Schenkelhilfe in versammlung/verstärkung

Rund um die klassische Reitkunst

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lalala

Beitrag von lalala »

moreno hat geschrieben:[

Hallo Lalala,

wollen sie damit sagen, daß man selbst eine Parade vom Trab zum Schritt, vom Galopp zum Schritt oder zum Halt nach vorne herauslassen muß ? !
Natürlich !!! Ich habe auch nie etwas anderes gelernt. Leider brauche ich mich nur in meinem Stall umschauen und sehe zu 90% andere Bilder
Aber genau das ist es doch! Mit dem Pferd..........nicht gegen das Pferd, wie es oft ausschaut. Da wird angesagt: Es reitet ein zur ???? Dressur: "Herr XY auf Z" und wenn er ausreitet fragt man sich, warum der Ansager nicht gleich : "Herr XY gegen Z" gesagt hat.

"Dem Pferd die Schönheit,Freiheit und Eleganz unter dem Reiter zurückkgeben, die ihm die Natur ohnehin verliehen hat."

Nicht ganz wörtlich aber sehr nahe am Sinn.

Dieses sagte der "Pferdeschinder" Baucher.

Schöne Grüße,Dörr
wie wahr, wie wahr... :(
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Junito
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Beitrag von Junito »

Bei meinem Dicken ist es übrigens erst seitdem möglich, aus dem Trab ordentlich zum Schritt oder Halt durchzuparieren.

Als ich vorher versucht habe, ihn mittels Zügel zu verlangsamen, hat ihn das nicht die Bohne interessiert. Er ist einfach weitergelaufen und hat seine Nase in die Luft gestreckt. Die übliche Antwort darauf wäre wohl Martingal oder Schlaufzügel gewesen...

Dagegen habe ich mich aber stets gewehrt. Ich war und bin der Überzeugung, dass es auch ohne diesen Kram bei einem normalen Pferd gehen sollte.

Als ich dann angefangen habe, mich größerzumachen und hörbar ausgeatmet habe (einige Mitreiter schauten dann etwas irritiert drein, aber ich war NICHT dämpfig), habe ich gemerkt, dass es eigentlich ganz einfach ist. Es klappt nun punktgenau mit spürbarem Absenken des Popos (meines Rößleins). Kein Kampf um Meter mehr! Macht richtig Spaß. So ist es auch schön flüssig geworden. Mittlerweilen klappt Trab-Halt-RR-Antraben richtig schön locker.

Zulegen und Einfachen ist auch kein wüstes Gezerre mehr. Zum Zulegen einfach etwas Bein vor (druckfrei), zum Einfangen etwas zurück mit entsprechendem dezenten Beckenabkippen. Dazu sind gar keine Zügel nötig. Die brauche ich eigentlich ja auch für was Anderes.
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Hallo Junito, für versammelte Lektionen ist es oft gut, sich gedacht größer zu machen. Da ich oft ohne Sattel reiten muss, bleibt das ja auch nur übrig :wink: Würde ich da über den Zügel stoppen... :? Nur fliegen ist schöner...
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Ich glaube der Hinweis von RH in seinem Buch zielt darauf ab, dass gerade die Parade eine aktive von HINTEN nach VORN gerittene Lektion ist. Viele Reiter verzichten bei der Parade auf eine Hilfe der Beine und versuchen die Parade ausschließlich über den Sitz und die Hand zu reiten.

Im Grunde ist das Zurücknehmen und Anlegen der Beine, also das Aktivieren der Hinterhand bei der Parade einer der Schlüssel für eine korrekte Ausbildung.

Beim Zulegen dagegen lässt man im Grunde die Aktivität nur "heraus". Das führt zu dem für viele Reiter schwierigen Bild, dass man zwar bei einer Parade das Pferd "treibt" (die Hinterhand anspricht), beim Zulegen aber gerade nicht treibt, sondern herausläßt.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

Oder es führt zu dem Bild: wenn ich hinten noch viel aktiviere zum Durchparieren, muss vorne auch viel gegengehalten werden...

Und weil das so einen schlechten Ruf hat, wird eben oft nicht mehr aktiviert, dafür aber auch vorne wunderbar ohne Zügelhilfe angehalten.

Der Schein trügt mal wieder!

Stephanie
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Stephanie hat geschrieben:... wird eben oft nicht mehr aktiviert, dafür aber auch vorne wunderbar ohne Zügelhilfe angehalten.
... und genau diese Bemühen, also quasi "Ausbildung ohne Einwirkung" haben sich sehr viele Reiter zum Ideal gemacht.

Ich persönlich halte das für einen Irrweg, bzw. ein völlig falsches Verständnis von Ausbildung, auch wenn es sich so schön anhört und alle mit großer Bewunderung an den Lippen der Verkünder solch neuer "Reitlehren" hängen. Das läßt sich ja auch prima teuer verkaufen und damit man nicht so ganz genau hinschaut wird jeder Zweifler sofort exkommuniziert und als Verräter gelyncht. Aber zurück zum Thema...

Wenn man von Anfang an auf Einwirkung verzichtet, läßt man das Pferd mit der Situation "da sitzt ein Reiter auf meinem Rücken" alleine. Im besten Fall (starkes Gebäude beim Pferd, leichter mitfühlender Reiter) führt das dazu, dass der Reiter als Gast mitgenommen wird. Im Regelfall führt es aber dazu, dass sich das Pferd Wege sucht, um sich der Belastung zu entziehen, was völlig natürlich ist.

Gerade die Ausbilder, die sich später durch eine besondere Leichtigkeit auszeichnen, weisen darauf hin, dass am Anfang der Ausbildung vor allem eins wichtig ist: "vorwärts, vorwärts, vorwärts" (z.B. der Oliveira Schüler Barbier in seinem Buch "Perfekt Dressurreiten"). Es kommt allerdings darauf an, was man aus diesem Vorwärts dann macht (sicher nicht "vorne ziehen"). Was viele dabei allerdings gerne übersehen, je langsamer ein Pferd sich unter dem Reiter mit Schwung bewegen soll, desto mehr "Vorwärts" ist nötig. "Vorwärts" hat also nichts mit Geschwindigkeit zu tun.

Ausbildung eines Reitpferdes bedeutet zunächst einmal gezielte systematische Gymnastizierung mit dem Ziel, dass unser Reitpferd den Reiter nicht nur ohne Probleme in allen Lektionen tragen kann, sondern dass es dabei möglichst in der Weise Muskeln aufbaut, dass es in der Bewegung unter dem Reiter besonders ausdrucksstark wird ("Reiten Sie Ihr Pferd schön").

Ohne Einwirkung des Reiters wird dies nicht gelingen. Wer etwas anderes behauptet, will den Leuten nur mit schönen Versprechungen vom einfachen Weg das Geld aus der Tasche ziehen. Seriöse Ausbilder, wie z.B. Herr Hinrichs werden darüber nur lächeln.

Nun ist man sich bei in der klassischen Reitlehre einig, dass es dabei insbesondere auf die Aktivierung der Hinterhand ankommt. Gleichzeitig muss man aber darauf achten, dass diese Aktivität nicht dazu führt, dass das Pferd "flieht" also der Hilfe nach vorne ausweicht. Es kommt darauf an, die Aktivität der Hinterhand in Schwungkraft umzuwandeln. Das ist dann zwar in der Theorie ganz leicht (Übergänge, Seitengänge), aber in der Praxis eben leider eher schwierig.

Völlig falsch wäre es nun, entweder entsprechend scharfe Gebisse zu benutzen, um reiterliche Defizite auszugleichen oder gleich ganz auf Einwirkung zu verzichten. Es bringt auch nichts, sich alle zwei Jahre einer neuen Reitlehre zuzuwenden. Der einzige Weg ist leider Geduld sowie ständiges Hinterfragen und Lernen. Ziemlich langweilig, depremierend und nicht geeignet, den Leuten mit Lehrgängen das Geld aus der Tasche zu ziehen, aber dafür bewährt. :wink:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Larry
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Beitrag von Larry »

Der einzige Weg ist leider Geduld sowie ständiges Hinterfragen und Lernen. Ziemlich langweilig, depremierend
Ach ja, das ist eine Wonne zu hören!!
Dann habe ich ja noch Hoffnung: Immer diese Sätze zu hören: Mensch, das geht doch auch alles schneller... habe ich manchmal satt.
Ich denke auch die Ausübung einzelner Lektionen ist in den meisten Fällen sinnvoller zu beachten-als die Anzahl.

Wobei ich sagen muss, ein Pferd RICHTIG zum Halten zu bringen finde ich nicht leicht und finde auch, es wird in den meisten Reitschulen unter den Tisch gekehrt.
Als ich notgedrungen angefangen habe meine Stute selber auszubilden habe ich festgestellt NIE gelernt zu haben, wie man ein Pferd KORREKT anhält. Peinlich aber war...
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
Stephanie

Beitrag von Stephanie »

Ja, Steffen, schöne, kluge und wahre Worte!

Und Gottlob darf ich das nicht nur regelmäßig bei Hinrichs und Ruth Giffels erleben, sondern auch bei meinem FN - Reitlehrer - jede Woche...
Wenn dann die Anweisungen der zwei "Lager", die sich nicht kennen, völlig decken, öffnet sich mir ein Weg, den ich nie zu betreten gewagt habe und ich kann erkennen, dass gute Ausbildung nichts, aber auch gar nichts mit dem Namen, den es trägt zu tun hat, sondern nur mit der klassischen, schnörkellosen und grundsoliden Ausbildung von Pferden!

Übrigens war mein RL erst ganz abgeneigt: Aha, zu Hinrichs, Barockreiter, ehem, das sind doch die, die... Ich gab ihm dann eines seiner Bücher. Kommentar: "Klassischer gehts ja nicht!"

Und langsam "schäme" ich mich nicht mal mehr zu sagen, mein RL ist ein FN-Reiter. Merk ich grad mal so, danke Steffen!!!

Stephanie
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Junito
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Beitrag von Junito »

Das ist das, was wohl oft mißverstanden wird: Man muss sich doch mit seinem Pferd verständigen. Sprich, erstmal deutlich sagen, was man möchte. Das sieht dann anfangs erstmal nicht elegant und unsichtbar aus. Bis das Pferd eben ansatzweise verstanden hat, was man möchte.

Ein Kind kann ja auch nicht von Anfang an sprechen. Man muss die Wörter überdeutlich, immer wieder vorsagen. Irgendwann meint man dann, ein Gegurgel, das etwa in die Richtung geht, zu hören. Dann ist LOBEN angesagt! Es wird dann mit der Zeit immer deutlicher, und irgendwann fängt das Kind quasi Wörter auf und wiederholt sie.

Ähnlich stelle ich mir das beim Pferd vor. Der Anfang muss sehr deutlich, überdeutlich sein. Dann kann man mit der Zeit feiner werden. Aber ganz ohne Einwirkung wird es nie sein.

Nur von dem Versuch, das Pferd mittels Herauspressen der Luft aus dem Bauch bei jedem Schritt vorwärtsdrücken zu wollen, sollte man schon wegkommen - oder gar nicht erst damit anfangen. Vorwärts gehen kann ein Pferd doch grundsätzlich von alleine. Warum ihm das abnehmen?
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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