Das Reiterbecken im Zusammenhang mit den Hilfen

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Hayley
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Das Reiterbecken im Zusammenhang mit den Hilfen

Beitrag von Hayley »

Hallo liebe Foris! :)

Ich habe danach gesucht, aber nichts im Detail gefunden, was mir im Bezug auf das Thema wirklich helfen würde.
Mir geht es um das Becken des Reiters, das beim Reiten doch letztlich eine der Hauptaufgaben übernimmt - und suche nach plausiblen, detailreichen Beschreibungen mit denen sich die verschiedenen Auswirkungen gut erklären und nachvollziehen lassen. Gerne auch mit den Muskelbezeichnungen.

Verschiedene Bücher erzählen teilweise doch Unterschiedliches, was sehr verwirrend ist.

Gerade wenn es um die Kreuzhilfe geht:
Eckart Meyners beschreibt es als das "Feststellen" des Beckens durch Anspannen der unteren Bauchmuskulatur und Loslassen der unteren Rückenmuskulatur. Das Gelenk zw. Kreuzbein & 5.Lendenwirbel wird 'zugemacht'.
Sussanne v. dietze (Balance in der Bewegung) stattdessen beschreibt diese Bewegung aber als falsch, weil so der Oberkörper nicht korrekt die Bewegung 'abschwingen' kann und die Grundspannung nicht halten.
Sie erläutert einen Vorgang bei dem sich das Becken um eine gedachte Achse, die waagrecht durch das Hüftgelenk verläuft, dreht.

Was ich noch nirgends gelesen habe, sind Differenzierungen: Schließlich lässt es sich doch mit dem Beeinflussen der Pferdebewegung durch das Becken (des Reiters) das Pferd einerseits in der Bewegung unterstützen (treiben) oder blockieren (verhalten).

Oft liest man von "schiebender Hüfte", wobei ich dachte, dass das unerwünscht ist (also ein gleichmäßiges verstärkendes Wippen mit dem Becken).

Dann oft der Ausdruck "Becken abkippen" - doch wie rum nun?
Das Becken lässt sich schließlich einmal abkippen, in dem man wie Meyners beschreibt, den imaginären Schwanz, also das Steißbein quasi zwischen den Sitzbeinhöckern durchzuschieben versucht und damit den unteren Rücken rundet (das Gelenk feststellt).
Anderseits lässt sich das Becken auch kippen, in dem man das natürliche Hohlkreuz weiter verstärkt, also die Sitzbeinhöcker 'nach hinten' schiebt und die Hüfthöcker/Bauchnabel nach vorne zieht.

Kann jemand ein wenig Ordnung in dieses Chaos bringen?
Die Bewegung lässt sich auf so viele Arten blockieren, dass Becken schon allein dadurch feststellen, dass man sich im Unterkörper verkrampft, ein Pferd lässt sich doch nicht tatsächlich "Anschieben" oder doch?
Welche GENAUE Bewegung brauche ich für WAS - zB. der Unterschied in der Hüftbwegung für Anreiten/-traben und Angaloppieren, zur Trabverstärkung, zum Verhalten einer Bewegung oder zum Gangartenwechsel in die niedrigere Gangart?

Vielen Dank & liebe Grüße!
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

beschreiben lässt sich das nur schwer - das muss man fühlen. am besten geht sowas bei einem guten sitzkurs - nach meyners oder centered riding zb.
lässt sich auch gut am trampolin oder balimo-hocker nachspielen.

lg alex
Hayley
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Beitrag von Hayley »

Hallo,

ja - fühlen. Irgendwie intuitiv machen tu ich das schließlich auch. Aber so richtig erklären kanns dann doch keiner und deshalb suche ich nach wirklich anatomisch, physikalisch, logischen Erklärungen
:lol:
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

physikalischen erklärungen helfen oft weniger, als die richtigen bilder im kopf ;-)
horsman
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Beitrag von horsman »

also ich würd mal folgendes sagen:

wie du schon schreibst, kann man das Becken nach vorne kippen (Rücken wird rund dabei, weil Bauchmuskel das Becken vorne hoch zieht) oder nach hinten kippen (ins Hohkreuz gehen). Hierzu mal seitlich vor einen Spiegel stellen und diese Bewegungen mal bewußt und langsam von einem Extrem zum anderen Extrem ausführen.

Die normale Position beim reiten würde ich als die Mittelstellung davon bezeichnen. Kontrollierte Mittelstellung. Ich denke dass bei einem Reitanfänger hierzu die Bauchmuskeln eine gewisse Arbeit leisten müssen, damit man nicht unfreiwillig ins Hohlkreuz fällt. Bei einem trainierteren Reiter wird dies zur Normalhaltung übergehen, die ihn nicht mehr beansprucht - jetzt kann er in diesem Zustand zum losgelassenen Sitz kommen.

Soweit sogut. In dieser Mittelstellung dann in der Bewegung möglichst entspannt werden und somit das Becken vom Pferderücken passiv (fühlend) mitnehmen lassen (es schaukelt dann leicht um diese Mittelstellung hin und her). NICHT aktiv der Beweguung anpassen oder gar schieben. Schieben ist sch***, weil es blockiert und Energie vernichtet!

Für den Fall, dass man parieren will: in dem Fall die losgelassene passive Bewegung des Becken durch kontrollierten Muskeleinsatz der Bauchmuskeln (Becken vorne hoch ziehen) durchbrechen und somit einen bremsenden Impuls setzten. Das Pferd wird dies spüren und nach und nach darauf reagieren, sofern es auf hinhören (!) eingestellt ist.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ich füge einfach mal an, ohne Genaues über die biomechanischen Abläufe zu wissen: "größer" werden im Sitz hat eine parierende Wirkung, ein minimales nach vorne gehen kann eine Verstärkung auslösen (kommt auf's Pferd an, manche bleiben sofort stehen, wenn man nicht "dransitzt" :lol: ) und dann gibt es noch jede Menge Variationen mit einseitigem Belasten des Sitzknochens oder schieben zur Seite (ohne dabei einzuknicken).
Ein Abkippen nach vorne halte ich nicht für gut, aber das haben wir schon im anderen Fred diskutiert.
Das sind die Möglichkeiten, die die Bewegungsmöglichkeiten des Beckens an sich mit sich bringen.

Darüber hinaus kann man den Takt beeinflussen, indem man im Takt "langsamer" sitzt, um das "Tempo" etwas zu beruhigen und "schneller oder aktiver" sitzt, um etwas mehr Fleiß in die Arbeit zu bringen.

Und man kann die Kadenz erhöhen, indem man im Takt intensiver einsitzt. BB hat in einem Buch geschrieben, dass das Reiterbecken das Pferd dribbeln kann wie die Hand des Basketballers den Ball. Dieses Bild gefällt mir.

Ich denke, der Tipp von Horsmän, das mal im Spiegel anzusehen, ist gar nicht schlecht, um sich bewusst zu machen, was man da tut.

Und Horsmän: manchmal möchte ich Energie vernichten und schiebe oder sitze intensiv gegen, wenn ich mein Pferd vom Buckeln aus Übermut abhalten möchte :wink: :lol: :wink:

Und noch ein Tipp: das Buch von Dr. Thomas Ritter beschreibt die gesamte Hilfengebung in einer Ausführlichkeit, die ich bisher noch nicht gesehen habe, absolut empfehlenswert!
Viele Grüße
Sabine
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Belfigor
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Beitrag von Belfigor »

Vor allem stellt das Becken die "Schaltstelle" für alle Bewegungen dar.
Wichtig erscheint mir daher, einige anatomische Grundlagen zu kennen, um DANN das Gefühl für die Beckenstellung und -beweglichkeit zu entwickeln.

Rein anatomisch gesehen, ist das Becken ein knöcherner Ring, der aus drei Hauptteilen besteht: den beiden großen Beckenschaufeln mit dem Kreuzbein, das hinten in die Beckenschaufel einmündet und es somit zu einem festen Ring zusammenfügt. Funktionell, also unter Bewegungsgesichtspunkten betrachtet, gehören zum Becken IMMER das Hüftgelenk und die Lendenwirbelsäule dazu. Jede Bewegung des Beckens bedingt zwangsläufig eine Bewegung in diesen Gelenken. Und führt sich von dort in alle anderen Gelenke nach oben und unten fort.

Wie weiter oben bereits erwähnt, ist es daher auf dem Pferderücken wichtig eine Anpassung der gewünschten "Hilfengebung" zunächst aus einer freien Mittelpositur heraus vorzunehmen, diese überhaupt einnehmen zu können. Hier kann gut bei Sylly Swift nachgelesen werden, wie diese "freie Mittelpositur" erreicht werden kann etc.

Eine freie Bewegilchkeit des Beckens verlangt nämlich zunächst ein dreidimensional bewegliches Kreuzdarmbein, um sich auf alle anderen Gelenke (in gewünschter Art und Weise) auswirken zu können.

Hierin liegt die Krux beim Reiten: zu spüren, was frei beweglich ist und was nicht und daraus überhaupt eine Anpassung vornehmen zu KÖNNEN.

Das hieße für den Reiter: selber Körperschulung betreiben, ob nun Meyners, Dietze oder wie sie alle heißen: zunächst muss/sollte das eigene Gefühl geschult, in der Regel "erweckt" werden. Empfehlen kann ich hierfür (neben Büchern wie denen von Sally Swift etc.) eine englischsprachige (leider nicht auf deutsch erhältlich) CD (das sind Aufzeichnungen einer zweitägigen Schulung): "Riding with the whole self" von Paris Kern Teaches.
"Die Wahrheit kann man nicht verbrennen, denn sie ist das Feuer."
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birdy
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Re: Das Reiterbecken im Zusammenhang mit den Hilfen

Beitrag von birdy »

Hayley hat geschrieben:Hallo liebe Foris! :)

Dann oft der Ausdruck "Becken abkippen" - doch wie rum nun?
Das Becken lässt sich schließlich einmal abkippen, in dem man wie Meyners beschreibt, den imaginären Schwanz, also das Steißbein quasi zwischen den Sitzbeinhöckern durchzuschieben versucht und damit den unteren Rücken rundet (das Gelenk feststellt).
Anderseits lässt sich das Becken auch kippen, in dem man das natürliche Hohlkreuz weiter verstärkt, also die Sitzbeinhöcker 'nach hinten' schiebt und die Hüfthöcker/Bauchnabel nach vorne zieht.
Ich kann dir eine Pilatesstunde ans Herz legen (aber bitte eine klassische), da du dort genau das erlernen kannst. Ich bin selber Pilatestrainerin und mein Reiten hat sich durch Pilates stark verändert und auch meinen Reitschülern kann ich wertvolle Tipps weitergeben.
Im Pilates erkläre ich immer, dass der Bauchnabel nach innen und nach oben gezogen werden soll, denn dadurch kippst du dein Becken hoch, also Richtung Bauchnabel. Am besten spürst du das im Liegen. Leg dich hin und schaukel einfach mal mit dem Becken nach vorne und nach hinten. Wenn du es nach vornekippst, dann hast du eine Wölbung zwischen dir und deinem Rücken und wenn du es nach hinten kippst, dann liegt der Rücken flach auf dem Boden. Genau das übst du dann im Stand, am besten vor einem Spiegel. So erkennst du auch, ob du zB unbewusst immer im Hohlkreuz stehst, weil du dein Becken nicht gerade hälst. Das "nach innen und nach oben ziehen" des Bauchnabels kannst du dir so vorstellen, dass du vom Steißbein, zum Schambein, zum Bauchnabel eine Verbindung hast (ich sage immer einen roten Faden) und dieser Faden muss konstant angezogen sein. So spürt man auch die Verbindung dieser Punkte. Der Bauchnabel soll Richtung Wirbelsäule und Richtung Brust hochgezogen werden à la Bodybilder die ihren Bauch so stark einziehen, dass alles ganz dünn und straff wirkt 8)
Mit dieser Spannung ist dein Körperzentrum stark genug um dein Becken auch korrekt zu halten und daraus profitierst du eben beim Reiten. Das Becken ist gerade, kann mitschwingen und du kannst aus deiner Körpermitte Impulse weiterleiten, indem du diese Region mal mehr, mal weniger anspannst und demnach den "Sitz frei gibst".
Das Kreuz anspannen ist nämlich nicht machbar, du kannst deine Rückenmuskeln nicht anspannen, aber wenn du deine Vorderseite unter Spannung hälst, dann verleiht sich dies auch auf die Rückseite. Man muss sich eben im Sattel auch immer bewusst sein wo das Schambein, wo das Steißbein und wo die Bauchmuskeln sind und was man alles mit denen erreichen kann ;-)
Ein PFerd, dass mit den Bauchmuskeln "geritten und gesteuert wird" ist fühlt sich (für mich) ganz anders an... aber dies liegt natürlich auch daran, weil man selbst eine umheimliche Spannung hat. Mir wird immer wieder gesagt, dass ich so kerzengerade und dennoch total entspannt auf dem PFerd wirke, als ob ich mit dem Sattel verschmolzen bin ;-)

... vielleicht hilft dir das ja weiter.

(Man darf sich natürlich nicht nur auf den Bauch beschränken, die Energie soll fließen...)

LG!
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-Anja-
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Beitrag von -Anja- »

Zum Thema 'Becken abkippen' würde ich auch gerne noch eine Frage stellen, die mir gestern bei der Sattelanprobe in den Sinn kam:
Ich habe zwei Sättel ausprobiert, die für's Pferd gleich gut passten und mir jeweils ein sehr verschiedenes, aber auch gutes Sitzgefühl gaben. Es handelte sich um einen Dressur- und einen Distanzsattel. Der Distanzsattel hat einen deutlich breiteren Baum. Dem entsprechend kamen meine Sitzbeinknochen sehr stabil zum Liegen. Ich konnte das Becken noch gut nach vorn und hinten abkippen, aber kaum noch seitlich. Im Dressursattel mit dem schmaleren Baum fühlte sich der Sitz instabiler an, ich konnte dafür aber das Becken leicht in alle Richtungen verstellen.

Wenn meine Prioritäten auf leichter Dressurarbeit, gelegentlicher Springyymnastik und gemütlichen Geländeritten liegen, für welchen Sattel sollte ich mich entscheiden? Ist es gut, wenn das Becken eine gewisse Stabilität durch den Sattel bekommt oder sollte man es der feineren Einwirkung wegen lieber leicht in alle Richtungen verschieben können?
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Klara
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Beitrag von Klara »

Also ich hab ja den Westernsattel, der auch einen breiten Baum hat. Für die verfeinerte Dressurarbeit und für die Springgymnastik werde ich mir nach Monaten nur Westernsattel doch wieder einen VSD zusätzlich klarmachen. Man sitzt auf breitem Baum nicht so dicht am Pferd, was dann für die Dressurarbeit doch nicht so toll ist.

Ist vielleicht nicht ganz mit dem Distanzsattel zu vergleichen, aber ich hätte für Deine Bedürfnisse mich nicht für den Distanzsattel entschieden.
LG
Maren
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

wie wär`s mit einem etwas frauenanatomiefreundlicheren dressierer - prestige oder spirig?
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

@anja: ich persönlich mag in der Dressurarbeit gerne volle Bewegungsfreiheit für mich, und ich sitze gerne so dicht wie möglich am Pferd, ganz besonders bei meinem Großen.
Wenn Du Deine Dressurarbeit verfeinern willst und gerne und viel Seitengänge und Kombinationen von Seitengängen reiten willst, dann wirst Du in dem Distanzsattel sehr wahrscheinlich bei den kombinierten Seitengängen und Zick-Zack's Probleme bekommen, weil Dein Becken zu sehr "festgeschraubt" ist. Normalerweise sind die Distanzsättel auch so gebaut, dass sie etwas mehr über dem Pferd "schweben", während die Dressursättel sehr dicht am Pferd liegen, um die Sitzhilfen so präzise wie möglich "durchzuleiten".
Es liegt also an Dir, welchen Schwerpunkt Du setzen willst. Kompromisse wirst Du in jedem Fall eingehen müssen :wink:
Viele Grüße
Sabine
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Man muß - so denke ich, individuell betrachten, was der Reiter für ein persönliches Bewegungsmuster zueigen hat.
Je nachdem, welche Muskelgruppen und welche Spannungsmuster er hat, muß die Beckenmechanik entweder in die eine ( Mittelpositur nach vorne durchschwingend) oder die andere ( LendenWS nach hinten herausfallenlassen) gearbeitet werden.
Bei manchen Reitern muß man das zu lose schwingende Becken mehr mit Grundspannung begrenzen, bei manchen muß man über das Üben gezielten Loslassens die Schwingungen erst ermöglichen.

Daher ist die Frage, was "richtig" oder was "falsch " ist nach meinem Dafürhalten nur zu beantworten, wenn man den Reiter zuvor gesehen hat.
Es gibt auch Reiter mit eingeschränkter seitlicher Beckenbeweglichkeit- auch hier muß man schauen, wie eine Einschränkung beseitigen kann.


Für die Hilfengebung wichtig : Zunachst muß das Becken funktionell frei mitgehen können, ohne dabei zur Instabilität zu führen, DANN kann man anfangen, gezielt in diese Körperfunktion ein zu greifen.

Sprich erst braucht es funktionelle Losgelassenheit und danach kommt das Instrumentalisieren des Beckens.

Ich finde Körperschulung nach Pilates, Alexandertechnik oder Feldenkrais sehr hilfreich, wenn deutliche Definzite da sind, oder wenn die Wahrnehmung nicht gut ist.
Kennt der Reiter seinen eigene Körper und kann die Bereiche des Beckens gezielt steuern, kommt die Sitzschulung dazu. Und dann die Schulung der Einflußnahme mit dem Sitz. Dieses Vorgehen halte ich für ideal. Kann man Teile davon nutzen, besser als nichts.....
@Max : ich mag auch keine Sitzorthesen :lol:
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-Anja-
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Beitrag von -Anja- »

Danke für eure Antworten. Also war meine Überlegung, für die Dressurarbeit die beweglichere Variante zu bevorzugen, sicher nicht ganz falsch. Ich lass mich mal überraschen...
Hayley
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Beitrag von Hayley »

horsmän hat geschrieben:also ich würd mal folgendes sagen:

wie du schon schreibst, kann man das Becken nach vorne kippen (Rücken wird rund dabei, weil Bauchmuskel das Becken vorne hoch zieht) oder nach hinten kippen (ins Hohkreuz gehen). [....]

Für den Fall, dass man parieren will: in dem Fall die losgelassene passive Bewegung des Becken durch kontrollierten Muskeleinsatz der Bauchmuskeln (Becken vorne hoch ziehen) durchbrechen und somit einen bremsenden Impuls setzten. Das Pferd wird dies spüren und nach und nach darauf reagieren, sofern es auf hinhören (!) eingestellt ist.
Das hiesse, das 'Bremsen' funktioniert über ein nach vorne kippendes Becken - das "Steißbein durch Sitzbeinhöcker durchziehen" (rundender Rücken).


Soweit sogut. In dieser Mittelstellung dann in der Bewegung möglichst entspannt werden und somit das Becken vom Pferderücken passiv (fühlend) mitnehmen lassen (es schaukelt dann leicht um diese Mittelstellung hin und her). NICHT aktiv der Bewegung anpassen oder gar schieben. Schieben ist sch***, weil es blockiert und Energie vernichtet!

Max1404 hat geschrieben:Ich füge einfach mal an, ohne Genaues über die biomechanischen Abläufe zu wissen: "größer" werden im Sitz hat eine parierende Wirkung,

Größer werde ich im Sitz doch, indem ich vor allem den Brustkorb weiter nach vorne/oben schiebe und mein Becken sich ein wenig mehr nach hinten schiebt und die leichte hohlkreuz Position verstärkt wird - meinst du das?


ein minimales nach vorne gehen des Beckens (?) kann eine Verstärkung auslösen (kommt auf's Pferd an, manche bleiben sofort stehen, wenn man nicht "dransitzt" :lol: ) und dann gibt es noch jede Menge Variationen mit einseitigem Belasten des Sitzknochens oder schieben zur Seite (ohne dabei einzuknicken).

Wo man gleich ein weiteres Becken-Thema anspricht :D
Schieben ist nicht erwünscht - aber das aktive Bewegen zur Seite für den Seitengang schon?
Ich meine nicht das Belasten eines Sitzbeinhöckers bzw. den Drehsitz - sondern eben auch eine Art schieben zur Seite, als würde ich grob gesagt "das Pferd zur Seite ruckeln wollen".


Ein Abkippen nach vorne halte ich nicht für gut, aber das haben wir schon im anderen Fred diskutiert. welchem?
Das sind die Möglichkeiten, die die Bewegungsmöglichkeiten des Beckens an sich mit sich bringen.
Weswegen nicht nach vorne abkippen? Meinst du das in derselben Definition, in der horsemän das benutzt: Also nach vorne abkippen wäre das Erzeugen eines 'Rund' Rückens/schließen des Gelenkes.



Und noch ein Tipp: das Buch von Dr. Thomas Ritter beschreibt die gesamte Hilfengebung in einer Ausführlichkeit, die ich bisher noch nicht gesehen habe, absolut empfehlenswert!
Vielen Dank, das werde ich mir mal ansehen!

birdy hat geschrieben: Im Pilates erkläre ich immer, dass der Bauchnabel nach innen und nach oben gezogen werden soll, denn dadurch kippst du dein Becken hoch, also Richtung Bauchnabel. Am besten spürst du das im Liegen. Leg dich hin und schaukel einfach mal mit dem Becken nach vorne und nach hinten. Wenn du es nach vornekippst, dann hast du eine Wölbung zwischen dir und deinem Rücken und wenn du es nach hinten kippst, dann liegt der Rücken flach auf dem Boden.

Genau. Was die umgekehrte Definiton von Horsemän wäre, der die Bezeichnungen von "nach vorne/hinten" umgedreht hat, aber ja - ich weiss was du meinst.
Vorne = 'Hohlkreuz'
Hinten = Gelenk schließen.


Genau das übst du dann im Stand, am besten vor einem Spiegel. So erkennst du auch, ob du zB unbewusst immer im Hohlkreuz stehst, weil du dein Becken nicht gerade hälst. Das "nach innen und nach oben ziehen" des Bauchnabels kannst du dir so vorstellen, dass du vom Steißbein, zum Schambein, zum Bauchnabel eine Verbindung hast (ich sage immer einen roten Faden) und dieser Faden muss konstant angezogen sein. So spürt man auch die Verbindung dieser Punkte. Der Bauchnabel soll Richtung Wirbelsäule und Richtung Brust hochgezogen werden à la Bodybilder die ihren Bauch so stark einziehen, dass alles ganz dünn und straff wirkt 8)
Mit dieser Spannung ist dein Körperzentrum stark genug um dein Becken auch korrekt zu halten und daraus profitierst du eben beim Reiten. Das Becken ist gerade, kann mitschwingen und du kannst aus deiner Körpermitte Impulse weiterleiten, indem du diese Region mal mehr, mal weniger anspannst und demnach den "Sitz frei gibst".
Das Kreuz anspannen ist nämlich nicht machbar, du kannst deine Rückenmuskeln nicht anspannen, aber wenn du deine Vorderseite unter Spannung hälst, dann verleiht sich dies auch auf die Rückseite. Man muss sich eben im Sattel auch immer bewusst sein wo das Schambein, wo das Steißbein und wo die Bauchmuskeln sind und was man alles mit denen erreichen kann ;-)


LG!

Ich tanze oft und gerne und würde schon sagen, dass ich ein recht bewegliches Becken habe und es auch gut ähm "erspüren" kann.

Vielen Dank für alle bisherigen Antworten - ich habe vieles wiedererkannt, doch so ganz wollen mir die Differenzierungen noch nicht gelingen.

Es wäre jedoch auf jeden Fall schonmal zu sagen, dass das Kippen des Beckens nach vorn (also der "rundrücken") ein verstärkende Wirkung hat und das Kippen in eine verstärkte Hohlkreuzposition bremsend wirkt ?

Edit: Hörsman beschreibt es genau andersrum (wenn ich es denn richtig verstanden habe) als Max (wenn ich sie wiederum richtig verstanden habe.)


Viele Grüße und lieben Dank!
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