Galopptraining 20 Minuten am Stück

Rund um die klassische Reitkunst

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Max Hase
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Beitrag von Max Hase »

Ich hatte mit Mutter und Sohn zwei ganz unterschiedliche Exemplare.

Die Mutter im alten Ponytyp (Norweger- Araber) stehend mit tief angesetztem Hals, gutem Rücken, super Schritt und Takt, ausdauernd im Trab und nickelig im Galopp. Nach entsprechendem Training (kam aus Ponyverleih, galoppierte erst nach fünf Jahren zuverlässig rechts) wurde auch ihr eine passable Galopperin im Gelände mit schönem Canter.
In der Bahn blieben wir mehr in der Trabarbeit mit vielen Übergängen.

Der Sohn (3/4 Araber) sah aus wie ein Spanier und hat auch gerne den Macho gegeben. Super Schritt, gut formbarer Trab, traumhafte Galoppade, wenn denn der (relativ) kurze Rücken...
Den habe ich ganz viel im Galopp gearbeitet, was seinem Temperament, aber auch seiner Lockerheit im Rücken gut getan hat. 20 Minuten hatten wir nicht regelmäßig, waren aber auch mal drin.

Jetzt besitze ich eine Warmblutstute mit sehr guten Grundgarten und allen körperlichen Vorzügen, die die Dressurarbeit erleichtern. Sie ist fünf und im Moment spielt der längere Galopp noch keine Rolle. Aber vom Typ und bisherigen Reitgefühl rechne ich auch bei damit, dass sie den Galopp benötigt, um im Rücken / Bauch schön locker zu werden und zu bleiben.

Die meisten Reiter, die ich kenne, galoppieren zu wenig. Und wenn sie galoppieren, dann eher auf der Stelle als vorwärts.
Den Trend von Horst Beckers Aussage kann ich nur unterschreiben - angepasst auf das jeweilige Pferd.
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Ich merke bei meinem Anglo-Araber jetzt immer mehr, wie wohl er sich nach einem ausgiebigen Galopp fühlt und wie locker er danach ist. Seine Bauchmuskulatur verändert sich deutlich! Das rundliche verschwindet, der Bauch wird straffer. Mittlerweile kann ich mich ruhig in die Bügel stellen und ihn einhändig mit lockerem Zügel rund galoppieren. Er wird nur alle 2 Tage geritten (voll berufstätig und 2 Pferde und großes Haus...), aber 2 Tage nach der Galopparbeit läuft er dressurmäßig einfach nur klasse.

Wie gesagt, Speedy ist ein komplett anderes Pferd, er braucht deutlich mehr Kraft für die Galopparbeit und würde grundsätzlich lieber traben, aber auch er zeigt nach einigen Runden Galopp auf der Ovalbahn mehr Aktion im Hinterbein und dehnt sich danach besser Vorwärts-abwärts.

Und natürlich profitieren beide davon, einmal richtig durchatmen zu müssen :wink:
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Mein erster Gedanke, als ich das mit den 20 Minuten gelesen habe, war, dass da die Reiter erstmal was tun müssen, denn nach 20 Minuten Galopp brennen einem ganz schön die Oberschenkel. Oder auch schon eher..
Für mich ist diese Aussage aber durchaus schlüssig. Kraft-Ausdauer-Training macht da schon Sinn.
Allerdings bin ich nun am Überlegen wo ich 20 Minuten galoppieren sollte. Geht bei uns wenn dann nur im Herbst, wenn die Felder abgeerntet sind oder im Sommer zwischendrin mal, nach dem Silieren, dass man da mal eine größere Galoppstrecke zusammenbekommt, ohne einen Drehwurm zu bekommen.

LG Alix
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esge
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Beitrag von esge »

Yvonne, ich bin zwar auch immer dafür, Konditionstraining ins Gelände zu verlegen - aber selbst wenn ich für den untergrund alle Augen zudrücke wüsste ich nicht, wo ich hier 20 min durchgaloppieren sollte.

Ich kenne dieses Galopptraining allerdings auch als 4 x 5 min, nicht 20 min am Stück. Aber selbst 5 min am Stück galoppieren ist in unserem Gelände praktisch unmöglich, es sei denn, ein Pferd kann auch krass bergab galoppieren und man hat kein Problem damit, auf Asphalt zu galoppieren... Meine längste Strecke geht 4 min stetig bergauf. Das schaffen schon die meisten Pferde nicht.
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Janina
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Beitrag von Janina »

Ganz ehrlich, dass der Auslöser dieser Diskussion eine Aussage von HB war, hat mich überlegen lassen, ob es überhaupt Sinn macht zu antworten :twisted:
Aber das Thema ist ja grundsätzlich interessant, von daher...
Ich denke, man muss grundsätzlich mehrere Dinge beachten:
Zum einen den Pferdetyp, das wurde ja schon mehrfach erwähnt. Ich möchte noch mal ganz speziell darauf hinweisen, dass die Muskulatur sich auch histologisch bei Ausdauer- und Krafttypen (zu letzteren zählen übrigens auch die Iberer, auch wenn sie sonst wenig mit den Kaltis gemein haben :wink: ) unterscheidet. Es ist zwar möglich, Muskulatur durch Training umzuformen, man wird aber nie Leistungsgleichheit erreichen.
Dementsprechend stellt sich natürlich schon die Frage, ob (oder vlt. besser in welchem Ausmaß) man viel Zeit, Energie und Belastung auf ein Training verwenden sollte, das dem jeweiligen Pferdetyp widerspricht.
Zum anderen ist da der Verwendungszweck des Pferdes und meiner Meinung nach auch die Phase der Ausbildung. Will ich ein vielseitiges Pferd, mit dem ich auch dressurmäßig eine reine Grundlagenarbeit anstrebe (sagen wir mal bis L-Niveau, also "nur" ausgleichende Balanceverschiebung auf die HH), wird entsprechendes Audauertraining nicht schaden. Will ich aber weiter gehen, dann brauche ich "spezialisierte" Muskulatur oder anders formuliert, ein Pferd, das Distanzweltmeister ist, hat nicht die richtige Muskulatur, um besonders gut Pi, Pa (, Po :P ) zu gehen. Von daher zeigt die Ausgangsaussage nur eins: Völlige Ahnungslosigkeit von physiologischen Grundlagen (und das war noch das Nettest, was ich diesbzgl. sagen kann, deshalb schreibe ich das noch "öffentlich") :roll:
Und damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: Trotzdem ist auch mal eine längere Galoppphase (vor allem im Gelände, in der Halle/auf dem Platz würde ich ehrlich gesagt weniger auf die Idee kommen @Wendebelastung) durchaus wertvoller Trainingsbestandteil: Für das Herz-Kreislaufsystem, für die Lunge und last but not least für den Kopf.
Das aber als Voraussetzung für die "hohe Dressur" verkaufen zu wollen, finde ich (positiv ausgedrückt) amüsant (kann mir aber den Hintergrund vorstellen :? ).
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Janina:
danke dir für die hilfreichen Erklärungen! Mir ging einfach nicht in den Kopf, dass eine der Ausdauer dienliche und durch diese trainierte Muskulatur für die versammelnde Dressurarbeit dienlich sein soll bzw erforderlich sein soll.... (btw: deine "öffentliche" Formulierung finde ich gleichermaßen nett und verständlich :wink: )
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

http://www.bahadur.ch/bahadur2008.htm

Daß sich Distanzritte bis zur langen Strecke und Piaffe nicht ausschließen müssen, kann man an diesem Pferd schön erkennen - wobei ich gestehen muss, daß Bahadur schon eine Ausnahmeerscheinung ist.

Ja, es stimmt, lange Galoppstrecken fordern flache Muskeln, anders als Pi und Pa. Aber bei Langstreckenpferden reden wir ja nicht nur von 20 Minuten Galopp. Die Weltklassepferde galoppieren fast 90% der 160 km, die auf den Championaten gefordert werden.

Das mit dem Boden ist das andere Problem. Ich habe Glück, daß wir eine Ovalbahn haben, die über recht lockeren Boden verfügt.
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Janina
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Beitrag von Janina »

@Fortissimo: Das vertauschst du gerade :wink: . Ich habe nicht behauptet, dass sich Piaffe und Distanz ausschließen, aber der Distanzler hat durch seine Disziplin bzw. das entsprechende Training/die entsprechende Muskelprägung keine bessere Voraussetzung für die Piaffe oder andere versammelte Übungen. Und das wurde da als Aufhänger für diesen Thread genommen (@min. 20 Galopp am Stück für versammelte Lektionen).
esge
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Beitrag von esge »

Die Ausdauergalopparbeit braucht ein Pferd nicht in dieser Intensität, um sich generell versammeln zu können.
ABER: wenn ich nicth nur Pi und Pa, sondern auch ein gleichwertiges Galoppprogramm - also Pirouetten und Serienwechsel - anstrebe, dann muss mein Pferd i.d.T. über eine gute Galoppkondition verfügen, einfach, weil ich sonst nicht mal länger und konzentrierter daran üben kann. Bricht mein Pferd nach 2 Zirkelrunden Galopp gleich zusammen, wird es wirklcih schwierig, ein gutes, versammeltes Galoppprogramm zu erarbeiten.
Darum gibt es diese Traininsvorgabe 20 min Galoppiertraining (wie gesagt, ich kenne das als 4 x 5 min mit Pausen dazwischen) für Pferde, die GP-Niveau gehen sollen. Denn GP-Pferde brauchen in der tat neben allem anderen auch einfach Kondition.

Wer also "nur" mal ein Piäffchen erarbeiten will oder meinetwegen auch "nur" ein halbes Arbeitspirouettchen, kann ohne großes Galoppiertraining auskommen. Man fühlt dann hin, wann der richtige Moment ist, baut aus dem Schritt auf, arbeitet sich rein, bricht ab, wenn es am schönsten ist. Das ist NICHT abwertend gemeint und für ein durchschnittlcihes Freizeitpferd ist das schon ein sehr gutes und hohes Ziel!
Aber wer einen Dressurathleten haben will, der wirklich am Punkt und in Serie die hohen Lektionen aneinandereihen kann, braucht einfach auch Ausdauertraining.
Ich bin bei Kursen oft etwas erschrocken, wie wenig man mit vielen Freizeitpferden konzentriert arbeiten kann, einfach weil die Kondition nicht reicht. 2 x 40 und 2 x 30 min Unterricht an einem Wochenende ist für viele Pferde schon zuviel. Das ist ein bisschen schwach.
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Janina
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Beitrag von Janina »

@esge: Es ist aber ein Unterschied, ob ich 20 Minuten am Stück oder min. 4 x 5 Minuten Galopptraining fordere.
Und @Kondidition vieler Freizeitpferde: Ich bin jetzt mal böse: Das kommt nicht daher, dass in den jeweiligen Reiteinheiten nicht galoppieret wird, sonder in 99% der Fälle daher, dass schlicht und ergreifend nicht regelmäßig und oft genug trainiert wird (wenn ich es zwei- bis viermal in der Woche auf´s Pferd schaffe, kann ich nicht erwarten, dass es dann plötzlich an einem Wochenende ein ganzes Wochenpensum absolviert)...
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

@janina: ups, da hatte ich tatsächlich was falsch verstanden. Hatte vor allen Dingen das mit der Veranlagung gelesen....

Eine Bekannte von mir hat eine Friesenstute, die sich sehr schwer tut, auch nur 2 Runden in der Bahn zu galoppieren. Dann heißt es direkt: "Friesen haben ein kleineres Herz, da kann ich doch nicht verlangen, daß sie rundenlang galoppiert".

Wobei die Besitzerin nach 2 Runden jedoch ebenfalls leichte Schnappatmung bekommt 8)
Gast

Beitrag von Gast »

Auch wenn es OT ist:

Von der Veranlagung her ist der Friese ein Traber.
Bedingt dadurch tun sich viele Friesen mit dem Galopp schwer.
Vor allem denn, wenn sie nicht durch eine ausreichende Gymnastizierung auf die Galopparbeit vorbereitet.

Richtig ist auch, daß der Friese im Vergleich zu einem Warmblüter ein kleineres Herz besitzt.
Auch das muß bei der Arbeit mit einem Friesen berücksichtigt werden.

Das bedeutet jedoch nicht, daß man einem Friesen nicht in eine ausreichende Kondition antrainieren kann, um auch eine größere Ausdauerleistung erbringen zu können.

Allerdings dürften 20 Minuten dauerndes Galoppieren doch etwas das Leistungsvermögen eines Friesen sprengen.
Auch dann, wenn dieser bestens trainiert ist.
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Fortissimo
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Beitrag von Fortissimo »

Daß ein Friese sich mit dem galoppieren schwer tut, bezweifel ich nicht. Das mit dem Herzen ist mir auch bekannt. Ich habe gelesen, daß in den Niederlanden jetzt ein minimaler Araber-Anteil eingekreuzt werden soll, um das Herzvolumen zu verbessern. Aber 200 m am Stück zu galoppieren (2 Bahnrunden) sollte auch ein Friese schaffen.

Viele Isländer haben auch Schwierigkeiten mit der Galopparbeit. Entweder sie gehen einen sauberen 4-Takt-Galopp und zeigen Ausdauer, oder sie springen ordentlich durch und sind ratzfatz durchgeschwitzt.

Ich habe mal einen Traber auf der Bahn erlebt, der im Trab selten über einen Puls von 130 kam, aber eine Runde Galopp (1.100 m) brachte seinen Puls auf fast 200 Schläge. Bei dem lag es nicht am Herzvolumen sondern am Galopp an sich.

Wie ist es bei den unterschiedlichen "Barockpferden"? Wie leicht fällt es Spaniern, Lusitanos etc. ausdauernd zu galoppieren?
esge
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Beitrag von esge »

Fortissimo: Bezüglich Iberer: Ganz unterschiedlich. Es gibt ausgesprochene Galoppierer unter den Iberern, vor allem unter den Lusitanos. Und es gibt ausgesprochene Nicht-Galoppierer - vor allem bei einigen Andalusierschlägen.
Grundsätzlich gilt der Lusitano als der Iberer mit dem besseren Galoppiervermögen. Einzelexemplare bei beiden Rassen können das aber immer wieder Lügen strafen - in die eine wie die andere Richtung (also Andalusier mit hervorragendem Galoppiervermögen und Lusitanos mit 8 linken Beinen im Galopp.)
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Alix_ludivine
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Beitrag von Alix_ludivine »

Ich denke diese Zeitangabe ist ein bissl relativ zu sehen (oh Wunder :wink: ).
Hintergrund dieser Aussage war sicherlich die mangelnde Ausdauer und auch Kraft bei den etwas zu klassisch angehauchten Dressurleuten. Ich habe es auch nicht so verstanden, dass man da jetzt die Zeit durchgaloppiert und dann hat man den Schein für die Versammlung gelöst.
Ich habe es eher so verstanden, wie weiter oben das esge schon geschrieben hat. Dass die langen Galopptouren ansich und die Anforderungen so eine Aufgabe im S-Bereich durchzureiten auch eine ernorme Anforderung an die Kondition vom Pferd stellt. Und da macht es schon Sinn so eine lange Galopptour als Prüfstein zu nehmen, wie es mit der Kraft-Ausdauer von Pferd und Reiter überhaupt steht und wie man daran arbeiten kann.
So unsinnig finde ich diese Aussage nicht bzw. macht man sich damit mal wieder in eine andere Richtung Gedanken, wenn es um das Thema Versammlung geht.
Das bestimmte Rasse mehr bzw. weniger für die Ausdauer geschaffen sind, ist nunmal so und weiß auch jeder..

LG Alix
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