Dehnungshaltung beim Jungpferd

Rund um die klassische Reitkunst

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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Da die Dehnungshaltung für Pico und mich ja zurzeit die Hauptaufgabe ist, möchte ich meine Erfahrung nun beisteuern:

Ich soll alle Seitengänge in Dehnungshaltung reiten. Zur Zeit wären das SH und Viereck vergrößern. Im Schritt und im Trab. SH im Schritt ging immer besser, auch seine Tendenz nach vorne zu laufen wurde weniger. Viereck vergrößern ging am Schluß auch im Trab sehr gut. An guten Tagen habe ich auch mal das Umstellen von SH ins Renvers gemacht und es klappte.

Bei den Übergängen ist es folgendermaßen: Von unten nach oben, fordere ich kurz vor dem Übergang etwas mehr Dehnung, so dass das Gefühl entsteht als würde Pico mir die Zügel aus der Hand ziehen. Vom Schritt im Trab blieb der Kopf auch unten. Zum Angaloppieren hob er sich wieder raus. Wobei von mir im Galopp die Dehnungshaltung sofort wieder hergestellt wurde. Von oben nach unten kam jeweils der Kopf nach oben, was er laut Bea Borelle auch darf, da er sich eben mehr auf den Hintern setzen muss.

So, jetzt ist Pico natürlich kein junges Pferd. Ich habe aber drei Jungpferde im Unterricht, denen wir erst am Boden die Dehnungshaltung gezeigt haben und diese nun auch vom Sattel aus fordern. Nicht sofort in den Übergängen, dazu sind sie zu unausbalanciert, aber vor und nach den Übergängen. Wobei wir zur Zeit nur Schritt und Trab arbeiten und als ersten Seitengang Viereck vergrößern genommen haben. Auch hier schaffen sie die Dehungshaltung natürlich nicht zu halten, wie Pico, aber sie wird immer wieder gefordert. Und notfalls die Übung abgebrochen und erst die Dehnungshaltung wieder hergestellt.

Bei der (auch schon etwas älteren) Lipizzanerstute haben wir durch diese Arbeit aus einem Pferd mit viel Unter- und wenig Oberlinie ein Pferd mit Oberlinie gezaubert (esge kennt das Pferd).

:D Etwas lang geworden.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt" Mahatma Gandhi
Manfred

Beitrag von Manfred »

Hi Sabine,

sei doch bitte mal so nett und erklär mal, wie wir einem Jungpferd die Dehnungshaltung zeigen und abfragen können, denn das ist mir noch nicht so ganz klar.

Vielen Dank
Manfred
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Hallo Manfred,

die Dehnungshaltung wird bei der französischen Reitweise über das Heben der Hände bzw. vom Boden aus durch das Anheben beider Gebissringen in Richtung Maulwinkel abgerufen.

Bei einem Jungpferd gehe ich hin und nehme den äusseren Zügel über das Genick. Jetzt nehme ich die Hände etwa in Backenhöhe und führe sie so zusammen, dass das Gebiss anfängt in die Maulwinkel zu wirken. Die erste Reaktion ist meist das Öffnen des Mauls. Oftmals auch ein Wehren. Solange das Wehren nicht zu heftig wird, versuche ich die Stellung des Gebisses beizubehalten, bis das Pferd nach vorne nachgibt. Das kann ein minimales Senken des Kopfes sein. Dann wird ausgiebig gelobt.

Die gleiche Übung erfolgt auch mit der Flexionierung. Hier werden die Zügel wie oben beschrieben aufgenommen und das Pferd nach dem Öffnen des Mauls von sich weg bis zu einem Winkel von 90 ° gebogen. Meist bietet das Pferd über die Biegung von sich aus die Dehnungshaltung recht schnell an. Bäh, ist das blöd zu beschreiben.

Nun geht es weiter mit Führübungen. Gleiche Handhaltung und ich laufe neben dem Pferd her und fordere es durch das Heben des Gebisses in Richtung Maulwinkel zum senken des Kopfes auf. Dieses Dehnung lasse ich in etwa bis zur Höhe des Buggelenkes zu, bzw. bis die obere Halslinie in der Waagerechten ist. Ich persölich achte vor allem darauf, dass die Nase nie hinter die Senkrechten kommt.

Erklärungen ohne Präsentation sind aber immer schlecht und schwer (finde ich)
Liebe Grüße, Sabine

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Manfred

Beitrag von Manfred »

Nein Sabine,

das hast Du gut erklärt. Ich kannte es jedoch nur unter dem Begriff "Flexionierung" oder allgemein als "Flexen". Dabei sucht das Tier einen Weg dem eintretenden Schmerz in den Lefzen auszuweichen. Doch da dies eben nicht möglich ist, reagiert es dabei dann mit Gegendruck, so wie Pferde in solchen Situationen häufig reagieren, wird es also nach vorne und abwärts den Kopf bewegen. Das ist dann das gewünschte Ziel und der Druck wird sofort weggenommen (negative Verstärkung).

So kannte ich das auch schon aus der FN-Schule. Dachte es würde noch einen anderen Weg geben.

Vielen Dank für diese Erklärung
Manfred

PS.
Beim Clickern, welches bei richtiger Anwendung eher eine positive Verstärkung darstellt, könnte dieser Effekt mit dem vorgehaltenen Target erreicht werden, denke ich. Doch wie wäre er dann vom Sattel aus abrufbar? Vielleicht hat Jen dafür einen entsprechenden Vorschlag.
Zuletzt geändert von Manfred am Di, 09. Jan 2007 16:22, insgesamt 1-mal geändert.
knowi
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Beitrag von knowi »

Manfred, eigentlich wird beim Flexionieren eine Halsseite enorm gedehnt. Folglich kann sich die Muskulatur nicht kontrahieren und eine hohe Halsposition wäre so schwer zu halten. Das Pferd strebt in eine angenehmere Position - i.d die Dehnung.

Liebe Grüße!
Knowi
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
Dietrich Bonhoeffer
Manfred

Beitrag von Manfred »

Ja Knowi,

das kannte ich nun wieder nicht, dass der Kopf dabei um 90° abgewendet und somit der Hals einseitig gedehnt wird. Das erscheint mir auch nicht sehr logisch, denn das Pferd wird doch wohl erst versuchen den Kopf wieder gerade zu richten, bevor es ihn nach vorwärts / abwärts bewegt. Und die Einwirkung beim Reiten müsste dann ja auch einseitig sein. Ist mir so bislang noch nicht bekannt.

Ich kenne daher trotz meiner englischen Reitausbildung nur die französische Art dies zu erreichen und die erscheint mir auch völlig logisch. Offensichtlich waren die FN-Trainer, die ich seiner Zeit "genießen" durfte, an dieser Stelle dann doch schon ein wenig flexibel. :wink:

LG
Manfred
esge
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Beitrag von esge »

Manfred: Clickern lässt sich nur bis zu einem sehr geringen Grad ins Reiten mitnehmen.
Und: Es ist in jedem Fall eine positive Verstärkung, den Druck weg zu nehmen, keine negative. Ich verstärke positive die Dehnungshaltung durch Wegnahme des Drucks - und ich persönlich gebe den Pferden anfangs auch in der gewünschten Haltung ein Leckerli. Schon vorher lobe ich sofort mit der Stimme, wenn mein Pferd auch nur ansatzweise auf dem richtigen Weg ist.
Alles positive Verstärkung.

Clickern ist prima, um Zirkuslektionen beizubringen. Mein Pferd hat Apportieren, Vorderbeine überkreuzen, Teppich ausrollen und ähnliches damit gelernt. Und hat ihm das Prinzip Lernen an sich noch mehr verdeutlicht.
Aber beim Reiten finde ich das total unpraktikabel. Eine Dehnung nach dem Target lässt sich in kein Reitsystem integrieren. Mir würde da höchstens ein ganz umständlicher Weg einfallen - in der zeit habe ich dem Pferd shcon 5 Mal über den Weg der einseitigen Dehnung den Weg in die Tiefe gewiesen UND kann das nahtlos in jede weitere Ausbildung integrieren.

LG
Sandra
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Manfred, Die beschriebenen Abkauübungen gibt es auch in der Heeresdienstvorschrift, auf der die Richtlinien der FN beruhen...
LG
Colloid
Das Pferd lehnt sich an den Reiter an. Wenn die Abstimmung zwischen Pferd und Reiter ideal ist, wird das Mittel der Anlehnung, der Zügel, fast entbehrlich.
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Beitrag von esge »

Sogar in alten Versionen der Richtlinien gibts die noch...
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Jen
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Beitrag von Jen »

esge hat geschrieben: Und: Es ist in jedem Fall eine positive Verstärkung, den Druck weg zu nehmen, keine negative. Ich verstärke positive die Dehnungshaltung durch Wegnahme des Drucks -
sorry, etwas OT, völlig unemotional, objektiv und wissenschaftlich gesehen ist dass eine negative Verstärkung. Man nimmt etwas unangenehmes beim richtigen Verhalten weg. Das wegnehmen ist das "negativ" = subtraktion.

Aber du hast recht, das Target-Training wäre beim Reiten nicht sehr praktikabel. Auch ich nehme gewisse Signale, um das Pferd in die Dehnungshaltung zu schicken. Bei mir ist es das stellende Signal für die Biegung, gefolgt vom Nachgeben. Es kann dabei aber durchaus vorkommen, dass ich vor dem Pferd nachgebe und das Pferd daraufhin auch nachgibt. Ich warte also nicht unbedingt immer erst ab bis das Pferd nachgibt. Dies übe ich aber auch erst vom Boden aus und bei hartnäckigen Fällen (wie zb. meinem Oldie, der am anfang einfach Panik bei jeglicher Einwirkung am Kopf bekam) habe ich auch schon den clicker und ein Target eingesetzt, um ihm mein Signal überhaupt erst begreiflich zu machen und dies von ihm akzeptieren zu lassen. Vom Sattel aus war das dann aber nicht mehr nötig.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
esge
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Beitrag von esge »

Ja, ich hab auch grad nochmal das passende buch zur Hand genommen - hast natürlich völlig recht :roll:
Manfred

Beitrag von Manfred »

Jen hat geschrieben:das Target-Training wäre beim Reiten nicht sehr praktikabel.
Hi Jen,

danke für deine Antwort. Genau das habe ich mal bei Undine probiert. Nach entsprechender Konditionierung auf einen Softball, den ich auf die Spitze meiner Gerte aufgespießt hatte, konnte ich sie zumindest dazu bewegen ihm zu folgen.

Dabei bin ich dann ohne Zügel geritten und habe sie damit steuern können. Insofern bekam ich sie unterstützend mit meiner Beckenbewegung in eine schöne Biegung. Und ich konnte etwas ihren Kopf senken, denn auch sie trug ihn sehr hoch (vermutlich wegen meinem hohen Gewicht im Kreuz). Das habe ich dann mit dem Kommando "Kopf tief" verbunden. Leider ging der nicht wirklich bis in eine Dehnungshaltung aber schon deutlich runter.

Mehr Erfolg hatte ich da schon mit negativer Verstärkung, wo ich im Trab mit meiner Hand an ihr Genick getippt habe und dann das Kommando dazu gegeben habe. Da verschwand der Kopf deutlich nach unten. Aber auch nur ganz kurz und war bald wieder oben.

Beim Reiten und dem Clickertraining sehe ich auch noch das Problem, dass das Pferd sofort nach einem Click stoppt, um sich die Belohnung abzuholen. Damit ist es wieder völlig raus aus der Bewegung und kann für meine Begriffe die notwendigen Zusammenhänge einfach nicht mehr erkennen. Die Übung müsste dazu erst zu Ende geritten und dann belohnt werden. Doch dann ist die gewünschte Reaktion für das Pferd nicht mehr eindeutig zuzuordnen (Timing deutlich überschritten).

Insofern denke auch ich, dass sich das CT nur für die Bodenarbeit eignet. Allerdings ist Stefanie Krüger aus Hamburg schon fleißig dabei, das Gegenteil zu beweisen. Mal sehen ob sie einen praktikablen Weg findet, um auch beim Reiten auf negative Verstärkung verzichten zu können.

Also Entspannung / Dehnung nur über Druck hat irgendwie etwas Gegensätzliches, wie ich finde. Aber es funktioniert ganz hervorragend. Wenn Undine mit ihrem Kopf wieder soweit nach oben kommt, dann brauche ich nur meine Hände ebenfalls anzuheben und es ihr da oben unbequem zu machen. Schon geht sie wieder runter und mümmelt zufrieden auf ihrem Gebis rum.

Also mach ich es eben so, selbst wenn es mir widerstrebt. Doch Verspannungen im Rücken sind noch schlimmer. Somit wähle ich zunächst das weitaus geringere Übel, bis ich einen besseren Weg gefunden habe.

Viele liebe Grüße
Manfred
esge
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Beitrag von esge »

Manfred, es bleibt nicht bei dem Stadium, das du jetzt erarbeitet hast. Das Anheben wird immer mehr zum Signal reduziert, übt also irgendwann kaum bis keinen druck mehr aus.

Meine Ausbilderin ist inzwischen ganz von dem Gegenziehen weg und arbeitet nur noch über seitliche Biegung, die das Pferd dann nach und nach veranlasst, sich auch waagerecht zu dehnen. Weniger ankonditionierter Reflex als einfache Muskelentspannung durch einseitige Dehnung.

Ich denke, so lange man nicht mehr als Schritt, Trab, Galopp, rechts, links, geh und steh will, kann man auch beim Reiten mit Clicker arbeiten. Aber ein Dressurpferd komplett bis zur Hohen Schule, gymnastisch wertvoll ausbilden? *zweifel*

Na ja gut, die Menschheit dachte auch mal, die Erde sei eine Scheibe. Wir werden sehen.
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

knowi schrieb:
"...eigentlich wird beim Flexionieren eine Halsseite enorm gedehnt. Folglich kann sich die Muskulatur nicht kontrahieren ..."

Vielleicht habe ich Dich nicht richtig verstanden, aber wenn eine Halsseite gedehnt wird, ist die andere immer kontrahiert. Und die ist es, die arbeitet. Der Muskel braucht seine Kraft nicht für die Dehnung, sondern für das Kontrahieren! Sprich: Du biegst nach links, der linke Muskel kontrahiert sich (=aktiv), der rechte wird gedehnt (=passiv).
Nur die Muskulatur auf der gleichen Seite kann sich nicht gleichzeitig kontrahieren und dehnen...

Stephanie
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Manfred hat geschrieben:Dabei sucht das Tier einen Weg dem eintretenden Schmerz in den Lefzen auszuweichen.
Manfred, es entsteht dabei kein Schmerz. Du übst einen Druck nach oben aus, der so wenig wie nötig ist. Keiner hat davon gesprochen, dass du dem Pferd das Gebiss in Richtung Maulwinkel ziehst. Genau das Wort ziehen habe ich nämlich extra nicht benutzt.

Durch das Heben des Gebisses in Richtung Maulwinkel wird das Pferd zum Kauen angeregt, d.h. es gibt schon mal im Unterkiefer nach. Über den anfänglichen Drück des Zügels im Genick gibt das Pferd recht schnell nach unten nach. Mittlerweile brauche ich bei Pico das Heben der Hand so gut wie gar nicht mehr, um ihn in die Dehnungshaltung zu schicken. Durch das Einwirken in die Maulwinkel wird auch die empfindliche Zunge des Pferdes nicht gequetscht.
Liebe Grüße, Sabine

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