Der gefürchtete Tag X

Ratschläge rund ums Thema Gesundheit - die allerdings keinen Tierarzt ersetzen!

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Braunestute32
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Beitrag von Braunestute32 »

Ich verstehe euer kritisches Fragen.
Denn ich musste mich die letzten Tage auch mal kritisch hinterfragen. Was will ich eigentlich und vor allem, wohin geht die Richtung.
Wie egoistisch denke ich denn?

Ich bin generell ein Mensch, der sich gerne reinreden lässt.

Ich musste mit der Stallbesitzerin reden weil auf einmal nicht mehr klar war, ob ich überhaupt mit dem Pferd dort stehen bleiben kann.
Ich hätte überlegt, das Pferd in meine Nähe zu stellen, da ich dann zumindest öfter spazieren gehen könnte.

In der Zeit wurde mir vom TA gesagt, dass die "Nutzung" nur noch eingeschränkt möglich ist. Somit wurde mir ganz schwindelig, als ich in den ersten Ställen anfragte (preislich).
Ich sehe dann für gewöhnlich immer gleich alles schwarz.

Bis dann geklärt war, dass ich doch an dem Stall bleiben kann.

Dafür meine ganze komische Fragerei.

Zum Gesundheitszustand: Ihr geht es schlechter, wenns wärmer wird. Gestern waren wir spazieren.
Wie es heute mit dem Atemgeräusch aussieht, muss ich erst sehen.

Am Mittwoch kommt ein 2. TA für eine Zweitmeinung.
Der erste diagnostizierte diese einseitige Lähmung des Kehlkopflappens wie oben beschrieben. 90 % arbeiten hier nicht mehr.
Das Nachbarpferd ist mal unter dem Galopp zusammen gebrochen und war dann tot, unbemerkte vollständige Lähmung des Kehlkopfes.
Da wird einem schon mal schlecht.

Zur chronischen Atemwegserkrankung hat er nix gesagt, nur dass sie staufrei gehalten werden muss und mit Sicherheit im Sommer atemtechnische Probleme bekommen wird. Aufgrund der Staub/Pollenbelastung. Das Geräusch beim Atmen wird dann auch lauter.
Nun hat er mir Equipulmin da gelassen. Soll ich füttern.

Hand aufs Herz, Rekonvaleszens kommt hier aufgrund der anatomischen Erkrankung nicht mehr tu Tragen. Also eine Heilung der Lähmung ausgeschlossen.
Man kann lediglich die Bronchien entlasten und zufüttern oder Cortison spritzen.

Im Dezember waren wir noch reiterlich unterwegs. Im Jan. merkte ich schon, dass sie nicht mehr die Alte ist und im März hat sich das Ganze so geschaukelt, dass ich diese Abklärung gemacht hab.

Für mich kommt das Ganze nicht überraschend, aber wem fällt es leicht hinzunehmen, dass sein Tier nun doch auf einmal alt geworden ist?

Ich werde nun alles mögliche für sie tun, ihr noch ein schönes Leben zu ermöglichen. Wenn ich zum Misten fahre (3x pro Woche) u. die andren Mädels füttere, muss ich halt gucken ob wir spazieren gehen können, oder ob ich (nach einer Schmuseeinheit) wieder Heim fahren kann.

Sicher, überraschend wie bei dir Finchen, kommt das alles nicht. Und du hast mir die Augen geöffnet, nicht so egoistisch zu denken, zu denken, nur mir ginge das so...
Ich drücke dich mal ganz doll.

PS: Leicht ist es nicht dort am Stall: Mir wird die ganze Zeit von der Seite her gesagt, "ja irgendwann musst du dich entscheiden, bei uns war es schon oft so, dass irgendwann ein Pferd gehen musste".

Das baut verdammt auf!
Braunestute32
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Beitrag von Braunestute32 »

So, getane Stallarbeit, die Miteinstellerin (Verwandtschaft) musste mal wieder nix dazu tun. Wie immer. Nur ich und meine Tante...

Also heute auf der Koppel angekommen stellte ich fest, dass Pferdchen gut laut atmete. Beschluss: Heute nix. Nur kraulen und das Winterfell abbrüsten. Sie hat noch gut Winterfell drauf.

Den andren beim Wegreiten zugesehen (Nachbarstall).
Kurz geheult, weil unsre Glanzzeit ja vorbei, zusammengerissen weil mein Schmusetier ja noch da ist.

Die andren Pferde langweilten sich auch, die Miteinstellerin muss viel lernen (trotzdem könnte sie doch mal wenigstens eine halbe Std. auf den Platz gehen oder mir bei der Stallarbeit helfen) und die Tante hat immer noch Rücken, seit November 2012. Deren 13-jährige Stute langweilt sich auch, ich darf sie aber ned reiten weil sonst hat sie Angst, dass sie selber nicht mehr damit zurecht kommt.
Also zwei junge Pferde beim Grasen zugesehen, zusammen mit meiner Teilzeit-Omi.

Ich freue mich in 2 Wochen auf die nächste Reitstunde im Reitstall wo ich jetzt Unterricht nehm.
Und hoffe, dass ein paar kühlere Tage dabei sind, wo ich mit meiner Stute wenigstens noch ein bisschen spazieren kann.

Der Schmied kommt auch in knappen 2 Wochen. Und erst mal sehen, was der 2. TA noch so sagt...

Aber noch mal zum Tag X: Ich glaube, ich wüsste immer noch nicht, welche Methode ich nehmen würde. Ich glaube, das muss man kurz davor entscheiden. Wobei es dann stressig wird wegen der Organisation, aber an das denke ich jetzt noch nicht bis Mittwoch. Man drängt das immer so vor sich her.
Und dann geb ich bloß wieder die harte, aber innen drin tut mir das weh.

Gut, dass man sich hier austauschen kann über das Thema.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Noch einmal vielen Dank an die vielen lieben Wünsche hier!

Der aktuellen Situation geschuldet möchte ich hier meinen Tag X auch aus jetzt anderer Sicht noch einmal erwähnen:

am Donnerstag war ich noch froh, dass ich so "nüchtern" alles regeln und auch dabei sein konnte. Nun, einige Tage später, ist mir bewußt, dass alles nur im Schockzustand möglich war. :cry:

Mir fehlt das tatsächliche Begreifen immer noch, mir fehlt ein Abschied, ich fühle mich darum betrogen und verraten. In der Situation war ich froh, dass alles so reibungslos und schnell ging, Tindy nicht noch auf der Wiese lag, als ich abends von der Arbeit kam. Und das ist rein rational betrachtet auch immer noch gut so. Andererseits habe ich das Gefühl noch immer nicht wirklich realisiert zu haben was passiert ist.

Ich erinnere, dass ich wie in Trance zugesehen habe... entsetzt für einen Moment, weil das offenstehende Maul die Grasnarbe aufschrabbte, ich an das ungeschützte Auge gedacht habe, das über den Boden gezogen wurde... Das Aufladen in den Kübelwagen des Abdeckers war in dem Moment ok, ein kurzer Schreck, weil der Greifer sich im Inneren des Wagens offenbar nicht ganz gelöst hatte, so der Körper am Vorderbein und Hals verkantet wieder mit raufgezogen und an den Rand geschleudert wurde. Ich dachte tatsächlich, dass das alles für mich getrennt von dem Verlust zu betrachten war. Das ist es aber offenbar nicht! :?

Die Bilder verfolgen mich... Immer wieder wird mir bewußt, dass das Intensivste an meinem Abschied von meinem alten Mädchen ausgerechnet diese Erinnerungen sind.

So gesehen würde ich jedem raten sich das nicht anzutun, wenn es sich vermeiden läßt.

Andererseits bin ich fest davon überzeugt, dass mir das Begreifen, das Realisieren viel schwerer fallen würde, wäre ich nicht dabei gewesen. Der plötzliche Tod war so unfaßbar für mich (und ist es noch)... diese drastischen Bilder sind irgendwie für mich wie ein Beweis, ich und in dieser Situation brauchte sie wohl. Und doch würde ich mir wünschen es nicht erlebt zu haben!

Das Leben ist nicht immer gerecht.
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Ach, Finchen. Das tut mir so leid für Dich.
Ich kann Deine Gedanken sehr gut nachvollziehen und mir ging es schon recht ähnlich.
Bei meiner eigenen Stute wollte ich damals unbedingt mit zum Schlachter fahren. Dennoch konnte ich mich nicht richtig verabschieden, weil mein Freund und sein Vater mir das Pferd vor Ort direkt aus der Hand nahmen und hinein führten. Ich stand draussen, hörte den Bolzen und dachte, ich sterbe direkt gleich mit. Dann musste ich unbedingt rein und mich davon überzeugen, dass es vorbei ist. :(
Aber diese Bilder kann ich auch heute noch jederzeit abrufen.

Letztes Jahr ist das Pferd einer Freundin gestorben während ich da war. Sie selbst war im Ausland. Ich musste hilflos mit ansehen, wie der Bursche mir unter den Händen starb und danach alles organiesieren. Das funktionierte...... bis ich abends zu Hause war. Und auch diese Bilder werde ich so leicht nicht los.

Ich denke es ist völlig normal und gehört wohl auch zum Prozess des Trauerns und Verarbeitens dazu.....
Dinah
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Beitrag von Dinah »

Mein Pferd wurde auf der Weide eingeschläfert. Ein Transport kam für mich nicht in Frage, da die Stute dabei immer sehr nervös war und auch nicht 100% verladesicher. Den Stress wollte ich uns allen ersparen.

Zwischen der Entscheidung und dem Tag X lagen drei quälende Tage des Abschieds.

Das einschläfern an sich war erst etwas aufregend, da das Pferd kreislaufmässig so unten war, dass sie die erste Beruhigungsspritze überraschenderweise schon umhaute wie einen gefällten Baum. Der Rest verlief dann sehr ruhig.
Für mich war es wichtig das Pferd, das (bis auf eine kurze Unterbrechung) 24 Jahre Teil meines Lebens war, auf dem letzten Weg zu begleiten und aktiv dabei zu sein.... zu halten.... zu sehen....

Ich hab dann noch die Eisen abgemacht und dem Weidekumpel Gelegenheit gegeben den toten Körper zu beschnuppern.
Danach bin ich gegangen und ein Nachbar hat den Kadaver an die Strasse gezogen und mit Plane abgedeckt.

Den Abtransport im Kadaverwagen hätte ich mir nie im Leben angetan, da ich diesen Anblick nicht in Erinnerung hätte behalten wollen.

Wie es mir gegangen wäre, wenn mein Pferd morgens tot auf der Weide gelegen hätte, weiss ich nicht. Wahrscheinlich wäre es aber "ok" gewesen, da es nicht aus heiterem Himmel, wie bei einem Unfall, gekommen wäre.

Aber auch da hätte ich nicht sehen wollen, wie der Körper in den LKW gehievt wird.

Finchen, ich wünsche Dir, dass Du mit der Erinnerung und den nachträglichen Gefühlen, bald gut umgehen kannst und es Dir schnell besser geht.
Kiwi
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Beitrag von Kiwi »

Finchen, ich kann das total nachvollziehen. Mir geht es jetzt nach 4 Jahren immer noch so, dass diese Bilder hochkommen und ich feuchte Hände und Herzklopfen bekomme, wenn ich daran denke. Ich konnte auch lange kein Pferd liegen sehen, auch wenn das eigentlich damit ja überhaupt nichts zu tun hat.

Aber ich kann dir auch sagen, mit der Zeit räumen sich auch die "schönen" Erinnerungen wieder Platz in deinem Gedächtnis ein. Ich bin der Meinung, man soll diese Gefühle und Eindrücke "über sich ergehen lassen", das gehörte für mich einfach zu dem Prozess des Trauerns und auch Begreifens dazu.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Finchen, ich kann das sehr gut nachvollziehen, dass Du diese Bilder nicht aus dem Kopp kriegst. Bei mir waren es nur die Geräusche, aber auch da dachte ich, mein Gott, das bricht ihr doch die Knochen!!! Als sei das nicht egal :cry:
Als sie da lag dachte ich nur wie wunderschön sie noch ist und nun keine Schmerzen mehr hat.
Bei dem Gedanken daran-immerhin schon 13 Jahre her, schnürt es mir immer noch das Herz zusammen.
Für mich wäre es beruhigender gewesen, sie wäre Nachts einfach eingeschlafen oder plötzlich tot umgefallen.Obwohl alles ruhig, friedlich und mit Kumpel in der Nähe verlief.
Aber sie war ein eigentliches gesundes sehr fittes Pferd, mit etwa 30 Jahren!!!

Bei Anchy darf ich nicht näher drüber nachdenken, habe ja schon mehrfach um ihr Leben bangen müssen.

Möge der Tag fern sein.
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
Unbek. Ecuyer
minou
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Beitrag von minou »

Ich wäre froh, wenn mein Pferd nachts von ganz allein sterben würde (in ganz ferner Zukunft natürlich). Dann müßte ICH nicht entscheiden, wann es soweit ist.
******
Indem uns das Pferd sein Vertrauen schenkt, fordert es uns zu einer disziplinierten Reitweise auf. Charles de Kunffy
Braunestute32
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Beitrag von Braunestute32 »

Finchen, ich empfehle dir diese Gedanken zuzulassen und dann durch positive ausklingen zu lassen.
Wenn du diese Bilder verdrängtst, das bringt dir auf Dauer nichts, du musst das verarbeiten.
Bei deiner Geschichte musste ich mir grad spontan die Hand vor den Mund schlagen.
Ich hätte das nicht mit ansehen können, weil ich weiß, dass ich da viel zu zart beseitet bin.
Begleiten ja, aber nicht dann diese absolut kalten Vorgänge mitansehen. Das bringt einem nichts. Aber so war es nun mal bei dir und jetzt musst du lernen damit umzugehen.
Ich drücke dich und das schaffst du!
Bier, Knedl, Schweinsbron, Nahrungsgrundlage eines Bayern.
Paris78
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Beitrag von Paris78 »

Auch von mir herzliches Beileid Finchen!

Ich habe mein altes krebskrankes Pferd am Feldrand auf dem Hof einschläfern lassen. Erst die Narkose. Sie fing an zu taumlen und ich habe sie ein bissl am Halfter unterstützt bis sie sich hingesetzt hat und dann auch vorne runter ging. Dann habe ich ihre Beine sortiert und ihren Kopf auf meinen Schoß gelegt. Dann kam die nächste Spritze und dann wars auch relativ schnell vorbei. Sunny ist mit dem Kopf auf meinem Schoß eingeschlafen und hat nix mehr mitbekommen.
Sie wurde mit einer Plane abgedeckt und mein Vater hat damals den Tierkadavertransporter bestellt. Der konnte bis zur der Stelle durchfahren und ich war auch gar nicht dabei. Ich glaube das hat der Transporteur mit unserem SB alleine gemacht. Das ist nun 18 Jahre her. Wenn das Pferde keine Probleme mit Narkose oder TA hat würde ich das wieder so machen.

Entscheiden, ob das Pferd eingeschläfert werden muss oder nicht wollte und konnte die TA nicht. Sie hat mir nur aufgezeigt was alles in der nächsten Zeit passieren "kann" und daraufhin habe ich dann entschieden, daß es besser ist sie einzuschläfern und die TA war dann damit auch einverstanden. Das war mir dann auch sehr wichtig, daß wir da einer Meinung sind. Entscheiden tue ich, das ist klar, aber mit Unterstützung des TA´s.

Der/Die TA ist ja irgendwie eine Vertrauensperson und man möchte als Besitzer ernst genommen werden. Und wenn ich dem TA sage, daß das Tier leidet und (z.B. seinen Lebenswillen so langsam verliert), dann erwarte ich auch, daß man mir das glaubt und mich unterstützt und mir dann nicht sagt " Och das geht doch noch".
Von daher, wünsche ich Dir (Braunestute), wenn es denn dann wirklich mal soweit ist, einen verständnisvollen TA, der Dich unterstützt und Dir nicht das Gefühl gibt eine falsche Entscheidung treffen zu wollen.
Gänseblümchen
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Beitrag von Gänseblümchen »

Ich setze mich mit diesem Thema auseinander, seit ich mein Pferd bekommen habe. Es war zu dieser Zeit schon 21 und für meine Begriffe alt :D Das älteste Pferd das ich persönlich bis dahin kannte war 23 und sah echt schrecklich alt aus.
Nun ist er 28, seine Lunge funktioniert nur noch zu 2/3 und wir schlagen uns mit anderen Alters-weh-wehchen rum. Auch meine Stute ist mit 22 nicht mehr die jüngste und gesundheitlich ähnlich angeschlagen.

Und wie stehe ich zu dem Thema? Erst mal kommt auf Grund der vielen Medikationen nur das einschläfern in Frage. Und das auch nur auf der heimischen Koppel und in meinem Beisein. Den Abtransport will ich nicht mit an sehen. Das dabei sein bin ich meinen Dicken aber schuldig. Ich habe Verantwortung für die Tiere.

Und ich finde auch das bei vielen Tieren mit dem einschläfern viel zu lange gewartet wird. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Tier zu früh eingeschläfert wurde. Es wurde immer unnötig hinaus gezögert, weil die Besitzer zu egoistisch waren, sich damit abzufinden das alles irgendwann ein Ende hat.

Meine Einstellung ist sehr trocken und emotionslos. Bewusst. Es handelt sich um recht alte Tiere und ich stelle mich lieber jetzt schon vorsichtig darauf ein.

Das ist meine Art damit umzugehen. Ich bewahre Distanz.
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

ja, meist kommt es halt anders, als man plant. ich hab heute zum ersten mal nach dem einschläfern noch mal mit der tierärztin, die das gemacht hat, gesprochen, das bringt wieder viel emotion hoch. mein alter lieber kerl hat es mir wirklich leicht gemacht, dennoch ist es furchtbar schwierig.
gerrudy
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Beitrag von gerrudy »

Ich möchte dieses Thema noch mal hoch holen und von meinen Erfahrungen der letzten Woche berichten.
Meine Stute ist Mitte 20, seit über 20 Jahren in meinem Besitz, seit 5 Jahren Rentnerin in einem Offenstall, hat diverse Athrosen (Schale/Kissing Spines) und der letzte Winter war echt schon ganz schön heftig, weil sie immer mehr abbaute, massiv zugefütttert werden musste, Hautprobleme und Stoffwechselprobleme kamen dazu - der TA war eigentlich ständig da.

Ich hoffte aber einfach auf eine Verbesserung zum Frühjahr hin und auf einen schönen Sommer für sie.
Dieses Frühjahr hatten wir dann bisher nur Haarlinge und eine Augenentzündung und eben den sehr dünnen Allgemeinzustand.

Letztes Wochenende war ich nicht da und eine Freundin hat nach meiner Alten gesehen.
Sonntagabend rief sie mich dann an und sagte, dass das Pü ihr so gar nicht gefiele und ich solle doch mal genauer hinsehen. Sie stände oft abseits und selbst auf der Weide würde sie oft nicht fressen sondern wie abwesend wirken. Sie sei deutlich zu dünn, hätte überall kleine Bißwunden und sei überaus schreckhaft. Die Augen seien mal wieder entzündet, Augensalbe hatte die Freundin schon besorgt und mit schmieren angefangen. Sie wolle mich aber mal dezent darauf hinweisen, nicht das ich betriebsblind würde...
Ich war schon ziemlich errschreckt
Montag fand ich Stuti dann aber gar nicht so übel - wie immer eigentlich. Ja, in den Flanken wieder etwas mehr eingefallenund die Augen entzündet und ein paar Kratzer. Mein Zusatzfutter wollte sie auch nicht - aber das kennt man ja schon, sie frißt nur, wenn SIE es für nötig hält.
Dienstag waren die Augen dann noch schlimmer, sie bekam zusätzlich eine Augenmaske auf, was sie ziemlich zu irritieren schien. Sie sieht wohl eh nicht mehr so gut - und mit der Maske wirkte sie schon etwas hilflos. Sie flehmte viel und stand wirklich häufig nur rum, ohne an's Gras zu gehen.
Mittwochn ist das Ganze dann eskaliert.
Als ich vormittags im strömenden Regen und nur 5°C bei Stuti ankam, war die ganze Herde gemütlich mümmelnd im Offenstall. Nur eines fehlte - und ich wurde schon leicht panisch. Ich fand Stuti allein draußen - wie orientierungslos im Kreis laufend und am ganzen Körper zitternd. Als ich sie rief, kam sie aber und kam willig mit - bis zum Offenstall. Da wollte sie absolut nicht durch (mussten wir aber um zum Futter/Box zu kommen), die andern Pferde stellten sich ihr in den Weg und sie schien richtig Angst zu haben. Ich musste die andern regelrecht vertreiben. In der Box habe ich sie dann abgerubbelt bis sie nicht mehr gebibbert hat, eingedeckt, Futter gegeben - und meine Freundin angerufen.
Die ist zum Glück sofort gekommen und war auch ziemlich erschrocken.
Als Stuti aufgefressen hatte, wurde sie extrem unruhig (sie mag absolutnicht in der Box stehen) und wollte raus aus der Boxe - aber dann fing das Drama erst richtig an.
Zurück im Offenstall riss Stuti sich panisch von mir los und rannte in eine Ecke. Die anderen Pferde hinterher - und dann gab es eine wilde Schlägerei. Alle gegen eine! Stuti rannte in ihrer Panik in einen der Fresständer, in die sie sich in den ganzen Jahren noch nie reingetraut hatte. Dort hatte sie sich aber selbst in die Falle gebracht und konnte nun nicht mehr vorwärts und nicht mehr rückwärts.... Ich muss die geifernde Herde regelrecht mit einer Longierpeitsche aus dem Offenstall treiben und Stuti dann bibbernd rückwärts aus dem Fresständer schieben. Sie stürtzte an mir vorbei und raste hinaus auf den nassen, glitschigen Paddock - wo sie direkt von der Herde in Empfang genommen wurde und über den Paddock gescheucht wurde.
Meine Freundin und ich sahen uns an - und mussten nichts mehr sagen. Alle hatte immer gesagt "wenn es so weit ist, wirst du es merken"- und ich hatte insgeheim gedacht "ich werde es bestimmt nicht merken, weil ich es wahrscheinlich gar nicht merknen will" - aber da habe ich es dann gemerkt.
Ich nahm mein Handy, rief den TA an und hab ihm erst noch relativ beherrscht die Situation geschildert und gesagt, dass ich glaube, das er Stuti nicht mehr helfen kann, sondern dass er sie einschläfern solle. TA wiegelte ab und wollte beruhigen - als meine Freundin aufschrie und ich spontan anfing zu heulen, weil Stuti auf dem Paddock bei der Hetzerei ausgerutscht war und nun lang in der Matsch lag. Da begriff wohl auch der TA und willigte ein, Stuti am Donnerstag einzuschläfern. Die Nacht sollte sie möglichst in der Krankenbox verbringen - was aber nicht möglich war, da sie sich nicht mehr einfangen ließ (sie ist bisweilen äußert alterstarrsinnig - und war zu dem Zeitpunkt zusätzlich ziemlich verstörrt)
Wie mein restlicher Tag und meine Nacht waren, brauche ich euch wohl nicht näher zu beschreiben, oder?
Die Stallbesis wurden informiert - sie sahen die Situation aber als nicht soooo schlimm an - mussten aber abends zugeben, dass Stuti nicht mehr zur Herde in den Stall darf und sofort vertrieben wird und immer noch so verstörrt ist, dass man sie nicht einfangen kann....

Donnerstagmorgen regnete es immer noch in Strömen, 3°C....
Die Herde stand im Offenstall und fraß, Stuti draußen untern einem Baum, wo der Stallbesi sie abends und morgens gefüttert hatte. Komischerweise ließ sie sich willig einfangen, erschien mir auch ausgeglichener und folgte mir willig in die Box, wo sie eine weitere Portion Heu mümmelte. Sie war durch die Decke trocken und warm, war nicht panisch und zittterte nicht.
Der TA kam, blieb an der Tür stehen und seine ersten Worte waren: "Das Pferd sieht aber nicht krank aus, das schläfere ich nicht ein"
Ich kam mir so mißverstanden vor!
Als wolle ich mein altes Pferd los werden. Ein Pferd, das "nur" etwas mager ist, eine Augenentzündung hat, einen schlechten Fellzustand hat und einige Kratzer und Bißspuren - aber nicht totkrank ist.
Ich veruchte dem TA (der sowohl mich als auch das Pferd seit fast 20 Jahren kennt) klar zu machen, dass ich mein Pferd absolut gerne behalten will - aber es auch nicht noch mal sehen kann, dass sie so gehetzt und panisch sein muss, wie gestern.
Aber der TA meinte nur, dass das eben normales Herdenverhalten sei, Stuti würde schwächer und verliere ihre Position in der Herde und müsse sich mit der unteren Rangposition abfinden - und dann sei alles wieder gut und sie könne noch zig Jahre mit ihren kleinen Zipperlein leben.

Tja, nun steh ich da.
Und bin froh, dass ich meine Alte noch habe.
Und habe Angst, dass es falsch ist und ich ihr das nicht mehr antun sollte.
Ich weiß, dass sie medizinisch nicht eingeschläfert werden müsste, sie hat keinen akuten Arthroseschub, keine Kolik, kein gebrochenes Bein und kippt nicht gleich tot um --- aber ich will nicht, dass ihre letzen Monate so grausam ablaufen, wie die letzten Tage.
Zum Glück regnet es seit gestern morgen nicht mehr und es ist etwas wärmer, so dass sie nicht mehr friert.
Stallbesis haben eingewilligt, dass Stuti einen kleinen Bereich auf der Weide abgeteilt bekommt mit einer andern alten Stute - falls das Theater auch weiter geht, wenn die Pferd wieder mehr auf's Gras können (war die letzten Tage auf Grund des massiven Dauerrregens gesperrt).
Aber in den Unterstand/Offenstall läßt die Herde meine Alte definitiv nicht mehr - gestern hatte sie schon wieder eine neue tiefe Platzwunde über'm rechten Auge- wer weiß, wo sie da wieder gegen gerannt/gescheucht wurde...
Aber das ist halt so, sagt der TA.

Was meint ihr?
Wenn ein Pferd aus der Herde ausgestoßen wird - ist es dann nicht so weit?
Oder sehe ich das überspitzt?
Und vor allem, was soll ich tun, wenn der TA sagt, so ein Pferd schläfert er nicht ein?
Soll ich einfach abwarten und auf warmes Wetter und auf einen guten Somer hoffen?
Ach, es ist so schrecklich!!!!

Was ich nicht möchte: sie verladen und wo anders einschläfern/schlachten lassen.
Und auch nicht mehr den Stall wechseln.

Sorry für den langen Roman, musste mir das alles mal von der Seele schreiben....
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Max Hase
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Beitrag von Max Hase »

Gänseblümchen hat geschrieben: Meine Einstellung ist sehr trocken und emotionslos. Bewusst. Es handelt sich um recht alte Tiere und ich stelle mich lieber jetzt schon vorsichtig darauf ein.

Das ist meine Art damit umzugehen. Ich bewahre Distanz.
Das habe ich auch von mir gedacht, zumal ich die medizinische Situation aus beruflicher Erfahrung gut einschätzen kann.
Und dann bekam mein 17-jähriger Kater einen "Durchzug" (schwankende Hinterhand, legte sich immer wieder hin, stand neben sich), ich dachte, nun ist es soweit, und war völlig wuschig. Planvolles Handeln ist jedenfalls was anderes. Nach 15 Minuten - gefühlten Stunden - war der Spuk vorbei. Im Moment geht es ihm ganz gut. UNd ich war eigentlich vorbereitet, der Kerl ist seit etwa 10 Jahren chronisch krank mit regelmäßigen Krisen.

@ Gerrudy
Für mich ist die Zeit gekommen, wenn ein Pferd nicht mehr Pferd unter Pferden sein kann. Wenn Dein Pferd mit einer anderen Seniorin noch friedlich leben kann, ist das eine gute Nische. Vielleicht hält sie noch diesen Sommer.
Ich würde nochmal ein ruhiges Gespräch mit dem Tierarzt suchen. Tierärzte sind Ärzte, die wollen helfen, kein Leben nehmen. Und manche haben auch ein persönliches Problem mit diesem Teil ihrer Tätigkeit. Dann hilft nur ein Arztwechsel beizeiten. (Habe ich gemacht, weil ich Tante Doktor nicht nochmal die Praxis zusammen heulen wollte). Sprich mit dem Doktor in Ruhe an einem guten Tag (wenn er eh im Stall ist, bei einer Impfung oder ähnlichem), erkläre, ab wann die Situation für Dich nicht mehr vertretbar ist. Dann hörst Du seine Antwort und weißt, ob er mitzieht, oder Du den Doktor wechseln musst.
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Sascha
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Beitrag von Sascha »

@gerrudy
Ich finde, es wird ziemlich deutlich, dass die Stute in dieser Herde massive Probleme hat. Müsste man halt genauer hinsehen, warum das so ist. An Einschläfern und Tierarzt hätte ich in der von dir beschriebenen Situation nun ehrlich auch nicht gedacht, sondern eher an eine Decke, ein Separieren, ein trockenes Plätzchen, ordentlich Futter und Rat und Hilfe vom Stallbesitzer.

Wie kommt es denn, dass die Stute nun plötzlich? so massive Probleme bekommt. Hat sich in der Herdenkonstellation etwas geändert? War sie ranghoch und ist in der Rangordnung abgerutscht? Sind die Pferde vllt insgesamt eher unausgeglichen und gestresst (Wetter?)?
So ist die Situation sicherlich nicht tragbar für die Stute gewesen, aber da hat der Tierarzt schon recht, solche Situationen können gerade bei alten Pferden eben schnell auftreten und eskalieren. Da ist dann das Stallmanagement gefragt.
"Wir wollen dafür Sorge tragen, dass wir das junge Pferd nicht verdrießen und ihm seine freundliche Anmut nicht verleiden. Denn diese gleicht dem Blütenduft, welcher niemals wiederkehrt, wenn er einmal verflogen ist."
Antoine De La Pluvinel
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