Wallach lässt Schlauch hängen bei der Bodenarbeit

Infos und Fragen rund ums Thema "wie Pferde denken"...

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Wachtelhalterin

Beitrag von Wachtelhalterin »

Letzte Woche hat mein neues Pflegi bei meiner ersten Longeneinheit mit mir ausgeschachtet. Als es dann aber an 'schwierigere' Dinge ging wie SH zog er seinen Schniedel wieder rein, wo er auch blieb. Am Ende der Einheit liess ich ihn frei laufen, da hat er wieder ausgeschachtet. Dann bemerkte ich auch die rossigen Stuten auf der Weide nebenan, vielleicht hat er nur wegen denen ausgeschachtet?

@ bea: Danke lässt du uns an deinen Erfahrungen teil haben, ich finde diesen Thread gerade echt spannnd!
Vignir

Beitrag von Vignir »

@ bea: Nein, ich habe dazu keine Studien, sondern das Wissen meiner Trainerin, die eben auch TÄ ist. :wink: Am Verhalten meiner eigenen Pferde kann ich das aber sehr genau nachvollziehen, daß das korrekt ist.

Unterbinden sollte man es schon, wenn man z.B. mit Hengsten arbeitet oder mit Wallachen, mit denen man auftritt. Letztendlich gibt es in der Öffentlichkeit nicht gerade ein positives Bild ab, wenn da die Herren mit einem fünften Bein durch die Arena stolzieren. Wer das selbst mal als Zuschauer erlebt hat, wird sicherlich die ganzen Kommentare der anderen gehört haben. Ich wollte jedenfalls nicht so von mir Reden machen, das mögen andere natürlich anders sehen. :wink:
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Ich denke, es gibt zwei Arten von Ausschachten: das im völlig entspannten Zustand, z. B. beim Dösen oder nach dem Reiten, und das durch Erregung hervorgerufene, wobei das auch als Übersprungshandlung zustande kommt.

Bea, bei deinem scheint es ja so zu sein, dass er immer ausschachtet, wenn er sich auf etwas freut, er also "freudig erregt" ist. Dabei muss er ja nicht gestresst sein. Dass er das auch beim Wälzen etc. macht, kann natürlich zu Verletzungen führen.
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Wir hatten das Thema doch schon mal ausführlich - damals in dem Fred von "maulfrei" glaube ich.

Aktuell habe ich eine Stute, aber aus früheren Zeiten mit Wallachen und Hengsten kenne ich das Problem mit dem "entspannten" Ausschachten nicht (nur das deutlich zielgerichtete Ausschachten bei erregten Hengsten, dass dann aber in der Arbeit auch unterbunden wurde).

Momentan beobachte ich bei einigen Wallachen, dass sie bei der Boden"arbeit" u.ä. ausschachten. Das sind die Pferde, die bei solcher Beschäftigung ("Arbeit" wäre wirklich der falsche Ausdruck) sehr viel belohnt, "bekekst" und "beclickert" werden.

Mich würde echt interessieren, wie die Profis, egal ob im Zirkus oder sonst, das handhaben. Jedenfalls konnte ich noch nie z.B. bei Anja Beran oder bei M. de Broissia beobachten, dass ein Wallach oder Hengst ausgeschachtet hätte. Da gilt wohl das Motto "Dienst ist Dienst".
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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Beran und de Broissia arbeiten kaum mit Wallachen, und interessanterweise machen dieses Ausschachten bei Zirkuslektionen (fast) nur Wallache. Es ist definitiv etwas ganz anderes als das erregte Ausschachten eines Hengstes.

Vignir, für diese Ansicht habe ich weiter vorne in diesem Thread schon Haue bekommen ;-) weil ich ein Problem mit dem völlig natürlichen Anblick von Tierpenissen hätte und so.
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Vielleicht liegt es auch daran, dass bei sehr belohnungsintensiven Beschäftigungen für das Pferd auch eine Art Stress entsteht. Es stellt sich ja immer die Frage, was es anstellen muss, um die Belohnung zu erhalten. Gerade bei der Kombination von Futter und einem sehr verfressenen, gierigen Pferd kann ich mir gut vorstellen, dass hier Stress entsteht, weil das Pferd unbedingt die Belohnung haben will.

Der Schlüssel liegt hier wohl in Pausen, in denen das Pferd zur Ruhe kommt und in denen klar ist, dass der Mensch gerade nichts vom Pferd will. Also auch komplette Entspannung auf Seiten des Menschen, kein Futter in der Hand halten, Hände weit weg von der Leckerli-Tasche. Erst wenn das Pferd sich ebenfalls entspannt, wird weitergemacht.

Wir hatten mal ein Pferd, dass bei Anforderungen wie Beine auf Kommando heben o. ä., für die es etwas zu fressen gab, nur teilweise ausschachtete, dann aber den Penis schräg zur Seite streckte. Das sah erstmal witzig aus, zeigte aber den deutlichen Stress in der Situation an. Das war auch der Typ Pferd, der am besten alles auf einmal machen wollte, damit er möglichst bald die Belohnung haben konnte.
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Tossi
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Beitrag von Tossi »

Rapunzel hat geschrieben:Beran und de Broissia arbeiten kaum mit Wallachen, und interessanterweise machen dieses Ausschachten bei Zirkuslektionen (fast) nur Wallache.
Die eigenen Pferde von AB und MdB sind Hengste, aber zur Ausbildung sind bei beiden regelmäßig auch Wallache. Die werden natürlich auch an der Hand gearbeitet und wie gesagt, da lässt sich keiner "hängen".
Rapunzel hat geschrieben:Es ist definitiv etwas ganz anderes als das erregte Ausschachten eines Hengstes.
definitiv!
Rapunzel hat geschrieben:Vignir, für diese Ansicht habe ich weiter vorne in diesem Thread schon Haue bekommen ;-) weil ich ein Problem mit dem völlig natürlichen Anblick von Tierpenissen hätte und so.
Ich würde das lockere Ausschachten bei einem Wallach/Hengst nicht akzeptieren und lieber die auslösende Beschäftigung unterbrechen z.B. durch flottes Vorwärts im Trab.
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Beitrag von sinsa »

Tossi hat geschrieben:Momentan beobachte ich bei einigen Wallachen, dass sie bei der Boden"arbeit" u.ä. ausschachten. Das sind die Pferde, die bei solcher Beschäftigung ("Arbeit" wäre wirklich der falsche Ausdruck) sehr viel belohnt, "bekekst" und "beclickert" werden.
Das ist auch mein Eindruck. Der Focus/der Auslöser liegt auf dem Click bzw. dem Keks. Während bei "ernsthaften" ZL-Kursen z.B. das Ausschachten meiner Beobachtung nach hingegen selten ein Thema ist. Mal bei einzelnen Lektionen und bei unterschiedlichen Pferden - aber nie dauerhaft. Und das OBWOHL dennoch viele Möhren den Weg ins Pferd finden. Außerdem stellt sich auch der so gern angeführte Übereifer bzw. die hohe Motivation anders dar.

Mir selber ist es grundsätzlich relativ egal, ob meiner mal hängen läßt oder nicht. Allerdings habe ich auch das "Glück" :?: :kopfkratz: das meiner nicht im Trab oder zu sonstigen ungünstigen "Gelegenheiten" ausschachtet. Ich kann bei ihm daran aber sehr gut unterscheiden, was bzw. wie ich gerade arbeite bzw. nicht arbeite
Bei reinen Spieleinheiten mit Kegel umstupsen, Lächeln und tausend anderen Kleinigkeiten bei denen man sich einen "Keks" verdienen kann wird relativ viel/häufig ausgeschachtet.
Tatsächlich konzentriert "arbeitend" hingegen bleibt zumeist alles gut versteckt und es kommt nur ganz selten zum Ausschachten.
Außerdem ist der tatsächliche Lernerfolg in eingefahrenem Zustand höher als wenn er hängen läßt --> siehe Konzentration/Motivation/Mitarbeit

Allerdings ist meiner auch nicht geklickert und ich gehe mit Keksen irgendwie völlig anders um als die meisten anderen. Mir scheint, dass das auch nochmal einen nicht unerheblichen Unterschied macht.
Er schätz sehr gut selber ein ob er sich für etwas angestrengt hat/ob die Ausführung gut war oder nicht und er nimmt einen Keks nur zögerlich oder sogar gar nicht an, wenn das für ihn keinen "Sinn" macht ist oder wenn der Keks "als Bestechung" empfunden wird, damit er etwas macht.
Weil das so ist fliegen bei uns die Kekse vor und nach der Arbeit locker durch die Gegend, während bei konzentrierter Arbeit die Keksrate im Verhältnis eher sehr gering ist. Man sollte nicht glauben, was für einen Verbrauch an den geliebten Kanneleckerlies der Herr dennoch hat :lol:
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Beitrag von sinsa »

Puppa99 hat geschrieben:Vielleicht liegt es auch daran, dass bei sehr belohnungsintensiven Beschäftigungen für das Pferd auch eine Art Stress entsteht. Es stellt sich ja immer die Frage, was es anstellen muss, um die Belohnung zu erhalten.
Das dürfte wohl ein Knackpunkt sein.
Allderdings wird das Wort Stress im Umgang mit der Kekserei sehr ungern gehört, da man ja alles positiv macht und verstärkt.
Puppa99
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Beitrag von Puppa99 »

Dieser Beitrag auf Wege zum Pferd behandelt ebenfalls das Stress-Thema im Zuge eines Klicker-Kursberichts: http://www.wege-zum-pferd.de/2014/04/01 ... ster-kurs/
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bea
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Beitrag von bea »

Letztlich müssen Erwartungshaltung und Entspannung sich ja nicht ausschliessen! Ich kenne mehrere Pferde, die bei der Arbeit ausschachten, und bei allen ist es eine total positive Situation, die rein gar nichts mit Stress zu tun hat. Auch meine Trainerin hat davon berichtet, dass in ihren Kursen i.d.R. die Wallache, die schnell und häufig ausschachten, besonders gut lernen und freudvoll mitmachen. Vielleicht ist Entspannung zwar wirklich das falsche Wort, weil es ja immerhin um ernsthafte Arbeit geht - aber dann müsste man auf jeden Fall von einer durch und durch positiven Spannung sprechen. Und genau die wünsche ich mir ja bei der Arbeit! Auch die Konzentration bzw. aufmerksame Mitarbeit ist mit ausgefahrenem Schlauch nicht geringer - eher im Gegenteil.
Natürlich muss ich meinen manchmal bremsen in seinem Eifer, aber das muss ich auch mal, wenn er den Schlauch nicht ausgefahren hat. Aufdringlichkeit ist auch kein Thema bei uns, sondern er bettelt allenfalls, indem er eben genau NICHT nach Leckerlis sucht. ;) Natürlich kann man das jetzt auch wieder negativ auffassen, aber ich freue mich lieber, dass mein Pferd so freudvoll und motiviert mitarbeitet und 100%ig bei mir und bei der Arbeit ist.
(Das angesprochene "Vorwärts im Trab" als Lösung des "Problems" nützt bei uns übrigens auch nichts, da es mein Pferd überhaupt nicht stört, wenn im zackigen Trab das "Ding" abwechselnd links und rechts an seinen Bauch hochklatscht. :lol: Mir tut da nur schon das Zuhören weh... ;) )
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Beitrag von sinsa »

bea hat geschrieben: Vielleicht ist Entspannung zwar wirklich das falsche Wort, weil es ja immerhin um ernsthafte Arbeit geht - aber dann müsste man auf jeden Fall von einer durch und durch positiven Spannung sprechen.
[.....]
(Das angesprochene "Vorwärts im Trab" als Lösung des "Problems" nützt bei uns übrigens auch nichts, da es mein Pferd überhaupt nicht stört, wenn im zackigen Trab das "Ding" abwechselnd links und rechts an seinen Bauch hochklatscht. :lol: Mir tut da nur schon das Zuhören weh... ;) )

Ich versuche es mal anders anzugehen:
@Arbeit: Wie genau sieht die Arbeit denn aus bzw. was davon ist Arbeit?
Bleibt der Schlauch bei versammelnder Arbeit ausgefahren?
oder:
ist mit "Arbeit" hier Kopfarbeit gemeint, wenn es z.B. um Hütchen umstoßen oder Teppich ausrollen geht?

@Trab Hat mal jemand ganz praktisch gedacht und den Partner/GöGa/was auch immer gefragt, ob er in vergleichbarem Zustand wohl freiwillig gerne Joggen gehen und dabei frei pendeln lassen wollte?
So als Weibchen kenne ich es natürlich nur vom Hören-Sagen und es ist ja immer möglich, dass man nur genug fragen muß, um eine wirklich verläßliche Antwort zu bekommen, aber meines Wissens ist der Bedarf nach solchen Erlebnissen nicht allzu groß. Daher macht es vielleicht Sinn nochmal genauer darüber nachzudenken, warum das Teil draussen hängt, obwohl es unangenehm an den Bauch klatscht oder man sich sogar draufsetzt und ob man seine eigenen Beobachtungen und Eindrücke nicht vielleicht doch nochmal überdenken sollte. Ich meine: Das Teil ist ja nicht umsonst meist in dieser praktischen Tasche gut verstaut :wink:
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Beitrag von bea »

sinsa hat geschrieben:Ich versuche es mal anders anzugehen:
@Arbeit: Wie genau sieht die Arbeit denn aus bzw. was davon ist Arbeit?
Bleibt der Schlauch bei versammelnder Arbeit ausgefahren?
Meistens ja. Seitengänge, Schaukel, Übergänge, Spanischer Schritt und Spanischer Trab sind wohl unbestritten "Arbeit" --- für mich gehört aber auch Kompliment, Knien, Liegen, Sitzen, Plié und Bergziege in eine vergleichbare Kategorie, da dies eindeutig gymnastizierend ist und hohe Anforderungen stellt an Koordination, Kraft und Beweglichkeit. Walzer würde ich hingegen eher zu den Spass-Lektionen ohne allzu grossen gymnastischen Wert zählen - Teppich ausrollen, Hütchen umwerfen und Apportieren sind dann natürlich wirklich nur noch reine Kopf"arbeit".

Und zum anderen Vergleich: Mir zeigt diese Beobachtung eben genau, wie unwichtig das "Anhängsel" unter dem Bauch in diesem Moment ist und dass ich es getrost ignorieren kann, weil es mein Pferd offensichtlich kein bisschen stört. Anders sieht es natürlich in den Situationen aus, wo er sich verletzen könnte.
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Beitrag von sinsa »

@Arbeit Das ist natürlich ungünstig, denn dann hast Du ja wirklich keine Möglichkeit darüber das Einschachten zu erreichen.

@ Einschachten wenn es sinnvoll wäre
Spannend!
Ich glaube, das sehe/interpretiere ich genau anders und stecke dafür mal 5 Taler in die Phrasenkasse :lol:
Meiner Meinung nach hat sich die Natur das schon ganz geschickt ausgedacht, als sie beschloss, dass das Teil sich in der mitgelieferten Tasche verstecken kann und das auch unbewußt tut. Befindet es sich da nicht, wenn es eigentlich besser/sinnvoller/logisch wäre, gibt es dafür einen Grund und den wiederum würde ich am ehesten darin sehen, das irgendetwas diesen Vorgang stört.
Das muß ja nicht unbedingt rein negativ sein :wink:
Da reichen ja womöglich auch etwas Hektik/Übereifer oder ein guter Satz Rampensau-Gene/Präsentierlaune. Ich würde versuchen die Ursache rauszufinden und dem entgegenzuwirken, so dass das Einfahren wieder "funktionieren" kann.

Ich finde, immer wenn es um Pferde geht fühlen wir uns alle sehr schnell etwas angefasst, wenn jemand etwas anders interpretiert als man selber und so versuche ich das, was ich meine am Beispiel von Beobachtungen mit meinem beim Spanischen Gruß zu beschreiben. Ich möchte aber ganz explizit, vorausschicken, dass ich das überhaupt nicht böse/negativ/als Kritik oder sonstwas meine, sondern lediglich als Gedankenanstoß:

Also, Beispiel Spanischer Gruß:
Wenn die Stimmung noch völlig neutral ist und ich das außerhalb einer "Arbeitssituation" abfrage, fällt er eher so lala aus.
in einer konzentrierten Arbeitssituation wird er besser ausgeführt.
Hat er sich gerade ein wenig in Präsentierlaune begeben, wird die Qualität nochmal besser. Alles im eingefahrenen Zustand.
Ausgeschachtet kann er das natürlich auch und auch dann kommt es auf die Situation drauf an. Ist er wirklich entspannt, kommt der Gruß wieder so lala und es wird eingeschachtet.
Wenn er aber unterschwellig seinen Rang aufpolieren möchte, dann wird nicht eingeschachtet, aus dem eben noch entspannt hängenden Teil wird ein Halbsteifer und die Ausführung wird entsprechend "ausdrucksstärker".
Das alles hat also Auswirkungen darauf, wie gut ich den jeweiligen Trick/die Lektion in der jeweiligen Situation unter Signalkontrolle habe - und genau da liegt der Hase ein wenig im Pfeffer. Ja klar, ich gestehe das auch ich ein wenig peinlich bin, denn natürlich gefällt es mir wesentlich besser, wenn er so ein wenig in Angeberlaune ist und wenn er dann halt gerade ausgeschachtet hat - so what? Das kann ich mir bei meinem tatsächlich "leisten" - aber: Das eigentliche knifflige an Zirkuslektionen ist nicht nur das etwas richtig ausgeführt und gezeigt wird, sondern ebenfalls dass die Lektionen tatsächlich so sehr unter Signalkontrolle sind, das sie in jeder Laune in ordentlicher Qualität abgefragt und/oder abgebrochen werden können. Nur so kann man als Zirkus täglich sein "Programm" abliefern und muß dabei nur minimale "Einschränkungen" hinnehmen.
Wenn also meiner nicht immer mal wieder einschachtet sondern im Gegenteil einen Halbsteifen bekommt, dann treibe ich ihm direkt seine Allmachtsphantasien wieder aus und das geht am allerbesten, wenn ich mir die Signalkontrolle wieder sehr deutlich zurückhole. Das heißt ich bestimme wieder exakt wie hoch das Bein kommt und wie lange es oben bleibt.
Man glaubt gar nicht wie schnell das Teil wieder dahin verschwindet, wo es hingehört.
Das Beispiel mit dem Spanischen Gruß habe ich extra gewählt, weil das ja eine Lektion "nach oben" und damit ein Dominanzlektion ist und damit sehr deutlich zeigt, was neben Entspannung noch dahinter steckt, wenn ausgeschachtet wird. Das läßt sich aber auch auf alle anderen Lektionen übertragen - nur fällt es einem da nicht so deutlich auf, auch wenn es ebenso funktioniert. Außerdem kann man diese "Lektion" auch gerne mal in der Herde beobachten. Wenn das in der Herde gezeigt wird, dann ist da nichts entspannt. So gar nicht - egal ob eingefahren oder ausgefahren.
In den meisten Fällen aber wird man es eher halb bis ganz ausgefahren und meist auch mindestens Halbsteif sehen.
Und nun wandern die nächsten 5 Taler in die Phrasenkasse.
Sowohl beim reiten als auch bei den ZL bedient sich der Mensch der Bewegungen/dem Verhalten das das Pferd auch in freier Natur und in seiner beeindruckensten/schönsten Form zeigt. Es gibt aber keinen Grund dafür, dass beim reiten alles schön da bleibt wo es hingehört, während es bei ZL anders sein sollte. Eher im Gegenteil.
Es wird keiner bestreiten, dass ein Pferd ob mit oder ohne Reiter sehr gut völlig entspannt traben kann ohne dass ausgeschachtet wird.
Es liegt also kein echter "Mehrwert" darin wenn bei Lektionen nicht ausgeschachtet wird. Kann man aber das einschchten immer wieder herbeiführen hat das einen Mehrwert. Nämlich dass das Verletzungsrisiko deutlich reduziert ist.
Nochmal: das meine ich absolut nicht negativ oder als Kritik.
Das ist einfach das, was ich bei meinem selber ganz langsam herausgefunden habe und mir selber hat diese Pille auch nur sehr bedingt geschmeckt. Ob ein- oder ausgeschachtet wird, hängt beinahe ausschließlich davon ab wie ich selber arbeite.
Auslöser für (zu viel) ausschachten:
Hintereinander viele Lektionen abfragen
Zu wenig auf exakte Ausführung achten
schlecht gewählte Kombinationen der Lektionen
Kekse kommen auch bei nicht optimaler Ausführung
nicht drauf geachtet, dass Herr Pferd gerade wieder eine Tüte "Mutig" gefuttert hat
nicht drauf geachtet, was vorher in der Herde los war (rossige Stute, Rangfolgefragen, neues Herdenmitglied)

Als letzes und fals es falsch rüberkommt:
Doch, ich finde durchaus, dass gerade zu den ZL auch ein guter Schuß Präsentierlaune dazu gehört und in einem gewissen Rahmen bei passendem Pferd auch gewährt werden kann. Gerade Pferde wie meiner es ist, profitieren unwahrscheinlich davon, dass sie mal einen auf dicke Hose machen dürfen - und wenn er denn halt mal (raus-)hängt, na dann hängt er eben.
Aber es macht Sinn sich selber da ganz genau zu überprüfen und das in einen "kontrollierten" Rahmen zu bringen.
Eifer und Motivation sind etwas wirklich tolles. ÜBEReifer, ÜBERmotivation oder auch leichte Hektik sind minimal zu viel - aber sie sind eben zu viel.
Natürlich ist ein Pferd konzentriert, wenn es eifrig drauf lauert, was es als nächstes machen soll. Es ist aber noch "besser/sinnvoller" konzentriert, wenn es darauf achtet, wie genau es etwas ausführen soll.
Ich finde das im Nachhinein logisch und mache dennoch immer mal wieder den Fehler bei den ZL zu sehr zu "schludern".
So und nach diesem völlig überlangen Roman nun endlich zu wirklich allerletzt:
Nein! Ich bin nicht der Meinung, dass man ein Dominanzproblem mit seinem Pferd hat oder sonstwie "falsch"/nicht ernsthaft genug arbeitet, nur weil das Pferd gerne mal hängen läßt. Wirklich nicht! Meiner darf mehr oder weniger mit seinem Teil machen was er will und natürlich kann und darf er mir sowohl anzeigen, wenn er mal so gar nicht in Stimmung ist sich zu präsentieren. Wozu auch. Er ist ein Freizeitzausel. Er muß nicht im Zirkus "malochen" egal wie es ihm gerade geht oder nicht. Ebenso darf er sich aber auch mal Aufrüschen, wenn er z.B. meint Zuschauer an der Bande gefunden zu haben die er beeindrucken kann.
Es gibt für alles seine Zeit. Mich z.B. würde es eher wundern, wenn meiner beim Übertreten nicht ausschachtet. Egal ob bei der Hand- oder Freiarbeit.
Spätestens aber für alles was nach unten geht sollte das Teil verschwinden/verschwunden sein.
Wie Du, bea, das für Euch haben möchtest, ist völlig Dir überlassen.
Wenn es für Euch passt, dass er eben auch im Trab ausschachtet, dann ist das eben so. Da Du aber das Problem hattest, dass es leider zu einer leichten Verletzung kam, hilft es Dir vielleicht meinen Gedankengängen mal nachzugehen, ob das bei Euch auch ein gängiges Mittel wäre, um das beste Stück vorher geschickt verschwinden zu lassen.
Letztenendes bin ich mit meinen Beobachtungen gar nicht so unglückklich.
Der "Fehler" liegt bei mir. Damit kann ich ihn auch bei mir korrigieren und so fährt er ganz elegant wieder ein, ohne dass ich direkt hinfassen oder mit der Gerte leicht antippen muß. Zusatzbonus: ich kann beides zulassen ohne das Ausschachten kategorisch unterbinden zu müssen.
Eine feine Sache, wenn man darauf angewiesen ist blöderweies hin und wieder mal Schniedelpflege zu betreiben.
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Beitrag von bea »

Danke für den ausführlichen Bericht, sinsa! Ich kann dem grundsätzlich natürlich nur zustimmen. Und du hast natürlich recht, dass man sich und seine Arbeit immer wieder hinterfragen sollte nach Gründen und Anreizen für bestimmte Verhaltensweisen.

Gerade gestern habe ich wieder eine interessante Beobachtung gemacht: Ich habe frei longiert und dabei auch aus der Distanz gewisse "Zirkuslektionen" abgefragt. Beim (Frei-)Longieren schachtet er nie aus - ebensowenig beim Reiten. Er macht es nur, wenn er verhältnismässig nahe neben mir arbeiten soll: u.a. eben klassische Handarbeit inkl. versammelnden Elementen oder eben Zirkuslektionen - frei oder am Strick, aber grundsätzlich in klarer "Berührdistanz" zu mir.
Gestern habe ich nun im Rahmen der Freiarbeit aus grösserer Distanz auch gewisse Lektionen abgefragt: Steigen (natürlich immer aus Distanz ;) ), Seitwärts auf mich zu, Seitwärts von mir weg, Rückwärts, Hinterhandkontrolle. Beim Seitwärts, Rückwärts, Hinterhand Schicken schachtet er normalerweise aus - gestern aber nicht. Sonst konnte ich keinen Unterschied in seinem Verhalten feststellen: Er war total eifrig und motiviert dabei - wie immer. Manchmal ein bisschen übereifrig --- das ist etwas, was wir ohnehin in den Griff bekommen müssen.
Gegen Ende der Einheit habe ich dann noch aus der Nähe ein paar Lektionen abgefragt (Plié, Bergziege, Beine Kreuzen) --- und sofort war der Schlauch draussen! Er war aber vorher nicht mehr oder weniger eifrig dabei gewesen - er wurde aus der Nähe auch nicht distanzlos oder sonstwie anders, sondern die ganze Arbeitsatmosphäre blieb gleich. Bloss der Schlauch war einmal halt drinnen - einmal draussen. Ich habe mich dann auch gefragt, ob das Ausschachten bei der Arbeit eventuell auch mit der räumlichen Position des Menschen zu tun hat oder auch mit einer grösseren Erwartungshaltung in dieser Situation. Da ich ihm ja sowieso beibringen will, auch Abliegen, Kompliment etc. auf Distanz auszuführen, könnte ich vielleicht auch schon so das Ausschachten verhindern. Wie schon gesagt sind halt v.a. dies die Lektionen, wo ich mich daran "störe". Wenn er bei der Handarbeit hingegen mit ausgefahrener "Motivationsstange" oder "Motivationsschlange" (je nach Beweglichkeit... :lol: ) neben mir her trabt, dann irritiert das zwar regelmässig Zuschauer, aber mir ist das im Grunde egal. ;)
Dass er es manchmal auch beim Hinlegen vor dem Wälzen macht, kann ich natürlich ohnehin nicht beeinflussen, obwohl hier die gleiche Verletzungsgefahr droht wie beim Hinlegen auf Kommando... :roll:
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