Rückenaufwölbung von was wirklich abhängig?

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kallisto
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Rückenaufwölbung von was wirklich abhängig?

Beitrag von kallisto »

Hallo,

folgender Fakt bringt mich zum Nachdenken: Aufgrund von diversen Foren habe ich vielfach gelesen und auch schon selber beim Reiten beobachtet, dass eine hohe Kopfhaltung nicht automatisch ein Wegdrücken des Rückens bedeutet, wenn die Hinterhand aktiv mit läuft. Dabei denke ich an eine wenig gerittene Stute, die sehr schön im Rücken schwingt und sie "rund" läuft, insofern ich ihr die eher höhere Kopfhaltung im Gelände erlaube. Sie tritt energisch mit der Hinterhand mit. Kann man dabei schon von Rückenaufwölbung sprechen, wenn es sich hierbau noch um keine wirkliche Versammlung handelt, sondern um aktives Untertreten? Wenn ja, wäre diese Rückenaufwölbung für gesundes Training ausreichend?
Gleichfalls berichten einige Reiter immer wieder, dass junge Pferde die Dehnungshaltung anfangs überfordert und zu sehr auf die Vorderhand bringt und bei höherer Kopfhaltung sich ebenfalls im Rücken lockern können. Die tiefe Dehnungshaltung würde anfangs auch das Mittreten der Hinterhand behindern. Warum auch den Schwerpunkt nach vorn bringen, wenn man langfristig das Ziel der Hinterhandaktivierung bis hin zur Versammlung anstrebt?
Zudem denke ich an PKs erstes Video, indem er bei dem jungen Hengst auch keine Dehnung erzwang und sich der Hengst trotzdem locker, im Genick leicht nachgiebig und für das Alter mit schöner HH-Aktivität präsentierte.

Klärt mich auf, ob ich mit diesem Denkansatz auf dem Holzpfad bin :wink:
**Pedro**
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Beitrag von **Pedro** »

hm, was meinst du denn mit hoher Kopfhaltung?

Die tiefe Dehnungshaltung musst du beim Pferd auch erstmal erarbeiten, die kannst ud nicht einfach *reiten*. Weil das Pferd gar nicht in der Lage ist, so gestreckt mit aktiver Hinterhand sich zu tragen, sondern es kommt zu deiner angesprochenen Problematik, dass das Pferd hinten raustritt und auf die Vorhand kommt. Da muss man genau auf´s Pferd horchen und ihn soweit in die Dehnungshaltung lassen, wie es sich noch tragen kann. Das kann Monate dauern, bis er sich nach abwärts streckt, und noch mal um einiges länger, bis er sich auch nach vorwärts streckt.

Ich denke, dass bei einer hohen Hals-/Kopfhaltung, als natürliche Haltung und nicht als abwehrende, weggedrückte Haltung, eine aktive Hinterhand möglich ist und evtl. auch etwas den Rücken trainiert (ein Rücken ist übrigens nie "rund" sondern es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen An- und Abspannung und der Rücken ist dabei immer gerade) allerdings denke ich (aber nur laienhaftes Denken *g*) dass dabei nur die Partie ab ca. der Lendenwirbel gedehnt und gekräftigt wird und alles was vorne ist, hauptsächlihc im Bereich des Widerrists, wird außer Acht gelassen.

Bin mal gespannt auf die anderen Meinungen 8) weil darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht.
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Alix_ludivine
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Re: Rückenaufwölbung von was wirklich abhängig?

Beitrag von Alix_ludivine »

kallisto hat geschrieben:Warum auch den Schwerpunkt nach vorn bringen, wenn man langfristig das Ziel der Hinterhandaktivierung bis hin zur Versammlung anstrebt?
Du mußt Dir das gesamte Pferd anschauen. Pferde, die von Natur aus sher vorhandlastig gebaut sind (wuchtige Vorhand, im Vergleich dazu eine schwache HH), kannst Du nicht sofort in die DH schicken, dann würdest Du wirklich denen das Laufen schwer machen und da muss erst das Thema der Balance geklärt werden.
Pferde die normal gebaut sind, können auch in DH geritten werden ohne, dass sie dazu vermehrt auf die VH gebracht werden (deswegen die aktive HH - ohne die ist alles nix).

Irgendwo hatten wir auch schonmal einen Thread dazu.. **überleg**
Zudem denke ich an PKs erstes Video, indem er bei dem jungen Hengst auch keine Dehnung erzwang und sich der Hengst trotzdem locker, im Genick leicht nachgiebig und für das Alter mit schöner HH-Aktivität präsentierte.
Der Rücken gefiel und gefällt mir bei dem aber überhaupt nicht...

LG Alix
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Die "höhere" Kopfhaltung würde ich als natürliche Kopfhaltung beschreiben mit Genick als höchsten Punkt. Auf keinen Fall sollte der Unterhals sich hervorheben und das Pferd deutlich über den Zügel gehen. Dabei aber leichtes Nachgeben im Genick, aber die obere Halswölbung weitaus weniger als im versammelnden Zustand. Der Kopf soll deutlich vor der senkrechten sein und die Ganasche weit offen.
Bildlich sehe ich den jungen Hengst von PK und auch das erste Bild von dem jungen Pferd "Harder" (wenn ich den Namen richtig in Erinnerung habe) aus dem Buch "Reiter formt das Pferd" (Udo Bürger) vor mir.

Das An-und Entspannen der Muskeln im Wechsel und Zweck und Erarbeitung der Dehnungshaltung ist eigentlich weniger das Thema.

Mir ging es vorwiegend um die Wirbelsäule. Ob diese geringere Aufwölbung für gesundes Reiten bei aktiver HH ausreichend ist? Dass die Dehnung des Nackenbandes in der DH weitaus größer ist, keine Frage, aber wie kann man das bei natürlicher Halshaltung wie oben beschrieben bewerten? Wenn sie dort ausreichend werde, wäre der Sinn der Dehnungshaltung fraglich. Weil ich neben den positiven Effekt der Dehnung immer die höhere Vorhandbelastung sehen muss (die beim Jungpferd teilweise schon grundsetzlich zu hoch ist). Zumal ich langfristig die Versammlung anstrebe.
kallisto
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Re: Rückenaufwölbung von was wirklich abhängig?

Beitrag von kallisto »

Alix_ludivine hat geschrieben: Du mußt Dir das gesamte Pferd anschauen. Pferde, die von Natur aus sher vorhandlastig gebaut sind (wuchtige Vorhand, im Vergleich dazu eine schwache HH), kannst Du nicht sofort in die DH schicken ...,
Das Problem habe ich aber auch bei Pferden mit schwacher Vorhand (die dann schwerfällig wirkt) und langen Rücken zwecks dem langen Spannungsbogen.
Selbst eine gute Dehnung mit aktiver HH ist zwar gut für den Rücken, dennoch eine vermehrte Vorhandbelastung. Genau dieser Konflikt stört mich, zumal anfangs deutlich gegen die Versammlung gearbeitet wird. Wieviel Dehnung im Rücken braucht ein Pferd wirklich?

Wenn ich z.B. an Distanzreiten denke, werden die Pferde über lange Strecken in natürlicher Halshaltung geritten. Ich habe keine Infos über den "Pferdeverschleiß", aber sicherlich wären die Pferde nicht zu solchen Höchstleistungen fähig, wenn diese Haltung falsch wäre.
**Pedro**
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Beitrag von **Pedro** »

ich denke, dass die Frage eher ist, wieviel bzw. wieschnell kannst du der Hinterhand zumuten, dass sie vermehrt Last aufnimmt und sich beugt? Was ja bei der Versammlung nötig ist. Steinbrecht hat geschrieben "Man solle der Hinterhand nie mehr Last zuschieben, als sie tragen kann". Vielleicht macht man das aber, wenn man die "Vorbereitung", u.a. also auch die Dehnungshaltung, weg lässt. Du kürzt ja ab, hast du selber gesagt, wieso du den Umweg gehen sollst, den Schwerpunkt erst nach vorne zu verlagern wenn du ihn doch letztendlihc weiter hinten haben magst.

Distanzpferde haben ja eine ganz andere Muskelbeanspruchung, das kannst du ja auch bei Langstreckenläufern erkennen. die haben Schubkraft aus der HH, aber *kaum* Tragkraft, weil sie das ja gar nicht brauchen. Klar werden die zusätzlich gymnastiziert, aber trotzdem ist der Fokus ja ein ganz anderer.
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Du brauchst aber die muskuläre Dehnung für die Versammlung.. Irgendwie mußte Du ja an die Dehnung der Oberlinie rankommen..

LG Alix
**Pedro**
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Beitrag von **Pedro** »

Alix_ludivine hat geschrieben:Du brauchst aber die muskuläre Dehnung für die Versammlung.. Irgendwie mußte Du ja an die Dehnung der Oberlinie rankommen..

LG Alix
ich glaube, das kallisto das schon auch meint, aber fragt, ob die Dehnung nach vorwärts-aufwärts genügt oder ob sie erst nach vorwärts-abwärts erarbetiet werden muss.

oder?

:?:
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

**Pedro** hat geschrieben:ich glaube, das kallisto das schon auch meint, aber fragt, ob die Dehnung nach vorwärts-aufwärts genügt oder ob sie erst nach vorwärts-abwärts erarbetiet werden muss.

oder?

:?:
HÄ?? Ich verstehe Deinen Satz nicht :shock: :lol: Dehnung ins V/A muss doch immer erst erarbeitet werden, oder?
**Pedro**
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Beitrag von **Pedro** »

Hab ich doch geschrieben? Ich glaube, wir verstehen usn nicht *g* ;)

Also noch mal:

Oberlinie Nackenband etc. pp. muss gedehnt werden, passiert duch aktive Hinterhand und vorwärts-abwärts-Dehnung.

Jetzt kann sich das Pferd aber ja auch nach vorwärts-aufwärts dehnen, in dem es den Hals lang macht, Nase etwas vorstreckt, Ganaschen öffnet und auch aktiv untertritt, auch dann wird die Oberlinie gedehnt. Allerdings (denke ich) wird nicht so eine "weite" Dehnung erlangt wie beim vorwärts/abwärts, und die Frage ist, ob diese Dehnung ausreicht, weil man dadurch den Nachteil umgehen kann, dass das Pferd zusehr auf die Vorhand kommt.

So hab ich es zumindest verstanden :)
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

**ka-pling**

Okay, jetzt habe ich es verstanden.. Und wer lesen kann ist mal wieder klar im Vorteil (aufwärts mit abwärts gelesen **schäm** und das mehrmals :oops: )

Also definitiv ist die Vorwärts-aufwärts-Dehnung nicht annähernd so intensiv..
Und wenn ich mir jetzt die Gewichtsverhältnisse ins Gedächtnis rufe (was irgendwann mal ausgewogen wurde und auf bei Herrn Karl im Buch steht), dass eine echte Gewichtsverschiebung in Richtung HH erst in der Piaffe oder in der Galopppirouette passiert, also wo wirklich mehr Gewicht auf der HH ist als auf der Vorhand, dann reiten wir ja bis dahin alle Pferde "auf der Vorhand".. Nur - gibt es eben zwischen auf der Vorhand und AUF der Vorhand gewissen Unterschiede.. Wenn das Pferd in seinem Körper ordentlich ausbalanciert ist und sich auch wirklich bewegt und nicht seinem Gewicht hinterherstürzt (DAS ist für mich wirklich "auf der Vorhand"), dann ist das für mich in Ordnung und ich sehe darin auch keinen Nachteil..

LG Alix
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man die DH auch umgehen kann, in dem man die v/aufwärts-Dehnung in Kombination mit korrekter Biegung verlangt.
Meine letzte RB in nie wirklich in DH geritten worden...die Muskulatur wurde über Dehnung in Biegung erarbeitet. da dies die gesamte Oberlinie des Pferdes dehnt (korrekte, geradegerichtete Biegung vorausgesetzt)hatte sie auch keine Probleme mit der Trizepsmuskulatur und eine schöne, über den Widerrist verlaufende Oberlinie. Stück für Stück würde mit versammelnden Lektionen der HH mehr Gewicht zugeschoben, bis sie in der Lage war, dort dieses Gewicht auch zu tragen. Ergebnis: korrekte Versammlung, ohne DH.
LG
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Beitrag von kallisto »

@ Collo:

Ja so in etwa habe ich es gemeint. Es ist schon mal schön zu hören, dass es langfristig funktionieren kann.
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BiancaW
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Beitrag von BiancaW »

Bin mir jetzt nicht ganz sicher,
arbeitete nicht auch Solinski ohne DH nach v/a, also Versammlung auch nur über seitliche Biegung?
lieber Gruß, Bianca

Viele würden niemals mit vollem Mund sprechen, tun es aber mit leerem Kopf (Orson Welles).
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Colloid
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Beitrag von Colloid »

BiancaW hat geschrieben:Bin mir jetzt nicht ganz sicher,
arbeitete nicht auch Solinski ohne DH nach v/a, also Versammlung auch nur über seitliche Biegung?
Hab Solinski jetzt gelesen 8). Ja tut er, allerdings arbeitet er die Pferde auch so lange am Boden in Biegung und SH, daß sie sich bereits versammeln und ausbalancieren können, bevor er das erste Mal aufsteigt.
@Kallisto: Es ist möglich, allerdings gehört dazu auch eine gehörige Portion Erfahrung, meine RB habe auch nicht ich ausgebildet, sondern die Besi, die jahrelange Erfahrung besitzt. Ich wäre damals dazu nicht in der Lage gewesen, alleine schon deshalb, weill ich kein Gefühl dafür hatte, wie es sich anfühlt, wenn ein Pferd wirklich geradegerichtet, gebogen geht. Ohne diese jahrelange Erfahrung neigt der Mensch zum Selbstbetrug. Ich habe inzwischen zu oft die Erfahrung gemacht, daß sich kaum ein Pferd korrekt biegt und die wenigsten Reiter das auch spüren.
LG
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