ein :) !

Lieben Gruss
Kerstin
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mellison
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Beitrag von mellison »

Also, ich habe meine Stute auch mit 14 gekauft, da ist sie wieder ein Jahr unter dem Sattel gewesen. War mit 4 eingeritten und dann als Zuchtstute gelaufen. Sie hatte bzw hat einen kaputten Rücken. Es ist nicht leicht und man muss viel Zeit, Kraft und Geduld investieren. Es sitzt einem immer irgendwie die Zeit im Nacken aber es lohnt sich schon. Kannst ja mal bei uns im TB nachlesen ;-) Ob ich es noch einmal so machen würde weiß ich nicht.
LG mellison

Reiten ist ganz einfach denn du brauchst fast nichts machen. Reiten ist aber auch ganz schwer denn du darfst auch fast nichts machen.
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Nach nun fast 1,5 Jahren eine kurzes Update:

Die Stute hat sich als talentiertes und sehr feines Pferd entpuppt und ich freue mich wahrsinnig, dass ich das Pferd zu mir genommen habe. Für mich war es zwar eine echte Herausforderung, weil ich "so etwas " noch nie gemacht habe und das Pferd auch wirklich alles andere als einfach ist/war, aber hier hat sich mir gezeigt, dass man an seinen Aufgaben wächst, denn nicht nur das Pferd hat viel gelernt, sondern vor allem wohl auch ich. Bin sehr glücklich darüber und dankbar dafür.
Zuletzt geändert von Belfigor am Di, 04. Okt 2011 16:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Schön, dass es so gut bei Dir gegangen ist!
Herzlichen Glückwunsch!
Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts. (Heinrich Schliemann, Entdecker Trojas)
Fortuna
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Beitrag von Fortuna »

Das freut mich ehrlich für dich!

Ich habe meine Stute auch als ausrangierte Zuchtstute bekommen, da war sie 17 und roh. War in die Zucht gegangen weil "unreitbar". Als sie zu mir kam konnte man sie kaum über den Hof führen.

Wir haben dann gemeinsam gelernt (ich als Wiedereinsteiger und sie mein erstes Pferd ;-)), hab vor allem am Anfang sehr viel Horsemanship mit ihr gemacht.

Heute ist sie 25, läuft wie eh und jeh ohne irgendwelche Zipperlein, hat mir vor 2 Jahren noch ein tolles Nachwuchspferd geschenkt und ich habe meine damalige Entscheidung, sie zu nehmen, wirklich nie bereut.
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Danke @Medusa!

@Fortuna: es freut mich auch sehr, wenn ich höre, dass es deiner Stute immer noch gut geht und dass du "den Weg" auch geschafft hast!
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Magst Du nicht ein bisschen ausführlicher berichten?
Was Knackpunkte waren, wo Du etwas unter-, aber auch überschätzt hast?
Ist doch ein interessantes Thema, vor allem wenn es Dir so gut gelungen ist.
Und ein Bild würden wir vielleicht auch gerne sehen von dem Mädel... :wink:
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Hallo Ottilie,
ich habe schon öfter versucht ein Foto hochzuladen, es aber nicht hinbekommen...

Ich war schon immer sehr überzeugt von der Arbeit nach Solinski, weshalb ich die Stute zunächst im "Parallelführen" arbeitete, sozusagen damit anfing, sie "an die Hilfen zu stellen". Was im Schritt funktioniert(e), habe ich dann im Trab dazugenommen etc. Später dann an der Doppellonge.

Schwierig war allerdings die Gegenwehr, die das Pferd immer wieder zeigte, als es um die "Kontrolle der Hinterhand" ging; das ging so weit, dass das Pferd sogar angegriffen hat, sich ziemlich unberechenbar präsentierte... Von professioneller Seite habe ich immer wieder zu hören bekommen, dass die Stute gefährlich sei und ich Reitversuche lieber bleiben lassen solle...

Nachdem das Pferd dann aber einige Monate mit Geduld und Spucke so "vorbereitet" wurde (neben unzähligen Spaziergängen) wollte ich eigentlich dazu übergehen, mich draufzusetzen, während von unten weiter mit dem Pferd nach den Prinzipien des "Parallelführens" gearbeitet wird (um auf passive Art die aktiven Hilfen zu erarbeiten). Ging aber nicht, weil es sich einfach nicht bewerkstelligen ließ, die zweite Person abrufbar von unten zur Verfügung zu haben. Es gibt halt auch nur wenige, die so arbeiten und die, die sich anboten, wurden vom Pferd nicht toleriert (auch noch so eine Schwierigkeit: das Mißtrauen/Mißbilligen gegen/von andere/n Personen, insbesondere, wenn diese etwas "verlangen"...). Also setzte ich mich irgendwann alleine drauf.

Hierbei zeigte das Pferd dann zunächst wieder alle "Abwehrhandlungen" gegen das Reiten, die mir bekannt waren (Steigen, Kopfschlagen, Buckeln, Rennen...), so dass ich eine sehr unglückliche Phase hatte, fast schon die Flinte ins Korn werfen wollte... In der Zeit habe ich fast ausschließlich stundenlange Spaziergänge unternommen und dann hauptsächlich diesen ganzen Frühling in Freiarbeit gearbeitet (ohne Longe, Kappzaum etc.). Mir wurde dadurch in der Zeit klar, dass ich nicht nur das Vertrauen des Pferdes gewinnen muss, sondern auch und primär mein Vertrauen in das Pferd...

Obwohl es mir wirklich immer wieder schwer gefallen ist, mich auf die Stute draufzusetzen, habe ich es geschafft auch meine Ängste zu überwinden (es war ziemlich belastend für mich, dass fast jeder "Profi", den ich zu Rate gezogen habe mir lediglich den Ratschlag gab, das Pferd nicht zu reiten...); letztlich glaube ich, dass diese Stute sich in den Raum hinein entwickeln konnte, den ich ihr durch mein - immer zuversichtlicher werdendes - Denken gegeben habe. Für mich war/ist dies ein sehr spannender Lernraum, schließlich hatte ich mit "solchen Pferden" auch noch keine Erfahrung.

Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Stute es mag, wenn sie unter dem Sattel lernen kann; sie ist zwar nach wie vor temperamentvoll und ziemlich dominant, dabei aber äußerst feinfühlig und offen für Neues (was es einerseits leicht, aber auch schon wieder fast schwierig macht).

Ich habe noch nie so viel von einem Pferd gelernt wie von dieser Stute; (auch, aber) weniger an Technik und Können, sondern vielmehr an eigener Fein-, und Eigensinnigkeit und dem Verständnis für die Seele eines Pferdes.

(Soweit die absolute "Kurzversion"... Detailliert hätte ich wohl ein Ausbildungstagebuch führen müssen.)
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Klappt leider nicht, Bilder einzustellen, erhalte immer Nachricht, dass sie zu groß sind :roll:
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Gabi
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Beitrag von Gabi »

Wow, schöner Beitrag - genau so einErleben hatte ich auch............
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