Hohe Hand Pro und Contra

Rund um die klassische Reitkunst

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msmccurry
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Hohe Hand Pro und Contra

Beitrag von msmccurry »

Mich würde eure Meinung zum reiten mit "hoher Hand" interessieren! Gehört es für euch zur klassischen Reitkunst dazu oder nicht! Wo seht ihr die Vor- und Nachteile?
Meine Trainerin arbeitet mit "hoher Hand" Führung und ich komme damit sehr gut zurecht. Mein Pferd dürfte es auch für ok befinden!
Ich bin schon sehr auch eure Meinungen und Erfahrungen gespannt!
Lebe und genieße jeden Tag als wäre es dein Letzter!
Wer auf einem Pferd sitzt ist dem Himmel ein Stück näher!
Julia
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Beitrag von Julia »

Ich hatte da letztens ein spannendes Erlebniss...

Mary ist ja gerade erst wieder unter dem Sattel und Stellung und Biegung fallen ihr gerade links noch sehr schwer. Ich habe bisher die Hand seitlich Richtung Zirkelmitte geführt, was rechte Hand sehr gut geholfen hat, links jedoch nicht wirklich, bzw. schwerer war. Sie neigt da sehr zum verkanten und macht sich fest. (Osteophatisch ist alles abgeklärt ! ) Ist aber auch ihre steifere Seite.
Nichts des so trotz hatte ich halt meine Physio da, die durchaus französisch angehaucht ist und sie bat mich die Hand mal gerade (!) nach oben zu führen, was an sich ja schon schwerer ist als gedacht, wie gerne würde die Hand dabei auch rückwärts *gg*
Und tatsächlich, Mary gab sehr schnell nach, verkantete nicht und binnen 5 Minuten konnte ich die Stellung sehr leicht abfragen und auch die Nase habe ich so wesentlich reeler nach vorne und tief lotsen können....

Ich war von den Franzosen bisher so garnicht angetan und habe von der hohen Hand Reiterei nicht viel gehalten, nach dem Erlebniss bin ich immer noch kein Fan davon, aber werde schauen ob ich es als Zwischenschritt mit in die Arbeit nehmen werde.

Grundsätzlich gehört es ja schon, bzw. ist es ein Weg von ja auch vielen :wink: in der klassischen Reiterei.

Um es Grundsätzlich zu befürworten habe ich bisher einfach zu viele Pferde die mit hoher Hand geritten werden mit weggedrücktem Rücken und ohne aktive HH gesehen :?

Aber ich bin sehr gespannt wa sandere hier dazu schreiben...
Liebe Grüße, Julia
horsman
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Beitrag von horsman »

Pferde mit weggedrücktem und/oder festem Rücken und ohne aktive HH habe ich auch aber auch zu Hauf mit tief geführter Hand gesehen. Daran allein kanns also nicht liegen.

Das Anheben der Hand oder auch das vorübergehende Reiten mit höher geführten Händen macht in bestimmten Fällen Sinn, in anderen Fällen ist es mE nicht angezeigt und führt u.U. auch zu weiteren Verspannungen. Wie halt fast alles in der Reiterei, muss man wissen wann und wie.

Diese "Anwendung" gehört aber mE auf jeden Fall zu den auch von Klassikern beschriebenen und benutzten Anwendungen, daher ist sie "klassisch". Letztlich gehört aber dann dazu auch das Sinken lassen der Hand (descente des mains), denn das Heben der Hand oder das hohe Führen der Hand ist ein Korrekturmittel, nicht das Endziel. Stichwort: Selbsthaltung.

Was auf jeden Fall viel bedeutender in diesem Zusammenhang ist, wäre die Wichtigkeit einen leicht nachgiebigen Unterkiefer zu bekommen und zu erhalten. Die hohe Hand ist ja kein Selbstzweck. Auch hierzu ist die hohe Hand nicht zwangsläufig ein Muss, aber durchaus ggf. sinnvoll.

Auch erwähnt werden muss, dass das anheben der Hand immer die bessere Alternative ist, als das rückwärts ziehen mit der Hand. Deshalb muss man in diesem Zusammenhang unbedingt auch das Konzept der "main fixe" erwähnen! Auch das halte ich für klassisch.
Zuletzt geändert von horsman am Di, 09. Mär 2010 18:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Lala
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Beitrag von Lala »

Julia hat geschrieben:
Um es Grundsätzlich zu befürworten habe ich bisher einfach zu viele Pferde die mit hoher Hand geritten werden mit weggedrücktem Rücken und ohne aktive HH gesehen :?
und ich definitiv mehr mit weggedrücktem Rücken, wo die Hände nicht hoch geführt wurden.
Ist doch wie immer: die richtige Anwendung machts.

Ich finde es kurzfristig in gewissen Situationen ein gutes Hilfsmittel, würde aber nicht dauerhaft so reiten. Schlicht auch zu anstrengend :D
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Da es wie horsmän absolut korrekt beschreibt ein KORREKTURmittel ist, sollte niemand dauerhaft damit reiten. :wink:
Fleur18
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Beitrag von Fleur18 »

ich finde die linie vom ellenbogen bis zum pferdemaul sollte einigermaßen gerade sein.
Meine RL hat mir das mit tiefer und hoher Hand mal so erklärt:

Eine tiefe Hand mit leichtem Kontakt ist bei einem jungen Pferd oft von Vorteil. Allerdings wirkt die tiefe Hand deutlicher aufs Unterkiefer und die Laden. Deshalb nur sehr sanft einsetzen.
Die hohe Hand wirkt mehr in den Maulwinkel, was ebenfalls (so habe ich die Erfahrung gemacht) bei feiner Zügelführung vielen Pferden angenehmer ist. (Deshalb soll aber trotzdem keine Zügelhilfe nach hinten wirken!!! Ganz wichtig!!)
Ich denke, wie bei so vielen Dingen in der Reiterei ist das aber nicht präzisierbar und bei jedem Pferd individuell zu handhaben.
Meine RB läuft mit hoher Hand wesentlich besser. Ein 4-Jähriger Morgen, den ich in Reitstunden reite mag auch die hohe Hand lieber und er braucht sie auch, weil er mit 3 viel zu hart und eng ausgebildet wurde und wir ihn im Moment von der ewigen einrollerei wegbringen wollen. Eine Araberstute am Stall bei uns liebt die tiefe Hand und geht dadurch viel schöner...
Wie gesagt, ist alles relativ!

Und ob die Hohe Hand zur Klassischen Reitkunst dazugehört würd ich direkt so nicht sagen, aber als Korrektur eignet sie sich sicher bei manchen Pferden recht gut, wie schon gesagt wurde :)
liebe Grüße aus Bayern :)
Julia

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Filzi
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Beitrag von Filzi »

@msmccurry, ich wollte dich nicht verwirren, Schnecki!!!! :cry:

Ich hatte ja auch Unterricht bei der Trainerin, für mich war das aber nicht sooo ganz geeignet.

Ich sehe es wie meine Vorredner. Als Korrektur sehe ich kein Problem darin, wenn Sammy sich auf das LG Zaum legt, setze ich das zur Korrektur auch gerne ein, aber ansonsten halte ich davon eher Abstand.

Das heisst aber nicht, dass ich das grundsätzlich für schlecht erachte, ich habe nur gewisse Einheiten die sie gemacht hat nicht verstanden und war für mich nicht mehr logisch nach vollziehbar.

Aber ich finde es voll supi, dass du dich damit auseinander setzt. Nachfragen und mal dahinter schauen finde ich gerade beim Reiten sehr wichtig.
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esge
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Beitrag von esge »

Horsemän hat das entscheidende gesagt: Entscheidend ist es, die Hand auch wieder sinken zu lassen. Wobei mit sinken lassen der Hilfen immer ein Nachgeben gemeint ist.
Ergo ist das Heben der Hand oder Hände immer ein verstärken der Einwirkung. Die Ausgangs- udn Endposition der Hände ist aber da, wo jede Reitlehre sie beschreibt: Kurz über dem Widerrist des Pferdes. Alles was davon abweicht, ist eine Einwirkung.
Je nach Pferd, kann es nötig sein, die Hände häufiger oder seltener anzuheben (und wieder sinken zu lassen!). Vorhandlastige Zausels brauchen es meist häufiger als solche, die mti einem guten Gleichgewicht gesegnet sind.
ich besitze 2 Pferde. für den ersten war die französische Technik mit hebenden Händen zu arbeiten vermutlich die einzig mögliche, um ihn auszubilden. Bei dem anderen muss ich damit höchst vorsichtig umgehen, denn er blockiert dann schnell.

Ob hohe oder tiefe Hand: Das Gefühl des Reiters ist unersetzlich. Und allein die Hände anzuheben macht noch keine französische Reiterei! Sie sind Teil eines Systems mti dem man sich genau auseinandersetzen sollte. Deutsche Anlehnung bei "französisch" aktiven Händen sind ein Graus.
Loslassen hilft
Nakim

Beitrag von Nakim »

ich finde es ist schon ohne hohe Hand schwierig einen korrekten, weichen Sitz der das Pferd nicht stört zu bekommen und zu erhalten. Eine hohe Hand bringt die Balance des Sitzes schnell durcheinander...

Für mich gehört eine hohe Hand nicht zur klassischen Reiterei. Die Reiter die gut genug sitzen um sie korrekt anwenden zu können, brauchen sie in der Regel nicht.
horsman
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Beitrag von horsman »

Nakim, das ist eine irrige Annahme, die du vielleicht von Heuschmanns Resumee aus Verden übernommen hast?

Wie esge auch schreibt, der Gebrauch der Hände nach oben muss gekonnt ausgeführt werden und in der richtigen Situation und ist mit dem derzeitig gepflegten dt. Anlehnungskonzept auch nicht kombinierbar.

Für die Fälle, in denen man die hohe Hand aber sinnvoll anwenden kann, kann man mit dem Sitz (und übrigens auch nicht mit den Beinen) nichts machen. Das sind zwei paar Schuhe, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Natürlich darf auch der Sitz durch das anheben der Hände nicht (unbewußt, ungewollt) seine Balance ändern. Aber das setzt man vorraus. Das ist bei anderen Anwendungen ebenso wichtig (Stichwort: zügelunabhängiger Sitz).
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Julia
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Beitrag von Julia »

horsmän hat geschrieben:und ist mit dem derzeitig gepflegten dt. Anlehnungskonzept auch nicht kombinierbar.
Das glaube ich nicht. Ich erlebe es gerade bei meiner Stute der ein deutliches anheben der Hand doch sehr hilft, und ja, ich senke sie auch im richtigen Moment wieder. Ich reite sie sonst in Anlehnung, auch konstanter, und erlebe dass sie sich während des senkens schön am äusseren Zügel entlang v/a streckt...

Aber ich sehe es auch als vorrübergehendes Hilfsmittel, nicht als Dauerlösung !
Liebe Grüße, Julia
Nakim

Beitrag von Nakim »

ich verstehe durchaus was Du meinst. Aber Du hast mich nicht verstanden. Eine hohe Hand kann nur dann richtig angewendet werden wenn ein Reiter zügelunabhängig im Gleichgewicht sitzt. Allein daran scheitert es bei vielen.... Außerdem seheh ich große Probleme damit daß die Reiter in der Schulter fest werden. Ich kenne die hohe Hand aus dem Westernreiten. Bernie Hölzel hat sie bereits in den 90-Jahren bei den Westernreitern eingeführt. Ich selbst habe sie da kennen und anwenden gelernt. Es ist für mich unbestritten, daß sie funtioniert. Nur klassisch ist sie für mich nicht!
horsman
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Beitrag von horsman »

nakim, du hast Recht zu betonen, dass Anwendungen mit hoher hand nur angewendet werden sollen, wenn der Sitz dabei genügend unabhängig und korrekt bleibt.

Aber das gilt doch ebenso für Anwendungen mit tiefer Hand.

Ich seh da deswegen keine Notwendigkeit das in Bezug auf die hohe Hand gesondert zu thematisieren, außer der Tatsache, dass reiterliches "Arbeiten" natürlich immer erst dann beginnen kann, wenn der Sitz genügend geschult ist. Das ist aber eine Erkenntnis, die gilt für alle Reitstile. Alles davor ist Sitzschulung.
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Carmen
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Beitrag von Carmen »

Nakim, wenn du schreibst, dass die Reiter durch die hohe Hand in der Schulter fest werden, wielange hebt der Reiter dann deiner Meinung nach die Hand?
Ich kann den Gedankengang nämlich gerade nur dann nachvollziehen, wenn die Hand längere Zeit oben bleibt, was sie definitiv nicht soll.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
Nakim

Beitrag von Nakim »

natürlich bleibt die Hand nur kurz oben. Aber in diesem wenn auch kurzem Moment ist die Schulter fest. Und diese Festigkeit hat Auswirkungen auf den Restsitz. Die wenigsten Reiter sitzen so gut, daß sie wirklich zügelunabhängig sitzen. Schon garnicht in schnelleren Gangarten oder Seitensprüngen eines Pferdes.

Außerdem habe ich in über 30 Jahren noch kein Pferd getroffen das nicht auch anderst zu korrigieren wäre. Es ist funktionell aber für mich nicht klassisch. Ebenso wie Baucher für mich nicht klassisch ist. Das stammt aber von Branderup nicht von mir. Aber ich schließe mich seiner Meinung an.
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