Wirkung verschiedener Kandarengebisse

Themen zur Ausrüstung von Pferd und Reiter

Moderator: ninischi

Antworten
Benutzeravatar
Kleenes
User
Beiträge: 105
Registriert: Di, 01. Jun 2010 21:02
Wohnort: Bayern

Wirkung verschiedener Kandarengebisse

Beitrag von Kleenes »

So ich habe hier mal wieder eine Frage an euch.
Zurzeit beschäftige ich mich mit der Wirkung verschiedener Kandarengebisse, da bei mir eventuell diesen Winter der Kauf einer ansteht. Werde das alles natürlich noch mit meiner Reitlehrerin absprechen aber möchte mich doch selbst auch Informieren.
Mein Pferd läuft normal auf Doppelt Gebrochenem Wassergebiss (16mm). Wir haben auch mal ein normales Stangengebiss probiert da ging er total gegen an. Zu unseren Westernzeiten hatte er ein Snaffle with Shanks (einfach gebrochen) das findet er mittlerweile ganz grausig. Aber ein richtige Kandare ist ja eh eine Stange.
Was haltet ihr von Fransösischen Kandaren? Ich denke die lassen der Zunge viel Platz, besteht bei diesen auch die Gefahr das sie an den Gaumen drücken?
http://www.reitshop24.de/D/everline_dre ... 4_960.html
Gast

Beitrag von Gast »

Das Wort "Zungenfreiheit" täuscht.
Je mehr Zungenfreiheit eine Kandare aufweist, desto schärfer ist die Einwirkung.
Vergiß nicht, daß sich die Kandare beim Annehmen der Zügel im Maul verdreht.
Unter Umständen so weit, daß das gewölbte Ende auf die Zunge drückt.
Auch muß der Gaumen entsprechend Platz bieten.

Vor allem muß ja auch noch die Unterlegtrense untergebracht werden.
Das schränkt den zur Verfügung stehenden Platz zusätzlich ein.

Eine relativ dünne, gerade Stange muß daher nicht zwangsläufig schärfer wirken, als eine dickere, gebogene.
Benutzeravatar
Sonja
User
Beiträge: 303
Registriert: Mi, 12. Mär 2008 09:35
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag von Sonja »

Meiner mag gerade Stangen und doppelt gebrochene Gebisse überhaupt nicht. Einfach gebrochen ist gut und eine Stange mit Wölbung in der Mitte, also nicht durchgängig gebogen. Ich nehme an dass er den Druck auf der Zungenmitte nicht mag.

Wahrscheinlich wirst Du um ein Probieren nicht herumkommen. Es gibt von Sprenger ein Spezialgebiss, es ist eine Stange mit Olivenkopf, das etwa U-förmig gebogen ist. Gibt es mein ich bei Calevo (wahrscheinlich auch woanders). Es soll das Pferd mit der Wirkung einer Kandare bekannt machen. Vielleicht wäre das ja etwas für den Übergang bei euch.

Diese hier ist es: http://www.calevo.com/cgi-bin/calevo/1130515.html

Allerdings sind Kandaren an sich wohl etwas günstiger....
2 Shettys - halb so viel Nerven...

Sonja, wir vermissen Dich Maus!
*1996 +2011
Benutzeravatar
Kleenes
User
Beiträge: 105
Registriert: Di, 01. Jun 2010 21:02
Wohnort: Bayern

Beitrag von Kleenes »

Das mit der Zungenfreiheit habe ich aus dieser Sicht tatsächlich noch nicht so bedacht. Klingt aber logisch, mein Pferd läuft auf Doppeltgebrochenem Gebiss bisher am zufriedensten. Denke dann werde ich eine kleine oder auch gar keine Zungenfreiheit als erstes testen.
Dann werde ich mich dann einfach im Bekanntenkreis durchfragen zwecks Testgebisse, oder mal bei so einem Sprenger Testzentrum Gebisse leihen.
Phanja

Beitrag von Phanja »

Zur Zungenfreiheit: Die Wahl der Zungenfreiheit sollte nicht davon abhängen, wie scharf man die Kandare gerne hätte, sondern die Zungenfreiheit muss passend zur Zunge des Pferdes gewählt werden. So wie das ganze Kandarengebiss zum Maul des Pferdes passen sollte.
Ist der Gaumen z.B. sehr flach, aber die Zunge sehr dick, wird es schwierig eine Zungenfreiheit zu finden, die weder die Zunge quetscht, noch am Gaumen stört.
Ist die Zungenfreiheit zu niedrig, liegt die Stange z.B. bei einer dicken Zunge, dann eben auch nur auf der Zunge auf und nicht auf den Laden, wie es sein sollte.
Mein Tinker z.B. hat einen ziemlich großen Schädel und ein sehr breites Maul. Von aussen nimmt man sofort an, dass da sicher viel Platz für eine normalgroße Kandare mit normaler Zungenfreiheit sein sollte. Tatsächlich hat er aber einen eher flachen Gaumen und ein insgesamt eher kurzes, kleines Maul. Deshalb läuft er mit einem im Vergleich sehr dünnen Kandarengebiss mit eher wenig Zungenfreiheit.
Gast

Beitrag von Gast »

Wenn Fritz Stahlhecker auch nicht unumstritten ist, so empfehle ich doch einmal folgenden link zur Lektüre:

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=f ... 3huFJB99jA

Hier wird sehr anschaulich darüber referiert, wie eine Kandare wirkt.
Bzw. wo eine Kandare einwirkt.
padruga
User
Beiträge: 687
Registriert: Fr, 03. Aug 2007 20:37
Wohnort: Bayern

Beitrag von padruga »

Ich rate dir einfach zum Ausprobieren. Theorie ist geduldig, der Geschmack der Pferde aber nicht. Manche mögen lieber dünne, manche dickere gebisse, manche bewegliche, andere finden genau das zum K.... Dasselbe gilt für die Zungenfreiheit, manche sind tierisch genervt von einer Zungenfreiheit, andere widerum ziehen den Druck auf die Laden dem auf die Zunge vor. Leih dir Gebisse aus und probier aus, ich kenne kein Pferd, das nicht deutlich zeigt welches Gebiss es bevorzugt bzw. mit welchem Gebiss es am besten UND am zufriedensten läuft.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Du mußt eine Kandare genau verpassen, egal, welche Zungenfreiheit du dann letztendlich wählst. Die Kandrae wirkt immer auf Zunge und Laden, daher ist es wichtig zu überprüfen :

1. Wie dick ist die Zunge
2. wie stark und wie ist die Oberflächenbeschaffenheit der Laden,
3. wie wölbt sich der Gaumen
4. wo kommt die Kandare aufgrund der Zähne im Verhältnis zum Kinnkettengrube zu liegen.

Diese 4 Punkte bestimmen den Rahmen innerhalb dessen du dann die Kandare wählen kannst.

Bei der Zungenfreiheit muß du darauf achten, das sie so gestaltet ist, daß sie sich beim Annehmen der Zügel, mit dem Drehmoment im Maul aufrichtet und somit dann in angenommener Form der Zunge die Möglichkeit bietet, da hinein zu rutschen.

Wenn die Zungenfreiheit nicht höher, als die Höhe der Maulhöhle ist, ist eine Kandare mit höherer Zungenfreiheit eher die sanftere, denn die Zunge ist der empfindlichste Teil des Maules. Kann sie sich vor Druck schützen, ist die Kandare eher milder.

Ist hingegen die Zungenfreiheit höher, als die Höhe der Maulhöhe, so drückt die Kandare wenn sie sich aufstellt, gegen Gaumen und Lade - vor allem dann, wenn der Nasenriehmen eng gezogen ist. Damit ist zwar die Zunge geschützt, aber sie kann bei unsachgemäßem Einsatz dem Pferd dennoch sehr erhebliche Schmerzen bis Verletzungen zufügen.

Ein niedige Zungenfreiheit hingegen, entlastet die Zunge nicht wie beschrieben und ist - zumal mit engem Nasenriehmen eingesetzt sehr scharf.

Es gibt Stangen, bei denen sich die Zungenfreiheit nicht korrekt aufrichtet- von diesen ist abzusehen.

Die Gebißstärke und das Gebißgewicht hängen von der Oberfläche der Lade ab. Ein Pferd mit einer breiten, flachen Lade verträgt unter umständen ein schmaleres und schwereres Gebiß , wohingegen ein Pferd mit einer eher schärferen Lade ein leichters und breiteres Gebiß benötigt. Hier ist u.U. sogar ein Hohles Gebiß zu berücksichtigen !

Das Verhältnis zwischen Ober- und Unterbaum bestimmt die Wirkungsweise und die Wirkungsgeschwindigkeit.
Ganz wichtig ist auch wie erwähnt, wo das Gebiß im Maul zum liegen kommt und wie sich dann die Kinnkette plaziert. Hier muß man also schauen, welche Haken gewählt werden, bzw. wo genau die Hakenösen sich befinden.
Um sich allegemein mit der Wirkungsweise einer Kandare zu beschäftigen, empfehle ich das Buch von Bent Branderup zu diesem Thema. Ich kenne kein besseres, umfassenderes.

Die Verpassung einer Kandare ist eine recht anspruchsvolle Aufgabe und gehört für meinen Geschmack von einem Fachmann vorgenommen.
Gruß S&P
Benutzeravatar
Kleenes
User
Beiträge: 105
Registriert: Di, 01. Jun 2010 21:02
Wohnort: Bayern

Beitrag von Kleenes »

Wow danke Salt and Pepper das nenne ich mal richtig ausführlich.
Der erste Schritt wird also sein das ich meinem Pferdchen mal genau ins Maul schaue, wieviel Platz wirklich ist. Und dann werde ich mal ein paar Gebisse zum testen besorgen und mit meiner Reitlehrerin zusammen auswählen.
Ein Reithalfter wird das Pferd aufgrund seiner Verletzung wohl auch mit Kandare nicht tragen.

Danke nochmal für die ganzen Antworten
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Gerne Kleenes, - ach und noch vergessen :
ganz wichtig bei der Zungenfreiheit ist auch, daß sie nahezu so breit ist wie die Zunge ! Sonst wird diese seitlich gequetscht.
GRuß S&P
Benutzeravatar
Kleenes
User
Beiträge: 105
Registriert: Di, 01. Jun 2010 21:02
Wohnort: Bayern

Beitrag von Kleenes »

Das hätte ich eh beachtet, finde die sehen schon so unbequem aus :) Trotzdem danke.
padruga
User
Beiträge: 687
Registriert: Fr, 03. Aug 2007 20:37
Wohnort: Bayern

Beitrag von padruga »

...ist eine Kandare mit höherer Zungenfreiheit eher die sanftere, denn die Zunge ist der empfindlichste Teil des Maules. Kann sie sich vor Druck schützen, ist die Kandare eher milder.
Das stimmt aber nicht immer. Einige Pferde tolerieren eher leichten Druck auf die Zunge (die so noch etwas "Pufferwirkung" hat) als auf die Laden. Je größer die Zungenfreiheit ist umso schärfer ist die Wirkung auf die Laden, das kann bei einem breiten Maul und eher dickem fleischigem Zahnfleisch nicht so schlimm sein, aber bei zierlichen Kiefern mit sehr schmalen, dünnwändigen Kieferästen kann da schnell punktuell ein sehr starker Druck drauf kommen, gegen den sich ein Pferd dann gar nicht mehr wehren kann wenn das Gebiss eine hohe Zungenfreiheit hat.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

padruga hat geschrieben:
...ist eine Kandare mit höherer Zungenfreiheit eher die sanftere, denn die Zunge ist der empfindlichste Teil des Maules. Kann sie sich vor Druck schützen, ist die Kandare eher milder.
Das stimmt aber nicht immer. Einige Pferde tolerieren eher leichten Druck auf die Zunge (die so noch etwas "Pufferwirkung" hat) als auf die Laden. Je größer die Zungenfreiheit ist umso schärfer ist die Wirkung auf die Laden, das kann bei einem breiten Maul und eher dickem fleischigem Zahnfleisch nicht so schlimm sein, aber bei zierlichen Kiefern mit sehr schmalen, dünnwändigen Kieferästen kann da schnell punktuell ein sehr starker Druck drauf kommen, gegen den sich ein Pferd dann gar nicht mehr wehren kann wenn das Gebiss eine hohe Zungenfreiheit hat.
Hierzu gibt es verschiedene Untersuchungen mit verschiedenen Ergebnissen, das ist also eine "Glaubensfrage". Ich folge da der Untersuchung , die im Hinblick auf die Anzahl der Nervenenden und Tastkörper hin durchgeführt wurden und diese kommt zu dem Schluß, daß der Druck auf der Zunge weitaus schmerzhafter ist, als der auf den Laden.
Mir war diese Argumentation die schlüssigere, folglich folge ich ihr. Das muß aber jeder nach Abwägen der einzelnen Argumente für sich selbst entscheiden. Für mich und mit der Erfahrung, die ich mit Kandaren und unterschiedlichsten Pferden gemacht habe, ist eine Kandare mit passender , aber größerer Zungenfreiheit die mildere.

Natürlich gibt es Unterschiede in der Reaktion des einzelnen Pferdes, daher ist es wichig auf diese zu achten und die Zäumung zu wählen, zu der das Pferd "ja " sagt. Das ist aber bei allem in der Reiterei so : Das Pferd hat immer recht ! Je machtvoller eine Mittel ( sei es Hilfengebung oder Ausrüstungsgegenstand) ist, um so mehr sorgsame Achtsamkeit muß man dem Pferd gegenüber pflegen.
Gruß S&P
horsman
User
Beiträge: 2879
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:04
Wohnort: NRW

Beitrag von horsman »

@claustim
toller link, zumal er verdeutlich, dass auch ein leicht durchhängedner K-Zügel schon vom Pferd erfühlt wird.
Danke

Insofern ist m.E. der Frage nach der Bedienung der K.Zügel eine wesentlich grössere Aufmerksamkeit zu widmen, als der Beschaffenheit. Leider sieht man heutzutage viel zu häufig nur noch die gefühllose K.Bedienung a la I.W. & Co.

Wie sehr dieses falsche Bild schon in den Köpfen eingebrannt ist sieht man u.a. auch an diesen unsagbaren blöden Passier-Werbung (oder wars Kiefer oder Stübben?), in der alte Stiche mit neumodischem falschen stramm anstehenden Kandarenzügeln abgebildet werden. Habt ihr bestimmt schon mal gesehen. Mal sehen ob ich was finde im www ...
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
myNio
User
Beiträge: 89
Registriert: Mo, 15. Feb 2010 20:58
Wohnort: Leipzig

Beitrag von myNio »

Passier wars.
Hier gehts direkt zu einem sehr netten Artikel darüber weiter:
http://www.grand-ecuyer.de/2010/08/24/d ... reitkunst/
Antworten