Dehnungshaltung beim Jungpferd

Rund um die klassische Reitkunst

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bea
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Dehnungshaltung beim Jungpferd

Beitrag von bea »

Ich bin in „Bea Borelles Pferdetraining“ darauf gestossen, dass Frau Borelle grundsätzlich alle Lektionen zuerst in der Dehnungshaltung erarbeitet. Erst dann, wenn etwas in der Dehnung reibungslos klappt, wird das Pferd stärker gesetzt. Nun ist es natürlich so, dass die Dehnungshaltung das A und O am Beginn der Ausbildung ist; trotzdem kann ich mir nur schwer vorstellen, wie ich mit einem noch schlecht ausbalancierten Pferd in der Dehnungshaltung z.B. Übergänge reiten will. Braucht es da nicht eine stärkere Aufrichtung als Nase auf Buggelenkshöhe, damit das Pferd nicht völlig auf die Vorhand fällt? Wie viel Stabilität kann ich einem jungen Pferd in der Dehnungshaltung überhaupt geben und wann muss ich die Anlehnung verstärken? Ist ein leichtes „Heraufholen“ aus der Dehnung eurer Meinung nach schon eine zu grosse Belastung für ein junges Pferd? Ich frage aus wirklicher Unsicherheit heraus… Das junge Pferd, das ich mitreite, reiten wir natürlich auch überwiegend in Dehnung bzw. so am langen Zügel, dass er mit langem Hals und offenem Rücken frei vorwärts geht. Er macht das auch sehr schön und hat unterdessen einen ganz langen Hals bekommen und arbeitet dabei gut von hinten mit. Wenn wir allerdings konkreter etwas von ihm wollen, dann nehme ich ihn immer stärker auf, um ihm quasi einen stabileren, kürzeren Rahmen geben zu können. Der Hals bleibt dabei lang (soll er dann ja auch bei der Aufrichtung), das Genick kommt aber deutlich hoch. Geht das eurer Meinung nach schon auf Kosten der Dehnung bzw. denkt ihr, dass das für ein junges Pferd nicht gut ist? (Er hat einen sehr kurzen Rücken – insofern spüre ich nicht wirklich, was da drin passiert.) Wie viel Dehnung in die Tiefe muss sein? Wann kommen die ersten Ansätze zur Aufrichtung? Wie erarbeitet ihr z.B. Übergänge mit einem jungen Pferd? Wie ist das überhaupt mit der Dehnungshaltung: Ist sie für euch ein erstes Ausbildungsziel oder ist sie die Voraussetzung, um überhaupt mit der Ausbildung beginnen zu können?

Fragen über Fragen, ich weiss… :oops: Vielleicht mögen sich aber einige hier zur einen oder anderen Frage kurz äussern – es müssen ja nicht gleich alle sein. ;)

LG, Bea
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

:wink: Bea denkt wieder zuviel :lol:
Man kann ein Pferd auch ohne DH ausbilden...
Davon versammelnde Lektionen (insbesondere Übergänge zur niedrigeren Gangart) in DH reiten zu wollen, halte ich nichts...Mir würde es so vorkommen, als würde ich versuchen die natürliche Versammlung des Pferdes zu blockieren. Da ich sowieso der Meinung bin, daß man als Reiter die Kopfstellung des Pferdes so wenig, wie möglich(nötig) beeinflussen sollte, habe ich auch nichts dagegen, wenn ein Pferd in eine stärker "versammelte Kopfhaltung" übergeht, z.B. zum Durchparieren, da dieses auch den physischen Ansprüchen des Pferdes in dieser versammelnden Lektion entspricht.
LG
Colloid
Das Pferd lehnt sich an den Reiter an. Wenn die Abstimmung zwischen Pferd und Reiter ideal ist, wird das Mittel der Anlehnung, der Zügel, fast entbehrlich.
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kallisto
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Beitrag von kallisto »

Hallo Bea,

ich halte von Dehnungshaltung bei jungen Pferd in der frühen Anreitphase überhaupt nichts.
Ein junges Pferd, welches über zu wenig Muskeln und Gleichgewicht verfügt, sollte erstmal die Möglichkeit haben sich in der Selbsthaltung ausbalancieren zu können. Ein hohes Genick parallel ein gutes Mittreten der Hinterhand, bedeuten nicht, dass das Pferd den Rücken wegdrückt. Das Pferd versucht lediglich die Balance wieder herzustellen und die müde Vorhand nicht zu überlasten. Wenn ein Pferd den Rücken richtig wegdrückt, dann schlüft die Hinterhand und tritt nicht unter den Körper. Eine Dehnungshaltung in dieser frühen Phase würde das junge Pferd zu sehr aus dem Gleichgewicht bringen. Die Hinterhand kann in dieser Phase in der Dehnungshaltung noch gar nicht aktiv werden, weil Muskeln und Gleichgewicht fehlen und und das Pferd würde nur auf die Vorhand kommen.
Erst wenn das Pferd nach etlichen Monaten kräftiger und gymnastiziert ist, kann das Pferd langsam auf die Dehnung vorbereitet werden. Ich finde die Vorwärtsstreckung wichtiger als das Strecken nach unten. Es hängt vom Höhe des Halsaufsatzes und Länge des Halses ab, wie tief dieser kommen sollte. Keinenfalls tiefer als das Buggelenk. Kommt der Hals zu tief, kann die Hinterhand nicht mehr mittreten. Die Rollkurbilder mit hüpfender Kruppe, anstatt aktiver Hinterhand, kennt ja jeder.
Diese Rückenaufwölbung in der Dehnung ist eine Voraussetzung für die spätere Versammlung. Nach und nach wird der Schwerpunkt durch eine höhere Aufrichtung und ein Untertreten nach hinten verlagert.

Man kann diese 3 Abschnitte nicht komplett von einander trennen. Zum Antraben ist schon eine gewisses Untertreten der Hinterhand notwendig. Anfangs sollte man viel Selbsthaltung reiten und nach und nach die Dehnungshaltung mit einbauen. Noch weiter fortgeschritten kann man auf die Selbsthaltung ganz verzichten und mit der Dehnungshaltung warmreiten und mehr Versammlung mit einbauen. Der Übergang sollte fließend sein und zur Schonung des Pferdes eine Haltung nie länger als 20 Min. verlangt werden.

Was ich wirklich nicht verstehe, wie jede Lektion vorher in Dehnung geritten werden kann. Gerade die versammelten... Der Rücken wird durch das Untertreten gedehnt und aufgewölbt, mal abgsehen von der Schwerpunktsverlagerung, wie soll das Pferd nur auch seinen Hals dehnen? Eine Pirouette oder Piaffe wird durch erst durch das Untertreten möglich... Und gleichzeitig Dehnung...Häh???
esge
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Beitrag von esge »

haben hier vielleicht einige Leute eine falsche Vorstellung von Dehnungshaltung? Dehnungshaltung bedeutet nicht zwangsweise, dass das Pferd die Schnauze im Dreck hat! Eine gute Dehnung kann man auch mit quasi waagerechtem Hals herstellen - wenn man es kann.

Das bedeutet wiederum nicht, dass ich der Meinung bin, dass man schon vom Jungpferd jede Lektion in Dehnungshaltung verlangen kann und soll. Kommt wieder mal sehr aufs Pferd an. Ein eh vorhandlastiges Pferd würde ich so nicht reiten.
Eins, das von natur aus mit Hohlkreuz und Schwanenhals ausgestattet ist, unbedingt!

Selbst versammelte Lektionen wie die Piaffe mit langem Hals reiten zu können, ist eine Kunst, die einen hohen Nutzen für das Pferd birgt. Die Balance muss jedoch schon weit gefördert sein - und selbstverständlich darf die Lektion nicht nur und ausschließlich mit langem Hals geritten werden. Es kommt immer drauf an, was man erreichen will. Um mehr Last auf die HH zu bekommen ist es erstmal sinnlos. Um einen tätigeren Rücken zu erreichen und eine Lektions, die mental erstmal mit Spannung fürs Pferd verbunden ist zu entspannen, ist es aber extrem sinnvoll.
knowi
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Beitrag von knowi »

Hallo Bea!

Als die junge Stute meiner RL ausgebildet wurde (Du weißt wen ich meine? K. ;) ) und sie nach langer Zeit der Boadenarbeit (Longe u. Handarbeit) die ersten Male geritten wurde, durfte sie sich zunächst auch erstmal selbst ausbalancieren und ihr Gleichgewicht suchen ohne dabei gestört zu werden.
Die Dehnung lernte sie dann zunächst an der Hand und erst später unter dem Sattel. Dann jedoch wurde sehr viel Wert auf die Dehnung gelegt (Dehung mit langem Hals, passend zu ihrem Exterieur).

Beim Durchparieren aber wurde nicht auf die Dehnung bestanden - ganz im Gegenteil - es wurde zunächst versucht es ihr zu erleichtern in dem ihr Kopf sanft angehoben wurde.

An sich ist das V/a für mich durchaus die Basis auf die aufgebaut und immer wieder zurückgegriffen wird und auf die ich ständig zurückgreifen können muss. Zum mindest geht es mir bei meinen beiden so.

Genausowenig habe ich es erlebt, dass alle Lektionen zunächst in Dehnungshaltung geritten werden müssen. Zum Beispiel eben bei der Piaffe und anderen stark versammelten Lektionen, bei der, wie Collo gesagt hat, das Pferd eine "passende" Kopfhaltung wählt, bzw. das ggf. sogar sanft unterstützt wird. (Wie man es im Kurs auch sehen konnte - und auf dem Video - erinnerst Du Dich noch? ;) )

Seitengänge in Dehnung dagegen finde ich super sinnvoll und prinzipiell finde ich, sollte ein Pferd auf jeden Fall immer wieder in die Dehnung zurüchgeschickt werden können.


Ganz viele liebe Grüße!
Knowi
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
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bea
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Beitrag von bea »

Hallo zusammen

Vielen Dank für eure Antworten. :)

Ich habe mich wohl etwas missverständlich ausgedrückt. Ich sprach nicht davon, bis zur Hohen Schule ausschliesslich in Dehnungshaltung auszubilden, sondern ich sprach von den "Grundlektionen" des jungen Pferdes: Übergänge, Wendungen, erste lösende Seitengänge. Die versammelnde Arbeit habe ich nicht mitgemeint; entschuldigt für das Missverständnis.

@Colloid: Hm, ich sehe das mit den Übergängen noch ein bisschen anders. So wie ich dich verstanden habe, plädierst du für eine möglichst freie Kopfhaltung, d.h. tendenziell lange Zügel? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unser Youngster dabei gerne in die nächste Gangart "reinstolpert" (gerade bei einer Erhöhung der Gangart). Insofern möchte ich ihn dabei unterstützen und ihn stärker aufnehmen (wodurch der Zügelkontakt allerdings nicht stärker wird). Ich frage mich allerdings auch, ob man die Übergänge bei einem Jungpferd schon als "versammelnde Lektionen" sehen kann oder eher als "Mittel zum Zweck"...

@kallisto: Er ist jetzt seit etwas über einem halben Jahr mehr oder weniger regelmässiger unter dem Sattel. Solange wir "nichts" von ihm verlangen, darf er auch in Selbsthaltung gehen am langen Zügel. Er macht dies mit tiefem, langen Hals, ziemlich gutem Gleichgewicht und entspannter Haltung. Nehme ich Kontakt auf, dehnt er sich schön an die Trense heran. Er hat also unterdessen schon die Kraft, in Dehnungshaltung zu gehen.

@esge: Ich spreche schon nicht vom "staubsaugen", sondern von einer langen, konstanten Oberlinie, Nase tendenziell vor der Senkrechten und nicht zu tief. Im Buch sind auch sehr schöne Bilder davon und es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Autorin nicht von einer extremen Dehnungshaltung spricht.

@knowi: Das mit dem Durchparieren finde ich interessant. Vom Prinzip her ist das ja ähnlich, wie wenn ich ihn durch ein stärkeres Einrahmen mit den Hilfen "hoch hole". Gerade die Übergänge waren es, die ich mir so schlecht in Dehnungshaltung vorstellen konnte.
knowi hat geschrieben:prinzipiell finde ich, sollte ein Pferd auf jeden Fall immer wieder in die Dehnung zurüchgeschickt werden können.
Da bin ich völlig deiner Meinung, sonst ist es keine reelle Aufrichtung.

LG, Bea
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Jen
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Beitrag von Jen »

Hm, für mich ist die Dehnungshaltung schon auch sehr wichtig und es wäre schon ein Ziel, dass das junge Pferd in der Dehnungshaltung auch die Übergänge machen kann. Ich setze mich auch nicht auf ein ungymnastiziertes Pferd, sondern bereite es an der longe am Kappzaum vor. Da lernt es soweit die Balance und Dehnfähigkeit, dass es ohne Reiter Übergänge in der Dehnungshaltung machen kann. Und mit Dehnungshaltung meine ich jetzt auch nicht die Nase im Sand, sondern einfach ein v/a strecken in variabler (gewünschter!) Tiefe, die Nase soll dabei aber immer mit offener Ganasche höchstens bis an die Senkrechte kommen oder etwas davor bleiben. Ich führe diese Dehnung nicht aktiv während den Übergängen herbei, sondern lade das PFerd dazu ein sich in die nachgiebige Hand hineinzudehnen. Da das Pferd am Kappzaum schon gelernt hat sich zu dehnen, versuchten die meisten Pferde, welche ich bis jetzt angeritten hatte sowieso auch unter dem Reiter sich zu dehnen. Am Anfang werden die übergänge noch etwas holprig sein und der Kopf hochkommen. Das macht nichts, ich lasse das Pferd sich mit dieser neuen Situation arrangieren und das ergibt sich dann mit der weiteren Übung meist bald von alleine, ohne dass ich da aktiv in die eine oder andere Richtung einwirke. Ich benutze am Anfang auch immer noch die Stimme, um das Pferd vorzubereiten. das hilft auch, um den Übergang aktiver zu gestalten. Gerade auch den Übergang von einer höheren in eine Tiefere Gangart lasse ich oft durch Zügel aus der Hand kauen begleiten. bei den ganz frischen Pferden nehme ich da auch in Kauf, dass sie halt etwas stärker auf die Vorhand kippen, mir ist da die Dehnung ehrlich gesagt wichtiger, als die Gefahr des Rücken wegdrückens. Auch baue ich schon ganz früh Übergänge von Schritt zu Trab am losen Zügel ein, auch als Erziehung, damit das pferd nicht jedesmal denkt: Zügelaufnehmen=Trab. Die Rückenwölbung und das aufwärtsschwingen des Rückens hat bei mir sehr hohe Priorität und damit auch die Dehnungshaltung. Aber auch dass die Bewegung fleissig und aktiv ist und damit auch das junge Pferd in der frühen Anreitphase nicht überanstrengt wird halte ich die Sequenzen sehr kurz.
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bea
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Beitrag von bea »

Jen hat geschrieben:Hm, für mich ist die Dehnungshaltung schon auch sehr wichtig und es wäre schon ein Ziel, dass das junge Pferd in der Dehnungshaltung auch die Übergänge machen kann.
Ich sehe das schon auch als Ziel, das ist klar, aber wann ist es so weit? (Ich erwarte hier selbstverständlich keine Antwort, aber die Frage stellt sich m.M.n. schon: Dehnungshaltung für die Übergänge von Anfang an oder erst mit der Zeit?)
Jen hat geschrieben:Da das Pferd am Kappzaum schon gelernt hat sich zu dehnen, versuchten die meisten Pferde, welche ich bis jetzt angeritten hatte sowieso auch unter dem Reiter sich zu dehnen.
Stimmt, das kann ich auch beobachten. Über einen längeren Zeitraum hinweg nimmt er dann aber den Kopf wieder etwas höher und geht eher in Selbsthaltung.
Jen hat geschrieben:Gerade auch den Übergang von einer höheren in eine Tiefere Gangart lasse ich oft durch Zügel aus der Hand kauen begleiten.
Das klappt bei uns auch ganz gut.
Jen hat geschrieben:Auch baue ich schon ganz früh Übergänge von Schritt zu Trab am losen Zügel ein, auch als Erziehung, damit das pferd nicht jedesmal denkt: Zügelaufnehmen=Trab.
Jetzt hast du uns erwischt... :oops: Es passiert uns tatsächlich häufig, dass der Kleine beim Aufnehmen der Zügel antrabt. Hm, vermutlich wäre wirklich nur schon daher besser, zwischendurch mal am langen Zügel die Übergänge zu versuchen... :kopfkratz: Allerdings wird es dann vermutlich mit seinem Takt vorbei sein - er neigt dazu, im Trab passig zu laufen.

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Jen
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Beitrag von Jen »

bea hat geschrieben:
Jen hat geschrieben:Hm, für mich ist die Dehnungshaltung schon auch sehr wichtig und es wäre schon ein Ziel, dass das junge Pferd in der Dehnungshaltung auch die Übergänge machen kann.
Ich sehe das schon auch als Ziel, das ist klar, aber wann ist es so weit? (Ich erwarte hier selbstverständlich keine Antwort, aber die Frage stellt sich m.M.n. schon: Dehnungshaltung für die Übergänge von Anfang an oder erst mit der Zeit?)
wie gesagt, ich lasse das PFerd die haltung mehr oder weniger selber bestimmen. Die einen können einen Übergang nach 2 Wochen in Dehnungshaltung, die anderen nach 2 Monaten. Von einem Pferd das aber schon seit über einem halben Jahr mehr oder weniger regelmässig unter dem Sattel ist und sosnt keine besonderen schwierigkeiten hat, denke ich wäre es nicht zuviel verlangt, dies zu einem täglichen Ziel zu setzen.
Jen hat geschrieben:Da das Pferd am Kappzaum schon gelernt hat sich zu dehnen, versuchten die meisten Pferde, welche ich bis jetzt angeritten hatte sowieso auch unter dem Reiter sich zu dehnen.
Stimmt, das kann ich auch beobachten. Über einen längeren Zeitraum hinweg nimmt er dann aber den Kopf wieder etwas höher und geht eher in Selbsthaltung.
Das deutet auf Ermüdung hin. in dem Moment lieber eine Pause einschalten oder aufhören bevor er müde wird. Arbeitsequenzen etwas kürzer gestalten.
Jen hat geschrieben:Auch baue ich schon ganz früh Übergänge von Schritt zu Trab am losen Zügel ein, auch als Erziehung, damit das pferd nicht jedesmal denkt: Zügelaufnehmen=Trab.
Jetzt hast du uns erwischt... :oops: Es passiert uns tatsächlich häufig, dass der Kleine beim Aufnehmen der Zügel antrabt. Hm, vermutlich wäre wirklich nur schon daher besser, zwischendurch mal am langen Zügel die Übergänge zu versuchen... :kopfkratz: Allerdings wird es dann vermutlich mit seinem Takt vorbei sein - er neigt dazu, im Trab passig zu laufen.
reite dazu auf gebogenen linien und versuche eine lockere Seitenbiegung herzustellen. Wenn ein Pferd gebogen ist, dann wird es keinen Pass gehen. Pass ist immer eine Verspannung vom Rücken. über die Seitenbiegung lässt sich indirekt auch die Dehnungshaltung beeinflussen. wichtig: nachgiebige innere Hand lässt das innere HB freier vortreten.
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bea
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Beitrag von bea »

Hallo Jen

Danke für deine Antworten. Also ich reite den Kleinen fast ausschliesslich im Gelände*: vor allem Schritt, kurze Trabreprisen, keinen Galopp, da er mir anfangs einige Male falsch angaloppiert ist, und meine Lehrerin (ihr gehört das Pferd) das auf keinen Fall kultivieren möchte. Das mit der Ermüdung klingt einleuchtend - aber auch erschreckend, denn wie gesagt mache ich ja nicht viel mit ihm, gehe auch nie lange (allerdings bin ich von der Grösse und dem Gewicht her schon eher an der oberen Grenze). Ich habe auch nicht das Gefühl, dass er müde wird, aber ich werde auf jeden Fall nun noch vermehrt darauf achten.

Das mit dem Pass ist in den letzten zwei Monaten schon bedeutend besser geworden, indem wir das Trabn wegen den gefrorenen Böden einige Wochen ganz beiseite lassen mussten. Seit wir jetzt wieder damit angefangen haben, läuft er taktklarer - das Problem hat sich somit zu grossen Teilen selber gelöst durch die Pause. :)
Auf dem Platz lässt mich meine RL mit ihm auch viele Bögen reiten, wenn er in den Pass fällt, aber draussen habe ich diese Möglichkeit kaum. Schulterherein kann er zwar schon einige Schritte unter dem Sattel, aber da bin ich noch zu wenig weit, um es von ihm aktiv abzufragen (bzw. ich will da nichts falsch machen).

Für mich ist es natürlich auch nicht ganz einfach, zu beurteilen, was er kann und was ich einfach nicht abfragen kann. Ich kenne zwar seine allgemeinen Problemstellen und seine Besitzerin überprüft unser Reiten auch akribisch (und ich weiss, dass sie mir bei Bedarf ins Gesicht sagen würde, dass ich ihn nicht mehr reiten solle :wink: ), trotzdem habe ich halt häufig das Gefühl, etwas falsch zu machen bzw. bin unsicher, wie sich mein Verhalten auf das junge Pferd auswirkt. Ich hoffe, dass ich in den Semesterferien dann wieder einige Male zuschauen kann, wenn seine Besi ihn reitet, und wie sie das mit der Dehnungshaltung macht.

LG, Bea

*Auf dem Platz wird er schon auch gearbeitet, allerdings nur unter Aufsicht von seiner Besitzerin oder von ihr selber - finde ich auch sehr vernünftig.
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Manfred

Beitrag von Manfred »

Hallo Bea,

wie Du weißt, habe ich ja auch ein Jungpferd und mir daher die gleichen Gedanken wie Du darüber gemacht. Das finde ich auch sehr gut so.

Bei Antares war es jedoch genau umgekehrt, er ist ständig mit hoch erhobenen Kopf gelaufen und wir mussten ihm erst einmal einen Weg nach unten zeigen und den Weg nach oben begrenzen. Hat mir überhaupt nicht gefallen, doch es hat ihm sehr geholfen.

Grundsätzlich sollte der Kopf jedoch frei von jeglicher Einwirkung bleiben, solange das Tier noch nicht gut ausbalanciert ist. Denn der Kopf in Verlängerung des Halses ist nun einmal seine "Balancierstange". Wirke ich dort ein, störe ich diesen natürlichen Vorgang. Insofern bedeutet das Ausnehmen der Zügel schon eine Begrenzung nach vorne. Das geht meiner Meinung nach auch erst, wenn das Tier sich in Balance befindet, also gleichmäßig und taktrein läuft. Gebe ich ihm nicht diese Zeit, unterliegt es unweigerlich schon gewissen Zwängen und muss dann sehen, wie es damit klar kommt.

Insofern habe ich bei der Bodenarbeit zunächst auch sehr viel Freiheitsdressur gemacht, also das Tier nur über meine Körpersprache bewegt und laufen lassen. Später habe ich ihn an einem langen Führseil geführt und bin mitgelaufen. Antares hat sein Gleichgewicht so erstaunlich schnell gefunden, doch leider hat er dabei keine Dehnungshaltung gefunden.

Erst beim richtigen Longieren, welches ich mir habe zeigen lassen, fing er an seinen Kopf zu senken und den Rücken zu dehnen. Er hat auch einen sehr kurzen Rücken und kann seinen Kopf sehr tief nehmen. Auch das durfte er selbst ausprobieren. Ich sollte ihn auch immer genau dann nachtreiben, wenn er das tat, also diesen Efeckt noch etwas verstärken. Dabei konnte er auch mit der Hinterhand deutlich weiter untertreten, vermutlich weil sein Rücken dann aufgewölbt war.

Klar geht diese Haltung schon stärker auf die Vorhand. Das entspricht aber auch der natürliche Haltung des Pferdes. Sie müssen erst lernen ihre hinterhand vermehrt zur Lastaufnahme einzusetzen, aber das kommt erst mit der Versammlung und somit so ziemlich am Schluss der Grundausbildung (siehe die klasische Ausbildungsskala).

Selbst beim Anreiten wird durch den leichten Sitz die Vorhand immer noch stärker belastet. Ich richte mich erst jetzt, nach dem Einreiten, langsam weiter auf und verlagere mein Gewicht langsam nach hinten. Jetzt ist auch die entsprechende Muskulatur einigermaßen aufgebaut, die seinen Rücken stärkt und anheben kann (Bauch- und Rückenmuskulatur.

Inzwischen trägt er seinen Kopf auch längst nicht mehr so weit oben. Er trägt ihn etwas über der Waagerechten und kurz vor der Senkrechten. Selbst bei Ausritten im Gelände, wo ich ihm grundsätzlich mehr Zügel hingebe, behält er diese Position lange bei. Aber gegen Ende des Rittes (nach einer Stunde etwa) habe ich es nun auch schon erlebt, dass er sich mal richtig lang machen wollte und er durfte sich ganz nach vorne strecken. Dabei trug er seinen Kopf in der Waagerechten. Das würde ich dann als eine Dehnungshaltung unterm Sattel bezeichnen.

Finde es toll, wie Du dir so deine Gedanken dazu machst. Das habe ich auch ganz genauso getan. Es ist jedoch wie mit allen anderen Dingen, dass man dann auch mal wieder "fünfe gerade sein lassen sollte", damit man sich nicht zu sehr in etwas hineinsteigert. Lass doch auch mal dein Pferd einfach machen. Wir müssen es ja nicht ständig beeinflussen, vielmehr sehe ich meine Aufgabe in einer unterstützenden Hilfe, also mal einen Weg aufzeigen und dann wieder selbst weitermachen lassen.

Darin sehe ich z. B. einen großen Unterschied zwischen der englischen Reitweise und einer Impulsreitweise. Ich musste mich arg umstellen, um nicht mehr jeden Tritt aus meinem Pferd rauszutreiben. Inzwischen empfinde ich genau das auch eher als abstumpfend.

Daher frage ich mich jetzt öffter, wie es mir wohl dabei gehen würde, wenn man mich ständig gegen den Zügel treibt etc. Ich würde mich sicher fragen, ob der Reiter überhaupt weiß was er will und ob er mich für völlig verblödet hält, dass er mir ständig sagt, dass ich vorwärts gehen soll.

Mal ehrlich, das macht weder dem Reiter noch dem Pferd richtig Spaß und ist zudem auch sehr anstrengend auf Dauer. Ein Dreistundenritt im Gelände kann so zu einer Kraftprobe werden. Von Entspannung kann da dann auch nicht wirklich mehr die Rede sein, sondern eher von Erschöpfung.

Antares muss ich im Gelände auch eher mal etwas bremsen, während Paco, der ja englisch geritten wird, da dann schon mehr angetrieben werden muss. Und so ist es wohl auch kaum verwunderlich, dass Antares fast staubtrocken von einem Einstundenritt zurückkam, während Paco aus allen Fugen dampfte und der geht schon fast zwei Jahre länger unterm Sattel.

Ich denke, dass Du es mit diesem jungen Pferd schon ganz richtig machst. Lediglich bei Dressurlektionen ist es angebracht die Zügel vermehrt aufzunehmen. das bedeutet auch höchste Konzentration und dauert ja auch keine ganze Stunde. Solange könnte sich das Tier auch überhaupt nicht darauf konzentrieren. Und im gelände ist Gelassenheit angesagt. Das soll Erholung und Entspannung sein, zumindest in meinen Augen. Hier lasse ich mein Pferd gehen und treibe es nicht. Das ist ein himmelweiter Unterschied, zumindest für mich.

Liebe Grüße
Manfred

Liebe Grüße
Manfred
Zuletzt geändert von Manfred am Di, 09. Jan 2007 11:52, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von bea »

Danke für deinen ausführlichen Bericht, Manfred.

Ich merke gerade, dass ich irgendwie so langsam ein Durcheinander mit den Begriffen bekomme bzw. dass wir wohl nicht immer alle genau das Gleiche meinen, wenn wir von "Dehnungshaltung" oder "Selbsthaltung" sprechen. :? Für mich läuft das Pferd dann in Dehungshaltung, wenn das Genick tiefer ist als in der Waagrechten und der Spannungsbogen von hinten nach vorne eindeutig an einer nach oben gewölbten Linie zu erkennen ist. Der Spielraum, in dem ich die Haltung des Pferdes als "Dehnungshaltung" bezeichne, ist also relativ gering (zumal die Nase unterhalb des Buggelenks dann schon wieder eine zu extreme Dehnungshaltung ist). Sobald das Genick höher ist als die Waagrechte unter Beibehalten des langen Halses ist oder darüber, spreche ich von "Selbsthaltung", weil das Pferd nun schon mehr von hinten tritt und die Vorhand sich erhöht. Die "Selbsthaltung" ist dann für mich eigentlich alles, wobei das Genick der höchste Punkt bleibt und der Spannungsbogen bestehen bleibt (es also nirgendwo eine Blockade gibt).

Wenn ich nun eine "Skala der Selbsthaltung" erstellen würde, so wäre die von mir beschriebene beim Jungpferd, wenn er am langen Zügel läuft, klar im unteren Bereich anzusiedeln, zumal das Genick dabei minim über der Waagrechten ist.

LG, Bea
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Beitrag von Colloid »

bea hat geschrieben: @Colloid: Hm, ich sehe das mit den Übergängen noch ein bisschen anders. So wie ich dich verstanden habe, plädierst du für eine möglichst freie Kopfhaltung, d.h. tendenziell lange Zügel? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unser Youngster dabei gerne in die nächste Gangart "reinstolpert" (gerade bei einer Erhöhung der Gangart). Insofern möchte ich ihn dabei unterstützen und ihn stärker aufnehmen (wodurch der Zügelkontakt allerdings nicht stärker wird). Ich frage mich allerdings auch, ob man die Übergänge bei einem Jungpferd schon als "versammelnde Lektionen" sehen kann oder eher als "Mittel zum Zweck"...
LG, Bea
Freie Kopfhaltung in dem Sinne, daß ich sie nicht mit dem Zügel "vorschreibe". Ich biete immer einen Kontakt an, das Pferd kann sie eine Anlehnung nehmen und ich kann diese gewähren, oder auch nicht(je nach Ausbildungsstand).
Zum stärker Aufnehmen beim Übergang in die nächst höhere Gangart, hat Jen schon alles gesagt (sie hat auch wesentlich mehr Erfahrung, als ich, ich saß bisher grademal auf 2 Jungspunden ;)).
Das Hauptproblem beim Übergang in die nächst niedrige Gangart ist ja, daß das Pferd lernen muss, diesen "auf der HH" auszuführen. Womit es, je besser das Pferd dieses ausführen kann, immer mehr zur versammelnden Übung wird. Auch hier würde ich dem Pferd, je mehr es die HH benutzt, auch erlauben den Kopf "versammelter" zu halten und nicht darauf bestehen, das es dies mit der Nase in Höhe des Buggelenks ausführt. Wobei natürlich das wichtigste ist, daß der Rücken aufgewölbt bleibt (was mir immer das Wichtigste wäre, alles andere empfinde ich als zweitrangig...)
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Beitrag von esge »

In die nächstHÖHERE Gangart sollte das Pferd immer eine Tendenz zur Dehnung zeigen.
Viele Pferde heben zum antraben oder angaloppieren den Kopf, sozusagen um Schwung zu holen. Sie sollten jedoch, möglichst schon an der Longe dahin geschult werden, die Bewegung mit dem ganzen Körper auszuführen. Das tun sie dann, wenn sie in einen Moment der Dehnung hinein antraben oder angaloppieren. Als Reiter fühlt man sich dann ganz anders hochgehoben und mitgenommen, als wenn das Pferd den Kopf anhebt - sich dabei aus der potenziellen Beizäumung hebelt - und sich in die nächste Gangart hineinhieft.
Beim zurücknehmen in die nächstniedrigere Gangart wird das junge Pferd hingegen bei tiefem Kopf vermutlich auf die Nase fallen. Da würde ich je nach gebäude des Pferdes entscheiden, in welcher Haltung ich das reite. Tendenziell eher etwas vorn "anheben" als runterdrücken.

LG
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Beitrag von bea »

esge hat geschrieben:In die nächstHÖHERE Gangart sollte das Pferd immer eine Tendenz zur Dehnung zeigen.
Hm, im Prinzip tut er das ja. Das würde ja auch mein Grundproblem stützen, dass er ins Leere läuft, wenn ich ihn ohne Kontakt in der Selbsthaltung weiterlaufen lasse... :kopfkratz: Sobald ich ihm einen relativ klaren Rahmen gebe, kommt die Bewegung auch von hinten.

LG, Bea
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